Zur Frage der Verbindlichkeit von Patientenverf�gungen (original) (raw)

Patientenverfügungen unter ärztlicher Deutungshoheit?

Intensivmedizin und Notfallmedizin, 2010

Patientenverfügungen unter ärztlicher Deutungshoheit? Kommentar Am 7. Mai 2010 hat die Bundesärztekammer gemeinsam mit ihrer Zentralen Ethikkommission (ZEKO) ihre "Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis" in aktualisierter Fassung bekannt gemacht. 1 Darin wird die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen nunmehr-anders als in der ersten Fassung aus dem Jahre 2007 2-zunächst ganz ohne Vorbehalte anerkannt; jedoch soll beim Erfassen der jeweiligen Inhalte des Verfügten dem behandelnden Arzt 3 eine gleichrangige, bei Annahme eines "eindeutigen" Patientenwillens sogar alleinige Interpretationskompetenz zukommen. Diese Sichtweise ist mit dem neuen Gesetz 4 unvereinbar und entzieht ihm wie dem vorderhand betonten "Recht auf Selbstbestimmung" 5 gleichsam durch die Hintertüre die lebensweltlich-praktische Grundlage.

Patientenverfügungen im Rettungsdienst (Teil 2)

Notfall + Rettungsmedizin, 2011

Eine Patientenverfügung (PV) ist nach geltendem Recht auch für die ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter des Rettungsdienstes grundsätzlich verbindlich, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, was bisher jedoch aller Erfahrung nach im Notfall nur selten der Fall ist. Einerseits reicht also die Gesetzgebung aus, Patientenverfügungen im Rettungsdienst potenziell relevant werden zu lassen, andererseits ändert sie aber nichts daran, dass sie in der Regel fehlen oder für den Rettungsdienst unbrauchbar sind. Was muss sich dementsprechend ändern, damit die Rettungsdienstmitarbeiter nicht länger genötigt sind, Entscheidungen über lebensverlängernde Behandlungen in Unkenntnis des Patientenwillens entsprechend dem Imperativ des Machbaren ("in dubio pro vita") zu treffen und sich auch noch dafür zu rechtfertigen, dass sie evtl. vorliegende "Patientenverfügungen" wegen Irrelevanz ignorieren mussten? Internationale Erfahrungen legen eine neue Lösung nahe: Ärztlich (mit)verantwortete, regional standardisierte Notfallbögen in Verbindung mit einer regionalen Advance-Care-Planning-(ACP-) Initiative, die insbesondere Zielgruppen wie chronisch kranken Senioren mit eingeschränkter Mobilität eine individuelle gesundheitliche Vorausplanung mit professioneller Gesprächsbegleitung ermöglicht.

Die übergangenen Patient*innen

2021

Durch die nachgewiesene Einschränkung der gedankliche Einbeziehung weiblicher, trans und intersexueller Menschen (Vgl. lrmen et al. 2005; Menzel, 2019) wird in der vorliegenden Arbeit geschlechtsneutrale Sprache verwendet. Dies erfolgt in der Verwendung des Asteriskus (z.B. Proband*innen) oder geschlechtsneutralen Substantiven. Eine daraus möglicherweise resultierende Unterbrechung des Leseflusses wird hingenommen. Zitate werden unverändert eingefügt.

Die “Patientenverfügung” in Europa

Wiener Klinische Wochenschrift, 2004

The types and theories of advance directives in different European countries are reviewed and described. The author carefully compares the legal standing of advance directives in these countries. Since there is no doubt that advance directives in some form will become legal instruments in the EU countries, it is useful to examine how these have worked out so far in some European countries.

Patientenverf�gungen in Deutschland: empirische Evidenz f�r die Jahre 2005 bis 2007

2007

This series presents research findings based either directly on data from the German SocioEconomic Panel Study (SOEP) or using SOEP data as part of an internationally comparable data set (e.g. CNEF, ECHP, LIS, LWS, CHER/PACO). SOEP is a truly multidisciplinary household panel study covering a wide range of social and behavioral sciences:

Patientenverfügungen als Ausdruck individualistischer Selbstbestimmung?

