Steffen Wittig | University of Kassel (original) (raw)
Educational Science by Steffen Wittig
Schule und Pathologisierung Herausgegeben von Ralf Mayer / Ralf Parade / Julia Sperschneider / Steffen Wittig, 2023
Der Sammelband nimmt die erziehungswissenschaftlichen Diskussionen und Forschungsperspektiven auf... more Der Sammelband nimmt die erziehungswissenschaftlichen Diskussionen und Forschungsperspektiven auf, die sich im Spannungsverhältnis von Normalisierung und Pathologisierung im Rahmen der Schule eröffnen. Überlegungen und Untersuchungen zu Prozessen der Individualisierung oder gesellschaftliche Debatten zu schulischer Heterogenität und sozialer Ungleichheit sind hierin ebenso eingeschlossen wie die Relevanz medizinisch-psychiatrischer und psychologischer Diskurse für die Pädagogik. Hieraus ergeben sich vielgestaltige Anfragen an allgemeine erziehungswissenschaftliche Aspekte im Rahmen der Begriffsbildung, der (ethischen und politischen) Diskussion um Teilhabe, Chancengleichheit oder Bildungsgerechtigkeit wie auch an aktuelle Debatten über die Institution Schule und Bildungssysteme – etwa im Kontext von Inklusion – sowie über Professionsverständnisse.
Steffen Wittig, Ralf Mayer, Julia Sperschneider (Hrsg.): Ernesto Laclau. Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer, 2024
Der Band diskutiert ausgewählte Positionen der Theoriebildung Ernesto Laclaus, die in den letzten... more Der Band diskutiert ausgewählte Positionen der Theoriebildung Ernesto Laclaus, die in den letzten Jahren im Kontext demokratietheoretischer Debatten zwar in politik-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Feldern rezipiert wurde, deren Aufnahme in erziehungswissenschaftlichen Debatten aber eher als ‚handverlesen‘ bezeichnet werden könnte. Die Rezeption beschränkt sich häufig auf spezifische Einsätze rund um die gemeinsam mit Chantal Mouffe in Hegemonie und radikale Demokratie entwickelte und an Antonio Gramsci ansetzende Hegemonietheorie. Dass Laclaus Perspektiven jedoch eine Vielzahl produktiver Anschlüsse und Irritationen für unterschiedliche pädagogische Frage- und Problemstellungen beinhalten, verdeutlichen die hier versammelten Beiträge rund um transdisziplinäre Spannungsverhältnisse von Politik, Bildung und Pädagogik, von Artikulation und Repräsentation, von Ontologie und Identität oder im Kontext aktueller Sichtweisen auf Inklusion, Solidarität, Migration, pädagogische Beziehungen und Professionalität.
Erziehungswissenschaftliche Grundbegriffe im Spiegel der Inklusionsforschung, 2023
On Education. Journal for Research and Debate, 2022
This article aims to grasp the social mode of Arendt's pedagogically relevant metaphor of an 'ass... more This article aims to grasp the social mode of Arendt's pedagogically relevant metaphor of an 'assembly around a table' as a specific way of thematizing the ambiguity of the public sphere from two different perspectives. From one perspective, I want to examine how 'assembly' can be grasped as a mode of being together. To do this, I will sketch 'assembly' with Juliane Rebentisch as a 'plurality event'. Here I encounter the problem that alteritarian, mutually elusive, and unfathomable approaches to self and world have to be permanently translated into each other. This in turn gives rise to the question of how to maintain plurality. From a second perspective, I will try to grasp this 'maintenance of plurality' performatively with Butler. Bodies assemble and claim their presence in a public space of appearance. But it is precisely through the indexicality resting in these bodily acts that a reference is made from a particular position to a universal – to making precarity, homosexuality, transgender, racism, etc. disappear.
Erziehungswissenschaft, 2022
Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft... more Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft(AEW). Sie verschwinden zwischen Studienabschluss und Promotion, zwischen Postdoc und Lehrstuhl. Wir wollen im Folgenden dieses Verschwinden zum Ausgangspunkt eines statusgruppenübergreifenden Blicks nehmen undzwei machttheoretische Perspektiven auf die Systematik werfen, die dazuführt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich (gouvernemental)selbst zum Verschwinden bringen. Unseres Erachtens verschwinden sie zwischen den (Lehr-)Stühlen, weil sie sich einem Spiel unterwerfen, das die gegenwärtige Situation der AEW auf spezifische Weise charakterisiert: einer „Reise nach Jerusalem“, die sinnbildlich jenes kompetitive Suchen nach einem Stuhl aufführt, wobei immer zu wenig Stühle vorhanden sind und daher jederzeit aktive Bereitschaft zum Platznehmen gefordert ist.Um jene angenommene spielerische Systematik zu analysieren, wollen wir eine doppelte Optik entwerfen: Einerseits wollen wir dieses Zwischen aus derSichtweise des wissenschaftlichen Mittelbaus innerhalb der AEW als ein pre-käres skizzieren. Dazu wollen wir uns zweier Figuren bedienen, die KerstinJergus (2021) kürzlich aufgeworfen hat: Jener der „Teilung des akademischenRaumes in ‚Berufene‘ vs. ‚Nicht-Berufene‘“ (ebd., S. 13) und jener „des‚noch-nicht‘“ (ebd.). Im Anschluss daran wollen wir diese Figuren der Teilungund des Noch-nicht aus dem Blickwinkel der Berufenen hin zu einem Nicht-mehr verschieben und fragen: Artikuliert sich ein solches prekäres „Zwischen-den-(Lehr-)Stühlen“ nicht gerade auch vor dem Hintergrund der Lage derAEW als doppelt prekär, weil obendrein ganze Lehrstühle verschwinden? Droht also nicht nur ein Verschwinden zwischen den (Lehr-)Stühlen, sondernein Schwinden ganzer (AEW-)Lehrstühle? Wir wollen dabei die These verfolgen, dass eine Verortung im Feld der AEW einer subjektivierenden Reise nachJerusalem mit doppeltem Schwierigkeitsgrad gleicht, in der strukturelle Probleme der Wissenschaft und ihrer Institutionen in individuelle Probleme trans-formiert werden (vgl. Liesner 2005; Jergus 2021).Der Diskurs zur Gouvernementalität in der universitären Bildung hat schon einige Vorläufe,die hier nicht alle eingeholt werden können (vgl. Liesner 2006, 2008; Dzierbicka 2006)
Rieger-Ladich, Markus/Brinkmann, Malte/Thompson, Christiane (Hrsg.) (2022): Öffentlichkeiten. Urteilsbildung in fragmentierten pädagogischen Räumen., 2022
‚Das wird man wohl noch sagen dürfen‘. Dieser Satz, so vermuten wir zumindest, wurde im Kontext d... more ‚Das wird man wohl noch sagen dürfen‘. Dieser Satz, so vermuten wir zumindest, wurde im Kontext des bisher Gesagten des Öfteren angerissen. Er erscheint insofern eigentümlich, verweist er doch auf eine Ambivalenz, die, so zumindest unsere These, den Begriff der Öffentlichkeit in unterschiedlichen terminologischen Konstellationen zu umkreisen scheint. Folgt man Heideggers Ausführungen in Sein und Zeit (1927; hier 2006), so ist es gerade dieses kleine Wörtchen ‚man‘, das in dieser Formulierung jene Problematik der Öffentlichkeit zu umreißen scheint . Zum einen wird mit dem ‚man‘ darauf verwiesen, dass scheinbar eine Instanz existiert, die über eine beliebige Artikulation urteilt und damit den Raum des Sagens und Handelns auf spezifische Weise begrenzt. Dabei qualifiziert Heidegger dieses ‚man‘ als etwas, dass sich „faktisch in der Durchschnittlichkeit dessen [hält], was sich gehört, was man gelten läßt und was nicht“; es zeichnet vor „was gewagt werden kann und darf“ und „wacht über jede sich vordrängende Ausnahme“ . Zum anderen aber konstituiert sich der Raum der Artikulation gerade erst in der handelnden Auseinandersetzung mit dieser Machtförmigkeit des ‚man‘ . Durchschnittlichkeit, Einebnung und Abständigkeit bilden dabei „als Seinsweisen des Man das, was wir als »die Öffentlichkeit« kennen“ . Gleichsam aber scheint sich dieser Begriff der Öffentlichkeit in der eben gezeigten Ambivalenz erst zu konstituieren, da ihm sowohl eine Machtförmigkeit, die den Raum des Sag- und Machbaren limitiert, als auch eine Dimension der Praxis inhärent scheint, die in Auseinandersetzung mit jenen machtförmigen Begrenzungen einen Raum der Artikulation erst eröffnet. Für Heidegger geht es bei seinem ambivalenten Öffentlichkeitsbegriff in erster Linie um einen ontologischen Terminus. Wenn er seine Überlegungen zum ‚man‘ in dem berühmt gewordenen Satz kulminieren lässt: „Die Öffentlichkeit verdunkelt alles“ – so denkt er dies immer in Bezug auf das zwischen der Machtförmigkeit des ‚man‘ und der handelnden Abgrenzung zu dieser sich artikulierende Sein selbst. Der „Pluralität des Politischen“ gegenüber bleibt er jedoch „feindselig“, so Großmann . Kontrastiert man eine solche Perspektive aber mit einer Position wie der Hannah Arendts, die versucht den Begriff der Öffentlichkeit (u.a. in Referenz auf Heidegger) unter dem ‚Primat des Politischen zu lesen, so rückt das handelnde Bezugnehmen auf jene Ambivalenz des Öffentlichen in den Fokus. Wir wollen im Folgenden nach der Rolle dieses Handlungsbegriffs im Rahmen der Konstitution des Öffentlichen fragen, wird dieser Terminus des Handelns doch einerseits zum Angriffspunkt machtvoller Präskriptionen des Öffentlichen, andererseits aber eben auch zum umwälzenden Faktor desselben. Diesbezüglich wollen wir der bei Heidegger angedeuteten Spur der Ambivalenz des Öffentlichen in die Sphäre des Politischen vor dem Hintergrund der Frage folgen: Wie artikuliert sich das Öffentliche handelnd, wenn es sich zugleich als Präskription der Möglichkeiten des Handelns hervorbringt? Hierfür soll anhand der Einsätze Arendts (2.), Laclau/Mouffes (3.) sowie Butlers und Bhabhas (4.) den unterschiedlichen Akzentuierungen dieses Spannungsfeldes nachspürt werden.
