Der Kultwert des Ausstellungswertes und die Zeitlichkeit musealer Gegenstände (original) (raw)

Ausstellungswert und Musealisierung

Das Museum als zum Ausstellen unterschiedlicher und spezifischer Artefakte eingerichteter Ort ändert seinen Status: Von einem institutionellen Rahmen, der in der Lage ist, ihnen ei-nen bestimmten Wert zuzuweisen, wird es zu einem Ort, in dem der Betrachter aufgefordert wird, in seine Lebenspraktiken das aufzunehmen, was er vor sich sieht. Es ist nicht erfor-derlich, das Objekt zu verstehen, sondern vielmehr, es kennen zu lernen, und es soll nicht nur einfach verwendet oder gekauft werden: Es soll assimiliert werden, damit man eine Er-fahrung gewinnt, die zur Ausweitung des eigenen Potenzials als bewusster Verbraucher führt. Das Objekt wird zum Medium der Erfahrungskommerzialisierung. Der Übergang von der Logik der Ausstellung zu jener der Assimilation, der sich für die Ausstellungen als normativ erweist, deutet ferner auf die Verwandlung des Museums hin, aber in eine andere Richtung. Vom Dispositiv für eine Dramaturgie der Wahrnehmung der von einem phantas-matischen Zug nicht freien Gegenstände wird das Museum zu einem Medium der Lebensin-tensivierung für seine Besucher, deren Feingefühl es stimuliert.

Einleitung: Ausstellungswert und Musealisierung

Paragrana, 2017

Die Gegenwart kommt als solche nur zur Geltung, wenn sie von anderen, abwesenden Zeiten beherrscht wird-das klingt zunächst nach einer reichlich unplausiblen These. Und doch scheint es oft, als werde nur demjenigen Sichtbarkeit eingeräumt, bzw. überhaupt eine Existenzberechtigung zugestanden, dessen Herkunft gesichert ist, und als verdiene nur dasjenige Anerkennung, dem ein anerkannter Platz in der Geschichte zukommt, so dass die Gegenwart unter der Herrschaft der Ordnungsmuster der Geschichte und ihrer Wissenschaft stünde. Dann wieder scheint jedwede Existenzberechtigung, als Minimalwert, nicht von einer Realisierung oder einer erbrachten, nachweisbaren Leistung, und sei es nur einem gegenwärtigen Nutzen, abzuhängen, sondern einzig von der Kraft, mit der eine Option auf eine zukünftige Relevanz plausibel gemacht wird, von einer zunehmenden Bedeutung, von einem Versprechen auf zukünftigen Gewinn, dem jetzt alles unterzuordnen ist, so dass das, was in der Gegenwart zählt, vom Glauben an die Berechenbarkeit der Zukunft abhinge. Eine Zeitordnung, deren Unverfügbarkeit auf der Verwaltung des Vergangenen basiert und dessen Bedeutung steigert, steht einem Zeitregime gegenüber, dessen Macht auf der Präsentation und Verfügbarmachung des Zukünftigen basiert. Könnte es sein, dass diese zwei konträr erscheinenden Zeitregime in Wahrheit komplementär zu einander stehen? Dieser Band setzt sich zum Ziel, philosophisch-politische Studien zum Begriff der Ausstellung und der Musealisierung für die Medien-, Kunst-und Kulturtheorie vorzulegen. Im Zeitalter des Streits um kulturelle Entgrenzungstendenzen, der historisierenden Selbstvermarktung, der Transformation der Kunst in ein reines Investitionsobjekt und der Kommodifizierung des kulturellen Erbes liegt es auf der Hand, die entscheidenden Dispositive zur Konstruktion kulturhistorischer Identitäten und zur Präsentation singulärer kultureller Leistungsversprechen genauer unter die Lupe zu nehmen. In welchem Zeitraum, wie und mit welchen Medien ein Ding präsentiert wird, so die Hypothese, bedingt, ob dieses als ästhetische Sensation, als kultureller Wert, als künstlerisches Ereignis oder als substanzlos, als Abfall oder als unbedeutender Rest gelten wird. Zur Konturierung dessen, was heute als Gegenwart zählt, ist die Nachwirkung des Vergangenen ebenso wichtig wie die Erwartung des Zukünftigen, ähnlich wie Husserl die Protention und die Retention an den Rändern des Feldes der Gegenwart ausgemacht hat. Diese zeitlichen Dimensionen sind jedoch nicht bloße Grenzzonen der Gegenwart: Medial und perzeptiv konditionieren sie das Jetzt. Im gegenwärtigen Jetzt überlagern Nachleben und Erwartung einander, ordnen es sich unter. In

Vom Werden und Vergehen der Objekte in Museen

2017

In dem Sammelband Die Logik des Museums. Beitrage zur Museologie von Roger Fayet geht es um die Vielschichtigkeit von Ausstellungen in Kunst- und Historischen Museen. Dabei stehen theoretische Fragen zur Arbeitspraxis von Kurator_innen im Vordergrund, angefangen beim Sammeln hin bis zur Aussonderung von Museumsexponaten. Die Zuschreibung von Bedeutung durch die kommunikationstheoretische Mehrdeutigkeit von Objekten sowie deren Platzierung im Raum verweisen dabei auf mogliche Sinngebungen von Ausstellungen. Fayet erlautert und kommentiert zeitnahe Debatten zum Ausscheiden von Museumsobjekten aus Sammlungen oder zur Nachvollziehbarkeit von Autorenschaft in Ausstellungen. Dabei tritt er mit diesem Buch ein fur die Entfernung von Objekten aus Museumsbestanden und kritisiert damit museale Sammlungspraktiken.

Lost in Space and Time? – Ist das museale Sammeln von Antiken noch zeitgemäß?

