Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen : Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900 (Edition 1) (original) (raw)

Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen

Schriften aus der Max Weber Stiftung, 2019

Imperialismus und Kolonialismus sind in der Geschichtswissenschaftz urzeit schwer en vogue. We rs ich mit Österreich-Ungarnb eschäftigt, wird aber zunächst die Frage stellen müssen, inwiefernd ie Doppelmonarchie denn überhaupt ein Imperium war oder kolonial handelte. Pieter M. Judson, der wohl einflussreichste Habsburg-Forscherder letzten Jahre, hat sich 2008 dieses Themas angenommen. 1 Seine Bewertung ist eindeutig,aberdennoch differenziert: Fürdie Zeitgenossen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts keinen Zweifel, dass Österreich-Ungarnein Imperium war.Allerdings fiel ihnen-und auch schon im 19. Jahrhundert-eine Definition der genauen Natur des Habsburgerreichs schwer.Mindestens das gilt bis heute. Aber gerade ausder damaligen Perspektivegibt es einige Gesichtspunkte, die fürd ie imperiale Natur des Wiener Kaiserhofes sprechen,e twa das Selbstverständnis und die öffentlichePräsentation der Dynastie. 2 Die k. u. k.-Balkanpolitik schon weit vord em Ersten We ltkrieg zielte nichtz uletzt darauf ab,G ebietsteile Südosteuropas direkt oder indirekt zu beherrschen. Vo ra llem der Kampf gegen das aufstrebende Italien, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Erzfeind hochstilisiertw urde, aber auch die Eindämmung der russischen Expansionsbestrebungen hatten dabei Priorität. Undgerade die Armee, befeuerti nsbesondered urch den k. u. k.-Generalstabschef Franz Conrad vonHötzendorf, zog beiderartigen bellizistischen Gelüsten mit. 3

Einleitung: Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen

Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen

Imperialismus und Kolonialismus sind in der Geschichtswissenschaftz urzeit schwer en vogue. We rs ich mit Österreich-Ungarnb eschäftigt, wird aber zunächst die Frage stellen müssen, inwiefernd ie Doppelmonarchie denn überhaupt ein Imperium war oder kolonial handelte. Pieter M. Judson, der wohl einflussreichste Habsburg-Forscherder letzten Jahre, hat sich 2008 dieses Themas angenommen. 1 Seine Bewertung ist eindeutig,aberdennoch differenziert: Fürdie Zeitgenossen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts keinen Zweifel, dass Österreich-Ungarnein Imperium war.Allerdings fiel ihnen-und auch schon im 19. Jahrhundert-eine Definition der genauen Natur des Habsburgerreichs schwer.Mindestens das gilt bis heute. Aber gerade ausder damaligen Perspektivegibt es einige Gesichtspunkte, die fürd ie imperiale Natur des Wiener Kaiserhofes sprechen,e twa das Selbstverständnis und die öffentlichePräsentation der Dynastie. 2 Die k. u. k.-Balkanpolitik schon weit vord em Ersten We ltkrieg zielte nichtz uletzt darauf ab,G ebietsteile Südosteuropas direkt oder indirekt zu beherrschen. Vo ra llem der Kampf gegen das aufstrebende Italien, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Erzfeind hochstilisiertw urde, aber auch die Eindämmung der russischen Expansionsbestrebungen hatten dabei Priorität. Undgerade die Armee, befeuerti nsbesondered urch den k. u. k.-Generalstabschef Franz Conrad vonHötzendorf, zog beiderartigen bellizistischen Gelüsten mit. 3

Bündnispartner und Konkurrenten der Krone: die ungarischen Stände, Stefan Bocskai und Erzherzog Matthias 1604–1608. In: Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608–1611). Ed. Václav Bůžek. České Budějovice : Jihočeská univerzita v Českých Budějovicích, Historický ústav, 2010. p. 363–399.

Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608-1611) Opera histórica 14 2010 Editio Universitatis Bohemiae Meridionalis Geza PÄLFFY Bündnispartner und Konkurrenten der Krone: die ungarischen Stände, Stefan Bocskai und Erzherzog Matthias 1604-1608 Die bisherigen Ansichten Sowohl die alten als auch die jüngsten Forschungen stimmen mehrheitlich darin überein, dass der von Stefan Bocskai angeführte Aufstand der ungarischen Stände (1604-1606) eine entscheidende Rolle im Bruderzwist spielte. Dieser bedeutete die erste Krise der Habsburgermonarchie im 17. Jahrhundert, weil er als Katalysator sowohl für die ständischen Bewegungen der böhmischen Länder als auch für die in Nieder-und Oberösterreich galt. In diesem Prozess fokussiert fast jede Bearbeitung auf den ständischen Widerstand, auf die ständischen Aspekte des Aufstandes, ferner auf die ständischen Erfolge des Wiener Friedens vom Juni 1606 und des ungarischen Reichstags im Herbst 1608 in Pozsony/Pressburg. Auf diese Weise kann man sowohl in der internationalen als auch in der ungarischen Fachliteratur Behauptungen lesen, nach denen 1) der Bocskai-Aufstand ein Kampf der ungarischen Stände zum Schutz ihrer politischen und konfessionellen Rechte gewesen sei; 2) dass die ungarischen Stände Stefan Bocskai im April 1605 zu ihrem Fürsten gewählt hätten; 3) dass Bocskai im November 1605 in Hinsicht auf die ständischen Rechte und Privilegien die ihm vom türkischen Großwesir überbrachte Königskrone lediglich als Geschenk angenommen und sich damit nicht krönen lassen habe; 4) dass der Bocskai-363 Aufstand bereits im Jahre 1606 auch eine Ständekonföderation mit den österreichischen und böhmischen Ländern gebildet hätte. 1 Mehr noch: In der ungarischen Geschichtsschreibung verbreitete sich ab den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Vorstellung -die sich bis heute völlig gefestigt hat -, wonach die ungarischen Stände durch den Bocskai-Aufstand nicht nur um ihre Privilegien und die Religionsfreiheit, sondern gleichzeitig auch um die Unabhängigkeit Ungarns, ja sogar um die nationale Unabhängigkeit gekämpft hätten. 2 Obwohl dies für viele westeu ropäische Forscher in Kenntnis des dynastischen Staatssystems im damali gen Europa schwer nachvollziehbar ist, ist das hingegen für tschechische, deutsche oder österreichische Kenner der in den vergangenen 50 Jahren so häufigen Geschichtsschreibung über die nationale Unabhängigkeit in den Ländern Ostmitteleuropas schon eher verständlich. 3 All das habe ich auch Ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige neue Beispiele aus der ungarischen bzw. deutschsprachigen Literatur: Péter BALLA et al. (ed.), A Bocskai István által vezetett Habsburg-ellenes rendi felkelés kitörésének 400. évfordulója alkalmából rendezett tu dományos konferencia előadásainak szerkesztett anyaga [Studiensammlung der Vorträ ge der anlässlich des 400jährigen Jubiläums des Ausbruches des von Stephan Bocskai gegen die Habsburger geführten Aufstandes organisierten wissenschaftlichen Tagung], Budapest 2006; János BARTA -Manfred JATZLAUK -Kláta PAPP (edd.), "Einigkeit und Frieden sollen auf Seiten jeder Partei sein. " Die Friedenschlüsse von Wien (23. 06. 1606) und Zsitvatorok (15. 11. 1606), Debrecen 2007; Andrea MOLNÁR, Fürst Stefan Bocskay als Staatsmann und Persönlichkeit im Spiegel seiner Briefe 1598-1606, Mün chen 1983; Bernd RILL, Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf, Graz-Wien-Köln 1999, besonders S. 121-194; Thomas WINKELBAUER, Ständefreiheit und Fürsten macht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter I-II, Wien 2003, hier I, S. 88-89, 147.

