Ethische Aspekte der medikamentösen Behandlung dementer Patienten (original) (raw)

Ethische Probleme einer �konomisch rationalisierten Medizin

1996

In den medizinischen Versorgungssystemen der westlichen Industrieländer wird zunehmend durch prospektive Finanzierungsweisen das wirtschaftliche Behandlungsrisiko tendenziell auf die Anbieter medizinischer und pflegerischer Dienstleistungen verlagert. Deren wirtschaftlicher Erfolg hängt dann davon ab, wie weit der Ressourcenverbrauch unter den fixierten Preisen, Fallpauschalen oder Budgets liegt. Bei den institutionellen Anpassungsstrategien wird die Steuerung der Arztentscheidungen nach ökonomischen Normen zum Dreh-und Angelpunkt. Die wichtigsten Instrumente dieses 'Mikromanagements' sind monetäre Anreize für Ärzte, Vorgaben und Kontrollen ihres Leistungsverhaltens (Guidelines, Utilization Reviews) und organisatorische Arrangements wie das des obligatorischen Primärarztes als 'Gatekeeper'. Am Beispiel der monetären Anreize wird gezeigt, wie die Ärzte in diesem Kontext in strukturelle Interessenkonflikte geraten zwischen der Loyalität zum Patienten bzw. den ethischen Erwartungen der Gesellschaft und den institutionalisierten Einkommensinteressen. Als moralische 'externe Effekte' der institutionellen Ökonomisierung stehen das öffentliche Gut, Vertrauen haben zu können, sowie die Chance, im Bedarfsfall auf einen loyalen Arzt zu treffen, auf dem Spiel. Das ethische Hauptproblem der künftigen Medizin sind primär nicht die 'dramatischen' Entscheidungen in der Intensivmedizin und das individuelle Verhalten, sondern die Alltagsentscheidungen in Kliniken und Arztpraxen, die Überweisungen und Einweisungen, Verschreibungen, Anordnung kostenträchtiger Diagnostik usw. Diesem Problem angemessen ist eine sozialwissenschaftlich fundierte 'Systemethik', der es vor allem um jene Vor-Entscheidungen geht, die bereits in den Organisationsstrukturen mit ihren finanziellen Anreizoder Sanktionsmechanismen enthalten sind. Sie legen Entscheidungen oft unmerklich nahe, nehmen sie vorweg oder nötigen sie-meist im Gewand von 'Sachzwängen'-auf und entziehen sie damit der kritischen Reflexion und bewußten Gestaltung. Es handelt sich bei diesem Papier um eine erweiterte und überarbeitete Fassung eines Vortrages bei dem Symposium "Gesundheitspolitik-Gefahr für die Gesundheit?" der Evangelischen Akademie Bad Segeberg am 22.-23. 5.1996.

Ethische Herausforderungen der Psychiatrie

2005

Deadline: 04. Januar 2022 www.dgnc-kongress.de Joint Meeting mit der griechischen gesellschaft für neurochirurgie 22 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 3/2005 * Nach einem Vortrag auf der Tagung der World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) in Buenos Aires zu ihrem 30jährigen Bestehen am 01.11.2004 Korrespondenzadresse: Univ.

Spezifische Bedarfe bei zahnärztlichen Patienten mit Demenz und ihre ethischen Implikationen

Ethik in der Medizin, 2016

Zusammenfassung Zentrale Grundlagen einer erfolgreichen zahnärztlichen Behandlung sind ein vertrauensvolles Patienten-Arzt-Verhältnis, fachliche und psychosoziale Kompetenz des Behandlungsteams sowie die Berücksichtigung ethischer Aspekte während des therapeutischen Entscheidungsprozesses und bei der nachfolgenden Durchführung der Therapie. Dies gilt in besonderem Maße für die zahnmedizinische Versorgung von (zumeist betagten) Menschen mit Demenz, so dass hier eine eingehende Analyse der verschiedenen normativen Implikationen geboten erscheint. Häufig führen gerade in der Seniorenzahnmedizin spezifische Konstellationen (z. B. stark reduzierte zahnmedizinische Therapiefähigkeit, fehlende Mundhygienefähigkeit, fehlende Eigenverantwortlichkeit des Patienten) in Kombination mit akuter Behandlungsnotwendigkeit und der notwendigen Miteinbeziehung dritter Personen zu dilemmahaften Behandlungssituationen, die vielfach zusätzliche fachliche und normative Ansprüche an die Zahnmediziner stellen. Ebendies wird im vorliegenden Beitrag zunächst theoretisch-diskursiv und nachfolgend-auf der Grundlage von zwei Kasuistiken-fallbezogen erörtert. Dabei wird deutlich, dass in der Seniorenzahnmedizin an die Stelle einer klassischen lege artis-Therapie in vielen Fällen eine "Kompromissbehandlung" tritt, die abweichenden diagnostisch-therapeutischen Regeln folgt, veränderte kommunikative Anforderungen stellt und spezifische klinischethische Herausforderungen und Fallstricke bietet.

