Erleben - Darstellen - Bewältigen: Eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf den Bürgerkrieg (original) (raw)
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Der Körper als soziales Gedächtnis, ed. by Michael Heinlein, Oliver Dimbath, et al., Wiesbaden: Springer, 2016
Wie wird ein Krieg erinnert? Welche Folgen ergeben sich daraus für die Entwicklung der Nachkriegsgesellschaft? Und welche politischen Implikationen mit Blick auf künftige Beziehungen einstiger Antagonisten? Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehören diese Fragen zum festen Repertoire von Nachkriegspolitiken auf nationaler und internationaler Ebene. Wissenschaftlich wird diese Konjunktur der Erinnerungspolitik begleitet und befeuert von einer Konjunktur der Memory Studies, die sich ausgehend von einer Wiederentdeckung der Arbeit von Maurice Halbwachs (1967) Fragen des kollektiven Gedächtnisses widmet. In all diesen Diskussionen erscheinen Erinnern und Gedächtnis -den bis heute im globalen Norden gängigen Vorstellungen folgend -als mentale oder kognitive Vorgänge, also als etwas, das der Sphäre des Geistigen angehört, sich in Bewusstseinen ereignet und erst in einem zweiten Schritt Ausdruck findet in Sprache oder Artefakten. Doch wirken Kriege nicht nur auf Bewusstseine. Sie wirken auch auf Körper. Denn das entscheidende Merkmal bewaffneter Konflikte ist physische Gewalt, die per definitionem auf Körper zielt und Körper trifft. Gerade länger andauernde bewaffnete Konflikten können leibliche Strukturen nachhaltig prägen und so ein leibliches Gedächtnis des Krieges erzeugen. Dies geschieht nicht nur durch Wunden, Narben oder fehlende Gliedmaßen, sondern vor allem auch durch die Reorganisation körperlich-leiblicher Gewohnheitsstrukturen. Zwei Beispiele aus unterschiedlichen Kontexten mögen dies verdeutlichen:
Anleitung zum Bürgerkrieg. Konflikt und Erzählung in den Bündner Wirren
Taking the Bündner Wirren – a bloody second theatre of the larger Thirty Years War – as an example, this article examines the central role narratives play in the intensification of social conflict. It shows how the mass of pamphlets, ballads and poems published between 1618 and 1623 and dealing with the ongoing political and religious tensions in alpine Grisons not only describe what happens, but rather intervene in the conflict. Leading to further escalation, this “literary war” of the early 1620s thus decisively contributed to the aggravation of the conflict and its religious charging.
Die Begegnung mit Fremden und das Geschichtsbewusstsein
Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz Beihefte, 2012
Die Begegnung mit Fremden und das Geschichtsbewusstsein-Einleitung Versuche theoretischer Konzeptualisierung und Systematisierung 9. Dieser kaum mehr zu überblickenden Fülle von Untersuchungen soll hier nicht einfach eine weitere hinzugefügt werden, obwohl natürlich noch viele Bereiche der Erforschung harren. Im Fokus des Sammelbandes steht vielmehr eine ganz spezifische Fragestellung, nämlich diejenige nach dem Zusammenhang zwischen der Begegnung mit Fremden und dem Geschichtsbewusstsein. Dass hier eine Interdependenz zu vermuten ist, wird von den-zumeist ja synchron arbeitenden-Soziologen, die sich mit Fremden beschäftigt haben, nur vage angedeutet. Aus der Annahme, dass die Fremden zumeist einen ziemlich radikalen Bruch mit ihrer Vergangenheit vollzogen haben, wird der Schluss gezogen, dass für die Fremden die Gegenwart kein Ort der Bindung gewesen sei, sie vielmehr allein die Zukunft im Blick gehabt hätten 10. Das Leben in der Fremde führe also dazu, dass diese Menschen ihre Verankerung in der Zeit anders interpretierten als zuvor. Diese Beobachtung leuchtet zunächst ein, ist aber kaum je explizit untersucht worden. Der vorliegende Sammelband möchte hierzu einen ersten Beitrag leisten. Geschichtsbewusstsein wird dabei als die Trias von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektiven verstanden 11 , die in ihren Grundzügen bereits auf Augustin zurückgeht. Auf dieser Grundlage kann nach der Verortung der Menschen in der Zeit gefragt werden. Zudem beinhaltet Geschichtsbewusstsein immer auch eine persönliche Komponente: Das Geschichtsbewusstsein eines Menschen ist in seiner Lebensgeschichte verankert 12 , das einer Gruppe in deren Geschichte bzw. ihrer Überzeugung von und Meinung zu ihrer Geschichte. Hans-Jürgen Pandel teilt das Geschichtsbewusstsein auf in Zeitbewusstsein, Wirklichkeitsbewusstsein und Historizitätsbewusstsein sowie die sozialen Kategorien Identitätsbewusstsein, politisches Bewusstsein, ökonomisch-soziales Bewusstsein und 9 Ein Spezialfall der Begegnung mit Fremden sind die Begegnungen unter kolonialen Vorzeichen. Daher haben sich auch die Postcolonial Studies ausgiebig mit der Frage der Definition von Fremdheit und ihrer Bedeutung für Identitätskonstruktionen beschäftigt. Hervorzuheben sind die Konzepte der Hybridität bzw. der »Contactzones« (vgl. Homi K.
