Peter, Claudia, 2020, Kindheit unter Krankheitsbedingungen Zu besonderen sozialisatorischen Bedingungen bei Kindern, die während ihres Aufwachsens schwere Krankheitserfahrungen machen (original) (raw)

Michael Feldhaus, Kinder und ihre Kontexte. Eine sozialökologische Betrachtung identitätsrelevanter Eigenschaften am Ausgang der Kindheit. Würzburg: Ergon 2015, 288 S., gb., 45,00 €

Soziologische Revue, 2016

Die Rezension des vorliegenden Buches hat mich gereizt, weil im Titel ausdrücklich von Kindern und ihren Kontexten die Rede ist. Die Frage der Kontextualisierung hat mich in den letzten Jahren vor allem hinsichtlich der Menschenrechte von Kindern beschäftigt. Insoweit diese in der UN-Kinderrechtskonvention kodifiziert sind, haben sie einen Anspruch auf universale Geltung. Doch in Bezug auf die Orte, an denen Kinder aufwachsen, ihre Lebensumstände und kulturellen Einbindungen erlangen die Rechte für Kinder verschiedene Bedeutungen und werden von ihnen in verschiedener Weise wahrgenommen, verstanden und als relevant angesehen (vgl. Liebel, 2013). In dem hier zu rezensierenden Buch, das auf der Habilitationsschrift des Autors an der Universität Bremen basiert, werden die Kontexte der Kinder unter dem Blickwinkel betrachtet, in welcher Weise sie die Entwicklungsprozesse ihrer Persönlichkeit beeinflussen. Dabei wird nicht zwischen verschiedenen Gesellschaften und Kulturen unterschieden, sondern insgeheim davon ausgegangen, dass für solche Prozesse universelle Gesetzmäßigkeiten gelten, dass also empirische Befunde aus einer Gesellschaft auch auf andere Gesellschaften übertragbar sind und theoretisch verallgemeinert werden können. Im Zentrum des Buches stehen Kinder, die zehn bis zwölf Jahre alt sind. Diese Altersphase wird, im Unterschied zur UN-Kinderrechtskonvention, die Kindheit als die Lebensphase von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres definiert, vom Autor als "Ausgang der Kindheit" verstanden. Er konzentriert sich auf diese Altersphase, weil er hier wesentliche Prozesse der Identitätsbildung zeitlich verortet sieht, die in hohem Maße prägend für das weitere Leben sind. Als

Chronic conditions during childhood: Diagnosis - Disability - Identity [Chronische Erkrankungen im Kindesalter: Diagnose - Behinderung - Identität

Foto: Kai Herse | achtpunkt > Mit etwa einer Milliarde Menschen sind Personen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen die größte Minderheit der Welt. < 15 | fr ühe Kindheit | 0113 Chronische Erkrankungen im Kindesalter: Diagnose -Behinderung -Identität | Von Olaf Kraus de Camargo "Ohne Zweifel haben wir die moralische Verpf lichtung, die Barrieren zur Partizipation zu beseitigen und ausreichend Mittel und Wissen zu investieren, um das unermessliche Potential der Menschen mit Behinderungen zu offenbaren." Stephen Hawkins, in: Weltgesundheitsorganisation und Weltbank 2011 (eigene Übersetzung aus dem Englischen) Mit der Verabschiedung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) durch die Mitgliedsstaaten der WHO im Jahre 2001 (Weltgesundheitsorganisation 2001) und der Behindertenrechtskonvention durch die UN in 2006 (Vereinte Nationen 2006) ist eine Denkweise verbunden, die vor allem im medizinischen Bereich oft noch ungewohnt ist. Lange galten das biomedizinische Modell und das soziale Modell von Gesundheit als gegensätzlich. Doch schon in den 1970er Jahren wurde eine Verbindung dieser Modelle vorgeschlagen (Engel 1977). Das sogenannte bio-psycho-soziale Modell versucht beide Sichtweisen zu vereinen und ist die Grundlage für die Entwicklung der ICF gewesen. | Thema Gerade bei der Begleitung von Menschen mit chronischen Erkrankungen sind soziale Aspekte wie die Verbesserung der Funktionsfähigkeit, Partizipation und Inklusion in den Fokus des Handelns gerückt. Viele verschiedene Faktoren bedingen Gesundheit und nur einige davon sind "medizinisch" bzw. wir verstehen inzwischen unter Gesundheit weit mehr als die Abwesenheit von Krankheit (Diagnosen) (Kraus de Camargo und Fayed in Druck). Auch der Begriff "Behinderung" wird nicht mehr auf bestimmte Diagnosen bezogen, sondern wird in Zusammenhang mit dem Kontext und der Lebenswelt des Menschen gesehen. Diese Veränderungen haben Einfluss auf eine Reihe von Schritten, von der Bedeutung der Diagnosestellung, über Behandlung und Behandlungsziele wie auch die Prognose. Außerdem verändert diese Sichtweise unser eigenes professionelles Rollenverständnis, die Art der interdisziplinären/transdisziplinären Zusammenarbeit von Fachleuten (Simon und Kraus de Camargo 2008) wie auch die Beziehung zwischen Kindern mit chronischen Erkrankungen/ Behinderungen mit ihren Familien und diesen Fachleuten. Für die betroffenen Familien und ihre Kinder eröffnen sich neue Perspektiven, nicht zuletzt um auch ihre Rechte als Bürger einzufordern (Hurst 2003). Ziel dieses Artikels ist es zu zeigen, wie sich zum einen die Schwerpunkte in der Gesundheitsversorgung von der akuten Medizin zur chronischen Medizin verändert haben und sich gleichzeitig unser Denken über Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung entwickelt hat. An Hand der auf Basis des bio-psycho-sozialen Modells von Gesundheit entwickel-ten Struktur der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit werden die Begriffe "Diagnose", "Behinderung" und "Identität" diskutiert und in ihrer Bedeutung für die Behandlung und Begleitung von Kindern mit chronischen Erkrankungen und ihren Familien beleuchtet.