Ethische Entscheidungen in zunehmend ökonomisierten Krankenhäusern

Wiener Medizinische Wochenschrift

Zusammenfassung Werden durch die Ökonomisierung des deutschen Gesundheitssystems medizinische Werte in den Hintergrund gedrängt? Im Rahmen einer Vignettenstudie wurde der Fall einer Verlängerung der Verweildauer einer älteren, noch nicht gänzlich genesenen Patientin vorgestellt. Zunächst sollte über die Verweildauer entschieden werden. Ergänzend hierzu wurde die Relevanz der medizinischen Richtigkeit, Einfühlvermögen für die Patientin und Identifikation mit dem Klinikum erhoben. Die Teilnehmenden (N = 1239) schreiben den Entscheidern die medizinische Korrektheit als wichtigstes Kriterium zu, gefolgt vom Einfühlungsvermögen. Je universalistischer die Werte der befragten Person, umso eher befürwortet sie ein verlängertes Verweilen der Patientin im Krankenhaus. Je sicherheitsorientierter, je weniger tolerant und weniger prosozial, umso eher würde vorzeitig entlassen. Insbesondere fürchten Studierende eine verfrühte Entlassung durch die Entscheidungen des Chefarztes. Dies ist jedoch Zusatzmaterial online Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Artikels (

Auswirkungen der häuslichen Betreuung demenzkranker Menschen auf ihre pflegenden Angehörigen

Psychiatrie Und Psychotherapie, 2009

The aim of this study is to describe effects of home care on the caregivers of family members with dementia in a West-Austrian region. In a cross sectional-survey demographic data were collected and the following instruments were used: MMSE, CDS, IADL, NPI, BDI, SF-36, VAS. The mainly female (76.5 %) caregivers were between 38 and 89 years old (60.8, SD ± 13.9). The caregivers had been looking after the family member with dementia for an average period of 5.3 years (SD ± 3.2). 15.9% of the family members with dementia had been assigned to care levels 0-2, 32.9 % to care levels 3–4 and 41.2% to care levels 5–7. However, the analyses of the CDS showed for n = 25 persons with dementia a high level of care dependency despite allocation to an intermediate care level (3–4). 10.6 % of the caregivers showed moderate and 25.9 % of the caregivers showed strong depressive symptoms, which were enforced by a rising number of neuropsychiatric symptoms of the patient and the informal role of the caregiver. A heavy or extreme burden for caregivers were the following neuropsychiatric symptoms of the patient: depression, aggression, delusion, anxiety, apathy. The severity and frequency of neuropsychiatric symptoms correlated with the CDSsubscales “sense for rules and values” (p = 0.002) and “avoidance of danger” (p = 0.008). Future research should increasingly concentrate on possibilities to reduce various aspects of burden of home caregivers. Das Ziel dieser Studie ist die Darstellung von Auswirkungen der häuslichen Betreuung auf pflegende Angehörige demenzkranker Menschen in einer westösterreichischen Region. In einer Querschnittstudie (n = 85) wurden demografische Daten erhoben und folgende Messinstrumente eingesetzt: MMSE, PAS, IADL, NPI, BDI, SF 36, VAS. Die pflegenden Angehörigen waren 38–89 Jahre alt (60,8, SD ± 13, 9), überwiegend weiblich (76,5 %) und betreuten den Demenzkranken durchschnittlich 5,3 Jahre (SD ± 3, 2). 15,9 % der Demenzkranken waren in den Pflegestufen 0–2, 32,9 % in den Pflegestufen 3–4 und 41,2 % in den Pflegestufen 5–7. Die Auswertung der PAS ergab jedoch für n = 25 Demenzkranke der mittleren Pflegestufen 3–4 eine hohe Pflegeabhängigkeit. 25,9 % der pflegenden Angehörigen weisen eine mäßige, 10,6 % eine starke Ausprägung depressiver Symptome auf, die durch eine steigende Anzahl von neuropsychiatrischen Symptomen und durch die Rolle verstärkt werden. Eine ziemliche bzw. extreme Belastung stellen folgende Symptombereiche dar: Depression, Aggression, Wahn, Angst und Apathie. Die Symptomausprägung und -häufigkeit korrelieren mit den PAS-Subskalen ,,Sinn für Regeln und Werte“ (p = 0,002) und ,,Vermeiden von Gefahren“ (p = 0,008). Zukünftige Forschung sollte ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die Möglichkeiten der Reduktion von Belastungen pflegender Angehöriger, die mit der häuslichen Betreuung demenzkranker Menschen einhergehen, richten.