Brigitte Sölch_Architektur bewegt: Pugets Rathausportal in Toulon oder Schwellenräume als "sympathetische" Interaktionsräume, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 56 (2014) 1, S. 71-94 (original) (raw)

Brigitte Sölch_„Action Architecture“. Vom Forum Romanum zum Bürgerforum, in: Die Stadt im Schatten des Hofes, hg. von Matthias Müller und Sascha Winter, Ostfildern: Thorbecke 2020, S. 87-102

Wenn heute vom Forum die Rede ist, dürfte eine breite Assoziationskette ins Spiel kommen, da das Forum längst zum Synonym für Öffentlichkeit geworden ist . Es darauf zu reduzieren, wäre jedoch zu kurz gegriffen und würde seinem Einfluss auf Architektur und Stadt nicht gerecht. Dies gilt auch für die folgende Annäherung an einen Strang der Forumsidee, der auf das ‚Bürgerforum‘ zielt. Der zu Beginn vielleicht irritierend wirkende Begriff ‚Action Architecture‘ ist als abgewandelte Allusion auf seine manifestartige Definition von Gerhard Kallmann im Jahr 1959 zu verstehen . Der Architekt war ein Protagonist der von Kallmann, McKinnell & Knowles in den 1960er Jahren errichteten City Hall in Boston, die dem Stil des Brutalismus verpflichtet ist. Konzipiert war sie als ein city forum und urban theater, als ein Ort für Demonstrationen und für Feierlichkeiten. Es ging den Architekten um ein Rathaus, das auf sich aufmerksam macht, um eine Architektur, die im Sinn einer ‚Action Architecture‘ in den Stadtraum aus- und eingreift, um eine Architektur, die der modernen Angst vor dem Nichts etwas entgegenstellen sollte, wie der Architekturhistoriker David Monteyne schreibt. Aufgrund dieser bewussten architektonischen Haltung gegenüber der bestehenden sozialen Realität erweist sich ‚Action Architecture‘ als anregende Kategorie für das Nachdenken über das Potenzial der Forumsidee. Sie steht, so die These, für die Suche nach kommunaler bzw. bürgerlicher Teilhabe, Macht und Repräsentation. Da die Forumsidee an die Antike als Dispositiv gebunden ist, gehen mit deren Reaktivierung auch besondere Erwartungen an die soziale Kraft und emotive Wirkung von Architektur- und Stadträumen einher.

Brigitte Sölch_Vauban und Ledoux in Regionalmuseen oder: Architektur und politische Raumbildung als museale Herausforderung. Ein Gedankenspiel, in: Raumkult – Kultraum, hg. von Maximiliane Buchner und Anna Minta. Bielefeld 2019, S. 61-78.

Raumkult – Kultraum wird im Beitrag von Brigitte Sölch als Rahmen für die Frage nach der Auseinandersetzung mit dem Territorium verstanden, das einen sozial zugehörigen Raum meint und die architektonische Planung genauso wie das Ausstellen von Architektur betreffen kann. Die Betrachtung setzt einerseits ein dynamisches Verständnis der Beziehung zwischen ‚Zentrum‘ und ‚Peripherie‘ voraus und tangiert andererseits die historische Vorstellung des politischen Raums. Seit um 1800 galt dieser nicht mehr als ein vom Zentrum in ein potenziell grenzenloses Außen strahlender, sondern als ein von Grenzen umschlossener Raum. Am Formierungsprozess dieser Raumvorstellung hatten französische Zivilarchitekten internationalen Rangs wie Sébastien Le Prestre de Vauban (1633–1707) und Claude-Nicolas Ledoux (1736–1806) ante litteram bereits Anteil. Sie wirkten an soziopolitischen Visionen wie auch an der materiell-physischen Gestaltung des Territoriums mit, weshalb ein besonderes Augenmerk auf ihre museale Präsentation zu richten sein wird. Zu fragen ist, wie die Architekturgeschichte, in dem Fall Frankreichs, heute museal vermittelt wird – und dies nicht nur in Paris, sondern auch in einzelnen Regionen des Landes? Zur Annäherung an diese Frage in Form eines Gedankenspiels, das die Thematik der Gemeinschaftsbildung aus einem säkularen Blickwinkel betrifft, lohnt der Blick auf Burgund, das mit dem Pariser Hof traditionell eng verbunden war, und die Franche Comté, die erst 1678 Frankreich einverleibt wurde.

Brigitte Sölch_Architektur und Architekturgeschichte(n). Partizipation auf dem Prüfstand, in: Kritische Kunstgeschichte und digitaler Wandel. Kritische Berichte 1 (2020) 48, hg. von Henrike Haug, Ann-Kathrin Hubrich, Henry Kaap und Yvonne Schweizer, S. 39-50.

