Reflexionen zu Gender und Politischer Partizipation in Asien - Einleitung (original) (raw)

Politische Partizipation und Geschlecht

Politische Partizipation in der Bundesrepublik Deutschland, 2001

Gender gap in der politischen Partizipation" ist ein Thema, das sich zunehmend zum Politikum in der Politikwissenschaft-zwischen sog. main-oder male-stream und feministischer Forschung-entwickelt. 1 Ausgangspunkt der Kontroverse ist die Beobachtung einer jahrzehntelangen Differenz zwischen den Geschlechtern: Frauen zeigen geringeres politisches Engagement als Männer. Während bei der Suche nach Ursachen für diesen Unterschied zwar ein Rekurs auf das biologische Geschlecht ("sex") bereits seit Jahrzehnten der Lächerlichkeit preisgegeben wäre, sind die in der Wissenschaft angeführten Interpretationen zum "gender gap" dennoch höchst diskutabel. 2

Kulturen politischer Partizipation

Politische Kulturforschung reloaded, 2019

Die »politische Kulturforschung« hat in der deutschen Politikwissenschaft traditionell einen schweren Stand. Sie verfolgt ihre Ziele und Anliegen jenseits des mainstreams des Faches. Die Auseinandersetzung mit den Motiven, den Gefühlen, den Inszenierungen, den Bildern und den Kommunikationen, die den politischen Institutionen zugrunde liegen und die sie im politischen Alltag befeuern, führt in der Diskussion über die Analyse des politischen Geschehens eine randständige Existenz. Im Fokus stehen stattdessen vordringlich die institutionellen und strukturellen Aspekte des politischen Systems sowie die normativen und programmatischen Analysen politischer Vorhaben und Akteurinnen und Akteure. Im Kontext der traditionellen Differenzierung zwischen polity, policy und politics stehen die strukturellen Polities und die programmatischen Policies im Vordergrund. Die Analyse der politischen Dynamik und ihrer Triebkräfte, ihrer kulturellen und emotionalen Motivationen oder Befindlichkeiten-also der Politics-treten in den Hintergrund. Dieses Ungleichgewicht der Perspektiven betrifft auch in besonderer Weise die Auseinandersetzung mit den Formen politischer Partizipation. Auch hier sind die strategischen Instrumente und die systematischen Institutionen sowie auch ihr Wandel im Wechsel der politischen Epochen breit untersucht. Hingegen bleiben die Beweggründe, die zu den jeweiligen Veränderungen, Erweiterungen und Ergänzungen geführt haben, erkennbar unterbelichtet. So bekommt der strukturelle Wandel den Anschein eines fast naturwüchsigen, aus sich selbst heraus bestärkten Wachstumsprozesses. Die Gesellschaften und die Menschen, die sich in ihnen bewegen und als Zuschauer, Begleiter und Rezipienten das politische Geschehen erleben und kommentieren, scheinen sich in den Institutionen kaum abzubilden. Das politische System scheint gegenüber den Alltags-und Lebensprozessen eine weitgehend abgekapselte Existenz zu führen. Dieses Eigenleben des politischen Systems scheint sich fast ausschließlich aufgrund von Regierungserfordernissen oder von Strategien der politischen Eliten fortzubilden und zu wandeln. Die jeweilige Form der politischen Repräsentation oder Partizipation erhält den Charakter eines aus sich selbst heraus erweiternden und vervollständigenden Ereignisses. Politische Kontingenzen, historische Wahrnehmungsmuster und Konventio

Von Lateinamerika lernen. Neue Modelle der Partizipation stärken Frauen – und die Demokratie

WZB Mitteilungen, Heft 161, 2018

In den letzten zwei Jahr- zehnten haben in Lateinamerika de- mokratische Innovationen Frauen stärker in politische Prozesse einge- bunden. Räume für geschlechtersen- sible politische Experimente entstan- den, die digitale Kluft wurde kleiner. Diese partizipatorischen Initiativen entwickeln sich weiter – und sie leh- ren den Westen, Perspektiven von Ge- schlecht, Ethnie und Klasse stärker in- einander verwoben zu diskutieren. Sie können die Grundlagen für die Stärkung politischer Inklusion und sozialer Gleichheit bilden.

Repräsentation in der (Internationalen) Politischen Theorie – eine feministische Kritik und ein Aufruf zum Dialog

Politische Vierteljahresschrift, 2022

Zusammenfassung Wer darf für wen jenseits des Staates sprechen, und welche Identitäten werden durch dieses Sprechen erst angeboten und erzeugt? Auch wenn die theoretische wie praktische Relevanz dieser Fragen klar zu ersehen ist, bergen sie eine Reihe von Herausforderungen. Wir möchten in einer Replik auf eine 2020 erschienene Debatte Verweise auf sehr relevante wie schwierige Fragen zu transnationaler Repräsentation mit der These verbinden, dass die feministische Beschäftigung mit transnationaler Repräsentation exemplarisch Ansätze zur Verbindung von normativer und empirischer Forschung zur Verfügung stellt. Bedauerlicherweise wurde die feministische Repräsentationstheorie und die Inspiration, die von ihr ausgeht, in der Debatte nicht beachtet. Über eine fokussierte Besprechung der Beiträge der Internationalen Beziehungen und der Politischen Theorie zeigen wir, dass feministische Interventionen im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis stetige Kritik an aufkommenden Ungleichheiten und Identitätskonstruktionen leisten. Darin schließlich tragen sie zu einer Verunsicherung von theoretischen Vorannahmen bei, die für eine empirisch informierte Politische Theorie entscheidend ist.