Ethik in der Medizin, 2008

1 Der Begriff der relationalen Autonomie ist facettenreich und wird von verschiedenen Autorinnen unterschiedlich interpretiert . Der vorliegende Beitrag zielt jedoch nicht auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem theoretischen Konzept und seinen normativen Implikationen, sondern beschränkt sich auf die Frage, ob der Einwand gültig ist, Patientenverfügungen fokussierten allein auf das Individuum und verlören die Bezogenheit auf andere als konstitutive Dimension menschlicher Existenz aus dem Blick.

Mit zweierlei Maß: Die mangelnde Verbindlichkeit von Patientenverfügungen bei untergebrachten Personen mit psychischen Störungen in der Schweiz

Ethik in der Medizin, 2016

Zusammenfassung Einwilligungsfähige volljährige Personen mit psychischen Störungen interessieren sich vermehrt für die Möglichkeit, eine Patientenverfügung zu verfassen. Während in der Schweiz (wie in Deutschland auch) Patientenverfügungen grundsätzlich als verbindlich gelten, müssen Patientenverfügungen bei einer unfreiwilligen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik im Behandlungsplan lediglich berücksichtigt werden. Das eigentliche Ziel einer Patientenverfügung-die antizipative Selbstbestimmung-wird damit in Frage gestellt. Aus ethischer Perspektive ist festzuhalten, dass Patienten mit psychischen Störungen die gleichen Rechte haben wie Patienten mit somatischen Erkrankungen, so dass sich die Frage stellt, ob es gute Gründe für diese Ungleichbehandlung gibt. Im vorliegenden Beitrag werden vier mögliche Gründe genauer untersucht: (1) Patienten mit psychischen Störungen sind "anders"; (2) Schutz vor Selbstgefährdung; (3) häufig nicht gegebener Lebensende-Kontext; (4) reduzierte Verbindlichkeit als der generell adäquatere Standard. Die Autoren kommen zum Schluss, dass Personen mit psychischen Störungen vielfach durchaus in der Lage sind, eine gültige Patientenverfügung zu verfassen und genau wie andere Menschen ein prinzipielles und verbindliches Recht auf Selbstbestimmung haben, auch wenn sie in akuten Krisensituationen besonders schutzbedürftig sind.

2013, Patientenverfügungen und mutmaßlicher Wille als Willenskonstrukte – der verfassungsrechtliche Aspekt

