Tanz und Musik. Perspektiven für die Historische Musikpraxis (original) (raw)

Musikchoreographische Forschungspraxis. Eine Fallstudie zur Historiographie des Experimentellen im Zusammenspiel von Tanz, Musik/Klang und Bildender Kunst

Dieser Beitrag widmet sich Besonderheiten einer musikchoreographischen Forschungspraxis am Beispiel der Trilogie Im (Goldenen) Schnitt (1989) von Gerhard Bohner, die letztere auch eigens inszeniert, somit explizit ausstellt. In diesem Spätwerk verarbeitet Bohner sein auf sehr unterschiedliche Tanzströmungen zurückgehendes Körper- und Bewegungswissen. Um zu einem höheren Abstraktionsgrad seiner bewegungsbiografischen Erfahrungen zu gelangen, wählte er für seine Choreographie eine Komposition aus, der ein ähnlicher Forschungsprozess zugrunde lag: Während Bach mit seinem Wohltemperierten Klavier systematisch den Ton-Raum der seinerzeit neuartigen, gleichschwebenden Stimmung abschritt, sucht Bohner bei seinen systematisch-analytischen Recherchen nach ausgewogen proportionierten Bewegungen »durch den Körper, durch den Raum«. Bemerkenswert ist der Transfer des auf der Basis von Bachs Komposition gewonnenen Bewegungsmaterials in eine elektroakustische Klang-Raum-Installation im dritten Teil des (Goldenen) Schnitts, in der Bachs Musik nun nicht mehr hörbar ist, jedoch sichtbar wird, während Bohners Tanz nicht nur sichtbar ist, sondern auch hörbar wird. Bohner erweist sich hiermit (und ebenso durch seine in diesem Kontext entwickelten Narrationsstrategien) als ein Pionier eines spezifisch deutschen, postmodernen Tanzes, der allerdings nicht dezidiert mit der Tradition bricht, sondern ohne die Kenntnis von Praktiken des Ausdruckstanzes Wigmann’scher Prägung, des russisch-expressionistischen Balletts der Nachkriegsjahre, des im Umfeld von Pina Bausch entstandenen Tanztheaters und eines modernen Tanzes deutscher Provenienz (als dessen Vertreter Bohner sich sah) nicht denkbar wäre.

Von der Manie zur Melancholie. Tanzhistoriographie im kulturhistorischen Vergleich.“ Forum Modernes Theater 23.1. (2008) 19-28

The article investigates Walter Benjamin’s notion of allegory in The Origin of German Tragic Drama as a theoretical perspective on dance historiography from a cross-cultural perspective. It is argued that Benjamin’s definition of allegory as “embodied idea” offers a comparative mode of analysis which allows to investigate the body’s potential for archiving performative knowledge across different historical periods. Dance historiography would thus read history into contemporary performance in terms of an invocation of embodied cultural memory through practice. The article introduces three examples of such comparative historical analysis by analyzing the embodied archive of mania and melancholia in three different examples: 1. Greek tragedy via Theodoros Terzopoulos’ The last Mask, 2. medieval dance craze and dance of death, and 3. neo-baroque aesthetics in Trisha Brown’s L’Orfeo.

Vom Umgang des Faches Musikpädagogik mit seiner Geschichte

2015

Der Band versammelt 16 Aufsätze, die aus den Referaten zur Jahrestagung 2000 des AMPF, die unter dem Thema 'Vom Umgang des Faches Musikpädagogik mit seiner Geschichte' stand, hervorgegangen sind. Die Beiträge zur historischen Forschung reichen von Studien zu weit zurückliegenden Epochen (Mesopotamien, Renaissance) über die 20er bis 40er Jahre des 20. Jahrhunderts bis hin zur Geschichte der Gesamtschule aus musikpädagogischer Perspektive. Der jahrzehntelange Streit um Tonwort-Methoden und seine politischen Hintergründe wird ebenso detailliert aufgefächert wie die Biografien von Musiklehrern oder die fachspezifische Leistung des bisher kaum gewürdigten Ernst Heywang. Autobiografische Reflexionen thematisieren die NS-Zeit und die Musikpädagogik der DDR. Auch geschichtstheoretischen und methodenkritischen Aspekten sind Beiträge gewidmet. Einige freie Forschungsbeiträge zur Musikpädagogik der Gegenwart runden das Themenspektrum ab. (DIPF/Orig.)

"Tanz als Musik – Zwischen Klang und Bewegung", ein Symposium der Schola Cantorum Basiliensis, 23-25 September 2021, Musik-Akademie Basel

2021

Das diesjährige Symposium der Schola Cantorum Basiliensis geht anhand zweier Leitfragen den Beziehungen und Funktionen von Klang und Bewegung in der Tanzmusik nach: «Was macht der Tanz mit der Musik?» und «Was macht die Musik mit dem Tanz?». Vom Mittelalter bis in die Zeit um 1800 gibt es ein breites Spektrum von 'Tanzmusik'. Es reicht vom Tanz im rituellen Kontext über funktionale Tanz- oder Ballettmusik bis hin zu instrumentaler oder vokaler Musik, die vom Tanz nur noch den Namen behalten hat, wie etwa die Ballata oder Tanzsätze in Sinfonien. In allen diesen Formen zeigt sich ein jeweils unterschiedliches Verhältnis von Klang und Bewegung. Die Beiträge des Symposiums untersuchen die Interaktion von Musik und Tanz und beleuchten anhand der Leitfragen u. a. folgende Punkte: Die Rolle des Rhythmus oder der choreographischen Bewegung für die Gestaltung von Melodie und Phrasenbildung; die wechselseitige Strukturbildung; der Einfluss auf die Dynamik, Rhetorik, Form und Ästhetik eines Tanzstückes. Durch die verschiedenen Perspektiven der interdisziplinären Beiträge möchten wir Impulse für die historisch informierte Musikpraxis gewinnen.