Aus der Not eine Tugend machen? Ethische, juristische und praktische Implikationen funktionaler Psychopathen in Wirtschaft und Gesellschaft (original) (raw)

Ethik und Tragödie im Lichte der neuesten Parallelität von ‚Hypermoral‘ und Verrohung

Österreichische Zeitschrift für Soziologie

ZusammenfassungAusgehend von der ethischen Dimension in allen Variationen der Philosophischen Anthropologie wird angesichts der erneuten Aktualität des Begriffs „Hypermoral“ Arnold Gehlens letzte Monographie „Moral und Hypermoral“ (1969) im Hinblick auf das Phänomen einer „Überdehnung ethischer Prinzipien“ dargestellt. Das Buch enthält zwei einander opponierende Diskurse, nämlich einmal die Rekonstruktion von vier voneinander nicht ableitbaren Ethosformen, die in Spannung zu einander stehen. Damit widersprach er der Ansicht, dass es eine mehr oder weniger lineare Ausweitung ethischer Motive von der Familie bis in Weltmaßstäbe hinein existiere. Stattdessen werden Konfliktkonstellationen im Rahmen einer „pluralistischen Ethik“ behandelt, etwa zwischen dem „familienbezogenen ethischen Verhalten bis hin zum Humanitarismus“ oder einer zunehmend dominant werdenden „Ethik des Wohlbefindens und des Glücks (Eudaimonismus)“ im Gegensatz zum „Ethos der Institutionen einschließlich des Staates“...

Der homo oeconomicus als „happy victimizer“: Strukturen und Prozesse moralischen Funktionierens im verhaltensökonomischen Kontext

Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 2013

Ausgehend von einer Kritik am Konzept der "inequity aversion" wird versucht herauszuarbeiten, wie die situationsspezifische Anpassung moralischer Orientierungen vonstatten geht. Dabei wird auf ein Konzept aus der Moralentwicklungspsychologie zurückgegriffen (den "happy victimizer"), das auf Basis einer moralkognitiven Erklärung und einer Theorie zur situativen Nutzung moralkognitiver Strukturen genutzt werden kann, um die interne Vermittlung situationsspezifischen Verhaltens zu explizieren.

Moralischer Zufall nach Thomas Nagel

In diesem Essay wird Thomas Nagels Ansicht zum Problem des Moralischen Zufalls vorgestellt und an seinem Vorhaben gemessen, das sogenannte "Control Principle" abzulösen.

Trauma, Psychopathie und Politik: zum biologistischen Retro der Psychopath(olog)ie

2002

Zum biologistischen Retro der Psychopath(olog)ie Resistenz Die Diskurse der forensischen Psychiatrie sind derzeit mehr und mehr von der Diskussion um sog. »behandlungsunfähige« Patienten bestimmt. So geben Kammeier et al. (1998) im Vorspann ihrer Thesen zur Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs an, es gäbe »ganz wenige Personen (circa sechs Prozent), die auf unabsehbare Dauer so krank, gefährlich und behandlungsresistent sind, dass an Lockerung oder Entlassung aus Sicherheitsgründen nicht gedacht werden kann«. Es fehlt jede Fundierung dieser »Behandlungsresistenz« operationalisiert und welcher Behandlungsgedanken ihr zugrunde liegt. Nur indirekt, aber dennoch unzweideutig, lässt sich der Textpassage entnehmen, dass Behandlung jedenfalls für diese Patienten nicht-mehr-vorgesehen ist. Deutlich wird die Diktion allerdings bei Konsultation eines früheren Entwurfs: Zwar verbiete sich (noch?) aus »rechtsstaatlichen, ethischen und therapieimmanenten Gründen« die dergestalt ins Spiel gebrachte-und insofern als wünschenswert zu unterstellende-Zwangsbehandlung, doch solle bei »bewusster (willentlicher) Therapieresistenz« grundsätzlich die Verlegung in den Strafvollzug vorgenommen werden können (Kammeier, 1984, S. 213). All dies könnte als zu ignorierende Meinung einzelner angesehen werden, würde nicht auch in den Medien das Thema der »nicht therapierbaren oder therapieunwilligen« Patienten dahingehend diskutiert, sie müssten eigentlich aus der forensisch-psychiatrischen Klinik in den Strafvollzug verlegt werden können, und wenn nicht auch in der Politik das lebenslange Wegsperren von Tätern en vogue wäre: Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Männer, die sich an kleinen Mädchen vergehen, nicht therapierbar P&G 3/02