Die Fragen nach der Verfügungsbefugnis des Menschen über sein Leben und die rechtliche Normierbarkeit des Todes scheinen ausdauernd zu sein und beschäftigen immer wieder Philosophen, Theologen und Rechtswissenschaftler. Auf eine rechtliche Regelung ruft die steigende Verunsicherung von Patienten und Ärzteschaft vor dem Tode zu. Diese Unsicherheit ist heutzutage, insbesonders angesichts der Entwicklung der Intensivmedizin und der maschinelle Lebenserhaltung, gesteigert. Diese Entwicklung ist auch mit dem Übergang vom ‚Herztod’ an den ‚Gehirntod’ verbunden. Verfechter der Intensivmedizin sind nicht von der Gefahr gefreit, den Gegenstand ihrer Bemühungen weichzuzeichnen und reale Gefährdungen und Fehlentwicklungen auszublenden. Ist der Patient noch einwilligungsfähig, hat er das Recht sich selbst seine Behandlung zu bestimmen. Im Fall des Wegfalls der Einwilligungsfähigkeit verbirgt sich die Gefahr dass die medizinische Behandlung das Leben erhaltet, jedoch aber die Lebensqualität eventuell gegen den Patientenwillen unterminiert und sogar auch seine Menschenwürde dadurch verletzt, dass sie ihn als Mittel zum Selbstzweck der Medizin selbst behandelt. Dies schlägt letztlich die Brücke zum Rückgriff auf die Willenskonstrukte der Patientenverfügung und des mutmaßlichen Willens, worauf in solchen Fällen zurückgegriffen werden muss um die Entscheidung zwischen eine schmerzbekämpfende aber lebensverkürzernde und eine ein schmerzhaftes Leben erhaltende Therapie zu treffen. Darin reflektiert sich die langsame Entwicklung von einem ärztlichen Paternalismus zu der rechtlichen Anerkennung der Patientenautonomie als Offenbarung des Selbstbestimmungsrechts so wie die Spannung zwischen der letzteren und dem Privileg der Ärzte zu schweigen. Die Fragestellung über Patientenverfügungen wird öfters gesehen als eng mit derjenigen über die rechtliche Normierbarkeit des Sterbens verbunden und die Frage ob es ein Recht auf den eigenen Tod gibt. Als Anknüpfungspunkt für ein solches Recht bietet sich Art 2 I GG (Recht auf Leben) an. Andererseits wird behauptet der Tod sei rechtlich nicht normierbar, er sei ein natürlicher Prozess und muss in einem rechtsfreien Raum bleiben. Die rechtliche Anerkennung einer Patientenverfügung -also des niedergelegten Willens potentieller Patienten im Hinblick auf spätere medizinische Maßnahmen - und die rechtliche Zulässigkeit von Sterbehilfe werden öfters als eng miteinander verkoppelt verstanden. Jedoch, braucht diese letzte Frage nicht bejaht zu werden, damit man sich für die Notwendigkeit von rechtlicher Anerkennung der Patientenverfügungen äußert. Dies ist so mehr so weil die Frage ob der Mensch ein Recht hat frei über sein eigenes Leben zu bestimmen oder ob das Leben auch für den jeweiligen Träger unverfügbar ist, den eigentlichen Kern der Diksussion um die aktive Sterbehilfe darstellt. Diese ist aber auch nicht durch eine Patientenverfügung nicht mal durch die erklärte Einwilligung des Patienten möglich. So braucht in diese Frage nicht eingegangen zu werden. Zudem greifen Patientenverfügungen, wenn PatientInnen nicht mehr selbst entscheiden können, nicht aber nur dann, wenn es um den nahenden oder herbeizuführenden Tod geht. Infolgedessen, ist Gegenstand dieser Behandlung ob, und unter welchen Bedingungen und formale Vorasusetzugnen von vornher (aufgrund klarer Erklärungen oder des mutmaßlichen Willens) bestimmt werden kann lediglich das, was man auch durch eine gegenwärtige Erklärung entscheiden darf. So setzt die rechtliche Anerkennung von Patientenverfügungen die Anerekennung eines Rechts auf Sterben nicht vor. Die Verfügung darf auch noch nur eine passive Sterbehilfe, also das Unterlassen von medizinischen Handlungen als Gegenstand haben. Aufgrund dessen braucht man nicht in die ewige Diskussion einzumischen ob und auf welcher Basis ein Lebensverfügungsrecht existiert. Die Frage ist nur ob man schon von vorher das bestimmen kann, was man sich an dem kritischen Zeitpunkt nicht mehr entscheiden kann. Auf dieser Sichtweise beschränkt sich das Diskussionsprisma erheblich.

Von Wohl und Wille Zur ethischen Rechtfertigung von Patientenverfügung und mutmaßlichem Willen

Tectum Verlag, 2017

Patientenverfügung und mutmaßlicher Wille sind zwei der wichtigsten Grundlagen für Behandlungsentscheidungen bei einwilligungsunfähigen Patienten. Alexander Hevelke befasst sich mit Fragen ihrer ethischen Legitimation und deren Grenzen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Suche nach einer belastbaren ethischen Rechtfertigung des mutmaßlichen Willens. Diese erweist sich als überraschend schwierig. Im Falle der Patientenverfügung steht dagegen der Umgang mit Konflikten zwischen Patientenwohl und verfügtem Willen im Vordergrund. Sollte ein paternalistisches Vorgehen in solchen Fällen wirklich kategorisch ausgeschlossen werden?