Lebensqualität krebskranker Eltern mit minderjährigen Kindern – Problemaufriss

Die Fragestellungen, die sich mit dem Einfluss der Elternschaft auf die psychosoziale Situation und die Lebensqualität der Krebspatienten selbst befassen, sind bislang ungenügend erörtert. Das betrifft sowohl epidemiologische als auch Hypothesen prüfende Themenfelder und Versorgungsanalysen. Die Ursache für diese ungenügende Problemzentrierung liegt in der relativ kleinen Inzidenz (rund 12% aller Krebserkrankten haben Kinder bis 18 Jahre) – die meisten Diagnosen werden jenseits des Alters von 60 Jahren gestellt (Männer 72%, Frauen 70%), in welchem kleine Kinder kaum noch eine Rolle spielen. Studien verweisen allerdings auf die Kumulationen von Belastungen und Problemen gerade in diesen Familien. Es ist auf der einen Seite dringend notwendig, die Generierung epidemiologischer Daten voranzutreiben, um belastbare Informationen zur Entwicklung und Anwendung psychoonkologischer Interventionsangebote zur Verfügung zu haben. Auf der anderen Seite ist für die Aufarbeitung der Forschungsdefizite die Erhebung repräsentativer Längsschnittdaten notwendig, um den Einfluss der Kombination Elternschaft und Krebs auf innerfamiliäre Belastungsprofile und -verläufe differenziert zu verdeutlichen.

Pädagogik bei Krankheit (PbK) als Handlungsfeld der ESE-Pädagogik? Eine wissenssoziologische Diskursanalyse der Pädagogik bei Krankheit

Verlag Julius Klinkhardt eBooks, 2023

Dieser Beitrag untersucht, wie sich das Diskursfeld Pädagogik bei Krankheit (PbK) am Beispiel der Schule für Kranke an Kinder-und Jugendpsychiatrien darstellt. Dazu wurde das Diskursfeld analysiert und die dem Verständnis der PbK zugrundeliegenden Wissensformen um Notwendigkeiten und Unterstützungsleistungen am Beispiel der Klinikschulen an Kinder und Jugendpsychiatrien herausgearbeitet. Für diese Analysen wurde eine wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) von Beiträgen der Zeitschrift für Heilpädagogik (ZfH) zwischen 1980 und 2022 durchgeführt. Abschließend wurden Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen zwischen PbK und der Pädagogik im Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung skizziert.

Peter, Claudia , 2013, Normalisierungsstrategien zu dicken und frühgeborenen Kindern in medizinisch-gesundheitspolitischen Diskursen

2013

Frühgeborene Kinder und sogenannte ’dicke Kinder’ eint heute nicht viel mehr, als dass sie zwei verschiedene, inzwischen fest etablierte Patientengruppen der Pädiatrie sind. Ihre ’Entdeckung’ und anschließende Diskursivierung erfolgte zuerst durch die Pädiatrie bzw. gesund- heitspolitische Akteure, dann durch die Medien, während sie in den anderen (sozialwissenschaftlichen) Disziplinen zwar bekannt sind, aber bisher nur moderate Aufmerksamkeit fanden. Die Pädiatrie hatte als Erste beobachtet, dass es sich hier um jeweils neu entstandene Patientengruppen handelt, die keine Einzelfälle, sondern massenhaft auftretende Phänomene sind, die eine Zeittypik in der Art in sich tragen, dass sie erst unter den Bedingungen der Moderne entstehen konnten: im Fall der adipösen Kinder als „Reaktionsformen auf gesellschaftlichen Wandel“ (von Kardorff/Ohlbrecht 2007, S.155) und im Fall der frühgeborenen Kinder in Folge neu ausdifferenzierten Wissens, das sich in einer neuen medizinischen Spezialdisziplin institutionalisieren konnte, und aufgrund allgemeinerer normativer Verschiebungen im Laufe des 20. Jahrhunderts, die Kinder, Behinderte und Kranke betrafen.