(2008) Pragmatische Quasi-Synonymie: Zur Höflichkeit des russischen Aspekts. (original) (raw)
Related papers
MPLIZITHEIT UND EVIDENZIALITÄT VOR GERICHT: ZUR FORENSISCHEN LINGUISTIK IM HEUTIGEN RUSSLAND
Der vorliegende Beitrag stellt die Fortsetzung der in Weiss (2009) vorgestellten Studie dar, die im Rahmen des in Bergen / NO geleiteten, den Sprachkrisen der 20er und 90er Jahren gewidmeten Forschungsvorhabens "The Landslide of the Norm" entstanden war. Die letzte der in diesem Rahmen durchgeführten Tagungen (Solstrand 2008) galt dem Thema "Norm Negotiations". Die in meiner genannten Studie behandelten Gegenstände fügten sich insofern in diese Rahmenthematik ein, als es um die Bedeutung linguistischer Gutachten für die Auslegung straf-und zivilrechtlicher Verbaldelikte ging. Hier soll darauf verzichtet werden, nochmals die ganze Breite der in Frage kommenden Sachverhalte aufzuzeigen, zu deren rechtlicher Würdigung die Fachexpertise von Linguisten in der Rechtssprechung der Russischen Föderation beigezogen wird. Ebenso wenig wird nochmals auf die Eigenart der juristischen Fachsprache und die unterschiedliche Autorisierung (±juristisch / ±linguistisch) der zugehörigen Grundbegriffe eingegangen. 1 Stattdessen wird der Fokus auf der Behandlung von Ehrverletzungsdelikten liegen, d.h. der Tatbestände Oskorblenie (Art. 130 UK), Kleveta (UK 129) sowie Zaščita česti, dostoinstva i delovoj reputacii (GK 152). Aus der verfügbaren linguistischen Spezialliteratur, die dank der (auch pekuniären!) Bedeutung der gerichtlichen Gutachtertätigkeit in den letzten Jahren stark angewachsen ist, sei v.a. auf ) und Brinev (2009) verwiesen, daneben auf Osadčij (2007, und die einschlägigen Beiträge in der Zeitschrift "Jurislingvistika" (Barnaul 2002 ff.). Am Rande wird auch kurz auf die eventuelle sprachliche Verletzung werberechtlicher Bestimmungen eingegangen.
Der russische Aspekt und die lexikalische Bedeutung des Verbs
Zeitschrift für slavische Philologie, 1988
In der Akademiegrammatik (Russkaja Grammatika) von 1980 wird der russische Aspekt als "neslovoizmenitel'naja kategorija", also als nichtflektivische grammatische Kategorie, angesehen (-1388). Stroit'-postroit' oder perestroit'-perestraivat' wären somit nicht jeweils Formen eines Verbs, sondern verschiedene Verben, postroit' wäre von Stroit' bzw. perestraivat' wäre von perestroit' abge leitet nicht im Rahmen der Formenbildung (slovoizmenenie), son dern der Wortbildung (slovoobrazovanie). Genau dies hat Dahl (1985: 85) im Auge, wenn er sagt, der slavische Aspekt habe ,,a much more ,derivational' character than the average aspectual Opposition". Aus der Annahme, der Aspekt sei im Russischen (oder auch im Polnischen, Tschechischen) keine flektivische/formenbildende Kate gorie, folgt zunächst die Frage: Welche Art grammatischer Katego rie ist der Aspekt dann? Daß der russische Aspekt eine grammati sche Kategorie ist, gilt zweifellos auch weiterhin, weil prinzipiell mit der Wahl eines russischen Verbs die Wahl eines der beiden Aspekte verbunden ist. In eben dieser Zugehörigkeit (fast) eines jeden russi schen Verbs entweder zur Klasse der pf. oder zur Klasse der ipf. Verben ist auch die Art der grammatischen Kategorie begründet. Es ist die Art grammatischer Kategorie, zu der auch das russische Genus der Substantive gehört: Ein Substantiv ist-wiederum im Prinzip-entweder maskulin, feminin oder neutral, so daß Student und studentka nicht die maskuline oder die feminine Form eines Substantivs, sondern verschiedene Substantive darstellen. Diese Art von Kategorien wird in der russischen Grammatiktradition "klassifi zierend" (so ζ. B. in der Akademiegrammatik von 1970), manchmal auch "lexiko-grammatisch" genannt (vgl. die Hinweise bei Zaliznjak, 1967: 19).