Paradoxien (in) der PädagogikPublisher: Ulrich Binder / Franz Kaspar Krönig, 2021
Ich möchte im Folgenden die These aufwerfen, dass Paradoxien, wie bspw. Kants auf das Spannungsfe... more Ich möchte im Folgenden die These aufwerfen, dass Paradoxien, wie bspw. Kants auf das Spannungsfeld von Autonomie und Unterwerfung abzielende Frage „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“ (1977, S. 711), zu einem Dorn im Fleisch des Pädagogischen werden. Sie durchziehen das Gemäuer der Pädagogik als ‚Riss‘, als „grundsätzliche Paradoxie[n]“ (Bilstein 2004, S. 427, Herv. S. W.), die unterschiedlichste Artikulationen innerhalb des Pädagogischen antreiben, weil (und obwohl) eine Auflösung jener Problematik „nur ideell, aus der Sicht des Utopischen“ (Borelli 2003, S. 145) in Aussicht steht. Ich möchte im Folgenden jener Spur der Paradoxien im Pädagogischen folgen und dabei die These der Produktivität eben jener vertreten. Auf zwei Artikulationsweisen dieses ‚Risses‘ will ich in diesem Kontext eingehen: Erstens möchte ich mit Wimmer die konstitutive Bedeutung des Paradoxen für das Pädagogische nachverfolgen. Hierbei will ich seine These vom ‚Grund-Riss‘ (vgl. Wimmer 2016. S. 45) der Pädagogik aufgreifen, die er in Auseinandersetzung mit Ruhloff (1991, S. 71) entwickelt (2.). Zweitens soll aufgezeigt werden, dass in jenem grundlegenden Riss im Pädagogischen ein produktives Moment liegt. Hierfür referiere ich auf Laclaus Verschiebung der Derrida’schen Dekonstruktion in die Gleichzeitigkeit von Möglichkeit und Unmöglichkeit (3.) und münde mit Masschelein/Simons in der These, dass dieser Grund-Riss die Pädagogik zu einem (politischen) Experiment mutieren lässt, dessen Ausgang vollkommen ungewiss ist (4.).
Coils of the Serpent 7 (2020): 146-168, 2020
A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: “Le patriarcat ni... more A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: “Le patriarcat nique son père’”. The suggestion that patriarchy, indeed, is a ‘fatherfucker’ seems to turn around the power structures and questions hegemony1 from a new speaker position. However, these speaker positions are articulated within a highly contested and fraught discourse within the #MeToo-movement. Especially when it comes to representing people of color from white speaker positions, the #MeToo movement runs into the danger of reproducing the very hegemonic discourses it sets out to undermine. To illustrate this: While black activist Tarana Burke founded the hashtag already in 2006 to raise her voice against white patriarchal suppression, it was only after the appropriation through white actresses like Alyssa Milano, Scarlett Johansson and others that the demands of black activist Tarana Burke gained broader mainstream attention. The emancipatory struggle against patriarchal hegemony seems to articulate #MeToo as an intersection between different discourses. What I am interested in here, can be brought to the following problem: Social movements like #MeToo produce crowds. On the one hand, they often constitute emancipatory interventions in a fight against specific forms of oppression. On the other hand, however, it can also be noticed that precisely these crowd producing movements are articulated as powerful constructs, which in turn produce exclusions. And this is because movements depend on representations to get their dynamics unified. In the following, my aim is to show that the #MeToo movement in the fight against patriarchal hegemony, in turn, occupies the empty concept of feminity with a hegemonic white position and thus systematically excludes the positions of women and girls of color. To get an overview of this as well including as excluding dynamics of that crowd producing social movements, I propose to understand them with Laclau and Mouffe as ‘chains of equivalence’ (cf. Laclau and Mouffe 2014: 113). The #MeToo movement (like other movements) articulates itself as a powerful construct (of equivalence) that can only enter into an emancipatory struggle by distinguishing positions of legitimate speech from positions of illegitimate speech (cf. l’Amour laLove 2017). My question is, how this dynamic structure of #MeToo can be described and how it can be analyzed?
Vierteljahrsschrift für Wissenschaftliche Pädagogik 97 (2021) 127-143, 2021
Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change i... more Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change in the performance principle. For a deeper understanding of this process, we analyze aspects that underlie the daily practices of performance: We pursue the open question of the contradictory conditions of the modern performance principle and its subjectivizing effects, present the concept of ritual as a way of dealing with this contradictoriness and show how rituals maintain the collective belief in performance.
Thompson, Chr./Zirfas, Jörg/Meseth, Wolfgang und Fuchs, Torsten (Hrsg.): Erziehungswirklichkeiten in Zeiten von Angst und Verunsicherung. BeltzJuventa, S. 27-46, 2021
Angst radikalisiert die These, dass der Prozess der Subjekt-Werdung bzw. der Subjekt-Bildung wede... more Angst radikalisiert die These, dass der Prozess der Subjekt-Werdung
bzw. der Subjekt-Bildung weder auf die Idee eines subjektiven Kerns, auf eindeutige innere Motive, Anlagen, Kompetenzen o. ä. noch ungebrochen auf äußere Bedingungen, auf soziale Ordnungen, kulturelle Codes usw. zurückgeführt werden kann. Angst konfrontiert vielmehr einerseits mit der Aussichtslosigkeit, entsprechend unmissverständliche Ab- oder Herleitungen vorzunehmen, wie andererseits mit der Unmöglichkeit,
im Kontext des Subjektivierungsprozesses die Drehpunkte des
Selbst- und Weltverhältnisses als vollständig unabhängige Instanzen zu isolieren. Diese paradoxe Konstellation entfalten wir in Bezug auf das Angstverständnis Kierkegaards (2.) und Sartres (3.). Sartres Verständnis des „Blicks“ mündet in Überlegungen Lacans zum Moment des Imaginären in jeder Identifikationspraxis und zur Dynamik des Verhältnisses von Selbst und Anderem. Das vierte Kapitel (4.) schließt mit einigen daraus resultierenden Perspektiven, die nicht zuletzt auf aktuelle politische Problemlagen anspielen. Ein letzter Schritt pointiert nochmals die Abgründigkeit des Angstbegriffs in Referenz auf diskontinuierliche Umgangsweisen – zwischen Infragestellung, Immunisierungsstrategien und Gewalt (5.).
Rieger-Ladich, Markus/Casale, Rita/Thompson, Christiane: Un-/Zugehörigkeit. Bildungsphilosophische Reflexionen und machttheoretische Studien. BeltzJuventa: Weinheim/Basel. S. 123-141, 2020
Diskurs, 2020
The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democr... more The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democracy insofar as we understand democracy as a particular way of relating to the Political , namely as the acceptance, that the ‚place of power' is ‚a void', as Lefort resp. Laclau & Mouffe would denote it. In these premises democracy-and all kind of positions of subjects located in this relation to the Political-becomes a permanent struggle for identity. Against this theoretical background, we want to analyze Ulrich Kutscheras perspective on the differentiation between sex and gender to show how science can become such an articulation of a political struggle for identity and how such a position becomes compatible to right-wing ar-ticulations, whereupon we want to ask what consequences arise for democracy against the backdrop of such a confrontation of democracy with an anti-genderistic articulation.
