Wohlstand – wie anders? Linke Perspektiven. Manuskripte Nr. 5., Rosa-Luxemburg-Stiftung (2013) (original) (raw)
Lohn ist ein "Wert«, Leben nicht? Auseinandersetzung mit einer »linken« Frau
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, 1983
Liebe Ursula Beer,zunächst frage ich mich/Dich zweierlei:1. Wie kommt ausgerechnet PROKLA dazu, unsere ))Kontroverse« abzudrucken, ja zuvor auch noch dazu aufzufordern? (Jedenfalls war das bei mir der Fall). Was meinst Du? Du mußt Dir ja etwas dabei gedacht haben, als man Dir anbot, bzw. Du ihnen angeboten hast, Deinen Aufsatz hier zu veröffentlichen. Denn immerhin ist PROKLA nicht gerade als Forum für Dcbau;cn zur Frauenfrage bekannt.2. Wie kommst Du überhaupt dazu, einen Aufsatz zu schreiben, der angeblich »meinen theoretischen Entwurf« zum Inhalt hat? Ich bin ja nicht die einzige, die bestimmte Thesen vertritt, sondern befinde mich in einem Diskussionszusammenhang, den ich in meinen Arbeiten deutlich kennzeichne und den Du vielleicht zur Kenntnis nehmen solltest. In PROKLA ist diese Diskussion bisher jedenfalls auch nicht aufgegriffen worden. Und da Du nun, quasi aus heiterem Himmel, versuchst) »meinen Entwurf<i in jeder Hinsicht zu verdammen, frage ich mich, was diese Attacke...
Nach 20 Jahren. Umbrüche in der kapitalistischen Weltwirtschaft und die Perspektiven der Linken
SPW, 21. Jg., Nr. 106 and Nr. 107, 1999, 1999
Krätke auf der lubiläumsveranstaltung der spw vom 31.10.1998. Wir veröffentlichen sie in zwei Teilen. Vor zwanzig Jahren ... 4 978, im Jahr als die SPW ge-I grundet n,urde, sah die Welt I bekanntlich nocn ande,s aus als heute. Wir befanden uns zwar schon im Computer-Zeitalter, aber den PC fur ledermann/jedefrau gab es noch nicht. Es war gerade vier Jahre her, daß die internationale monetäre Ordnung der Nachkriegszeit, das Bretton Woods System fester Wechselkurse, offiziell aufgelöst worden war. Der erste große und weltweite Konju nktureinbruch der Nachkriegszeit, auch als ,,erster Ölschock" bekannt, Iag gerade drei Jahre zurück. Der sogenannte ,,zweite Ölschock" des Jahres 1 979 stand uns noch bevor; ebenso wie der folgenreiche politische Wechsel, der neokonservative und neoliberale Parteien in einigen führenden Ländern der damals noch westlichen und,,ersten", kapitalistischen Welt an die Regierung bringen sollte. 1979 kam die ,,eiserne Lady" des Neoliberalismus, Margaret Thatcher, zum ersten Mal an die Macht; kurz darauf begann die Ara Ronald Reagans und der,,Reaganomics", die den USA und dem staunenden Rest der Welt einige merkwürdige ökonornisc.e Wunder bescheren solltevon de. Explosion der Staatsschulden, über eiren beispieliosen Rüstungsboom, über die rvachsende Außenhandelsabhängigkert und fortschreitende Öffnung der amerikanischen Wirtschaft für ausländische -japanische, südostasiatische und europäi-sche -Konkurrenten bis zum Ende des jahrzehntelanqen, offiziellen ,,Kriegs gegen die Armut" mit der lakonischen Botschaft: ,,Die Armut hat gesiegt". Der ,,alte" Keynesianismus hatte in Westeuropa noch keineswegs ausgespielt. 1982 unternahm die f ranzösische Linksregierung noch einmal einen Versuch mit klassisch keynesianischer Nachfragepolitik, ein nationaler Alleingang, der rasch scheiterte; auch weil er vom wichtigsten europäischen Partnerland, der Bundesrepublik, nicht unterstützt r,vurde. Die sozialliberale Koalition in der Bundesrepublik, die lange zwischen Austerität (Sparpolitik, Anm. d. Red.) und zaghaften Versuchen zur Stabilisierung der Massenkaufkraft geschwankt hatte, war in der Tat am Ende und fiel auseinander. Die Ara Kohl begann, deren Ende wir vor wenigen Monaten erst gesehen haben. 1 978 stand uns der Ausbruch der internationalen,,Schuldenkrise" noch bevor. Seit 1982183 ist sie unübersehbar geworden, schleppt sich seither chronisch fort und beschert uns alle paar Jahre eine lokale oder regionale ,,Finanzkrise". 