Politik des Lebensstils als eher weiblicher Partizipationsstil?

Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 2015

Während im Mainstream sozialwissenschaftlicher Partizipationsforschung Geschlecht als strukturierendes Merkmal bürgerschaftlichen Handelns kaum Berücksichtigung findet (Westle 2001), konzentrieren sich Untersuchungen feministischer Forschung überwiegend auf spezielle Politikbereiche wie Frauenpolitik (Freudenschuss 2014). Auf diese Weise bleibt ein unbestimmter Teil der poli

Demokratiestrukturen in Asien – Befunde, Determinanten und Konsequenzen

ZPol, 2009

Der Beitrag untersucht die Demokratiestrukturen in neun asiatischen Transformationsstaaten. Ausgangspunkt ist Lijpharts Unterscheidung von Mehrheitsund Konsensusdemokratie. Die Studie zeigt, dass Lijpharts zweidimensionales Demokratiemuster in Asien nicht existiert. Dieses zentrale Untersuchungsergebnis deckt sich mit neuen Analysen zu Osteuropa, die ebenfalls keinen Nachweis der Demokratiedimensionen von Lijphart erbracht haben. Damit stützt die Untersuchung generelle Zweifel an der Übertragbarkeit der Lijphart'schen Annahmen auf junge Demokratien. Darüber hinaus ist die Verbindung zwischen Demokratiestrukturen und Demokratieverläufen in Asien nicht eindeutig, zumal nicht alle Kriterien von Lijphart in gleichem Maße relevant für die Konsolidierung demokratischer Systeme sind und einige Merkmale gegenläufig zu der von Lijphart vermuteten Richtung wirken. Vielmehr können die Auswirkungen majoritärer oder konsensueller Strukturen auf die Konsolidierung der Demokratie nicht kontextunabhängig bestimmt werden. Folglich findet Lijpharts generelles Plädoyer für die Konsensus-Option als attraktivere Option für Länder im Demokratisierungsprozess zumindest für die asiatischen Transformationsstaaten keine eindeutige Bestätigung.

Weibliche Sittsamkeit in Zentralasien: Wie Frauen das Schicksal der Nation verkörpern sollen

Zentralasien Analysen, 2019

Wie viele postkoloniale Gesellschaften vor ihnen sind die zentralasiatischen Länder fast 30 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion noch auf der Suche nach ihrer eigenen nationalen Identität. Sie wenden sich von russischen kulturellen Einflüssen ab und versuchen, ihre nationalen Traditionen der Moderne anzupassen. Doch haben einige dieser Traditionen das Potential, konservative patriarchalische Werte und Verhaltensweisen zu stärken und bedrohen damit die Gendergerechtigkeit. Frauen stehen unter erheblichem Druck, sich an Ideale von Weiblichkeit und Sittsamkeit anzupassen, um so der Forderung nach Bewahrung der nationalen Identität nachzukommen.

„Normen, Gender und Politikwandel: Internationale Beziehungen aus der Geschlechterperspektive: Eine Einführung “

Welt Trends, 2002

Die Analyse der internationalen Beziehungen 1 aus einem "geschlechter-sensiblen" Blickwinkel, also aus einer Perspektive, die nach dem Zusammenhang von Geschlechterverhältnis und internationaler Politik fragt, gehört zu den neueren Entwicklungen politikwissenschaftlicher Forschung. 2 Im Zentrum feministischer Analysen 3 steht dabei die Kategorie "gender". 4 Dass die Geschlechterverhältnisse genauso wie Vorstellungen von "Mann" und "Frau", Männlichkeit" und "Weiblichkeit" keine statischen Kategorien sind, sondern viel mehr kulturspezifische, historisch variable, soziale Konstrukte, wurde bereits vor Jahrzehnten von Feministinnen proklamiert. Liberale Vorstellungen von der Gleichheit der Geschlechter, sozialistische Analysen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, Freud'sche Annahmen über die Entwicklung von Identitäten sowie funktionalistische Einsichten in Geschlechterrollen erschütterten Mitte des 20. Jahrhunderts auf grundlegende Art die Vorstellung, dass gender biologisch bzw. natürlich gegeben ist. In den späten 1960er und 1970er Jahren argumentierten Protagonistinnen der Zweiten Frauenbewegung 1 Die Kleinschreibung "internationale Beziehungen" indiziert den Bezug auf die konkrete internationale Politik, während mit der Großschreibung auf die wissenschaftliche Teildisziplin verwiesen wird. 2 Wir können in dieser Einleitung leider keinen vollständigen Literaturüberblick geben. Auslassungen sind den Beschränkungen des Raumes geschuldet. 3 Der Kollektivbegriff "Feminismus" bezeichnet eine Vielfalt ausdifferenzierter theoretischer Ansätze, deren gemeinsame normative Zielsetzung in der Gleichberechtigung von Frauen besteht 4 V. Spike Peterson (1992: 194) definiert gender als "systematic social construction that dichotomizes identities, behaviors, and expectations as masculine and feminine". Gender bezieht sich daher nicht nur auf individuelle, sozial konstruierte Geschlechtsidentitäten, sondern stellt gleichzeitig ein institutionalisiertes Strukturmerkmal des gesellschaftlichen Lebens dar. Dies bedeutet, dass das Geschlechterverhältnis als konstitutiv betrachtet wird für die Organisation sozialer und damit auch polititischer Aktivitäten. Gender wird im Deutschen am besten wiedergegeben mit dem Begriff "Geschlechterverhältnisse", welcher die Mehrdimensionalität des Konzepts erfasst (Krell 1996: 150).