Die Habsburgermonarchie in der (deutsch)österreichischen Historiographie

Die Habsburgermonarchie (1526-1918) als Gegenstand der modernen Historiographie, hrsg. von Thomas Winkelbauer (Wien 2022)

Die (deutsch)österreichischen, deutschböhmischen und deutschmährischen Historiker dürften nach der Auflösung der Habsburgermonarchie in deren Nachfolgestaaten beinahe die einzigen Angehörigen ihrer Profession gewesen sein, die den Zerfall Österreich-Ungarns intellektuell und emotional als den Untergang "ihres" Staates betrachteten und die Republik (Deutsch-)Österreich als deren Überrest 1. Der dem diktatorischen "Ständestaat" der Bundeskanzler Dollfuß und Schuschnigg eng verbundene, aus Nordböhmen stammende Melker Benediktinerpater und damalige Privatdozent für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien Hugo Hantsch (1895-1972), ein "volkstumsbewusste[r], föderalistische[r] Großösterreicher" 2 , bezeichnete im Bürgerkriegsjahr 1934 die ehemalige Republik und den nunmehrigen "autoritären" Bundesstaat Österreich als "das übriggebliebene Fundament des alten Baues", "das pulsierende Herz eines zerschlagenen Körpers" 3. Im Juli 1935, kurz vor seiner Ernennung zum außerordent-1 Die meisten ungarischen Historiker bedauerten indes kaum den Zerfall Österreich-Ungarns als vielmehr das Ende und die "Verstümmelung" des Königreichs Ungarn, besiegelt durch den Vertrag von Trianon 1920. Vgl. den Beitrag von Tibor Frank im vorliegenden Band.-"Phantomschmerzen" verspürten natürlich nicht nur Historiker, sondern auch viele andere Österreicher. So notierte sich beispiels

Deutschsprachige Hungari im Spannungsfeld unterschiedlicher Nationsauffassungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Jahrbuch für Mitteleuropäische Studien 2020/2021, 2022

Auf Grundlage von diversen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über den multikulturellen und mehrsprachigen Charakter der Kommunikations- räume Wien2 und Pest-Buda3 soll einleitend festgestellt werden, dass die mehr- fach zitierte kulturelle Zirkulation4 zwischen diesen Kommunikationsräumen durch deutschsprachige Hungari beschleunigt bzw. sichergestellt wurde. Die Ausgangsthese des vorliegenden Beitrags, dass diese in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Bindeglieder zwischen den beiden Zentren funktionierten, erscheint auch auf Grund der im Titel zitierten Zeilen des Herausgebers des Jahrbuches des deutschen Elements in Ungarn (Pest 1846) Karl Maria Kertbeny (1824–1882) plausibel. Obwohl die „Lichtung des Waldes zum Nachbar“ (in diesem Kontext zum deutschsprachigen Raum) von den sog. „Magyaren“5 mit dem beginnenden Reformzeitalter immer weniger als ein begrüßenswerter Beitrag zur Entwicklung der ungarischen Literatur geschätzt wurde, trugen die Hungari insbesondere in den 1810er und 1820er Jahren zur Popularisierung des ungarischen Kulturgutes im deutschen Sprachraum wesentlich bei. Diese komplexe und ambivalente Situation, die Veränderungen der Positionen der Hungari im Hinblick auf sich intensivierende Magyarisierungsbestrebungen sowie die Umwandlung des Begriffs der Nation im ungarischen Reformzeit- alter stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags. Außerdem wird der Fokus auf den Bezug dieser Autoren zum Königreich Ungarn und zur unga- rischen Nation, auf ihre literarischen Erzeugnisse als Speicher ihres spezi- fischen Hungarus-Bewusstseins sowie auf die eventuellen Unterschiede ih- rer Hungarus-Konzeptionen (Berzeviczy, Rumy, Csaplovics usw.) gelegt. Folgende Fragen sollen im Beitrag behandelt werden: Wer waren diese „wald- lichtenden“ und brückenbauenden Hungari, wie war ihr Zugang zur „Patria“, zur ungarischen Nation und zur Entfaltung und Ausbreitung der ungarischen Sprache, wie fand ihr Patriotismus in ihren literarischen Texten Niederschlag und welche Formen der Hungarus-Konzeption breiteten sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, im Vorfeld der Ausbreitung der Ideen des Liberalismus und (Sprach)Nationalismus aus?

Zwischen „Monarchischer Union von Ständestaaten“ und Gesamtstaat. Die Habsburgermonarchie im 18. und 19. Jahrhundert. Published by Österreichverlag

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