Arabellion – Vom Aufbruch zum Zerfall einer Region? (original) (raw)

Heterarchie, Konnektivität, lokale Politik und die Neuaushandlung der postkolonialen Ordnung von Libyen bis nach Mali, in: Thomas Demmelhuber/ Axel, Paul/ Maurus Reinkowski (Hrsg.), Arabellion, Vom Aufbruch zum Zerfall einer Region, Leviathan Sonderband 31, 2017, 155-179.

Die aktuellen politischen Entwicklungen in Libyen und Nord-Mali stellen nichts anderes dar als eine Neuaushandlung der postkolonialen politischen Ordnung. Der Sturz des autoritären Regimes in Libyen und der anschließende Zerfall des Landes in postrevolutionäre Lager und Regionen, die anhaltende Rebellion der Tuareg im Norden Malis, begleitet vom Aufstieg transnationaler islamistischer und jihadistischer Kräfte, haben zur Zersplitterung staatlicher Strukturen geführt, zu mehr Heterogenität im politischen Feld und zur Entstehung von nicht-staatlichen Machtgruppen, die zunehmend Bedeutung auf der politischen Bühne gewinnen. Während sie oft soziale und politische Alternativen zum westlichen Staatsmodell propagieren, scheinen einige dieser Gruppen zumindest zeitweise mit den jeweiligen staatlichen Strukturen verwoben zu sein. Wir schlagen vor, Prozesse der Herstellung politischer Ordnungen aus lokalen und trans-lokalen Perspektiven zu betrachten. Dabei gehen wir davon aus, dass die aktuelle Situation in Nordwest-Afrika eine einzigartige Gelegenheit zur Beobachtung und Untersuchung der Neuaushandlung der postkolonialen politischen Ordnung bietet, die zurzeit stattfindet. Diese Neuaushandlung schließt eine deutliche In-Frage-Stellung des westlichen Staatsmodells ein. Wir nehmen weiter an, dass die laufenden Prozesse der Herstellung politischer Ordnungen in Libyen und Mali miteinander in Beziehung stehen, ohne dass wir irgendeine Art von Kausalität zwischen beiden unterstellten. Das Lokale ist weiterhin die entscheidende Arena für die Schaffung politischer Ordnungen.

Die Region - ein Phantom?

transcript Verlag eBooks, 2022

Phantome zeichnen sich durch Abwesenheit aus. Sie sind Produkte menschlicher Fantasie, die gar nicht wirklich existieren. Oder sie existieren zwar, sind aber nicht zu fassen und werden daher gejagt. Manche Phantome sind furchteinflößend, weil sie-wie Geister und Gespenster-als Untote bzw. tot geglaubte Kreaturen ihr Unwesen treiben. Beim Phantomschmerz ist zwar nicht der Schmerz abwesend, aber jener Körperteil, der zu schmerzen scheint. Das Phantom als Motiv für unseren Beitrag zu verwenden geht darauf zurück, dass wir-die beiden Koautoren-für dieses Buch eine ähnliche Idee vorgeschlagen hatten, die dem ersten Eindruck nach ganz ähnlich klang. Der eine von uns beiden (Axel Priebs) wollte die Region in ihrer politisch-planerischen Institutionalisierung als Phantom beschreiben, um aufzuzeigen und gewissermaßen auch zu beklagen, dass viele vermeintlich reale Regionen in Wahrheit nur Imaginationen oder Marketingprodukte ohne politischen Einfluss seien. Der andere (Ulrich Ermann) wollte eine Gespenstergeschichte über die Region als Phantom erzählen, das in der Geographie und anderen (Raum-)Wissenschaften seit langer Zeit herumspukt, oft totgesagt wurde und zugleich quicklebendig erscheint. Dabei wollte er auch die Frage aufwerfen, warum sowohl Realregionen als auch konstruierte Regionen offenbar das Zeug haben, in der (geographischen) Wissenschaft Angst und Schrecken zu verbreiten oder Phantomschmerzen auszulösen. Das in unseren Zugängen zum Ausdruck kommende Spannungsfeld zwischen verschiedenen Verständnissen von Region spiegelt nicht nur das breite Spektrum von Regionskonzepten wider, sondern auch Widersprüche und Brüche im Verständnis von Region, Regionalität und dem Regionalen. Der Begriff der Region erfüllt die genannten Charakteristika eines Phantoms (zum Aspekt der Abwesenheit in historischer Perspektive vgl. auch den Begriff Phantomgrenzen bei Hirschhausen et al. 2015). Die Region ist immer noch genauso schwer zu fassen, wie dies bereits in den 1990er Jahren diagnostiziert wurde: »Untersucht man […] die einschlägigen Veröffentlichungen, so fällt alsbald der schillernde, ja manchmal diffuse Charakter des Regionsbegriffs auf. Region kann offensichtlich vieles sein […]« (Wardenga & Miggelbrink 1998, S. 33). Wenngleich der Wunsch, die Region fassen zu wollen, heute nicht mehr so stark ausgeprägt ist, so