'l 978 befanden wir uns noch im Bann der lnflation. Die Krise von 1974/75 und die anschließende, kurze Depressionsphase bzw. zögerliche Erholung waren deshalb so beunruhigend, weil sie mit fortlaufender lnflationrecht gemäßigt in den reichen und alten lndustrieländern des ,,Nordens", gallopierend in den neuen und armen lndustrieländern des,,Südens"einherging. ,,Stagflation" hieß das Gespenst, das die kapitalistischen Länder in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre heimsuchte. Das Zeitalter der,,Deregulierung" hatte gerade erst begonnen. Jedenfalls gilt dies für die jeweiligen ,,nationalen" Wirtschafts-und Fi-Daß sich die Ansicht von der ,,an sich" harmonischen und völlig unpolitischen Ökonomie als neue Orthodoxie hat durchsetzen können * das rst das erstaunlichste Ereignis der letzten zwanzig Jahre. Nach 20 lahren -Umbrüche in der kapitalistischen Weltwirtschaft und die Perspektiven der Linken (1 . Teil) von Michael R. Krätke* nanzpoi:tiken der kapitalistischen Nationen. International war die,,Deregulierung" oer Finanzmärkte allerdings bereits in voilem Gang, obwohl noch wenige die Tragwerte dieses Prozesses sahen. Noch waren die Wohlfahrtsstaaten in allen europäischen Ländern intakt, obwohl die Kritik am Wohlfahrtsstaat bzw. dessen Auswüchsen bereits zum guten Ton gehörte. Noch gab es etliche Sozialisten und kaum Neoliberale in der europäischen Sozialdemokratie, noch war die Sozialistische Internationale eine Bewegung, die offiziell am Endziel der Überuuindung des Kapitalismus festhielt; das sollte sich erst mit der Stockholmer Erklärung von .i989 ändern, in der zwar noch immer von Freiheit, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit, von einer Wirlschaft und Gesellschaft .jenseits des Kapitalismus aber nicht mehr die Rede ist. ln diesem Jahr 1978 stritten sich die linken Ökonomen über die Krise, die gerade mal wiederseit dem Herbst 1975überwunden schien, im .Jahr darauf wiederkehren sollte; eine Krise, die uns ein lange vergessenes, daher scheinbar ganz neues Phänomen beschert hatteeine Massenarbeitslosigkeit, die mit dem ,,Aufschwung" nicht verschwand, sondern hartnäckig bestehen blieb. Der Krisenzyklus der großen lndustrie, der in den .Jahren der langen, scheinbar ,,immer' währenden " Prosperität immer wieder für tot und endgultig überwunden erklärt worden waI war zweifellos wieder auferstanden. Über den Charakter der Krise der siebziger Jahre, des wie-* Dr. Michael R. Kratke, Professor für Politikwissenschaft an der IJ niversität Amsterdam 53
2017
Weit davon entfernt, ein Phänomen der Vergangenheit und durch den zunehmenden Wohlstand der Staaten ausgelöscht worden zu sein, wird der Kluft zwischen Arm und Reich in der Gegenwart wieder verstärkt nachgegangen. Den Versuch der historischen Fundierung dieser Debatten haben Petra Schulte und Peter Hesse in dem vorliegenden Sammelband zum Reichtum im späten Mittelalter unternommen, der auf den Beiträgen und Ergebnissen einer Tagung im Deutschen Studienzentrum Venedig im Jahr 2010 beruht. ..
Wohlstand — keine Alternative zum BIP
Wirtschaftsdienst, 2010
Jeder Student der Ökonomie lernt im ersten Semester, dass Nutzen nicht interpersonell vergleichbar und aggregierbar ist. Aber seine Professoren scheinen dies regelmäßig zu vergessen, wenn sie beginnen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu problematisieren, was sie übrigens schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder gerne tun. Nun hat der "Stiglitz-Report" 1 offenbar eine neue Runde in diesem Spiel eröffnet und der Wirtschaftsdienst hat in seiner Dezember-Ausgabe ein Zeitgespräch zu dem Thema "Wie lässt sich Wohlstand messen?" veröffentlicht. 2 Einige dort, aber auch andernorts und schon früher vertretene Positionen fordern eine erneute grundsätzliche Betrachtung heraus, und sie haben uns zu folgenden Thesen veranlasst: