Martina Dlugaiczyk: Weiblicher Widerpart zur Männerdominanz: Stürmische Frauenkunst als Katalysator für die Moderne. Rezension: Sturm-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932. Schirn Kunsthalle, Köln 2015, in: Kunstchronik, Heft 9/10, München 2016, S. 477-483. (original) (raw)
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Der Nachmärz war eine finstere Zeit. Mit dem Ende der 48er Revolution veränderte sich für deren Protagonisten und ihre Freunde der Charakter des Reisens schlagartig. Während man vordem Länder und Gesellschaften mit einer mehr oder weniger offenen politischen Agenda bereist und sich der Hoffnung hingegeben hatte, dass heimische und fremde Missstände in der kommenden Revolution untergehen würden, war man durch die nun einsetzende Restauration aller Träume beraubt. Die Revolutionsaktivisten waren über halb Europa zerstreut, Freunde getrennt, Diskurse abgerissen. Mit dem Gang ins Exil hatte man zwar das Leben gerettet, was nicht selbstverständlich war, wie die Schicksale Robert Blums oder Ugo Bassis zeigen; aber nach der gesteigerten, gar fieberhaften Intensität der Revolte, den komprimierten revolutionären Ereignissen, während derer man in dem Bewusstsein agierte, Weltgeschichte zu schreiben, war man unversehens aus dem Zentrum der Ereignisse an die unbedeutenden Ränder der Gastländer geraten. 1
2014
Die „moderne Frau“ tritt am Ende des 19. Jahrhunderts erstmals auf den Plan. Damit verbindet sich allerdings kein eindeutiges Muster. Abhängig vom Kontext positioniert sich ihre Evokation vielmehr als Klage über einen Niedergang ebenso wie als Annonce einer besseren Zukunft. Wohl wegen seiner Offenheit kehrt der topos das ganze 20. Jahrhundert über in unterschiedlichen Kontexten wieder. Als der Münchner Albert Langen Verlag 1902 die literarisch verpackten Vorschläge des französischen Schriftstellers Marcel Prevost zur Mädchenerziehung unter dem Titel „Moderne Frauen“ herausbrachte, stellte er das Werk des Romanciers in den Kontext einer virulenten Debatte, die vor allem von der bürgerlich-liberalen Frauenbewegung vorangetrieben wurde. Elfriede Jelinek zeichnete den Geschlechterkampf in ihrem 1987 uraufgeführten Schauspiel „Krankheit oder moderne Frauen“ als ein blutiges Gemetzel. Wenn sie dabei nochmals die Rede von den „•modernen Frauen“ zitierte, dann sollte dies wohl weniger als Bezug auf einen aktuellen politischen Diskurs denn als ein ironischer Verweis auf die das 20. Jahrhundert durchziehende Wiederholung immer gleicher Posen der Modernisierung der Geschlechterverhältnisse gelesen werden. Gemeinsam ist den gegenläufigen Entwürfen, Instrumentalisierungen und Zitierungen des Begriffs der Verweis auf eine von vielen empfundene Krise in den Geschlechterbeziehungen. Die wiederkehrenden Bezugnahmen auf „•moderne Frauen“ können als symptomatisch für eine langwierige Geschichte sowohl unausweichlicher als auch unerreichbar erscheinender Transformationen gedeutet werden.