Der Vorzug des Erlebens – eine historisch-systematische Revue
Als Andere unter Anderen, 2020
Wie wir leben können und leben wollen-so die These, die sich durch die gesamte vorliegende Arbeit zieht-, lässt sich nur in Beziehung zu Anderen beschreiben. Hier geschieht also die Darstellung dessen, was es für die Wirklichkeit bedeutet, dass wir gezwungenermaßen mit Anderen zusammenleben. 1 Diese Art und Weise zu leben werde ich in dieser Arbeit mit dem Begriff des Erlebens bestimmen, da durch ihn all das gefasst werden kann, was für uns darlegt, wie man sich verhält, und dadurch auch, wie es in Erscheinung tritt. Dies erfordert jedoch nicht nur eine Beschreibung des Notwendigen oder des Wesenhaften, wie es in der Phänomenologie durch die eidetische Variation erreicht werden soll. Es erfordert vielmehr eine Fokusverschiebung auf dasjenige, was in der eidetischen Variation als kontingent beiseitegelassen bzw. ausgeklammert wird (also nicht für eine Wesensbestimmung zu rechtfertigen ist). Es ist demnach die Aufgabe dieser Arbeit, aufzuzeigen, dass das Erleben notwendig bzw. wesenhaft mit nicht zu Rechtfertigendem beschäftigt ist, um auf dieser phänomenologischen Basis eine Bestimmung der sozialen Strukturen, unsere Abhängigkeit von Anderen, aufzuzeigen. Oder kurz: Wie kann das Zusammenspiel von kontingenten sozialen Strukturen und den Bedingungen unserer Wirklichkeit dargestellt werden? Um diese Frage zu beantworten, werden in dieser Arbeit phänomenologische Positionen mit poststrukturalistischen Bestimmungen der sozialen Strukturen zusammengebracht. In diesem ersten Hauptteil wird dafür der Begriff des Erlebens in Abgrenzung zum Begriff eines theoretisierenden Bewusstseins beschrieben, durch welches vor
Schuld und Sühne: Die ewige Anbetung zwischen Kulturkampf und Erstem Weltkrieg
Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 2000
Dieser Artikel befasst sich mit der Ewigen Anbetung, welche eine im 19. Jahrhundert zu neuer Blüte erwachte Form der Frömmigkeit war. Anhand der Verehrung Christi in der Gestalt des Brotes wurde eine «ewige» Erinnerung der allgegenwärtigen Präsenz Christi in der Welt angestrebt. Bei der ununterbrochenen Verehrung des Altarsakraments wird Sühne für die Verfehlungen der Menschen geleistet. Kurt Lussi zeigt anhand von konkreten Beispielen religiöser Druckgrafiken aus dem 19. Jahrhundert auf, wie die Tradition der Ewigen Anbetung als eine Gegenbewegung der Kirche auf die Weltanschauung des aufgeklärten Menschen gesehen werden kann und so zu einer Renaissance der Volksfrömmigkeit führte.
Die Begegnung mit Fremden und das Geschichtsbewusstsein – Einleitung
Die Begegnung mit Fremden und das Geschichtsbewusstsein, 2012
Die zunächst vielleicht einfach nur skurril anmutende Sentenz »Fremd ist der Fremde nur in der Fremde« von Karl Valentin legt-wie so häufig bei Valentin-bei genauerem Hinsehen erhebliche Tiefendimensionen offen und führt mitten in das Thema des vorliegenden Sammelbandes und der ihm vorausgegangenen Tagung 1. Sie macht deutlich, dass es sich bei Fremdheit nicht um die Eigenschaft eines Gegenstandes oder einer Person handelt-denn dann wäre der / das Fremde ja immer fremd-, sondern dass Fremdheit jeweils zugeschrieben wird. Eine Zuschreibung wiederum setzt einen Kontakt, eine Beziehung voraus. Alteritätstheoretiker sprechen deshalb vom »grundsätzlich relationalen Charakter von Fremdheit« 2. Etwas völlig Unbekanntes kann also nicht fremd sein. Dass der Fremde laut Karl Valentin nur »in der Fremde« fremd sei, verweist wiederum auf den Aspekt der Mobilität. Jemand kommt »in die Fremde«ein Ausdruck, der charakteristischerweise in unserer globalisierten Gegenwart zusehends verschwindet-und wird wegen seiner Hautfarbe, Kleidung, Sprache, Religion oder Umgangsformen als fremd wahrgenommen, weil er als nicht vertraut erscheint. Diese Fremdheit wird im Unterschied zur sozi-3. Die zitierte Sentenz erlaubt allerdings auch die Deutung, dass die Heimat zur Fremde werden kann, dann nämlich, wenn jemand, der sich bisher zugehörig fühlte, plötzlich ausgegrenzt wird 4. Fremdheit muss also nicht notwendigerweise im Zusammenhang von Migration auftreten. Bemerkenswert ist, dass Fremdheit unter diesem Aspekt auch im Laufe eines Lebens auftreten kann, ohne dass sich äußere Umstände wesentlich verändern.