Bid'a in der malikitischen Rechtsschule* Weitere Überlegungen zu Strukturen des Feldes des islamischen Rechts (original) (raw)
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Islamisches Recht in Wissenschaft und Praxis. Festschrift zu Ehren von Hans-Georg Ebert, 2018
Islamische Speisevorschriften im Kontext des klassisch islamischen Rechts sind nicht erst in den letzten Jahren Gegenstand eines ausgiebigen islamwissenschaftlichen und islamtheologischen Wissenschaftsdiskurses. Demgegenüber haben die Getränkevorschriften im wissenschaftlichen Bereich vergleichsweise geringere Aufmerksamkeit erfahren. Auch die Anzahl kulturgeschichtlicher und die Philologie betreffender Untersuchungen zum Thema ‚Alkohol‘ im Allgemei-nen und ‚Wein‘ im Besonderen fällt im Vergleich zu entsprechenden Forschungs-ansätzen bezüglich der Speisevorschriften geringer aus. Zunächst lässt sich konstatieren, dass beide Aspekte, d. h. Speisevorschriften und Getränkevorschriften, islamrechtsdogmatisch getrennt voneinander verankert sind. Dieser Beitrag wird sich aus dem dargelegten Grund dem zuwielen vernachlässigten Diskurs zu Getränkevorschriften fokussierter annehmen. Ausgehend von einer jüngst durch Intellektuelle angestoßenen und in der ägyptischen Öffentlichkeit daraufhin wiederbelebten Debatte werden relevante Gesichtspunkte durchdekliniert.
Zeitschrift für Recht & Islam, 2017
Dieser Beitrag geht der Fragestellung nach, wie das Konzept von maqāṣid vor aš-Šāṭibī (gest. 1388) thematisiert wurde. Es wird untersucht, wie Vordenker die Absichten der Scharia wahrgenommen und im Rahmen von uṣūl al-fiqh behandelt haben. Diese Behandlung wird anhand der Überlegungen der Rechtsmethodologen al-Ǧuwainī (gest. 1085), al-Ġazālī (gest. 1111) und Ibn ʿAbd as-Salām (gest. 1262) durchgeführt. Diese Auswahl begründet sich damit, dass sie einen wichtigen Beitrag zum Konzept der maqāṣid geleistet haben. Für die Abhandlung werden jene Schriften dieser Gelehrten analysiert und aufgegriffen, die mit dem Konzept von maqāṣid zu tun haben. Im Bedarfsfall wird einschlägige Sekundärliteratur herangezogen. Ziel dieses Beitrags ist es, begriffliche Klarheit zu schaffen und die historische Diskussion um die maqāṣid in jener frühen Phase zu erörtern.
Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (ZRGG), 2020
Bahá'í law differentiates between a secular and a sacred legal sphere, intertwining both by positing a religious duty for its adherents to abide by secular (state) law. In Germany, it encounters a secular legal framework that aims at something similar-creating an equilibrium between state law and religious law by establishing the principle of the division of State and Religion, while at the same time facilitating religious freedom; it provides a secular justification for the recognition of religious law. With this, both orders provide mechanisms ensuring that state law and religious law are able to enforce their own claim of validity, while at the same time avoiding conflicts between the respective legal orders. The article argues that this unique interaction between Bahá'í law and the German constitutional law framework impacted both legal orders. For German law, on the one hand, it proved to be crucial for the development and opening of this legal field-whose original purpose was the regulation of the relationship between the state and the (two) Christian churches-for other religious traditions. The interaction with state law has impacted the Bahá'í Community of Ger-many, on the other hand, by catalyzing a number of developments that in other comparative law contexts have been dubbed "constitutionalization" effects.