Blumenthal, Sara-Friederike/Sting, Stephan/ Zirfas, Jörg: Pädagogische Anthropologie der Jugendlichen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 72-90, 2020
Der Begriff der Jugend hat – unter den Bedingungen der Spätmoderne – seine Form verändert: System... more Der Begriff der Jugend hat – unter den Bedingungen der Spätmoderne – seine Form verändert: Systematisch fokussieren Deskriptionen eines modern verstandenen Jugendbegriffs vor allem um Problematiken der Entwicklung einer „stabilen Identität“ durch das Bewältigen von Entwicklungsaufgaben, wie der „Familiengründung“, der „Berufsfindung“, der Konstruktion einer „Geschlechtsidentität“ und der Auseinandersetzung mit einer „Konsumorientierung“ (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2011, S. 30f.; Ecarius/Berg/Serry/Oliveiras 2017, S. 21). Im Kern leben diese Konzeptionen moderner Jugend davon, Jugend als eine eigenständige Phase des Übergangs von der Kindheit ins Erwachsenenalter zu beschreiben, die gerade dann abgeschlossen ist, wenn all diese Aufgaben erfolgreich absolviert wurden, und demnach eine stabile Identität entwickelt wurde. Gerade aber eine solche Vorstellung der Entwicklung einer Identität, die mit der Phase der Jugend zu einer gewissen Stabilität gebracht werden könnte, kann vor dem Hintergrund gegenwärtiger theoretischer Perspektiven problematisiert werden. Es stellt sich also die Frage, wie Jugend als Übergangsphase überhaupt gedacht werden kann, wenn Identität nicht mehr so leicht als etwas Stabiles verstanden werden kann.
Um diesen Bruch in den Blick zu nehmen, der zwischen einer Perspektive auf Jugend verläuft, die einerseits einen Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein als zwei relativ fixiert gedachte Zuständen beschreibt, und einer Optik auf Jugend andererseits, die einen Übergang ohne Telos bildet, könnte es aussichtsreich sein, jene Diskontinuität im Begriff der Jugend über den Prozess der Initiation zu beschreiben. Erstens soll deshalb in einer Linie von Arnold van Gennep hin zu Victor Turner untersucht werden, inwiefern der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter in der spezifischen Figur des Initiationsrituals ausdifferenziert wird und wie dieser Zustand des Zwischens von Kindheit und Erwachsensein als ein Übergangsphänomen des „in betwixt and between“ (Turner 1964, S. 48) beschrieben werden kann (1.). Hiernach soll das Phänomen der Initiation in einer spätmodernen Perspektive aufgerufen werden. Dazu soll, zweitens, über die Analyse von Freuds Totem und Tabu, die Figur des Vatermordes in den Fokus gerückt werden, mit der eine spezifische Perspektive auf die Jugend in der Spätmoderne artikuliert werden kann, die diese in eine Verbindung zur „Krise der Subjektivität“ (Badiou 2016, S. 36) setzt (2.). Diesbezüglich soll die These federführend sein, dass Jugend als Übergangsphase nicht mehr gänzlich abgeschlossen werden kann und, sozusagen, in einem Zustand unabschließbarer Initiation verbleibt, weil sich eben jene Figur des konstitutiven Anderen verändert hat. Dies soll, drittens, mit Lacan in den Blick genommen werden (3.), bevor schließlich ein kurzes Fazit der Betrachtung gezogen wird (4.).
Beschäftigt man sich mit der gegenwärtigen Rezeption Ernesto Laclaus, so fällt auf, dass zwar in ... more Beschäftigt man sich mit der gegenwärtigen Rezeption Ernesto Laclaus, so fällt auf, dass zwar in den letzten Jahren eine intensiver werdende politik-, kultur-und sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung zu konstatieren ist, in pädagogischen Diskursen allerdings könnte man von einer eher sporadischen Aufnahme sprechen. Sie beschränkt sich auf spezifische Einsätze rund um die gemeinsam mit Chantal Mouffe in Hegemonie und radikale Demokratie entwickelte und an Gramsci ansetzende Hegemonietheorie. Das Laclaus Perspektive jedoch eine Vielzahl produktiver Anschlüsse und Irritationen für die pädagogische Theoriebildung beinhaltet, soll Gegenstand des Workshops sein. Das Spannungsfeld der Begriffe Politik, Hegemonie und Artikulation ist dabei leitend. Erstens ist es das spannungsreiche Verhältnis zwischen Politik und Pädagogik, das produktive Einsätze sowohl in empirischer als auch theoretischer Hinsicht liefern kann. Laclaus Verständnis des Politischen, das er gemeinsam mit Chantal Mouffe entwickelt, problematisiert den Begriff der ‚Gesellschaft' und bricht so mit gewohnten politischen, soziologischen wie auch erziehungswissenschaftlichen Sichtweisen radikal. Gesellschaftliche Zusammenhänge bilden für Laclau/Mouffe keine Totalität. Sie werden weder als Ganzheit in Platons Sinne einer kosmologisch gegründeten, politischen Anatomie vorstellbar noch als etwas, dessen Einheit über transzendente Bezugspunkte (wie dem Gottes) oder die Subsumtion unter ökonomische Prozesse etc. gefasst werden kann. Vielmehr wird ‚Gesellschaft' (mit der Aufklärung) zu einem ‚unmöglichen Objekt'. Insofern reden beide auch nicht mehr von der Gesellschaft in der Einzahl, sondern vielmehr von einem Sozialen, das konstitutiv von einem Antagonismus durchzogen ist. Zweitens erscheint das Soziale so vor diesem Hintergrund als unaufhörlicher, unmöglich abzuschließender Kampf um dessen Gestaltung und möglichen Begründungen. Für Laclau ist es der Begriff der Hegemonie, der dem Sozialen eine differente Einheit zu geben vermag -zumindest temporär und partikular. In einem konkreten Zusammenhang zielt er einerseits darauf, die Partikularität einer spezifischen sozialen Praxis performativ zu etwas Universalem zu erheben. In der gramscianischen Wendung, könnte man sagen, der politische Raum befriedet sich jeweils nur vorläufig, indem eine bestimmte Besetzung konstitutiver Problematiken sich als ein Konsens unter Antagonisten artikuliert. Insofern die Besetzung einer bestimmten Begrifflichkeit und Praxis führend wird, entfaltet sie Machteffekte. Damit ließe sich nach den Konsequenzen dieser Perspektive für die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Gemeinschaft, aber eben auch Erziehung, Bildung, Lernen, Leistung, Inklusion etc. fragen, die für das Pädagogische in seinem Verhältnis zum politischen Raum konstitutiv sind. Wie kann man in diesem Kontext hegemoniale Artikulationen innerhalb pädagogischer und anderer Diskurse als etwas verstehen, dass einerseits Kategorien hervorbringt, die unaufhörlich zur Disposition stehen, andererseits aber ein bestimmtes Sprechen über spezifische Problematiken immer wieder einfordert und anruft? Vor diesem Hintergrund eröffnen sich zentrale Problem-/Fragekomplexe:
Es sind die zugleich politischen und ästhetischen Einsatzpunkte Jacques Rancières, die das pädago... more Es sind die zugleich politischen und ästhetischen Einsatzpunkte Jacques Rancières, die das pädagogische Nachdenken herausfordern: Angesprochen sind damit etwa die Intervention in ein- wie ausschließende ‚Ordnungen des Sinnlichen‘, die Artikulation eines ‚Unvernehmens‘ über die Unterstellung von je spezifischen Gleichheitsmotiven und das Plädoyer für ein ästhetisches Regime, das in unterschiedlichen Feldern definitive und privilegierte Sichtweisen irritiert. Diese Herausforderungen gelten nicht nur für Begründungen und Qualifizierungen von Praktiken und Institutionen; ebenso erscheinen pädagogische Problemstellungen stets disziplinübergreifend in Spannungsfeldern von Politik und (polizeilicher) Ordnung situiert. Die Zielgruppen Lehrende und Studierende in den Bereichen Erziehungswissenschaft, (politische) Philosophie, Politikwissenschaften und Soziologie. Die Herausgebenden Ralf Mayer ist Professor am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel. Alfred Schäfer ist emeritierter Professor am Institut für Pädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Steffen Wittig ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel.
This article seeks to explore how imaginary objects, such as toys, may become something real in s... more This article seeks to explore how imaginary objects, such as toys, may become something real in such a medium as the "game". To this end, two assertions are made which focus on the question of how things, that are only called imaginary, become something invariably real. Firstly, this paper proposes the thesis that ima-ginary things become real objects, within the "game", through a certain subjective attitude of the player, which Huizinga would denote as 'holy earnest'. Secondly, the mode in which an imaginary thing is articulated, for Huizinga, as real in a game, the 'holy earnest', appears to be very close to Jacques Lacan's psychoanalytic perspective of how we constitute ourselves through the binding on the 'gaze of the other'. This article concludes with Sartre in the thesis, that the 'gaze of the Other' articulates us as subjects, only in the form of an objectification, which is always imaginary as well.