Das Ende von Meroe. Gedanken zur Regionalität von Ereignissen

2013

Das Ende des Staates von Meroe ist ein komplexes Thema, das von vielen Forschern teilweise kontrovers diskutiert wurde und wird. Viel ist um die genaue zeitliche Einordnung dieses Endes gerungen worden, das zwischen 330 und 350 ange­ nommen wird. Deutlich ist, dass es zwischen 300 und 350 n. Chr. zu großen Veränderungen kommt, die auf verschiedenen Ebenen zu erkennen sind. Dieser Prozess der Veränderung ­ und nicht ein einmaliges Ereignis ­ ist mein Verständnis vom „Ende von Meroe". Die Herrscher von Meroe, die zwischen dem 3. Jh. v. und dem 4. Jh. n. Chr. regiert haben, wurden auf dem Friedhof von Meroe, etwa 200 km nördlich von Khartoum gelegen, unter Pyramiden bestattet. Aufgrund der Architektur, der Motivik und des Stils der Reliefs in den Kultkapellen und den Funden in den Gräbern wurde vom Ausgräber George A. Reisner eine Abfolge der Könige aufgestellt, die mit einigen Modifikationen auch noch heute gültig ist. Der letzte meroitische König, dessen Name uns überliefert ist...

Die Eburonen - Was geschah mit einem vorgeschichtlichen Volk im Rheinland? (Text)

