Demokratische Innovation durch Bürgerräte (original) (raw)

Deliberative Innovationen in Japan angesichts demokratischer Herausforderungen

Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2019

Zusammenfassung Wie anderen etablierten Demokratien wird auch Japan eine Demokratiekrise attestiert. Das politische System weist neben der unter der jetzigen Regierung im Fokus stehenden Beschneidung von Freiheitsrechten weitere Demokratieschwächen wie eine geringe Wahlbeteiligung oder eine mangelnde horizontale Gewaltenkontrolle auf. Um der (partiellen) Krise der repräsentativen Demokratie zu begegnen, wird in der deutsch-sowie englischsprachigen Forschung die Implementation von demokratischen Innovationen diskutiert. Sie werden hier als topdown implementierte innovative Beteiligungsformen an institutionellen politischen Entscheidungsfindungen verstanden. Entsprechend der normativen Erwartung, der Demokratiekrise mit demokratischen Innovationen entgegenwirken zu können, wird deren Beitrag zur Demokratiequalität im vorliegenden Artikel am Beispiel Japans untersucht. Qualitative Evaluationskriterien aus Konzepten zur Demokratiequalität und demokratischen Innovationen finden dabei Anwendung auf japanische Fallbeispiele. Aus der Vielzahl von innovativen Partizipationsverfahren, die auch in Japan insbesondere Kommunen seit den 1990er Jahren implementierten, werden exemplarisch zwei deliberative Methoden evaluiert. Lokale Planungszellen (mini-publics) als eines der hier betrachteten Verfahren sind die weitverbreitetste Deliberationsform in Japan. Die erste nationale Deliberative Poll von 2012 dient als zweites Fallbeispiel. Die japanische Regierung initiierte sie unter dem Eindruck des Reaktorunfalls, um ein öffentliches Meinungsbild zur zukünftigen Energiestrategie Japans zu erhalten. Anhand der empirisch herausgearbeiteten demokratischen Stärken und Schwächen lässt sich folgern, dass demokratische Innovationen zwar als zusätzliche Partizipa-BMBF-Projekt: Deliberation als innovative Form von demokratischer Bürgerbeteiligung im japanisch-deutschen Vergleich

Die Energiewende kollaborativ gestalten – eine demokratische Innovation

Zeitschrift für Politikberatung, 2012

Die Energiewende stellt eines der anspruchsvollsten Projekte in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Ihre Umsetzung braucht nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch demokratische Innovationen. Sie muss mit Beteiligung unterschiedlichster Teile der Gesellschaft gestaltet werden, als Gemeinschaftswerk. Die Projektgruppe "Kollaborative Demokratie" der stiftung neue verantwortung hat sich dieses Themas angenommen und konkrete Ideen für eine bürgerbeteiligte Gestaltung der Energiewende entworfen. Folgend finden Sie eine gekürzte Version des aktuellen Policy Briefs der Projektgruppe. Die Energiewende-Impuls für ein kollaboratives Demokratiemodell Die Gestaltung der Energiewende mag eine Frage von gutem Projektmanagement und kluger politischer Steuerung sein, vor allem aber ist sie eine fundamentale Frage von Demokratieund zwar nicht nur der formal-demokratischen Verfahren, sondern der demokratischen Kultur und des bürgerschaftlichen Selbstverständnisses aller Beteiligten. Denn letztlich kann das Gemeinschaftswerk Energiewende nur das Ergebnis eines anderen Gemeinschaftswerkes sein: das der Demokratie. Als Leitbild eignet sich hier das neue Modell der Kollaborativen Demokratie. Dieses erkennt die Leistungen, die Kapazität und die Errungenschaften der repräsentativen Demokratie als Erfolgsmodell an, setzt aber zusätzlich auf neue Programme und Werkzeuge des kollektiven Aushandelns. Dabei gilt es zu lernen, bewährte formale Verfahren des Rechtsstaats und des Parlamentarismus mit innovativen, häufig informellen Verfahren der Beteiligung zu verknüpfen und abzustimmen. So wird Demokratie nicht neu erfunden, aber neu entdeckt und belebt, sie wird. Und: Wo Wissen und Werte, wo Perspektiven und Projekte, die Initiative und das Engagement unterschiedlicher Akteure in der Gesellschaft breiter in den politischen Prozess einbezogen werden, entsteht ein ganz konkreter Mehrwert: informiertere und ausgewogenere, damit tragfähigere Lösungen. 2 Energiewende kollaborativ gestalten-stiftung neue verantwortung | Forum

Governance-Innovationen. Epistemische und politische Reflexivitäten in der Herstellung von "Bürgerpanelen" als neue Form von Demokratie

