Wie intervenieren? Zur Wirkmacht akademischer Wissenspraxis und der ethnographischen Regimeanalyse (original) (raw)

Wissensdiskurse: Normativ, Faktisch, Hegemonial

Soziale Welt: Zeitschrift für Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis (SOZ WELT), 2014

In den vergangenen 30 bis 40 Jahren beschäftigte die Annahme, dass "Wissen" zunehmend wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gestaltet, wissenschaftliche Debatten, nationale Politiken und globale Entwicklungsdiskurse. Ziel dieser Arbeit ist es, zwei unterschiedliche und sich doch überlagernde Wissensdiskurse, gefasst zum einen in Konzepten der "Wissensgesellschaft" und zum anderen unter dem entwicklungsorientierten "Wissen für Entwicklung", als kommunikative und diskursive Konstruktionen in ihrer global Entwicklung fördernden Rolle kritisch zu hinterfragen. Die Studie zeichnet somit den normativen, faktischen und hegemonialen Charakter beider Diskurse nach. Konzeptionellen Rahmen bildet der Ansatz des kommunikativen und diskursiven Konstruktivismus. Im Vordergrund stehen hierbei der von Reiner Keller entwickelte Ansatz der wissenssoziologischen Diskursanalyse (2011a; 2011b; 2005; 2003), Hubert Knoblauchs Arbeiten zu kommunikativem und gleichzeitig instrumentellem Handeln (1995; 2001) und Jo Reichertz Konzept der "Kommunikationsmacht" (2010). Die vorgelegten Untersuchungsergebnisse zweier globaler Wissensdiskurse mit lokalen institutionellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Konsequenzen bestärken die Notwendigkeit, Diskurse und das durch sie inspirierte wie auch sie tragende kommunikative Handeln kollektiver mächtiger und weniger mächtiger Akteure im Hinblick auf die Konstruktion von Wissens- und Machtordnungen aus sozialkonstruktivistisch-wissenssoziologischer (und ergänzend zur poststrukturalistischen) Perspektive zu untersuchen.

Integration als umkämpftes Narrativ und Praxis. Eine genealogisch-ethnographische Rekonstruktion der Wissenspolitiken

Schaut man in die Presse, in die Politik oder in die Stiftungslandschaft, schaut man sich sowohl Ausschreibungen als auch Forschungsergebnisse an, so lässt sich feststellen, dass das Paradigma der Integration mittlerweile zentral bestimmt, wie über Migration gedacht wird, wie sie gedeutet, er-forscht und vermessen wird und wie versucht wird, sie zu bearbeiten und zu regulieren. So sind es Integrationsbarometer statt Einwanderungs-und Diskriminierungsrapports, Integrationspläne auf Kommunal-, Landes-und Bundesebene statt Partizipationspolitiken, die die Mobilitäten und Fluiditä-ten in kontrollierte Bahnen des national-sozialen Staates, so Etienne Ba-libar (2010), zu lenken versuchen. Das Gebot der Immobilisierung, das heißt die kontinuierliche Durchsetzung des modernen nationalstaatlichen Mythos der Sesshaftigkeit und der national-kulturellen Homogenität, war bereits in den 1960er und 1970er Jahren Leitmaxime kommunaler Inte-grationspolitiken, die angesichts der Faktizität der Einwanderung und des Ausbleibens nationaler Programme von den Städten ergriffen wurden. Im Folgenden soll dies am Beispiel Münchens skizziert werden. Andererseits zeigen neuere historische Studien (u.a. Bojadžijev 2008), wie die des for-schenden Ausstellungsprojekts " Crossing Munich " zu München (Bayer et al. 2009), dass die frühen Integrationspolitiken auch als Antwort zu ver-stehen sind auf die Anfang der 1970er Jahre nicht mehr zu übersehenden unzähligen Initiativen, Klagen und Forderungen von Migrant*innen nach Teilhabe und Partizipation. Infolge der fortwährend aufgeschobenen Rück-kehr und in Reaktion auf die vielfältigen gesetzlichen und sozialen Hürden und Diskriminierungen, die ganz im Sinne des Slogans ‚Deutschland kein