Ein historischer Überblick über ihre Entstehung und Entwicklung 2 Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung 1 Definition zentraler Begriffe 5 1.1 Überblick über den Begriff des göttlichen Normensystems (der Šarīʿa) 5 1.2 Al-Fiqh (die Normenlehre) als Terminus Technicus 7 1.3 Uṣūl al-fiqh (Rechtsquellenlehre) 9 1.3.1 Uṣūl al-fiqh in der Lexikologie 9 1.3.2 Uṣūl al-fiqh als Terminus Technicus 11 2 Periodisierung der islamischen Geschichte 14 3 Übersicht über die Entstehung des Uṣūl al-fiqh im Rahmen der Maḏāhib (Rechtsschulen) 15 4 Etablierung des zwölferschiitischen Uṣūl al-fiqh 18 5 Fazit 19 6 Literaturverzeichnis 20 3 Einleitung Diese Arbeit behandelt die Fragen: Hat Šarīʿa (das göttliche Recht) die menschlichen Bedürfnisse erfüllt? Widerspricht die Šarīʿa und ihre unterschiedlichen Interpretationen nicht den menschlichen Interessen und Grundwerten? Zudem: Können Koran sowie Sunna (mit einigen Einschränkungen) allein als Hauptquellen der Gesetzgebung die menschlichen Bedürfnisse erfüllen? Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage: Könnten die islamischen Gelehrten ohne gute Kenntnisse über den Uṣūl al fiqh, begreifen, was Šarīʿa (das göttliche Recht) eigentlich ist? Um diese Behauptung zu beweisen, muss man den Uṣūl alfiqh genauer betrachten. Das Verständnis des Uṣūl al-fiqh gehört sowohl im Orient als auch im Okzident bis heute zur zentralen Diskussion der Rechtsbildung und Rechtsgelehrten. Im Rahmen der oben genannten Fragen und gestützt auf diese Ausgangsbasis werden im ersten Teil die zentralen Begriffe, wie Šarīʿa (das göttliche Recht), Uṣūl al-fiqh, die immer wieder als Grundlage der islamischen Wissenschaften vorkommen und Fiqh (die Normenlehre), lexikologisch und als Terminus Technicus erläutert. Dazu sagte Imam ʿAlī (gest. 661): Der Koran, der zwischen zwei Buchdeckeln ist, spreche nicht selbst, sondern sei von Männern ausgesprochen (interpretiert) worden. 1 Im Fokus dieser Untersuchung steht, hauptsächlich aus sunnitischer Sicht, die Definition der renommierten klassischen Werke und der modernen Lehrbücher. Darauf aufbauend werden im zweiten Teil die wichtigsten Merkmale in der historischen Entwicklung und Periodisierung der Geschichte des Uṣūl al-fiqh gezeigt. 1 Vgl. aṭ-Ṭabarī, Muḥammad ibn Ǧarīr: Tāriḫ al-Rusul wa-l-Mulūk, bearb. von Ibrāhīm, Abū al-Faḍl, Dar al-Maʿārif, 5. Band, Kairo 1979, S. 48-49. 4 Hierfür sollen wichtige Elemente zur Etablierung der Rechtsschulen und ihre Beziehung zum Uṣūl al-fiqh dargestellt werden. In der Arbeit wird die tatsächliche Geschichte des Uṣūl al-fiqh innerhalb der einzelnen Rechtsschulen grundsätzlich verfolgt. Kapitel 4 befasst sich schließlich, in Verbindung mit ihren wichtigsten Gelehrten, mit den Uṣūl al-fiqh in der schiitischen Rechtsschule. Auffällig ist, dass, im Gegensatz zu anderen Themen wie Theologie und islamischer Geschichte, in der Forschung über Uṣūl al-fiqh in deutscher Sprache wenig geschrieben wurde. 5 1 Die Definition zentraler Begriffe Im Folgenden wird eine Darstellung für das Rechtssystem der Šarīʿa, des Fiqh und des Uṣūl al-fiqh festgelegt. 