Moralische Mehrwerte und soziale Stabilitat

Archiv fuer Rechts-und Sozialphilosphie, 2008

Christoph Lütge, München Moralische Mehrwerte und soziale Stabilität [Erschienen in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie 94 (2008), Heft 3, S. 384-402] Einleitung Die Frage danach, was menschliche Gesellschaften zusammenhält, ist ein uraltes Problem der Philosophie. Äußerungen dazu finden sich zu allen Zeiten -von Platon und Aristoteles über Hobbes, Hume, Kant und Hegel bis heute. Während des vergangenen Jahrhunderts jedoch, und insbesondere seit Beginn der Globalisierung, ist diese Frage dringlicher geworden: Moderne Gesellschaften sehen sich einem kulturellen, sozialen und ökonomischen Pluralismus gegenüber, der eine neue Dimension angenommen hat. 1 Es ist dabei nicht klar, ob und wenn ja, in welcher Weise traditionelle Antworten auf die Frage nach gesellschaftlicher Stabilität tragfähig sein können für soziale Probleme der Moderne. Dieses Verhältnis soll hier näher beleuchtet werden. Ein Großteil der zeitgenössischen Positionen in Politischer Philosophie und Sozialphilosophie diskutiert die folgende Frage: Gegeben den Fall, dass Akteure in modernen Gesellschaften nach ihrem eigenen Vorteil streben, brauchen wir dann noch einen zusätzlichen sozialen ‚Kitt' über das Eigeninteresse hinaus, um Gesellschaften zusammenzuhalten? Diesen sozialen Kitt nenne ich den moralischen Mehrwert. Ein moralischer Mehrwert ist eine Fähigkeit oder Eigenschaft, welche die Bürger einer modernen Gesellschaft annehmen sollen, um die Stabilität ihrer Gesellschaft zu sichern. Dieser moralische Mehrwert ist -nach Auffassung dieser Positionen -zusätzlich zu Regeln, Gesetzen und Anreizstrukturen notwendig.

Sich verbiegen lassen oder aufrecht gehen? Zur Psychopathologie arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen

2010

Arbeitsbedingte psychische und psychosomatische Erkrankungen nehmen zu. Die neuere internationale arbeits-und gesundheitswissenschaftliche Literatur hierzu zeigt eindeutige Ergebnisse. Im Zuge der Neoliberalisierung der Wirtschaft und der Arbeitsverhältnisse wird der Marktdruck direkt an die Beschäftigten ›durchgereicht‹. Dies führt zu dauerhaften Überlastungen, zur Überanpassung und zum Zusammenbruch persönlicher Identitäten. Die Rehabilitationsmedizin und große Teile der Psychotherapeuten-Szene setzen diesen Entwicklungen bislang wenig entgegen. Wenn Menschen und oftmals ersatzweise ihr Körper oder ihre Seele sich zu wehren beginnen, werden allzu häufig Anpassungsstörungen diagnostiziert und die Betroffenen weiter in die Isolation getrieben. Der Psychologisierung der Arbeitsverhältnisse ist das Postulat einer eigenständigen betrieblichen Gesundheitspolitik ›von unten‹ entgegenzusetzen.