Die vorliegende Magisterarbeit thematisiert die archäologischen Hinterlassenschaften einer späteisenzeitlichen Bevölkerung in einem Siedlungsgebiet zwischen Rhein und Maas unter Einbeziehung der schriftlichen Überlieferungen durch den Feldherrn Gaius Julius Caesar im „Gallischen Krieg“. Caesar bezeichnet diese einheimische Bevölkerung mit dem Namen „Eburonen“ und identifziert sie gleichzeitig als „Germani Cisrhenani“ – diesseitige, also linksrheinische Germanen. Die Untersuchungen dieser Arbeit haben jedoch gezeigt, dass es sich bei den Bewohnern um eine weitestgehend „latènisierte“ Bevölkerung handelte, deren kultureller Fokus sich weitaus mehr auf den keltischen Raum richtete, als über den Rhein zu den „Germanen“. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind sicherlich mit der Namensetymologie, Haus- und Hofbauweise und der materiellen Sachkultur, allen voran den niederrheinischen Glasarmringen, geliefert. Ab 50 v. Chr. existierte im umrissenen Siedlungsgebiet kein politischer Zentralverband mehr mit dem Namen „Eburonen“. Caesar war es gelungen, diesen als Vergeltungsschlag für den Angriff eburonischer Stammeskrieger auf ein römisches Winterlager zu zerstören. Jedoch ist es Caesar entgegen seiner propagandistischen Behauptungen im „Gallischen Krieg“ nicht gelungen, alle Bewohner restlos auszulöschen. Hierfür sprechen archäologische und archäobotanische Befunde innerhalb der Rheinischen Lößbörde, dass es nicht überall einen Abbruch von Siedlungstätigkeit gegeben hat, allen voran die Gründung von Tongeren, die Neuformierung des Stammes der „Texuandrer“, die Siedlungsphasen von Pulheim-Brauweiler und der Umlauf „eburonischer“ Münzen nach 50 v. Chr. Der historischen Überlieferung und den archäologischen Befunden zufolge war der Kern des ursprünglich von Eburonen besiedelten Gebietes zwischen Rhein und Maas allerdings ab der 2. Hälfte des 1. Jhdt. weitestgehend siedlungsleer . Die Siedlung von Hambach-Niederzier (Hambach 382) bricht schon mindestens 2 Jahrzehnte vor 50 v. Chr. ab. Der Alte Burgberg von Kreuzweingarten fällt 50-53 v. Chr. den Kampfhandlungen zum Opfer. Das „Flachlandoppidum“ von Jülich-Bourheim wird in der Mitte des 1. Jhdt. kampflos geräumt, das „Mehrhausgehöft“ von Eschweiler-Laurenzberg bereits am Anfang des Jahrhunderts. Die Abschnittsbefestigung von Kreuzau-Winden wird erst um die Zeitenwende zerstört. Die allmähliche Wiederbesiedlung des linksrheinischen Raums fand erst statt während Agrippas Statthalterschaft am Niederrhein. Allerdings hatte Agrippa dieses Amt während zwei verschiedenen Perioden inne: Seine 1. Statthalterschaft war von 39/38 v. Chr., die zweite von 20-18 v. Chr . Agrippa siedelte ab 38 v. Chr. die Ubier, die bis dato noch rechtsrheinisch siedelten, auf der linken Rheinseite an. Heinrichs ist allerdings der Meinung, dass die gezielte Umsiedlung erst in die zweite gallische Statthalterschaft fiel . Als der Bau der Fernstraße Lyon-Niederrhein 18 v. Chr. die Südeifel erreichte, mussten im fraglichen Rheinabschnitt besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Tacitus überliefert uns, dass daher die Umsiedlung der Ubier im Raum zwischen Remagen und Krefeld ausdrücklich auf defensive Art und Weise geschehen müsse (Germ. 28,4). Die Datierung in die zweite Statthalterschaft deckt sich laut Heinrich auch mit den Münzfunden: Die erste Prägephase ubischer Quinare (ca. 60 – 45 v. Chr.) ist hier bisher nicht belegt, die zweite (ca. 45 - 30) nur selten, doch der Hauptanteil an Funden entfällt auf die dritte Prägephase (ca. 30 - 15). Von den häufigen Vertretern der Prägephase III wurden die meisten noch rechtsrheinisch geprägt und zur linken Rheinseite mitgebracht. Die abschließende ubische Prägephase IV wird wieder seltener ab 15 v. Chr. Dieser numismatische Befund würde belegen, dass die Hauptumsiedlung der Ubier ab 19 v. Chr. von Agrippa durchgeführt wurde. Diese Tatsache entspräche auch ganz und gar den Bedürfnissen der Ubier, die immerhin 30 v. Chr. ihr Zentraloppidum auf dem Dünsberg an die Chatten verloren hatten und aller Wahrscheinlichkeit nach gezwungen waren, auch weitere der rechtsrheinischen Siedlungen aufzugeben. Gechter nimmt im Bezug auf die Wiederbesiedlung von Bonn an, dass diese aufgrund einheimischer Keramikfunde aus der Zeit um 40 v. Chr. noch während der ersten Statthalterschaft von Agrippa begann . Galsterer hält eher „ein langsames Einsickern von ubischen und anderen Bevölkerungsteilen, denen Agrippa dann die endgültige staatsrechtliche Form durch Errichtung einer civitas Ubiorum socia nobis gab“, für möglich . Joachim schließt sich dem an, hält es aber außerdem für denkbar, dass sich ubische Verbände bzw. Teilstämme schon zu Caesars Zeiten an von Natur begünstigten Plätzen wie Bonn (Bonna) und Neuss (Novaesium) niedergelassen haben . Die neue Heimat der Ubier wurde also das ehemalige Kernland der Eburonen, die Lößbörden zwischen Maas und Rhein inklusive der Nordeifel sowie der nordwärts gelegene Raum bis in die Höhe von Xanten. Gerade wenn der Umzug zumindest teilweise schon in den 50er Jahren eingesetzt hat, können wir davon ausgehen, dass sich viele überlebende eburonische Stammesmitglieder den zugezogenen Ubiern angeschlossen haben. Noch wahrscheinlicher ist der Anschluss an den Stamm der Treverer, da diese Bündnispartner während des Gallischen Kriegs waren. Genausogut könnte ich mir vorstellen, dass versprengte Eburonen auf die rechte Rheinseite gegangen sind, zu den dort noch siedelnden ubischen Stämmen, ebenso wie zu den Sugambrern oder den Usipetern. Im Rhein-Maas-Delta wurde aus Restgruppen der Eburonen der Stamm der Texuandrer neu zusammengefasst . Im Gebiet um Aachen formierten sich die Sunuker und um Heerlen die Baetasier. Im Gebiet der heutigen Provinz Gelderland vermischten sich Stammesreste der Eburonen und Menapier mit der Führungsschicht der Chatten, was zur Gründung des Stammes der Bataver führte. Das Volk der Eburonen bleibt weiter existent, allerdings unter neuen Vorzeichen, beziehungsweise in ein größeres Umfeld integriert. Als abschließende Betrachtung aus der Schlussfolgerung bleibt am Ende nicht mehr allein die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität der Eburonen, sondern stellt sich vielmehr nach Kontinuität und Wandel, letztere wichtige Begrifflichkeiten aus dem volkskundlichen Kanon. Neue Perspektiven in sich wandelnder Zeit zu finden war von jeher die Aufgabe des Menschen, wenn sich seine Lebensgrundlage, Lebensformen und Lebensumstände durch äußere Ereignisse veränderten. (Textteil)