2 Das göttliche Recht (Šarīʿa) 1.1 Ein Überblick über den Begriff des göttlichen Rechts (Šarīʿa) Über den Begriff Šarīʿa wird noch immer stark debattiert. Die Šarīʿa wurde von vielen Muslimen als den Weg zu Glückseligkeit sowohl im Diesseits als auch im Jenseits angesehen. Šarīʿa ist die Auslegung des göttlichen Rechts, das im Koran und Sunna des Propheten dargestellt wurde. Trotz dieser offensichtlichen und exklusiven Beziehung zwischen Šarīʿa und göttliches Gesetz, hat das Wort Šarīʿa verwendet worden, um sowohl göttliches Recht sowie islamisches positives Recht insbesondere Fiqh zu beschreiben. 3 2 Vgl. Lohlker, Rüdiger: Islamisches Recht, Fakultas Verlag, Wien 2012, S. 17. 3 Vgl. Khan, Liaquat Ali; Ramadan, Hisham M.: Contemporary Ijtihad: limits and controversies, Edinburgh University Press, Edinburgh 2011, S. 3. Die Normenlehre (al-Fiqh) Die praktische Normenlehre (Furūʿ al-fiqh) Die Rechtsquellenlehre (Uṣūl al-fiqh) Die Normen des sozialen Handels (Muʿāmalāt) Die Normen der rituellen Handlung (ʿIbādāt) 6 Laut dieser Definition enthält die Šarīʿa unveränderliche Normen, die als Bruchteil der von Gott gegebenen Ordnung betrachtet werden. Es wäre deutlicher, wenn man dazu die Definition von Picken hier erwähnt: "Islamic Law remains one of the most intriguing and fascinating disciplines within the field of Islamic studies. Perhaps this is because, as its name suggests, it is a legal tradition entrenched and submerged within a religious context." 4 Bemerkenswert ist, dass diese Meinung die Rolle der Šarīʿa als Wissenschaft reflektiert. Mit anderen Worten, die Muslime glauben fest daran, dass ihr Leben durch göttliches Gesetz, welches etliche Aspekte des täglichen Lebens beinhaltet, regiert werden soll. 5 Es ist möglich, dass die nächste Definition die Bedeutung des göttlichen Rechtssystems (Šarīʿa) klarer fasst: Šarīʿa als Fachbegriff ist in einem weiten und einem engen Verständnis aufzufinden. Diese gilt es zunächst aufzuschlüsseln um Verwirrungen zu vermeiden. Die spezifisch ausgeprägten traditionellen, dem Koran entlehnten Rechtsvorschriften aus den Bereichen des Familien-, Erb-und Strafrechts gelten als ein enges Verständnis des Fachbegriffs Scharia. Dieses [...] Scharia im weiten normativen Verständnis umfasst die Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen, sowie Mechanismen zur Normfindung und Interpretation. 6 1.2 Al-Fiqh (die Normenlehre) als Terminus Technicus Der Terminus Fiqh wird in arabischen Wörterbüchern als Synonym für Verstehen genauer beschrieben: Das Verinnerlichen von reflexivem Wissen. Al-Fīrūzābādī (gest. 1415) definierte Fiqh in seinem umfassenden Werk (al-Qāmūs al-Muḥīṭ) als das Verstehen und das Wissen. 7 "Die juristischen Handbücher, die von den Rechtsgelehrten verfassten wurden, bestehen aus zwei Hauptteilen: den Quellen (Uṣūl) und den Zweigen (Furūʿ). Die Rechtsquellen (Uṣūl al-fiqh) bilden für sich genommen eine eigene Disziplin." 8 Muhammad ibn Idrīs al Šafiʿī (gest.820) hat fiqh definiert als: التفصيلية أدلتها من المكتسب العملية الشرعية باألحكام العلم " 9 1.3.2 Uṣūl al-Fiqh als Terminus Technicus Zuhaīr klassifizierte den Begriff Uṣūl als Terminus Technicus auf vier Kategorien: Erestens: Al-Aṣl bi-Maʿnā ad-Dalīl, die Wurzel im Sinne vom Beweis. Zweitens: Ar-Raǧiḥ, die Wurzel im Sinne von Vorrang. Drittens: Al-Maqīs ʿalaihi, die Wurzel im Sinne vom Analogieschluss. Viertens: Al-Qāʿida al Mustamirrā, die kontinuierliche Basis. 