In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war Partizipation eines der großen Themen in der Architektur – ob es um Entwurfs- und Baupraktiken, um Raumkonzepte oder um das Selbstverständnis von Architektinnen und Architekten ging. Weithin verbreitet war so auch die Idee des partizipativen Bauens, das jedoch vorwiegend in den noch als ‚Entwicklungsländern‘ bezeichneten Regionen des globalen Südens praktiziert wurde. Darüber hinaus war Partizipation – am urbanen Leben, an Architektur und Kunst als Kultur des Alltäglichen – auch ein Thema von Architekturprojekten des ‚Brutalismus‘, der von sozialen und gesellschaftlichen Visionen vielfältig durchdrungen war und aufgrund des Potenzials seiner bestehenden Struktur heute wieder neu beachtet wird. Partizipation war aber ebenso Gegenstand kritischer Reflexion in der Architekturgeschichte und -theorie, deren wichtigster Vertreter, Manfredo Tafuri (1935–1994), damit eine andere Ebene meinte: nämlich die Partizipation der Avantgarde am Kapitalismus, die er schonungslos als Kehrseite des utopischen Projekts offenlegte. Zur Kehrseite der optimistischen Idee von Partizipation gehört somit die kritische Auseinandersetzung mit deren Folgen genauso wie , aber auch die heutige Reflexion darüber, dass und zu welchem Grad Partizipation ein subventioniertes Projekt des Wohlfahrtsstaates seit den 50er Jahren war und nicht nur die Teilhabe an Kunst, Kultur und Demokratiebildung zu erwirken suchte, sondern zugleich auch den Konsumenten kreierte. Vor dem Hintergrund dieses breitgefächerten Spektrums stellte sich mir anlässlich der Ulmer Vereinstagung 2018 die Frage nach der möglichen Partizipation an Architektur und Architekturgeschichte(n) heute. Inwiefern ist eine historisch arbeitende Disziplin wie die Kunstgeschichte Teil aktueller Diskussionen um Architektur und deren sozial-politische, gesellschaftliche und ästhetische Dimension? Inwiefern existiert (noch) ein lebendiger Dialog zwischen der Kunstgeschichte und der Geschichte und Theorie von Architektur, wie sie an Architekturfakultäten gelehrt, geschrieben und entwickelt wird?

Brigitte Sölch_Bild Architektur Bewegung. Transfer und motivische Verankerung der Architekturmedaille im Rom des frühen Settecento, in: Transformationen Roms in der Vormoderne, hg. von Christoph Mauntel und Volker Leppin, Stuttgart 2019, S. 119-146

Summary: The article places a focus on the 18th century. The decoration of the Vatican Palace will be analyzed in regard to the visibility and perception of Rome’s built and ecclesiastical history as well as in comparison to the Palazzo della Cancelleria. In both cases, the gallery acted as a space of museum, collection, and movement, where the architecture of Rome was represented in an isolated, model-like and monumental form and at the same time brought into a specific argumentation context. This context could only be perceived by moving through the whole sequence of rooms, where the architectural and ecclesiastical history of Rome was represented in an exemplary manner and sequence. On a formal level the depicted architecture was very similar to mobile images on papal coins and medals and thus had a special impact on the perception of the built architecture of the city. ----- Zusammenfassung: Der Beitrag fokussiert das 18. Jahrhundert. Er diskutiert die Sicht- und Erfahrbarkeit der Bau- und Kirchengeschichte Roms anhand der Ausstattung des vatikanischen Palastes und zieht die Bildausstattung des Palazzo della Cancelleria vergleichend hinzu. In beiden Fällen fungierte die Galerie als Sammlungs- und Bewegungsarchitektur, in der die Architektur Roms isoliert, modell- und denkmalhaft ins Bild gesetzt und zugleich in einen spezifischen Argumentationszusammenhang gerückt wurde. Dieser erschloss sich nur im Gehen und in der Betrachtung ganzer Raumfolgen, in denen die Kirchen- und Baugeschichte Roms in Ausschnitten und in Sequenzen repräsentiert wurde. Die Darstellungsform der Architektur stand dabei in enger Beziehung zu mobilen Bildträgern der Zeit, nämlich Münzen und Medaillen, und nahm auf diese Weise eigens Einfluss auf die Perzeption der gebauten Stadt.

Brigitte Sölch_Rezension zu: Regine Heß: Emotionen am Werk. Peter Zumthor, Daniel Libeskind, Lars Spuybroek und die historische Architekturpsychologie (Diss. Frankfurt), Berlin 2013, in: H-ArtHist, 03.10.2015

Das Nachdenken über Wirkung und Wahrnehmung von Architektur reicht über Heinrich Wölfflins ‚Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur' (1886) hinaus bis in das 15. Jahrhundert zurück. Beinflusst von den Schriften des byzantischen Gelehrten Manuel Chrysoloras thematisiert Alberti bereits die Wirkung architektonischer Gestaltqualitäten auf das menschliche Gemüt, während die ‚Hypnerotomachia Poliphili' das erotische Erleben ihrer beiden Protagonisten mit einer sinnlich-taktilen Wahrnehmung der Architektur verwebt, die als menschlicher Körper metaphorisiert wird. [1] Noch sind solche Positionen kein Gegenstand einer Emotionsgeschichte der Architektur, da diese selbst ein Stiefkind der Forschung ist -trotz der vielfältigen raum-und körperorientierten Studien, die von der Kunstwissenschaft über die Anthropologie bis hin zur Neurophysiologie reichen und mögliche Anschlusspunkte bieten.[2] Umso begrüßenswerter ist die 2013 erschienene Frankfurter Dissertation der Kunsthistorikerin Regine Heß. Ihre Untersuchung exponierter Positionen gegenwärtiger Architektur vor dem Hintergrund architekturpsychologischer Konzepte des 18.-21. Jahrhunderts legt einen unverzichtbaren Grundstein für die weitere Forschung.