Ausstellungswert und Musealisierung (original) (raw)

Einleitung: Ausstellungswert und Musealisierung

Paragrana, 2017

Die Gegenwart kommt als solche nur zur Geltung, wenn sie von anderen, abwesenden Zeiten beherrscht wird-das klingt zunächst nach einer reichlich unplausiblen These. Und doch scheint es oft, als werde nur demjenigen Sichtbarkeit eingeräumt, bzw. überhaupt eine Existenzberechtigung zugestanden, dessen Herkunft gesichert ist, und als verdiene nur dasjenige Anerkennung, dem ein anerkannter Platz in der Geschichte zukommt, so dass die Gegenwart unter der Herrschaft der Ordnungsmuster der Geschichte und ihrer Wissenschaft stünde. Dann wieder scheint jedwede Existenzberechtigung, als Minimalwert, nicht von einer Realisierung oder einer erbrachten, nachweisbaren Leistung, und sei es nur einem gegenwärtigen Nutzen, abzuhängen, sondern einzig von der Kraft, mit der eine Option auf eine zukünftige Relevanz plausibel gemacht wird, von einer zunehmenden Bedeutung, von einem Versprechen auf zukünftigen Gewinn, dem jetzt alles unterzuordnen ist, so dass das, was in der Gegenwart zählt, vom Glauben an die Berechenbarkeit der Zukunft abhinge. Eine Zeitordnung, deren Unverfügbarkeit auf der Verwaltung des Vergangenen basiert und dessen Bedeutung steigert, steht einem Zeitregime gegenüber, dessen Macht auf der Präsentation und Verfügbarmachung des Zukünftigen basiert. Könnte es sein, dass diese zwei konträr erscheinenden Zeitregime in Wahrheit komplementär zu einander stehen? Dieser Band setzt sich zum Ziel, philosophisch-politische Studien zum Begriff der Ausstellung und der Musealisierung für die Medien-, Kunst-und Kulturtheorie vorzulegen. Im Zeitalter des Streits um kulturelle Entgrenzungstendenzen, der historisierenden Selbstvermarktung, der Transformation der Kunst in ein reines Investitionsobjekt und der Kommodifizierung des kulturellen Erbes liegt es auf der Hand, die entscheidenden Dispositive zur Konstruktion kulturhistorischer Identitäten und zur Präsentation singulärer kultureller Leistungsversprechen genauer unter die Lupe zu nehmen. In welchem Zeitraum, wie und mit welchen Medien ein Ding präsentiert wird, so die Hypothese, bedingt, ob dieses als ästhetische Sensation, als kultureller Wert, als künstlerisches Ereignis oder als substanzlos, als Abfall oder als unbedeutender Rest gelten wird. Zur Konturierung dessen, was heute als Gegenwart zählt, ist die Nachwirkung des Vergangenen ebenso wichtig wie die Erwartung des Zukünftigen, ähnlich wie Husserl die Protention und die Retention an den Rändern des Feldes der Gegenwart ausgemacht hat. Diese zeitlichen Dimensionen sind jedoch nicht bloße Grenzzonen der Gegenwart: Medial und perzeptiv konditionieren sie das Jetzt. Im gegenwärtigen Jetzt überlagern Nachleben und Erwartung einander, ordnen es sich unter. In

Der Kultwert des Ausstellungswertes und die Zeitlichkeit musealer Gegenstände

Paragrana, 2017

Museen sind Räume, in denen und durch welche Zeit und damit Tradition konstruiert wird. Die in ihnen sich befindenden Gegenstände unterliegen also einer künstlich hergestellten Zeitlichkeit, und dies charakterisiert ihren Ausstellungswert, dem ein ganz eigener, sehr zweideutiger Tauschwert zukommt. Die Werke in den Museen jedoch sind tot, was in ihrer vorgeblichen Zeitlosigkeit zum Ausdruck kommt, die ihnen jedoch von außen aufgepfropft wird; sie führen ein Scheinleben. Mit der Zweideutigkeit des Tauschwertes verbinden sich jedoch auch zwei weitere Momente: der Fetischcharakter und das Glücksversprechen, das die Kunstwerke mit den Waren teilen und das an ihren Vorschein gebunden ist und nicht an ihr museales Nachleben. An beide ist der museale Massentourismus mit all seinen Entfremdungserscheinungen gebunden. Folgendes ist das Problem: Ist es möglich, der Kunst wieder einen Gebrauchswert zuzuschreiben, der ihrem momentanen Tauschwert gegenüber gesellschaftlich und kulturell positiv ...