21 In diesem Abschnitt soll zwischen der Definition des Uṣūl al-Fiqh aus der okzidentalen und orientalischen Sicht unterschieden werden. Erstens: Die Definitionen des Orients für Uṣūl al-Fiqh ist laut Ibn ʿAqīls (gest.1119) Buch (al-Wādiḥ fī-l-Uṣūl): "Huwa al-ʿIlm bi-l-Aḥkām aš-Šarʿīyya bi-Ṭarīq an-Naẓar wa-l-Istinbāṭ." 22 Al-Fiqh ist das Wissen über die gesetzlichen Beurteilungen durch die Betrachtungsund Ableitungsmethode. Die oben genannte Quelle definierte Uṣūl (die Rechtsquellen) als: " ٔيشاتة كانكتاب ٔيشاتثٓا؛ إَٔاػٓا اختالف ػهٗ ة َ األدن يٍ َة انفمٓي األدكاو ػهيّ ثُٗ ُ ت يا ْٗ األصٕل تة َ أدن [...] ٔاستصذاب انخالف؛ ػهٗ انصذاتي ٔلٕل ٔانمياس؛ ٔيشاتثٓا؛ َة ٔانسُ خطاتّ؛ ٔفذٕٖ خطاتّ ٔدنيم اَمسايّ يغ انذال . األدكاو ػهيٓا ثُٗ ُ ت أصٕل فٓزِ " 23
A. Einleitung I. Rechtsfortbildung durch maqāṣid bzw. maṣlaḥa Hauptquellen des Islam sind im Wesentlichen der Koran und die Sunna. Aus ihnen stammen unter anderem die grundlegenden Glaubenslehren und moralischen Werte des muslimischen Lebens. Auch für das islamische Recht stellen Koran und Sunna allerhöchste Priorität dar. Sie sind erstrangige Bezugsquellen für Urteilsbestimmungen. Da sie jedoch eine begrenzte Quantität an spezifischen Normen aufweisen, wohingegen tägliche Sachverhalte beinahe unbegrenzt und sehr verschieden sind, griffen Rechtsgelehrte nach weiteren, mit dem Inhalt und dem Sinn der beiden Hauptquellen kongruierenden, Quellen und Methoden auf, die ihnen die Fortbildung des Rechts gewährten, um dies zwecks Urteilen zu neuen Tatbeständen zu bestimmen. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, begannen Rechtsgelehrte Sinn und Zweck der gegebenen Vorschriften zu ermitteln. Das Ziel einer solchen teleologisch orientierten Darlegung der islamischen normativen Botschaft liegt unter anderem darin, aus ihr allgemeine und allgegenwärtige Werte abzuleiten, deren Schutz im Interesse der Religion liegt und die für den Erhalt des individuellen bzw. gesellschaftlichen Lebens von erstrangiger Relevanz sind. Hierfür wurden seitens einiger Rechtsgelehrter, die auch von der herrschenden Mehrheit Anerkennung genossen, insgesamt fünf schützenswerte Grundrechte bestimmt, welche ebenfalls als Ziele der Religion (maqāṣid aš-šarīʿa) verstanden werden, nämlich der Schutz der Religion(-sausübung (dīn)), des Individuums bzw. des Lebens (nafs), des Verstands (aql), des Vermögens (māl) und der Nachkommenschaft (nasl). 1 Nach dem diese Grundrechte konstituiert waren, versuchte man sie durch das Recht in Schutz zu nehmen, indem man an sie gerichtete Verstoße und Übergänge als verboten, und alle fördernden Maßnahmen als erforderlich, gar verpflichtend einstufte. Denn sie sind für den Erhalt des Menschenlebens von essentieller Bedeutung und gleichzeitig Kernbestimmungen für dessen Wohl. Somit hatte man einen essentiellen Maßstab, an dem sich zu orientieren und festzuhalten war, wenn Recht fortgebildet werden sollte. 1