Der Beitrag diskutiert die Reflexivität von Innovationen an einem Beispiel aus dem Bereich der Governance-Innovationen: Die Entwicklung und Verbreitung von „Bürgerpanelen“ als ein Format der Öffentlichkeitsbeteiligung. Es werden verschiedene Formen von Reflexivität herausgearbeitet, die im Innovationsprozess zum Tragen kommen. Dafür werden verschiedene Grade und Rahmungen von Reflexivität unterschieden. Es wird gezeigt, dass Governance-Innovationen bereits kollektive Ordnungsprozesse im zweiten Grad der Reflexivität sind. Aktivitäten zur konstruktiven Innovations- Folgenabschätzung für Bürgerpanele werden als Reflexivität im sechsten Grad verortet. In Bezug auf Rahmungen werden politische und epistemische Reflexivität unterschieden. Es wird gezeigt, wie die Herstellung neuer Formen von Governance im Wechselspiel von legitimitätsorientierter und funktionaler Problematisierung eine besondere Dynamik entfaltet. Der Innovationsprozess von Bürgerpanelen schraubt sich in einer unabgeschlossenen Dialektik politischer und epistemischer Reflexivitäten in immer weitere Reflexivitätsgrade hinein. Abschließend werden Folgen und praktische Fragen zum Umgang mit Reflexivität im Innovationsprozess diskutiert.

Neue Formen der demokratischen Teilhabe - am Beispiel der Zukunftsräte

Transit, Europäische Revue, 44, 2013, 2013

Seit »Stuttgart 21« ist auf nationaler, aber auch auf europäischer Ebene eine öffentliche Diskussion über demokratische Teilhabe in Gang gekommen. Die Debatte an sich ist nicht neu, schließlich ist schon seit drei Jahrzehnten eine wachsende Enttäuschung der Bürger über die repräsentative Politik zu beobachten: schwindende Wahlbeteiligung, stark abnehmende Mitgliederzahlen der etablierten Parteien, sinkendes Vertrauen in die Regierenden. In der Politikwissenschaft ist von einer Krise der traditionellen Formen politischer Beteiligung die Rede. Manche sprechen auch von einem Wendepunkt der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie oder gar von einem schleichenden Prozess der Entdemokratisierung (Crouch 2008). Ein postdemokratisches Regime, das sich zunehmend über seinen Output und die Erzeugung von Massenloyalität statt über den Input der politischen Teilhabe legitimiert, wird sich aber in einer Gesellschaft, die im Durchschnitt so gebildet und vernetzt ist wie nie zuvor, kaum halten können. So stößt ein »Durchregieren« im gewohnten Top-down-Modus immer öfter auf Widerstand und Protest. Erschwerend kommt hinzu, dass das Vertrauen in die Steuerungsfähigkeit von Politik angesichts komplexer Sachverhalte (wie des Klimawandels) schwindet und es fraglich erscheint, ob mit den herkömmlichen Parametern der Repräsentation die natürliche und soziale Umwelt erhalten werden kann. Die Dingwelt, die belebte Natur und die künftigen Generationen, deren Reproduktion und Lebens-qualität von heutigen Entscheidungen massiv tangiert werden, werden nicht vertreten.

Vom Schein zum Sein? Bürger:innenräte als Ansatz zur Demokratisierung der Demokratie

Parlamenten im Keim erstickt oder zumindest eingeschränkt wird. In der Praxis werden darin zwar politische Positionen repräsentiert, die in der Gesellschaft vorherrschend sind, sodass der Eindruck entstehen könnte, dass auch die gesellschaftlichen Gruppen repräsentiert werden. Doch das ist bekanntermaßen nicht der Fall. Anstatt einer geschlechtlichen Parität zählt der Bundestag heute nur 31,3% Frauen. Dieser Stand ist rückblickend im Verlauf der letzten 30 Jahre sogar als ein Fortschritt zu bezeichnen, denn bis 1987 kam die Quote nie über 10% hinaus. Auch Migrant:innen sind alles andere als ausreichend repräsentiert: Knapp ein Viertel der deutschen Bevölkerung hat einen Einwanderungshinter-bzw.-vordergrund, im Parlament nur jede:r zwölfte. 1 Damit ist der Anteil in den letzten Jahren sogar stark gestiegen: In der letzten Legislaturperiode bis 2017 lag er bei 5,9% und von 2009 bis 2013 bei sogar nur 3,4%. 2 Auch bei jungen Menschen wird Repräsentation nur in knapp einem von zehn Fällen erreicht: 17% der Bevölkerung sind zwischen 18 und 29 Jahre alt, doch nur 1,8% von ihnen können auf Bundesebene mit entscheiden. 3 All dies sind Gründe, warum