Kurz nach dem Untergang von Byzanz und am Beginn ihrer Autokephalie hatte die russische Amtskirche sowohl innen- als auch außenpolitisch einen schweren Stand. Um sich die Deutungshoheit zu sichern und ihr politisches Gewicht zu erhöhen, gab Erzbischoff Gennadij von Novgorod im Jahre 1499 eine russisch-kirchenslavische Neuübersetzung der Bibel heraus. Um philologischen Zweifelsfällen zu begegnen, ließ man Maksim Grek [den Griechen] als Übersetzer nach Moskau kommen, ohne jedoch mit der Sprengkraft philologischer Praktiken zu rechnen. Das Politische der Philologie bestand in einer Lockerung der transzendenten Verankerung diesseitiger Machtverhältnisse. Der Anstoß hierzu ging von einem referentiellen Zeichenmodell aus, mit dem Grek an die Übersetzung heranging. Es kollidierte mit einem theophanen Schriftverständnis, das in religiösen Praktiken der Schrift eine Vereinigung göttlicher und weltlicher Kräfte am Werk sah. In einer Welt, wo Schrift, Religion und Politik eng verknüpft waren, konnten philologische Operationen an heiligen Texten zu einer Relativierung sakralontologischer Bindungen von Urbild und Abbild zu Gunsten eines translatorisch-grammatikalischen Verhältnisses von Vorbild und Nachbildung führen. In der Tat kam es in Moskau zu einer Interferenz dieser konträren Schriftmodelle. Die Kontamination sakraler Schriftpraxis durch die Sprachkünste der Grammatik und Rhetorik wird im vorliegenden Artikel als philologische Differenz bezeichnet. Nicht in der Positivität traktakthafter Gehalte, sondern im Widerstreit mit einem religiösen Symbolverständnis führten philologische Praktiken, so die These, zur Konturierung eines gouvernementalen Operationsfeldes. Die moskovitische Politik der Schrift war weniger durch quellenkritische Interessen oder ausgiebige Protokollierung denn eine Exploration symbolischer Interferenzen gekennzeichnet. Orthodoxe Maßstäbe wirkten unter veränderten Bedingungen fort und führten allmählich zur Herausbildung einer philologischen Sicherheitspolitik.
Convivium. Germanistisches Jahrbuch Polen
Das Ziel des Beitrags ist es, einige Aspekte der Förderung der pragmatisch-diskursiven Kompetenz im philologischen Sprachunterricht zu diskutieren. Am Beispiel der sprachlichen Höflichkeit, die ein pragmatisches und diskursives Phänomen ist, wird aufgezeigt, dass der philologische Sprachunterricht stärker als der Sprachunterricht in anderen Lehr- und Lernkontexten das Augenmerk auf die Sprachverwendung (parole) und die damit verbundene pragmatische und diskursive Wissensvermittlung lenken muss. Vor diesem Hintergrund wird überlegt, wie die kommunikative Bewusstheit sowie pragmatisch-diskursive Kompetenz im philologischen Sprachunterricht gefördert werden können.
Einige Beobachtungen zur Problematik der Säkularität im russischen Kontext
2021
Auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion ist das Phänomen der säkularen Existenzweise seit langem keine Seltenheit. Die in den Ländern "des gesiegten Sozialismus" allein herrschende kommunistische Ideologie führte mittels atheistischtheoretischer Widerlegung sowie psychischer und physischer Gewalt einen bitteren Kampf gegen jede Form von religiöser Weltanschauung und Praxis und prägte dadurch das Bewusstsein einiger Generationen von sowjetischen Menschen. 1 Im Rahmen der sowjetischen Ideologie galt Religion als Zeichen der Schwäche und Unvollkommenheit, als schädliche Illusion, die dem sowohl gesellschaftlichen als auch individuellen Fortschritt im Wege steht, die Fähigkeiten und wahren Interessen des Menschen beeinträchtigt und somit seiner freien geistigen Entwicklung erheblich schadet. Demnach sollte in der Vision der offiziellen Theoretiker des Sozialismus der Säkularisierungsprozess durch das allumfassende Durchsetzen der einzig wahren materialistischen Weltanschauung, welche allein zum menschlichen Glück zu führen vermag, dazu beitragen, alle Seiten und Ebenen der Lebensaktivität vom religiösen Einfluss zu befreien. Dabei verfälschten sie das Bild und Wesen der religiösen Existenz, indem sie behaupteten, dass deren Hauptmerkmal im sorgfältigen unkritischen Befolgen aller rituellen Vorschriften und Traditionen bestehe. 2