Strategisches Scheitern? Die Luftwaffe an der Ostfront und der "Operative Luftkrieg" (original) (raw)
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Zeitschrift Luxemburg, 2017
Zusammenhänge herzustellen wagt, wo andere sich damit bescheiden, Spezialisten zu bleiben. Befunde zu Ökonomie, Sozialpolitik, Arbeitssoziologie, Ungleichheits-und Protestforschung werden zu einer schillernden Deutung der heutigen Gesellschaft verknüpft. Das hat allerdings seinen Preis, denn das Buch steckt voller Widersprüche und Ambivalenzen. Politisch liegt der Teufel im Detail. Die zentrale Diagnose einer Gesellschaft, in der eine Mehrheit von sozialem Abstieg betroffen ist, überzeugt nicht. Was Nachtwey gegen Nachtwey profund belegt, ist eine Gesellschaft mit verallgemeinerten Bewährungsproben, größerer Ungleichheit und einer zunehmenden Aufstiegsblockade für die untersten Bevölkerungsschichteneine Gesellschaft, in der es aber gerade den Mittelschichten trotz gestiegenen Belastungen gelingt, ihre Positionen im Klassengefüge zu behaupten und (noch?) aufzusteigen. Ist dieser Unterschied in der soziologischen Diagnose politisch wirklich so wichtig? Ja, und das wird deutlich, wenn man über mögliche strategische Schlussfolgerungen nachdenkt, die durch Nachtweys Zeitdiagnose nahegelegt werden. Wenn doch eine Mehrheit der Bevölkerung von sozialem Abstieg betroffen ist, dürfte es dann nicht relativ einfach sein, ein soziales und politisches Bündnis zu schmieden, das die unteren und mittleren Schichten einschließt? Was läge näher als ein Bündnis der Verlierer*innen? Nachtwey bringt diesen Weg bewusst nicht ins Spiel, sondern deutet an, dass nicht nur emanzipatorische, sondern auch autoritäre und reaktionäre politische Formen der Mobilisierung gegen die Neoliberalisierung möglich sind. Und dennoch ist die Grunddiagnose zu einfach. Was sichtbar wird, ist keine Abstiegsgesellschaft, sondern vielmehr eine »Zwei-Drittel-Gesellschaft« (Peter Glotz) mit ausgeweiteten Kampfzonen. Ein fortschrittliches Unten-Mitte-Bündnis zwischen Klassenmilieus wäre angesichts der von Nachtwey nachgezeichneten Umbrüche ebenso möglich wie ein autoritäres Mitte-Oben-Bündnis, bei dem sich die
Krieg auf dem Fußboden, am grünen Tisch und in den Städten. Vom Diskurs des Strategischen im Spiel
in: Rolf F. Nohr / Serjoscha Wiemer (Hg.) Strategie spielen. Zur Politik, Medialität und Geschichte des Strategiespiels. Münster: LIT, S.29-68, 2008
Der nebenstehende Textauszug eines Artikels über Computerstrategiespiele fasst knapp und präzise die hier vertretene These über Strategiespiele zusammen: Sie sind Proberäume für effizientes und zielorientiertes Handeln. Wer Strategiespiele spielt, wird auf die ein oder andere Weise eine ›Lern-und Lehrsituation‹ durchlaufen, dieje nach gesellschaftlichem Wertesystem und Kontext -eine spezifische Form nobilitierten Wissens vermittelt. Eine Strategie zu benutzen, ist -beispielsweise im Rahmen der ökonomischen Spieltheorie John von Neumanns und Oskar Morgensterns (2007 [1944]) -als eine Form der Handlungssteuerung zu verstehen. Strategien werden in zielorientierten, also auf ›Gewinnsituationen‹ abzielenden Handlungsfeldern aufgerufen, in denen das Subjekt im Rahmen sozialer und diskursiver Parameter versucht, sich mit vorgegebenen oder selbstgesetzten Zielwertdefinitionen gegen sich oder andere in einen Wettbewerbscharakter zu versetzen. Strategisches Handeln scheint ›lernbar‹ wie ›lehrbar‹ (zu sein) und erweist sich damit als eine Qualifikationspraxis. Eine umfassende ›ludische‹ Strategie-Spiel-Theorie müsste insofern idealerweise die Regelungsbedingungen des Spielerischen (als eine Form der Gesamtheit aller Regeln und der Instantiierung und Aufrufung der Regeln im einzelnen Zug des Spiels) als ein strikt ›regelgeleitetes‹ und ›regulatorisches‹ Unterfangen untersuchen. Dabei wäre das strategische Spiel als ein Gebilde aus Regelungsmechanismen hegemonialer, politischer, (waren-)ökonomischer und handlungsrationaler Steuerung gebildet, zu verstehen. Traditionellerweise ist Probehandeln im Rahmen kulturellen Handelns als eine Möglichkeit des Lernens konzeptualisiert. Für das Strategische scheint sich eine Form des Probehandelns etabliert zu haben, die eng an das Spielerische gebunden ist. Das Spiel könnte so gesehen als ein kulturkonstitutives Handeln, das die unmittelbaren Formen des ›Über-Lebens‹ transzendiert, verstanden werden: Rolf F. Nohr Krieg auf dem Fussboden, am grünen Tisch und in den Städten Vom Diskurs des Strategischen im Spiel »Der Erste. Der Schnellste. Der Reichste. Der Stärkste. Alle wollen nur das Eine: Gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine gute Strategie unabdingbar. Bitte sehr, Handlungsanweisungen für Siegertypen«. ¯1
2003
Der große Vorteil besteht darin, dass ihnen [i.e. Skythen] niemand entrinnen kann, der gegen sie zieht und dass keiner sie fassen kann, wenn sie sich nicht auffinden lassen wollen. Leute, die sich weder Städte noch Mauern gegründet haben, die ihre Wohnstätten mit sich führen und sämtlich Bogenschützen zu Pferde sind, die nicht vom Ackerbau, sondern von der Viehzucht leben und deren Heim auf Wagen ruht-wie sollte ein solches Volk nicht unbezwingbar und schwer zu stellen sein?" 1 2 Die beste Gesamtübersicht zum Kriegswesen der steppennomadischen Krieger liefert D.