Stephan Faust – Kerstin Poehls (Hrsg.), Sammeln. Zur Geschichte und Gegenwart einer alltäglichen, musealen und wissenschaftlichen Praxis, Hamburger Journal für Kulturanthropologie Heft 1 (Hamburg 2015) 67–88, 2015

Das Sammeln von Antiken besitzt eine lange Tradition, aber heute stehen dem Interesse Zerstörungen der archäologischen Kontexte durch Raubgrabungen und illegaler Handel entgegen. Nach einer Übersicht wichtiger Etappen des Sammelns folgt ein kritischer Blick auf die aktuelle Diskussion.

Präsentation von Originalen Subjektivität versus Objektivität im Museum

Art historical and museological methods offer an extensive apparatus for scientists working in museums. Following a theoretical introduction, a practical example based on the Old Kingdom collection in the Hildesheim Museum will be used to illustrate the principles and origins of a new exhibition concept, which takes the wishes and needs of the 21 st century visitor greater into account.

Objekte ohne Wissenschaft – Exponate ohne Sammlung : über den Umgang des "Muséum d'histoire naturelle" und des "Muséum des Antiques" mit ethnografischen Artefakten im ausgehenden 18. Jahrhundert

Traverse , 2012

Dieser Beitrag thematisiert die von der französischen Museumspolitik gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchgeführte Spezialisierung und Ausdifferenzierung der nationalen Sammlungen in deren Gründungsphase. Dabei zu beobachten, wie Exponate einer speziellen Sammlung zugewiesen oder wie sie umgeordnet wurden, kommt nicht nur der Sammlungsgeschichte zugute. Dies ermöglicht zudem, Abweichungen oder Neubestimmungen der entsprechenden Wissensgebiete zu registrieren. Am Beispiel der ethnographischen Artefakte, einem besonderen Sammelbestand, den der Konvent 1795 vom Muséum d’histoire naturelle ins neu gegründete Muséum des Antiques zu versetzen beschloss, vollzieht der Beitrag einen Stück Geschichte zweier Disziplinen nach: den der Naturgeschichte und der Archäologie. Er untersucht folgende Fragen: Wie hatte sich die Naturgeschichte so verändern können, dass sich die aussereuropäischen Artefakte im naturhistorischen Museum erübrigten? Welche verschiedenen Auffassungen der Archäologie bewirkten, dass diese Objekte zunächst dem Museum für Antiquitäten zuerkannt wurden, ihm danach jedoch nicht mehr geeignet erschienen?

Das Museum und die Feier: Vom ästhetischen Wert des Objekts zu einem Raum intensivierten Lebens

Paragrana

Das Museum als zum Ausstellen unterschiedlicher und spezifischer Artefakte eingerichteter Ort ändert seinen Status: Von einem institutionellen Rahmen, der in der Lage ist, ihnen einen bestimmten Wert zuzuweisen, wird es zu einem Ort, in dem der Betrachter aufgefordert wird, in seine Lebenspraktiken das aufzunehmen, was er vor sich sieht. Es ist nicht erforderlich, das Objekt zu verstehen, sondern vielmehr, es kennen zu lernen, und es soll nicht nur einfach verwendet oder gekauft werden: Es soll assimiliert werden, damit man eine Erfahrung gewinnt, die zur Ausweitung des eigenen Potenzials als bewusster Verbraucher führt. Das Objekt wird zum Medium der Erfahrungskommerzialisierung. Der Übergang von der Logik der Ausstellung zu jener der Assimilation, der sich für die Ausstellungen als normativ erweist, deutet ferner auf die Verwandlung des Museums hin, aber in eine andere Richtung. Vom Dispositiv für eine Dramaturgie der Wahrnehmung der von einem phantasmatischen Zug nicht freien Geg...

Dingwelten zwischen Ästhetik und Erkenntnis Zur Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums

Ausstellungsrezension Zitierempfehlung: Olaf Hartung, Dingwelten zwischen Ästhetik und Erkenntnis. Zur Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: Zeitgeschichte-online, Thema: Geschichtsbilder des Deutschen Historischen Museums. Die Dauerausstellung in der Diskussion, hg. von Jan-Holger Kirsch und Irmgard Zündorf, Juli 2007, URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/portals/\_rainbow/documents/pdf/dhm\_hartung.pdf

Die Macht der Dinge. Zur Beharrlichkeit musealer Ordnungen

Martina Griesser, Christine Haupt-Stummer, Renate Höllwart, Beatrice Jaschke, Monika Sommer, Nora Sternfeld, Luisa Ziaja (Hg.): Gegen den Stand der Dinge. Objekte in Museen und Ausstellungen. De Gruyter, 2016

Kaum ein anderer Museumstyp ist in den letzten Jahren so sehr im Umbruch wie das ethnologische Museum. So oder ähnlich zumindest lautet das Motto von Tagungen, Sammelbänden oder Aufsätzen, die sich mit ethnologischen Museen beschäftigen. In der Tat zeigt die mittlerweile Jahrzehnte währende Diskussion über das enge Verhältnis zwischen völkerkundlicher Museumspraxis und Kolonialismus auch im deutschsprachigen Raum Effekte. Wenn die kanadische Museumstheoretikerin Ruth B. Philipps in ihrer Analyse zweier nordamerikanischer Museen von einem »global movement toward a post-colonial museology powered by the anticolonial activism of Indigenous peoples in informal alliance with academic poststructuralist critics of museum representation« spricht, dann gilt dies mindestens auch insofern für hiesige Kontexte, als sich Museen zunehmend an diesen internationalen Debatten und Entwicklungen messen lassen müssen. Die Neueröffnungen der letzten Jahre zeigen, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise, wie stark das Reformbedurfnis auch aufseiten der Institutionen selbst ist.