Musealisierung der Migration

Geteilte Heimat – Paylaşılan Yurt | 31.10.2011 - 04.12.2011 | Berlin, Düsseldorf, Köln | Die Ausstellung, 2011

The Museumization of Migration in Germany and Europe

Gedächtnis und Musealisierung

2009

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, wie und warum Gedächtnis in Ausstellungen inszeniert wird. Der erste Teil der Arbeit (2. Methodik: Gedächtnis und Ausstellungsanalyse) entwirft einen theoretischen Zugang zu dieser Frage: Zuerst wird die Entwicklung des Begriffes "Gedächtnis" als zentraler kulturwissenschaftlicher Terminus nachgezeichnet, danach werden Methoden der Auseinandersetzung mit Musealisierung und der Ausstellungsanalyse vorgestellt. Im dritten Abschnitt des Methodik-Kapitels werden kulturwissenschaftliche Gedächtnis-Theorien und Methoden der Ausstellungsanalyse zusammengeführt, um für den nachfolgenden praktischen Teil geeignete Analysewerkzeuge zu entwerfen. Den Abschluss dieses Teils bildet die Vorstellung des Forschungsgegenstandes und der konkreten Fragestellung. Der zweite Teil (3. Historischer Kontext: Auseinandersetzung mit NS-Herrschaft und Widerstand in Österreich seit 1945) bietet einen Überblick über geschichtspolitische Debatten über...

Ausstellungsverwertung – Kunst zwischen Konserve und Kapital

Paragrana, 2017

Im Gegensatz zum Sammeln, Aufbewahren und Vorzeigen von Sammlungsgegenständen setzt das Ausstellen eine andere zeitliche Orientierung durch und damit andere Techniken zur Definition kultureller Identität. Der Beitrag untersucht die Konsequenzen, die sich angesichts der Musealisierung und der neuen technischen Bedingungen des Ausstellens für die Bildende Kunst ergeben.

Ausstellungsfinanzierung

2018

Eine Ausstellung zu konzipieren beginnt-neben einer guten Idee für das Themaimmer mit der Frage nach ihrer Finanzierung. Dabei sind zwei grundlegende Situationen denkbar. Entweder, die Ausstellung wurde ambitioniert geplant und nun fehlen "nur noch" die Mittel. Oder aber, die Ausstellung soll quantitativ und qualitativ so ausfallen, wie es die Mittel von vornherein erlauben. Sowohl für konkret bezifferbare Finanzierungslücken als auch für eine Gesamtrealisierung bzw.-finanzierung lassen sich Mittel außerhalb der regulären Ressourcen einwerben. In beiden Fällen sind der Faktor Zeit und die Finanzierungshöhe entscheidend für die Wahl der passenden Fundraising-Methode. Mit Hilfe eines Überblicks lassen sich die einzelnen Möglichkeiten, eine Ausstellung teilweise oder voll zu finanzieren, aufzeigen. Da sich Sponsoring seit den 1990er Jahren als adäquates Mittel nicht nur auf dem Sport-, sondern auch auf dem Kultursektor erwiesen hat, soll im Folgenden darauf der Schwerpunkt gelegt werden. Mit der Abgrenzung zur Spende lässt sich dann auch diese auf ihre Brauchbarkeit hin gut erfassen. Ausstellungen erscheinen durch ihre öffentlichkeitswirksamen Verwertungsmöglichkeiten-denkbar sind glamouröse Vernissagen und Finissagen-besonders geeignet für ein Fundraising. Warum jedoch gerade Sponsoring noch immer vom Öffentlichen wie Wissenschaftlichen Bibliothekswesen wenig eingesetzt wird, darüber darf spekuliert werden. Ist es die Konkurrenz auf dem Kultursektor, ein Imageproblem oder ist es fehlendem (Fundraising-)Personal geschuldet?

Ausstellen und Vermitteln im Museum der Gegenwart

Edition Museum, 2016

Wie verändert sich Museumsarbeit, wenn Ausstellen und Vermitteln als integriertes Konzept verstanden werden? Im Kontext der kritischen Museologie befragen Museen ihre gesellschaftliche Rolle und entwerfen sich als Orte des Wissensaustauschs und einer beteiligungsorientierten Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart. Vermittlung versteht sich dabei als eigenständige Praxis, welche Ausstellungen und Institutionen hinterfragt, erweitert und verändert. Der Band versammelt Beiträge internationaler Vertreter_innen verschiedener Museumstypen, die Einblick bieten in die vielfältigen Positionierungen und die Übersetzung der »großen Entwürfe« in die Praxis.

Präsentation von Originalen Subjektivität versus Objektivität im Museum

Art historical and museological methods offer an extensive apparatus for scientists working in museums. Following a theoretical introduction, a practical example based on the Old Kingdom collection in the Hildesheim Museum will be used to illustrate the principles and origins of a new exhibition concept, which takes the wishes and needs of the 21 st century visitor greater into account.