Verblaßte Tugenden. Zur Krise des deutschen Produktionsmodells

Umbrüche gesellschaftlicher Arbeit. Soziale Welt, …, 1994

Durch die in den 80iger Jahren auftretenden neuen Technologien, vollzog sich eine massive Automatisierung in der Industrie. Komplexe Anlagensysteme entstanden. Menschliche Funktionen wurden durch technische Systeme ersetzt. Da die neuen Technologien jedoch erst an die einzelnen Standorte angepasst werden mussten, entstand eine zeitliche Verzögerung. Personal, Produktion und Maschinen mussten erst aufeinander abgestimmt werden. Die neuen Technologien wurden immer weiter optimiert, so dass dieser Optimierungsprozess auch heute noch ein endloser Vorgang ist. Mit den neuen Technologien musste ein neuer Typus von Produktionsarbeiter entstehen, der Systemregulierer. Seine Aufgaben waren nicht nur das An-und Abfahren der Maschinen, sowie die Überwachung und Regulierung dieser, sondern auch die Anlagen-Instandhaltung, Sicherung der Qualität und Vorbereitung der eigenen Arbeit. Der Systemregulierer ist somit der direkte Nachkomme des traditionellen Facharbeiters. Man kann sagen, dass der Systemregulierer eine Art Bindeglied zwischen dem alten tayloristischen-fordistischen und dem neuen post-tayloristischen Produktionsmodell ist. Auch die Ausbildung zu diesem neuen Typus von Arbeiter musste sich im Rahmen dieser Innovation reformieren. (Fachliche Grenzen wurden im Rahmen der Ausbildung überwunden.) Ein flexibler Umgang mit der Technik wurde nun verbreitet gelehrt. Die hohe Zahl der neuen Beschäftigten als Systemregulierer zeigt ihre Notwendigkeit. Um alle Arbeitstypen in ihrem Maße optimal einzusetzen, und von allen das Höchstmaß an Produktivität, und nicht eine gegenseitige Lähmung zu erlangen, muss eine völlig neue Organisationsreform stattfinden. Durch Anreiz und Sanktionssysteme sollen die Abteilungen dazu veranlasst werden, sich einer optimalen Arbeitsteilung zu unterwerfen. Der Konflikt in den alten Organisations-Konzepten besteht also zwischen den einzelnen Aufgabenkompetenzen der einerseits neuen Systemregulierer und andererseits der alten Spezialisten. III. Zwei Wege zum Post-Taylorismus Das neue deutsche Produktionsmodell sollte die Entgrenzung, im Vergleich zum alten tayloristischen Modell, zwischen Planung und Ausführung der Arbeit darstellen. Das deutsche Modell, ist jedoch eines von vielen Lösungsmodellen. Das deutsche Modell der integrierten Produktion: (Optimalzustand) Zentrale Figur ist der Facharbeiter, mit seinem breiten Wissen über bestimmte Materialien, Werkzeuge und Maschinen der Materialbearbeitung und die zu erstellenden Produkte. Der Facharbeiter schafft sich die Kompetenz zur Erledigung einer ganzen Reihe von Aufgaben, in dem er sein Wissen flexibel auf andere Aufgaben an zu wenden weiß. Die Tätigkeiten lassen ihm Raum für eigene Geschicklichkeit und eigenes Entscheiden. Der Facharbeiter ist somit vielseitig einsetzbar. Arbeitsteilung bedeutet in diesem System eine Vereinbarung darüber, wer welche Aufgaben ausführt, unter der Voraussetzung, dass jeder selbst seine Arbeit organisieren kann. Ausbildung: Praxis und Theorie werden zu gleichen Teilen vermittelt. Das angeeignete Wissen wird dann in Zusammenarbeit mit den bereits fertig ausgebildeten Facharbeitern weiter vertieft. Das Gelernte wird nun mit dem Allgemeinen der Arbeitswelt verknüpft. Dies kann jedoch nur durch Einordnung in die Berufsgemeinschaft des Lehrlings entstehen. Die neue Arbeitsorganisation stellt jedoch die alten Karrieremuster mit ihrer Qualifikationshierarchie in Frage. Ein weiteres Problem stellt die Konkurrenz der einzelnen Arbeitsgruppen zueinander dar. Das japanische Modell: Das japanische Modell baut auf Organisation und nicht auf Qualifikation auf. Entscheidend über die Fähigkeit einer Arbeitskraft ist die Kapazität zur Verbesserung der Arbeitsorganisation.