Erziehungswissenschaftliche Revue, 2017
Was haben die theoretischen Perspektiven Pierre Bourdieus und Jacques Rancières miteinander gemei... more Was haben die theoretischen Perspektiven Pierre Bourdieus und Jacques Rancières miteinander gemein? Auf den ersten Blick scheinen sie sich diametral gegenüber zu stehen: Während Bourdieu über Konzepte wie Feld oder Habitus vornehmlich die Hervorbringung " kultureller Differenzen " (8) – also die Produktion sozialer Ungleichheiten – in den Praktiken der Subjekte fokussiert, wird Rancière – vor allem seit der breiteren Rezeption seines Werks ‚Der unwissende Lehrmeister' [1] – als jemand gelesen, der nicht die Ungleichheit der Subjekte betont, sondern im Gegenteil von deren radikaler Gleichheit ausgeht. Zugleich aber binden beide ihre theoretischen Perspektiven nicht zuletzt an ein Verständnis des Ästhetischen, das nach den " Denk-, Handlungs-und Wahrnehmungsschemata " (ibid.) der Subjekte fragt. Dieses Spannungsfeld von " Gleichheit und Differenz " (9) bildet jene Problematik, an der sich die Beiträge des von Jens Kastner und Ruth Sonderegger vorgelegten Bandes abarbeiten.
In: Schäfer, Alfred / Thompson, Christiane (Hrsg.): Spiel. Schöningh. Paderborn 2014
In: Mayer, Ralf / Bünger, Carsten: Leistung – Anspruch und Scheitern. Halle (Saale). S. 147 - 166
Schule und Pathologisierung Herausgegeben von Ralf Mayer / Ralf Parade / Julia Sperschneider / Steffen Wittig, 2023
Der Sammelband nimmt die erziehungswissenschaftlichen Diskussionen und Forschungsperspektiven auf... more Der Sammelband nimmt die erziehungswissenschaftlichen Diskussionen und Forschungsperspektiven auf, die sich im Spannungsverhältnis von Normalisierung und Pathologisierung im Rahmen der Schule eröffnen. Überlegungen und Untersuchungen zu Prozessen der Individualisierung oder gesellschaftliche Debatten zu schulischer Heterogenität und sozialer Ungleichheit sind hierin ebenso eingeschlossen wie die Relevanz medizinisch-psychiatrischer und psychologischer Diskurse für die Pädagogik. Hieraus ergeben sich vielgestaltige Anfragen an allgemeine erziehungswissenschaftliche Aspekte im Rahmen der Begriffsbildung, der (ethischen und politischen) Diskussion um Teilhabe, Chancengleichheit oder Bildungsgerechtigkeit wie auch an aktuelle Debatten über die Institution Schule und Bildungssysteme – etwa im Kontext von Inklusion – sowie über Professionsverständnisse.
Steffen Wittig, Ralf Mayer, Julia Sperschneider (Hrsg.): Ernesto Laclau. Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer, 2024
Der Band diskutiert ausgewählte Positionen der Theoriebildung Ernesto Laclaus, die in den letzten... more Der Band diskutiert ausgewählte Positionen der Theoriebildung Ernesto Laclaus, die in den letzten Jahren im Kontext demokratietheoretischer Debatten zwar in politik-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Feldern rezipiert wurde, deren Aufnahme in erziehungswissenschaftlichen Debatten aber eher als ‚handverlesen‘ bezeichnet werden könnte. Die Rezeption beschränkt sich häufig auf spezifische Einsätze rund um die gemeinsam mit Chantal Mouffe in Hegemonie und radikale Demokratie entwickelte und an Antonio Gramsci ansetzende Hegemonietheorie. Dass Laclaus Perspektiven jedoch eine Vielzahl produktiver Anschlüsse und Irritationen für unterschiedliche pädagogische Frage- und Problemstellungen beinhalten, verdeutlichen die hier versammelten Beiträge rund um transdisziplinäre Spannungsverhältnisse von Politik, Bildung und Pädagogik, von Artikulation und Repräsentation, von Ontologie und Identität oder im Kontext aktueller Sichtweisen auf Inklusion, Solidarität, Migration, pädagogische Beziehungen und Professionalität.
Erziehungswissenschaftliche Grundbegriffe im Spiegel der Inklusionsforschung, 2023
On Education. Journal for Research and Debate, 2022
This article aims to grasp the social mode of Arendt's pedagogically relevant metaphor of an 'ass... more This article aims to grasp the social mode of Arendt's pedagogically relevant metaphor of an 'assembly around a table' as a specific way of thematizing the ambiguity of the public sphere from two different perspectives. From one perspective, I want to examine how 'assembly' can be grasped as a mode of being together. To do this, I will sketch 'assembly' with Juliane Rebentisch as a 'plurality event'. Here I encounter the problem that alteritarian, mutually elusive, and unfathomable approaches to self and world have to be permanently translated into each other. This in turn gives rise to the question of how to maintain plurality. From a second perspective, I will try to grasp this 'maintenance of plurality' performatively with Butler. Bodies assemble and claim their presence in a public space of appearance. But it is precisely through the indexicality resting in these bodily acts that a reference is made from a particular position to a universal – to making precarity, homosexuality, transgender, racism, etc. disappear.
Erziehungswissenschaft, 2022
Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft... more Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft(AEW). Sie verschwinden zwischen Studienabschluss und Promotion, zwischen Postdoc und Lehrstuhl. Wir wollen im Folgenden dieses Verschwinden zum Ausgangspunkt eines statusgruppenübergreifenden Blicks nehmen undzwei machttheoretische Perspektiven auf die Systematik werfen, die dazuführt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich (gouvernemental)selbst zum Verschwinden bringen. Unseres Erachtens verschwinden sie zwischen den (Lehr-)Stühlen, weil sie sich einem Spiel unterwerfen, das die gegenwärtige Situation der AEW auf spezifische Weise charakterisiert: einer „Reise nach Jerusalem“, die sinnbildlich jenes kompetitive Suchen nach einem Stuhl aufführt, wobei immer zu wenig Stühle vorhanden sind und daher jederzeit aktive Bereitschaft zum Platznehmen gefordert ist.Um jene angenommene spielerische Systematik zu analysieren, wollen wir eine doppelte Optik entwerfen: Einerseits wollen wir dieses Zwischen aus derSichtweise des wissenschaftlichen Mittelbaus innerhalb der AEW als ein pre-käres skizzieren. Dazu wollen wir uns zweier Figuren bedienen, die KerstinJergus (2021) kürzlich aufgeworfen hat: Jener der „Teilung des akademischenRaumes in ‚Berufene‘ vs. ‚Nicht-Berufene‘“ (ebd., S. 13) und jener „des‚noch-nicht‘“ (ebd.). Im Anschluss daran wollen wir diese Figuren der Teilungund des Noch-nicht aus dem Blickwinkel der Berufenen hin zu einem Nicht-mehr verschieben und fragen: Artikuliert sich ein solches prekäres „Zwischen-den-(Lehr-)Stühlen“ nicht gerade auch vor dem Hintergrund der Lage derAEW als doppelt prekär, weil obendrein ganze Lehrstühle verschwinden? Droht also nicht nur ein Verschwinden zwischen den (Lehr-)Stühlen, sondernein Schwinden ganzer (AEW-)Lehrstühle? Wir wollen dabei die These verfolgen, dass eine Verortung im Feld der AEW einer subjektivierenden Reise nachJerusalem mit doppeltem Schwierigkeitsgrad gleicht, in der strukturelle Probleme der Wissenschaft und ihrer Institutionen in individuelle Probleme trans-formiert werden (vgl. Liesner 2005; Jergus 2021).Der Diskurs zur Gouvernementalität in der universitären Bildung hat schon einige Vorläufe,die hier nicht alle eingeholt werden können (vgl. Liesner 2006, 2008; Dzierbicka 2006)
Rieger-Ladich, Markus/Brinkmann, Malte/Thompson, Christiane (Hrsg.) (2022): Öffentlichkeiten. Urteilsbildung in fragmentierten pädagogischen Räumen., 2022