Geschichtsdidaktisch intervenieren

2023

Geschichtsdidaktik beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie der Umgang mit Geschichte(n) und Vergangenem gestaltet werden kann. Dabei haben sowohl formale als auch nonformale Bildungsprozesse die Förderung historischen Denkens zum Ziel. In einem breiten Sinn können sie demnach als «Intervention» verstanden werden. Dieser Band versammelt Studien, in deren Rahmen Geschichtsdidaktiker*innen gezielt in historische Bildungsprozesse eingegriffen haben. Er ist entlang der Schwerpunkte in quasiexperimentelle Studien, qualitative Interventionen und Grundlagen für geschichtsdidaktische Interventionen gegliedert.

"Was verstehen Sie unter Klassenkampf?" Wissensproduktion und Disziplinierung im Kontext des „Radikalenerlasses“

Sozial.Geschichte Online, 2018

The 1972 “Radikalenerlass” (decree against radicals) aimed at keeping members of communist groups out of West Germany’s public service, mainly targeting prospective school teachers. This article understands the decree as an “incitement to discourse” (Foucault) and examines various instances of knowledge production, taking the Bremen school administration as its example. The knowledge about “radicals” was in turn used not only to prevent individual candidates from becoming teachers but also in multiple attempts to discipline the already employed teaching staff – not only by the administration but by parents, media and politicians as well. The author argues therefore to shift the focus of attention from individual cases of “Berufsverbot” to ongoing practices of disciplining and to understand the decree less as a conflict between individuals and “the state” but as an aspect of a history of surveillance and social (self-)regulation.

Den Blick auf das Politische schärfen. Vom Umgang mit hegemonialen Zugehörigkeitsordnungen in der Politischen Bildung

Demokratie, Demokratisierung und das Demokratische: Aufgaben und Zugänge der Politischen Bildung, 2020

Zusammenfassung ‚Migration' ist an Deutschschweizer Schulen ein beliebtes Unterrichts-thema, um die Schüler*innen im Sinne einer grundrechtsbasierten und anti-rassistischen Bildung für Werte wie Toleranz und Offenheit zu sensibilisieren. Empirische Ergebnisse zeigen, dass dieser Unterricht entgegen den Zielen der Lehrpersonen zu einem "Doing Difference" und damit zur weiteren Segregation im Klassenzimmer führen kann. Im Aufsatz wird geklärt, wie solche schulischen Interaktionsprozesse ablaufen und welche alternativen Zugänge die Politische Bildung bietet. Dabei wird der Situation Rechnung getragen, dass Politische Bildung im Lehrplan nur vage verankert ist. Didaktiker*innen und Lehrpersonen für Politische Bildung, welche den Demokratie-Auftrag der Schule ernst nehmen, haben sich gegenwärtig besonders mit Fragen zur Polarisierung der Gesellschaft zu beschäftigen. In den ver-gangenen Jahren kam es namentlich bei der öffentlichen Debatte um ‚Migration', ‚Integration' und ‚(kulturelle) Identität' zu Diskursverschiebungen, welche die © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. P. Haarmann et al. (Hrsg.), Demokratie, Demokratisierung und das Demokratische, Bürgerbewusstsein, https://doi.

Rassismuserfahrungen von Wissenschaftler*innen of Color an Hochschulen. Eine machtkritische Analyse von Wissens- und Organisationsstrukturen

2023

Ausgehend von der Frage, welche spezifischen Erfahrungen Wissenschaftler*innen of Color in ihrer besonderen Sprecher*innenposition in mehrheitlich weißen universitären Räumen machen, zeichnen wir entlang qualitativer Interviews die Erfahrungen von Forscher*innen of Color aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fachdisziplinen und Statusgruppen nach. An einem rassismuskritischen und postkolonial informierten Reflexionshorizont problematisierten wir die Konsequenzen dieser Erfahrungen im Privaten wie auch Beruflichen und fragen nach den Widerstandsstrategien, die die Lehrenden genutzt haben, um eben mit diesen Erfahrungen umzugehen