Die verlorenen Regionen als Narrativ im österreichischen historischen Roman der Ersten Republik – Funktion, Implikationen, Zeitgeschichte

Prace Literaturoznawcze

After the collapse of the Habsburg Monarchy, many Austrian nationalistic writers were reinforcing anti-Slavic resentment by means of highlighting the superiority of German culture and heritage over Slavic culture across the territory of the newly formed states. On the example of several historical novels, above all the novel “Die Fackel des Hus” (1929) by the Sudeten writer Karl Hans Strobel, who was one of the leading writers of the Viennese nationalist and pro-fascist faction in the First Austrian Republic, it is shown how national-patriotic and catholic writers fostered the myth of the elitism of German spiritual culture in Austria.

Fragmentierte Nation - globalisierte Region?

2013

Historische Darstellung des nationalen Konflikts | 119 3.1 Die schwierige Geburt des spanischen Nationalstaats | 120 3.2 Die Entstehung des Kapitalismus in Spanien und die frühe Industrialisierung des Baskenlands und Kataloniens | 128 3.3 Entstehung und Etablierung der Nationalbewegungen | 133 3.4 Modernisierung der Nationalbewegungen bis zur Zweiten Republik | 142 3.5 Entwicklung der Nationalbewegungen im Frankismus und antifrankistischen Widerstand | 151 3.6 Etablierung der Demokratie und der regionalen Autonomiestatute | 160 4.

Territorium revisited. Zusammenfassung und Ausblick (EPREUVES)

Genèse des espaces politiques (IXe–XIIe s.). Autour de la question spatiale dans les royaumes francs et post-carolingiens, ed. G. Bührer-Thierry, St. Patzold & J. Schneider, 2017

Conclusions du colloque tenu à Marne-la-Vallée (ANR-DFG Territorium, dir. G. Bührer-Thierry & St. Patzold)