‚Das wird man wohl noch sagen dürfen‘. Dieser Satz, so vermuten wir zumindest, wurde im Kontext d... more ‚Das wird man wohl noch sagen dürfen‘. Dieser Satz, so vermuten wir zumindest, wurde im Kontext des bisher Gesagten des Öfteren angerissen. Er erscheint insofern eigentümlich, verweist er doch auf eine Ambivalenz, die, so zumindest unsere These, den Begriff der Öffentlichkeit in unterschiedlichen terminologischen Konstellationen zu umkreisen scheint. Folgt man Heideggers Ausführungen in Sein und Zeit (1927; hier 2006), so ist es gerade dieses kleine Wörtchen ‚man‘, das in dieser Formulierung jene Problematik der Öffentlichkeit zu umreißen scheint . Zum einen wird mit dem ‚man‘ darauf verwiesen, dass scheinbar eine Instanz existiert, die über eine beliebige Artikulation urteilt und damit den Raum des Sagens und Handelns auf spezifische Weise begrenzt. Dabei qualifiziert Heidegger dieses ‚man‘ als etwas, dass sich „faktisch in der Durchschnittlichkeit dessen [hält], was sich gehört, was man gelten läßt und was nicht“; es zeichnet vor „was gewagt werden kann und darf“ und „wacht über jede sich vordrängende Ausnahme“ . Zum anderen aber konstituiert sich der Raum der Artikulation gerade erst in der handelnden Auseinandersetzung mit dieser Machtförmigkeit des ‚man‘ . Durchschnittlichkeit, Einebnung und Abständigkeit bilden dabei „als Seinsweisen des Man das, was wir als »die Öffentlichkeit« kennen“ . Gleichsam aber scheint sich dieser Begriff der Öffentlichkeit in der eben gezeigten Ambivalenz erst zu konstituieren, da ihm sowohl eine Machtförmigkeit, die den Raum des Sag- und Machbaren limitiert, als auch eine Dimension der Praxis inhärent scheint, die in Auseinandersetzung mit jenen machtförmigen Begrenzungen einen Raum der Artikulation erst eröffnet. Für Heidegger geht es bei seinem ambivalenten Öffentlichkeitsbegriff in erster Linie um einen ontologischen Terminus. Wenn er seine Überlegungen zum ‚man‘ in dem berühmt gewordenen Satz kulminieren lässt: „Die Öffentlichkeit verdunkelt alles“ – so denkt er dies immer in Bezug auf das zwischen der Machtförmigkeit des ‚man‘ und der handelnden Abgrenzung zu dieser sich artikulierende Sein selbst. Der „Pluralität des Politischen“ gegenüber bleibt er jedoch „feindselig“, so Großmann . Kontrastiert man eine solche Perspektive aber mit einer Position wie der Hannah Arendts, die versucht den Begriff der Öffentlichkeit (u.a. in Referenz auf Heidegger) unter dem ‚Primat des Politischen zu lesen, so rückt das handelnde Bezugnehmen auf jene Ambivalenz des Öffentlichen in den Fokus. Wir wollen im Folgenden nach der Rolle dieses Handlungsbegriffs im Rahmen der Konstitution des Öffentlichen fragen, wird dieser Terminus des Handelns doch einerseits zum Angriffspunkt machtvoller Präskriptionen des Öffentlichen, andererseits aber eben auch zum umwälzenden Faktor desselben. Diesbezüglich wollen wir der bei Heidegger angedeuteten Spur der Ambivalenz des Öffentlichen in die Sphäre des Politischen vor dem Hintergrund der Frage folgen: Wie artikuliert sich das Öffentliche handelnd, wenn es sich zugleich als Präskription der Möglichkeiten des Handelns hervorbringt? Hierfür soll anhand der Einsätze Arendts (2.), Laclau/Mouffes (3.) sowie Butlers und Bhabhas (4.) den unterschiedlichen Akzentuierungen dieses Spannungsfeldes nachspürt werden.
Paradoxien (in) der PädagogikPublisher: Ulrich Binder / Franz Kaspar Krönig, 2021
Ich möchte im Folgenden die These aufwerfen, dass Paradoxien, wie bspw. Kants auf das Spannungsfe... more Ich möchte im Folgenden die These aufwerfen, dass Paradoxien, wie bspw. Kants auf das Spannungsfeld von Autonomie und Unterwerfung abzielende Frage „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“ (1977, S. 711), zu einem Dorn im Fleisch des Pädagogischen werden. Sie durchziehen das Gemäuer der Pädagogik als ‚Riss‘, als „grundsätzliche Paradoxie[n]“ (Bilstein 2004, S. 427, Herv. S. W.), die unterschiedlichste Artikulationen innerhalb des Pädagogischen antreiben, weil (und obwohl) eine Auflösung jener Problematik „nur ideell, aus der Sicht des Utopischen“ (Borelli 2003, S. 145) in Aussicht steht. Ich möchte im Folgenden jener Spur der Paradoxien im Pädagogischen folgen und dabei die These der Produktivität eben jener vertreten. Auf zwei Artikulationsweisen dieses ‚Risses‘ will ich in diesem Kontext eingehen: Erstens möchte ich mit Wimmer die konstitutive Bedeutung des Paradoxen für das Pädagogische nachverfolgen. Hierbei will ich seine These vom ‚Grund-Riss‘ (vgl. Wimmer 2016. S. 45) der Pädagogik aufgreifen, die er in Auseinandersetzung mit Ruhloff (1991, S. 71) entwickelt (2.). Zweitens soll aufgezeigt werden, dass in jenem grundlegenden Riss im Pädagogischen ein produktives Moment liegt. Hierfür referiere ich auf Laclaus Verschiebung der Derrida’schen Dekonstruktion in die Gleichzeitigkeit von Möglichkeit und Unmöglichkeit (3.) und münde mit Masschelein/Simons in der These, dass dieser Grund-Riss die Pädagogik zu einem (politischen) Experiment mutieren lässt, dessen Ausgang vollkommen ungewiss ist (4.).
Coils of the Serpent 7 (2020): 146-168, 2020
A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: “Le patriarcat ni... more A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: “Le patriarcat nique son père’”. The suggestion that patriarchy, indeed, is a ‘fatherfucker’ seems to turn around the power structures and questions hegemony1 from a new speaker position. However, these speaker positions are articulated within a highly contested and fraught discourse within the #MeToo-movement. Especially when it comes to representing people of color from white speaker positions, the #MeToo movement runs into the danger of reproducing the very hegemonic discourses it sets out to undermine. To illustrate this: While black activist Tarana Burke founded the hashtag already in 2006 to raise her voice against white patriarchal suppression, it was only after the appropriation through white actresses like Alyssa Milano, Scarlett Johansson and others that the demands of black activist Tarana Burke gained broader mainstream attention. The emancipatory struggle against patriarchal hegemony seems to articulate #MeToo as an intersection between different discourses. What I am interested in here, can be brought to the following problem: Social movements like #MeToo produce crowds. On the one hand, they often constitute emancipatory interventions in a fight against specific forms of oppression. On the other hand, however, it can also be noticed that precisely these crowd producing movements are articulated as powerful constructs, which in turn produce exclusions. And this is because movements depend on representations to get their dynamics unified. In the following, my aim is to show that the #MeToo movement in the fight against patriarchal hegemony, in turn, occupies the empty concept of feminity with a hegemonic white position and thus systematically excludes the positions of women and girls of color. To get an overview of this as well including as excluding dynamics of that crowd producing social movements, I propose to understand them with Laclau and Mouffe as ‘chains of equivalence’ (cf. Laclau and Mouffe 2014: 113). The #MeToo movement (like other movements) articulates itself as a powerful construct (of equivalence) that can only enter into an emancipatory struggle by distinguishing positions of legitimate speech from positions of illegitimate speech (cf. l’Amour laLove 2017). My question is, how this dynamic structure of #MeToo can be described and how it can be analyzed?
Vierteljahrsschrift für Wissenschaftliche Pädagogik 97 (2021) 127-143, 2021
Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change i... more Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change in the performance principle. For a deeper understanding of this process, we analyze aspects that underlie the daily practices of performance: We pursue the open question of the contradictory conditions of the modern performance principle and its subjectivizing effects, present the concept of ritual as a way of dealing with this contradictoriness and show how rituals maintain the collective belief in performance.
Thompson, Chr./Zirfas, Jörg/Meseth, Wolfgang und Fuchs, Torsten (Hrsg.): Erziehungswirklichkeiten in Zeiten von Angst und Verunsicherung. BeltzJuventa, S. 27-46, 2021
Angst radikalisiert die These, dass der Prozess der Subjekt-Werdung bzw. der Subjekt-Bildung wede... more Angst radikalisiert die These, dass der Prozess der Subjekt-Werdung
bzw. der Subjekt-Bildung weder auf die Idee eines subjektiven Kerns, auf eindeutige innere Motive, Anlagen, Kompetenzen o. ä. noch ungebrochen auf äußere Bedingungen, auf soziale Ordnungen, kulturelle Codes usw. zurückgeführt werden kann. Angst konfrontiert vielmehr einerseits mit der Aussichtslosigkeit, entsprechend unmissverständliche Ab- oder Herleitungen vorzunehmen, wie andererseits mit der Unmöglichkeit,
im Kontext des Subjektivierungsprozesses die Drehpunkte des
Selbst- und Weltverhältnisses als vollständig unabhängige Instanzen zu isolieren. Diese paradoxe Konstellation entfalten wir in Bezug auf das Angstverständnis Kierkegaards (2.) und Sartres (3.). Sartres Verständnis des „Blicks“ mündet in Überlegungen Lacans zum Moment des Imaginären in jeder Identifikationspraxis und zur Dynamik des Verhältnisses von Selbst und Anderem. Das vierte Kapitel (4.) schließt mit einigen daraus resultierenden Perspektiven, die nicht zuletzt auf aktuelle politische Problemlagen anspielen. Ein letzter Schritt pointiert nochmals die Abgründigkeit des Angstbegriffs in Referenz auf diskontinuierliche Umgangsweisen – zwischen Infragestellung, Immunisierungsstrategien und Gewalt (5.).
Rieger-Ladich, Markus/Casale, Rita/Thompson, Christiane: Un-/Zugehörigkeit. Bildungsphilosophische Reflexionen und machttheoretische Studien. BeltzJuventa: Weinheim/Basel. S. 123-141, 2020
Diskurs, 2020
The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democr... more The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democracy insofar as we understand democracy as a particular way of relating to the Political , namely as the acceptance, that the ‚place of power' is ‚a void', as Lefort resp. Laclau & Mouffe would denote it. In these premises democracy-and all kind of positions of subjects located in this relation to the Political-becomes a permanent struggle for identity. Against this theoretical background, we want to analyze Ulrich Kutscheras perspective on the differentiation between sex and gender to show how science can become such an articulation of a political struggle for identity and how such a position becomes compatible to right-wing ar-ticulations, whereupon we want to ask what consequences arise for democracy against the backdrop of such a confrontation of democracy with an anti-genderistic articulation.
Blumenthal, Sara-Friederike/Sting, Stephan/ Zirfas, Jörg: Pädagogische Anthropologie der Jugendlichen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 72-90, 2020
Der Begriff der Jugend hat – unter den Bedingungen der Spätmoderne – seine Form verändert: System... more Der Begriff der Jugend hat – unter den Bedingungen der Spätmoderne – seine Form verändert: Systematisch fokussieren Deskriptionen eines modern verstandenen Jugendbegriffs vor allem um Problematiken der Entwicklung einer „stabilen Identität“ durch das Bewältigen von Entwicklungsaufgaben, wie der „Familiengründung“, der „Berufsfindung“, der Konstruktion einer „Geschlechtsidentität“ und der Auseinandersetzung mit einer „Konsumorientierung“ (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2011, S. 30f.; Ecarius/Berg/Serry/Oliveiras 2017, S. 21). Im Kern leben diese Konzeptionen moderner Jugend davon, Jugend als eine eigenständige Phase des Übergangs von der Kindheit ins Erwachsenenalter zu beschreiben, die gerade dann abgeschlossen ist, wenn all diese Aufgaben erfolgreich absolviert wurden, und demnach eine stabile Identität entwickelt wurde. Gerade aber eine solche Vorstellung der Entwicklung einer Identität, die mit der Phase der Jugend zu einer gewissen Stabilität gebracht werden könnte, kann vor dem Hintergrund gegenwärtiger theoretischer Perspektiven problematisiert werden. Es stellt sich also die Frage, wie Jugend als Übergangsphase überhaupt gedacht werden kann, wenn Identität nicht mehr so leicht als etwas Stabiles verstanden werden kann.
Um diesen Bruch in den Blick zu nehmen, der zwischen einer Perspektive auf Jugend verläuft, die einerseits einen Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein als zwei relativ fixiert gedachte Zuständen beschreibt, und einer Optik auf Jugend andererseits, die einen Übergang ohne Telos bildet, könnte es aussichtsreich sein, jene Diskontinuität im Begriff der Jugend über den Prozess der Initiation zu beschreiben. Erstens soll deshalb in einer Linie von Arnold van Gennep hin zu Victor Turner untersucht werden, inwiefern der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter in der spezifischen Figur des Initiationsrituals ausdifferenziert wird und wie dieser Zustand des Zwischens von Kindheit und Erwachsensein als ein Übergangsphänomen des „in betwixt and between“ (Turner 1964, S. 48) beschrieben werden kann (1.). Hiernach soll das Phänomen der Initiation in einer spätmodernen Perspektive aufgerufen werden. Dazu soll, zweitens, über die Analyse von Freuds Totem und Tabu, die Figur des Vatermordes in den Fokus gerückt werden, mit der eine spezifische Perspektive auf die Jugend in der Spätmoderne artikuliert werden kann, die diese in eine Verbindung zur „Krise der Subjektivität“ (Badiou 2016, S. 36) setzt (2.). Diesbezüglich soll die These federführend sein, dass Jugend als Übergangsphase nicht mehr gänzlich abgeschlossen werden kann und, sozusagen, in einem Zustand unabschließbarer Initiation verbleibt, weil sich eben jene Figur des konstitutiven Anderen verändert hat. Dies soll, drittens, mit Lacan in den Blick genommen werden (3.), bevor schließlich ein kurzes Fazit der Betrachtung gezogen wird (4.).
Beschäftigt man sich mit der gegenwärtigen Rezeption Ernesto Laclaus, so fällt auf, dass zwar in ... more Beschäftigt man sich mit der gegenwärtigen Rezeption Ernesto Laclaus, so fällt auf, dass zwar in den letzten Jahren eine intensiver werdende politik-, kultur-und sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung zu konstatieren ist, in pädagogischen Diskursen allerdings könnte man von einer eher sporadischen Aufnahme sprechen. Sie beschränkt sich auf spezifische Einsätze rund um die gemeinsam mit Chantal Mouffe in Hegemonie und radikale Demokratie entwickelte und an Gramsci ansetzende Hegemonietheorie. Das Laclaus Perspektive jedoch eine Vielzahl produktiver Anschlüsse und Irritationen für die pädagogische Theoriebildung beinhaltet, soll Gegenstand des Workshops sein. Das Spannungsfeld der Begriffe Politik, Hegemonie und Artikulation ist dabei leitend. Erstens ist es das spannungsreiche Verhältnis zwischen Politik und Pädagogik, das produktive Einsätze sowohl in empirischer als auch theoretischer Hinsicht liefern kann. Laclaus Verständnis des Politischen, das er gemeinsam mit Chantal Mouffe entwickelt, problematisiert den Begriff der ‚Gesellschaft' und bricht so mit gewohnten politischen, soziologischen wie auch erziehungswissenschaftlichen Sichtweisen radikal. Gesellschaftliche Zusammenhänge bilden für Laclau/Mouffe keine Totalität. Sie werden weder als Ganzheit in Platons Sinne einer kosmologisch gegründeten, politischen Anatomie vorstellbar noch als etwas, dessen Einheit über transzendente Bezugspunkte (wie dem Gottes) oder die Subsumtion unter ökonomische Prozesse etc. gefasst werden kann. Vielmehr wird ‚Gesellschaft' (mit der Aufklärung) zu einem ‚unmöglichen Objekt'. Insofern reden beide auch nicht mehr von der Gesellschaft in der Einzahl, sondern vielmehr von einem Sozialen, das konstitutiv von einem Antagonismus durchzogen ist. Zweitens erscheint das Soziale so vor diesem Hintergrund als unaufhörlicher, unmöglich abzuschließender Kampf um dessen Gestaltung und möglichen Begründungen. Für Laclau ist es der Begriff der Hegemonie, der dem Sozialen eine differente Einheit zu geben vermag -zumindest temporär und partikular. In einem konkreten Zusammenhang zielt er einerseits darauf, die Partikularität einer spezifischen sozialen Praxis performativ zu etwas Universalem zu erheben. In der gramscianischen Wendung, könnte man sagen, der politische Raum befriedet sich jeweils nur vorläufig, indem eine bestimmte Besetzung konstitutiver Problematiken sich als ein Konsens unter Antagonisten artikuliert. Insofern die Besetzung einer bestimmten Begrifflichkeit und Praxis führend wird, entfaltet sie Machteffekte. Damit ließe sich nach den Konsequenzen dieser Perspektive für die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Gemeinschaft, aber eben auch Erziehung, Bildung, Lernen, Leistung, Inklusion etc. fragen, die für das Pädagogische in seinem Verhältnis zum politischen Raum konstitutiv sind. Wie kann man in diesem Kontext hegemoniale Artikulationen innerhalb pädagogischer und anderer Diskurse als etwas verstehen, dass einerseits Kategorien hervorbringt, die unaufhörlich zur Disposition stehen, andererseits aber ein bestimmtes Sprechen über spezifische Problematiken immer wieder einfordert und anruft? Vor diesem Hintergrund eröffnen sich zentrale Problem-/Fragekomplexe:
Es sind die zugleich politischen und ästhetischen Einsatzpunkte Jacques Rancières, die das pädago... more Es sind die zugleich politischen und ästhetischen Einsatzpunkte Jacques Rancières, die das pädagogische Nachdenken herausfordern: Angesprochen sind damit etwa die Intervention in ein- wie ausschließende ‚Ordnungen des Sinnlichen‘, die Artikulation eines ‚Unvernehmens‘ über die Unterstellung von je spezifischen Gleichheitsmotiven und das Plädoyer für ein ästhetisches Regime, das in unterschiedlichen Feldern definitive und privilegierte Sichtweisen irritiert. Diese Herausforderungen gelten nicht nur für Begründungen und Qualifizierungen von Praktiken und Institutionen; ebenso erscheinen pädagogische Problemstellungen stets disziplinübergreifend in Spannungsfeldern von Politik und (polizeilicher) Ordnung situiert. Die Zielgruppen Lehrende und Studierende in den Bereichen Erziehungswissenschaft, (politische) Philosophie, Politikwissenschaften und Soziologie. Die Herausgebenden Ralf Mayer ist Professor am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel. Alfred Schäfer ist emeritierter Professor am Institut für Pädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Steffen Wittig ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel.