Ein Museum zur Selbstdarstellung

In der Renaissance erhoben bildende Künstler und Ar chitekten von Rang den Anspruch, im Unterschied zu bloßen Handwerkern Ehre und Ruhm wie Dichter und Wissenschaftler zu verdienen. Manche von ihnen brach ten diese Auffassung an ihren Häusern zum Ausdruck. Maler wie Giorgio Vasari oder Federico Zuccari veran schaulichten sie mit Fresken in ihren Räumen; der Mai länder Hofbaumeister Filarete beschrieb eine entspre chende Dekoration für das Haus des idealen Architekten (1460-64).1 Der Ulmer Stadtbaumeister Joseph Furtten bach sorgte für seinen Ruhm, indem er in seinem Haus ein Museum einrichtete, das seine Tätigkeit und seine Erfahrungen als Architekt mit Modellen und Grafiken vorführte.2 Furttenbachs Sammlung konzentrierte sich auf das Gebiet der Architektur bzw. auf die Aufgaben, die damals auf einen Architekten zukamen. Sie war sorg fältig ausgestellt, war für ein gehobenes Publikum zu gänglich und beanspruchte zu belehren. In diesem Sinn darf man sie als das erste Architekturmuseum der Neu zeit bezeichnen. Seinerzeit war das Museum hochbe rühmt. Es zog viele Besucher an, darunter mehrere Fürs ten. Der Kurfürst von der Pfalz und der Markgraf von Baden-Durlach kamen sogar mehrfach. Allein im Jahr 1663 stellten sich über 1200 Besucher ein. In zeitgenössischen Almanachen für vornehmes Leben wird das Museum ausführlich besprochen.3 Matthäus Merians Topografie behandelt bei der Beschreibung von Ulm Furttenbachs Haus so eingehend wie nur noch das berühmte Münster, weit ausführlicher als alle übrigen Bauten in Ulm ein schließlich des Rathauses.4 Furttenbach wollte, dass seine Nachfahren das Haus mit dem Museum konservieren. Dazu kam es nicht. Das Haus ist zerstört, die Sammlung ist verloren. Aber Furttenbach hat dafür gesorgt, dass beides in Beschreibungen und in Abbildungen vorzüglich überliefert ist: Er hat angegeben, welche Funktionen die Räume seines Hauses hatten und wie seine Exponate ausgestellt waren. Er hat sogar fest gehalten, wer sein Haus besuchte und wie eine Führung durch sein Museum ablief. Von keinem anderen Künstler haus der Renaissance gibt es so umfassende Nachrichten. Trotzdem erregt Furttenbachs Haus jetzt nur noch lokales Interesse; in der Historiografie von Museen oder Künst lerhäusern erscheint es kaum. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die Studien des Autors, mit denen diese Lücke geschlossen werden soll. FURTTENBACHS VITA UND WIRKEN Furttenbach stammte aus einer wohlsituierten Familie. 1608 reiste er im Alter von sechzehn Jahren nach Italien und hielt sich dort zehn Jahre lang auf. Er studierte in Italien Architektur in verschiedenen Sparten, besuchte Kunstsammlungen und fand Lehrmeister für Architektur. Er kam auch mit bedeutenden Persönlichkeiten aus an deren Bereichen in Kontakt, darunter sogar Galileo Ga lilei. Im Jahr 1621 ließ er sich in Ulm nieder. Er leitete dort ein Handelshaus und stieg zum Ratsherrn auf. 1631 übernahm er neben seiner kaufmännischen Tätigkeit die Leitung des städtischen Bauamts. Er beschäftigte sich intensiv mit Wehrarchitektur, die für viele Städte in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs wichtig war, da Deutsch land von fremden Truppen überschwemmt war. Ulm ver dankte es seinen neuen massiven Befestigungen, dass die Stadt damals von einer Eroberung verschont blieb. An die Stadtmauer baute Furttenbach eine große Vete ranensiedlung, die teilweise noch erhalten ist. Sie kommt der berühmten Fuggersiedlung in Augsburg an sozialer Bedeutung gleich. Zudem errichtete er in Ulm diverse öffentliche Bauten; er entwarf Maschinen und schuf Werke zur Unterhaltung: Grotten, Dekorationen, Feuer werke und anderes. Solche Kreationen treten in der kunsthistorischen Betrachtung gegenüber Gemälden und Plastiken zurück, aber im Etat potenter Haushalte spielten sie oft die größere Rolle. 1638 errichtete Furttenbach in Ulm sein Wohnhaus. Drei Jahre danach publizierte er ein Traktat unter dem Titel Architectura privata, in dem das Anwesen mit seinem Mu seum und Garten in aller Ausführlichkeit beschrieben und illustriert wird.5 Die Objekte seiner Sammlung hat Furttenbach in neun weiteren Traktaten und in Inventa Originalveröffentlichung in: Tacke, Andreas ; Schauerte, Thomas ; Brenner, Danica (Hrsgg.): Künstlerhäuser im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Petersberg 2018, S. 264-275