This article seeks to explore how imaginary objects, such as toys, may become something real in s... more This article seeks to explore how imaginary objects, such as toys, may become something real in such a medium as the "game". To this end, two assertions are made which focus on the question of how things, that are only called imaginary, become something invariably real. Firstly, this paper proposes the thesis that ima-ginary things become real objects, within the "game", through a certain subjective attitude of the player, which Huizinga would denote as 'holy earnest'. Secondly, the mode in which an imaginary thing is articulated, for Huizinga, as real in a game, the 'holy earnest', appears to be very close to Jacques Lacan's psychoanalytic perspective of how we constitute ourselves through the binding on the 'gaze of the other'. This article concludes with Sartre in the thesis, that the 'gaze of the Other' articulates us as subjects, only in the form of an objectification, which is always imaginary as well.
Erziehungswissenschaftliche Revue, 2017
Was haben die theoretischen Perspektiven Pierre Bourdieus und Jacques Rancières miteinander gemei... more Was haben die theoretischen Perspektiven Pierre Bourdieus und Jacques Rancières miteinander gemein? Auf den ersten Blick scheinen sie sich diametral gegenüber zu stehen: Während Bourdieu über Konzepte wie Feld oder Habitus vornehmlich die Hervorbringung " kultureller Differenzen " (8) – also die Produktion sozialer Ungleichheiten – in den Praktiken der Subjekte fokussiert, wird Rancière – vor allem seit der breiteren Rezeption seines Werks ‚Der unwissende Lehrmeister' [1] – als jemand gelesen, der nicht die Ungleichheit der Subjekte betont, sondern im Gegenteil von deren radikaler Gleichheit ausgeht. Zugleich aber binden beide ihre theoretischen Perspektiven nicht zuletzt an ein Verständnis des Ästhetischen, das nach den " Denk-, Handlungs-und Wahrnehmungsschemata " (ibid.) der Subjekte fragt. Dieses Spannungsfeld von " Gleichheit und Differenz " (9) bildet jene Problematik, an der sich die Beiträge des von Jens Kastner und Ruth Sonderegger vorgelegten Bandes abarbeiten.
In: Schäfer, Alfred / Thompson, Christiane (Hrsg.): Spiel. Schöningh. Paderborn 2014
In: Mayer, Ralf / Bünger, Carsten: Leistung – Anspruch und Scheitern. Halle (Saale). S. 147 - 166
Schule ist ein Ort, der von Machtbeziehungen durchzogen ist, welche sich in unterschiedlichsten R... more Schule ist ein Ort, der von Machtbeziehungen durchzogen ist, welche sich in unterschiedlichsten Registern ausbuchstabieren. Es sind nicht nur Fragen pädagogischer Autorität, Anerkennung, Erziehung, Bildung oder Leistung, die sich hier aufwerfen lassen (vgl. Reichenbach 2020, Reh & Ricken 2018). Es sind vor allem die damit implizierten Prozesse und Praktiken der Normalisierung, in denen diese Perspektive in den unterschiedlichen Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, auch vor dem Hintergrund aktueller Überlegungen zu Individualisierung, Heterogenität oder Inklusion, zum Problem wird. Glaubt man Foucault (1977), so schreibt sich mit dem 19. Jahrhundert der Gedanke der ‚Verbesserung' als Element eines allumfassenden Disziplinardispositivs in ein heterogenes Ensemble von Diskursen ein. Es ist die hiermit einhergehende neuzeitliche Subjektvorstellung, welche u. a. die Diskurse um Schule maßgeblich beeinflusst. Die Hervorbringung eines mündigen bürgerlichen Subjekts durch die Schule verknüpft sich mit der Unterwerfung unter die Vorstellung einer ‚normalen' Schüler*in. Der "Normalmensch", dessen Vermessung ab dem 19. Jahrhundert forciert wurde, "existiert" zwar nur "fiktiv" als Effekt einer wissenschaftlichen Skalierung, besitzt fortan aber "die Autorität eines Maßstabes, an dem alle empirischen Individuen sich messen können" (Heßdörfer 2019: 115). Er wird damit auch im Kontext der Schule-vor allem im Zuge ihrer fortwährenden Verschränkung mit Dispositiven der Medizin und einer sich allmählich als akademische Disziplin konstituierenden und dann rasch expandierenden Psychologie-zum Richtmaß pädagogischer Interventionen. Die Kehrseite solcher pädagogischer Normalisierungsbestrebungen scheint dann aber in dem zu liegen, was Pathologisierung genannt werden könnte. Der Fluchtpunkt des ,normalen Kindes' bzw. seine ,Verfehlung' führten im fin de siècle dazu, dass medizinisch-psychiatrische und psychologische Diskurse vielfach Schulkritik speisten und nachhaltige Schulreformimpulse initiierten. Ebenso wurden unerwünschte Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern auf medizinisch definierte und klassifizierte Pathologien verschiedenster Couleur zurückgeführt, die wahlweise als aus einer ‚regredienten' Kultur oder erblicher ,Degeneration' stammend entworfen wurden (vgl. etwa Oelkers 1998; Stechow 2004; Bühler 2018). Ein nun neu an die Pädagogik gerichteter "strategischer Imperativ" (Foucault 1978: 120)-diagnostische Arbeit leisten zu müssen und so (möglicherweise) das ,kranke' Kind zu ‚heilen'-durchzieht dabei bis heute die Diskurse über Schule als problematisches Spannungsfeld zwischen Normalisierung und Pathologisierung. Uns interessieren insbesondere die Problembereiche, die sich gerade im Schatten dieses Spannungsfeldes von Normalisierung und Pathologisierung eröffnen.
Verlag Julius Klinkhardt eBooks, 2023
Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. By using this partic... more Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.
transcript Verlag eBooks, Dec 31, 2022
so wie es uns gegenwärtig aus der Immanenz heraus erscheint, bedient sich der Form des Spiels, um... more so wie es uns gegenwärtig aus der Immanenz heraus erscheint, bedient sich der Form des Spiels, um sich partikular konstituieren zu können; zugleich ist dieses Soziale jedoch kein Spiel. Das, was als das Soziale bezeichnet werden kann, markiert seit dem Beginn der Au lärung etwas, das durch keine transzendenten Gründe mehr fundiert wird. Es ist seither mit der unmöglichen Aufgabe konfrontiert, sich aus sich selbst heraus gründen zu müssen, ohne dabei allerdings über Kriterien zu verfügen, die diese Selbstbegründungen absichern könnten. Seine Gründungsversuche bleiben grundlos. Doch wie kann sich dieses Soziale in einer solchen Grundlosigkeit überhaupt konstituieren? Die Antwort, die diese Untersuchung dekonstruierend aufzuzeigen versucht, lautet: Es tut so, als ob diese grundlosen Gründe eben alles andere als grundlos wären, und dabei rückt dieser Als-Ob-Modus im Sozialen-wie im Spiel-selbst kaum in den Fokus. For more information see brill.com
A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: "Le patriarcat ni... more A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: "Le patriarcat nique son père'". The suggestion that patriarchy, indeed, is a 'fatherfucker' seems to turn around the power structures and questions hegemony 1 from a new speaker position. However, these speaker positions are articulated within a highly contested and fraught discourse within the #MeToo-movement. Especially when it comes to representing people of color from white speaker positions, the #MeToo movement runs into the danger of reproducing the very hegemonic discourses it sets out to undermine. To illustrate this: While black activist Tarana Burke founded the hashtag already in 2006 to raise her voice against white patriarchal suppression, it was only after the appropriation through white actresses like Alyssa Milano, Scarlett Johansson and others that the demands of black activist Tarana Burke gained broader mainstream attention. The emanci
On education, Sep 1, 2022
We cannot solve our problems with the same thinking we used when we created them. (Albert Einstei... more We cannot solve our problems with the same thinking we used when we created them. (Albert Einstein) "Educators remain key actors in facilitating learners' transition to sustainable ways of life, in an age where information is available everywhere and their role is undergoing great change. Educators in all educational settings can help learners understand the complex choices that sustainable development requires and motivate them to transform themselves and society. In order to guide and empower learners, educators themselves need to be empowered and equipped with the knowledge, skills, values and behaviours that are required for this transition."
Verlag Barbara Budrich eBooks, Dec 19, 2022
Erziehungswissenschaft
Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft... more Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft (AEW). Sie verschwinden zwischen Studienabschluss und Promotion, zwischen Postdoc und Lehrstuhl. Wir wollen im Folgenden dieses Verschwinden zum Ausgangspunkt eines statusgruppenübergreifenden Blicks nehmen und zwei machttheoretische Perspektiven auf die Systematik werfen, die dazu führt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich (gouvernemental) selbst zum Verschwinden bringen. 1 Unseres Erachtens verschwinden sie zwischen den (Lehr-)Stühlen, weil sie sich einem Spiel unterwerfen, das die gegenwärtige Situation der AEW auf spezifische Weise charakterisiert: einer "Reise nach Jerusalem", die sinnbildlich jenes kompetitive Suchen nach einem Stuhl aufführt, wobei immer zu wenig Stühle vorhanden sind und daher jederzeit aktive Bereitschaft zum Platznehmen gefordert ist. Um jene angenommene spielerische Systematik zu analysieren, wollen wir eine doppelte Optik entwerfen: Einerseits wollen wir dieses Zwischen aus der Sichtweise des wissenschaftlichen Mittelbaus innerhalb der AEW als ein prekäres skizzieren. Dazu wollen wir uns zweier Figuren bedienen, die Kerstin Jergus (2021) kürzlich aufgeworfen hat: Jener der "Teilung des akademischen Raumes in ‚Berufene' vs. ‚Nicht-Berufene'" (ebd., S. 13) und jener "des ‚noch-nicht'" (ebd.). Im Anschluss daran wollen wir diese Figuren der Teilung und des Noch-nicht aus dem Blickwinkel der Berufenen hin zu einem Nichtmehr verschieben und fragen: Artikuliert sich ein solches prekäres "Zwischenden-(Lehr-)Stühlen" nicht gerade auch vor dem Hintergrund der Lage der AEW als doppelt prekär, weil obendrein ganze Lehrstühle verschwinden? Droht also nicht nur ein Verschwinden zwischen den (Lehr-)Stühlen, sondern ein Schwinden ganzer (AEW-)Lehrstühle? Wir wollen dabei die These verfolgen, dass eine Verortung im Feld der AEW einer subjektivierenden Reise nach Jerusalem mit doppeltem Schwierigkeitsgrad gleicht, in der strukturelle Probleme der Wissenschaft und ihrer Institutionen in individuelle Probleme transformiert werden (vgl. Liesner 2005; Jergus 2021).
A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: "Le patriarcat ni... more A poster at a #MeToo protest in France summed up a shift in feminist discourse: "Le patriarcat nique son père'". The suggestion that patriarchy, indeed, is a 'fatherfucker' seems to turn around the power structures and questions hegemony 1 from a new speaker position. However, these speaker positions are articulated within a highly contested and fraught discourse within the #MeToo-movement. Especially when it comes to representing people of color from white speaker positions, the #MeToo movement runs into the danger of reproducing the very hegemonic discourses it sets out to undermine. To illustrate this: While black activist Tarana Burke founded the hashtag already in 2006 to raise her voice against white patriarchal suppression, it was only after the appropriation through white actresses like Alyssa Milano, Scarlett Johansson and others that the demands of black activist Tarana Burke gained broader mainstream attention. The emanci
Kritik und Post-Kritik
Der Beitrag versucht die Rancièresche Spur der Gleichheit, auf die sich das 'Manifest für ein... more Der Beitrag versucht die Rancièresche Spur der Gleichheit, auf die sich das 'Manifest für eine Post-Kritische Pädagogik' implizit bezieht, aufzunehmen und einerseits zu problematisieren, in welchem Verhältnis sich eine Annahme der Gleichheit zu einer Sphäre des Gemeinsamen artikuliert. Hierzu wird in einem ersten Schritt auf zwei Perspektivierungen des Begriffs der Gleichheit bei Jacques Rancière Bezug genommen, da über seine Perspektive möglich wird, kritische Rückfragen an das 'Manifest' zu stellen. Hierbei wird zum einen a) unter Referenz auf 'Das Unvernehmen' (2002) herausgestellt werden, dass dieser Begriff der Gleichheit für Rancière zum Ausgangspunkt dafür wird, was er ,Politik' nennt. Er besteht in der Inanspruchnahme eines Anteils an einer ,Aufteilung des Sinnlichen', von der aber diejenigen, die jenen Anspruch der Zugehörigkeit stellen, ausgeschlossen sind. Eine solche Perspektivierung von ,Gleichheit' beruht damit auf der praktischen Pr...
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograf... more Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.
Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik
Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change i... more Performance, Ritual and Optimization The phenomenon of optimization indicates an ongoing change in the performance principle. For a deeper understanding of this process, we analyze aspects that underlie the daily practices of performance: We pursue the open question of the contradictory conditions of the modern performance principle and its subjectivizing effects, present the concept of ritual as a way of dealing with this contradictoriness and show how rituals maintain the collective belief in performance.
Zwischenwelten der Pädagogik
Erziehungswissenschaftliche Revue, 2017
Erziehungswissenschaftliche Revue (EWR) 16 (2017) 5 Padagogische Teildisziplin: Bildungssoziologi... more Erziehungswissenschaftliche Revue (EWR) 16 (2017) 5 Padagogische Teildisziplin: Bildungssoziologie; Bildungs- und Erziehungsphilosophie;
The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democr... more The paper pursues the thesis, that the phenomenon of anti-genderism is a specific harm for democracy insofar as we understand democracy as a particular way of relating to the Political, namely as the acceptance, that the ‚place of power‘ is ‚a void‘, as Lefort resp. Laclau & Mouffe would denote it. In these premises democracy – and all kind of positions of subjects located in this relation to the Political - becomes a permanent struggle for identity. Against this theoretical background, we want to analyze Ulrich Kutscheras perspective on the differentiation between sex and gender to show how science can become such an articulation of a political struggle for identity and how such a position becomes compatible to right-wing articulations, whereupon we want to ask what consequences arise for democracy against the backdrop of such a confrontation of democracy with an anti-genderistic articulation.
If one looks at the way in which the Dutch historian Johan Huizinga articulates the term of the g... more If one looks at the way in which the Dutch historian Johan Huizinga articulates the term of the game, one thing is striking: the game seems to him to be something that can hardly be defined. Rather, he sketches forms of negation, with which he tries to limit the problem of the game. For him, the game is nothing that can be described as a space of relieving oneself "of a surplus of life force" or as a matrix of calming down harmful impulses. It is neither something that could be explained by a "congenital imitation instinct" nor something that per se would result from the need to relax. Finally, for Huizinga it is also not exlusively a practice space, in which abilities that are articulated as useful in a sphere beyond play can be practiced without consequences. 1 For Huizinga, something else seems to be important: The game can not just be determined by referring to a external purpose to the game. Instead, for Huizinga in the game a "something" is present, which makes it a sphere that attributes a meaning to itself and the objects dealt with within. This " something " constitutes itself on the one hand precisely because the game delimits itself from an area of the seriousness of ordinary life. On the other hand, the constitution of meaning, this something, within the game only becomes possible through taking serious the sphere of unearnest thus produced. 2 But this constitution of meaning especially touches the central things of the game: the toys. In the game, you can pretend that a piece of fabric is a doll, as if a doll were a different child, as if another child were a mother, father, policeman, and so on. In the game, the merely imaginary is articulated as reality and this imaginary reality in part appears "more real than reality", as Gebauer/Wulf 3 make clear. In the following, I would like to make two assertions that focus on the question of how things that are only called imaginary become something that is invariably real. In this regard, I would like, firstly, to propose the thesis that imaginary things become real objects through a certain subjective attitude of the player in the game (1.). Secondly, the mode in which an imaginary thing is articulated as real appears to be very close to Jacques Lacan's psychoanalytic perspective. I would like to argue that with Lacan's optics on the gaze as an object small a (2). Thirdly, I will try to conceive the argumentation in a nutshell (3.).