»Du bist jetzt ein heldenhafter Stratege« 1 Die Anrufung des strategischen Subjekts
2020
rung oder Machtausübung so zu konstituieren, dass Strategiespiele nicht nur Modelle für Regierungshandeln zur Verfügung stellen, sondern selbst in einen Modus des (gouvernementalen) Regierens eintreten. (6) Die Konsequenz einer solchen Fokussierung ist die Auseinandersetzung mit der Produktion von Spielsubjekten, in der Strategiespiele die Spielenden nicht nur in einen abstrakten Raum des regiert-werdens überführen, sondern auch ganz konkret (im Sinne des Marxschen Verständnisses erweiterter Arbeit) zu Subjekten der Produktion machen. (7) Eine solche Argumentationskette kulminiert in einem Verständnis, Strategiespielen als diskursive Formationen und Praktiken einer algorithmischen Kultur zu erkennen. Planspiele Zu den Klassikern etablierter kognitionspsychologischer, sozial-anthropologischer oder verhaltenswissenschaftlicher Methoden gehört die Herstellung von Modellszenarien, in denen die Teilnehmenden im Rahmen eines Spiels eine vorgegebene, komplexe soziale Wirklichkeit bearbeiten müssen. Das Ausgangsszenario bildet dabei meist eine fiktive, klar abgegrenzte Gemeinschaft, die sich in einer defizitären Lage befindet. Die Spielenden entwickeln Verbesserungsvorschläge und können rundenbasiert die (In-) Effektivität der von ihnen implementierten Veränderungen überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren. Ein beliebtes Szenario bildet dabei beispielsweise eine landwirtschaftlich orientierte Kultur eines fiktiven ›Dritte-Welt‹-Landes. Die Spieler haben die Möglichkeit über die Implementierung medizinischer Infrastrukturen, den Aufbau eines Bildungswesens aber auch durch konkrete infrastrukturelle Baumaßnahmen (Bewässerungssysteme, Dreifelder-Wirtschaft, Aufforstung etc.) oder die Veränderung ideologischer, religiöser oder ökonomischer Paradigmen die Lebenswirklichkeit der simulierten Gemeinschaft zu verbessern.¯2 Solche Simulationsspiele werden gemeinhin nicht genutzt, um die Aufmerksamkeit der Spielenden auf die Probleme von Schwellenländer zu lenken oder konkrete Entwicklungshilfe-Szenarien zu evaluieren-sie werden zumeist und zunächst als Trainingsformen für eine spezifische Rationalität eingesetzt. Das spielende Subjekt soll in der Erfahrung des Augenscheinlichen lernen, dass das Denken und Handeln in komplexen, vernetzten und dynamischen Handlungszusammenhängen einen spezifischen Denk-und Handlungsstil erfordert. Was die Spielenden in solchen Übungssituation erfahren, kulminiert zumeist in der Evidenz eines ›typischen‹ Misslingens. Anfänglich getroffene und festgelegte
Der Große Krieg beginnt: Sommer und Herbst 1914. Nordost-Archiv XXIV (2015), 66-80 (https://www.ikgn.de/cms/index.php/band-xxiv-2015), 2016
This article describes the significance of front line reporting as a propaganda instrument in the Austrian and Russian press at the beginning of the First World War. The focus is on the Eastern Front, initially the most important theatre of war for both states. The manipulative function of the various reports is analysed in the light of war events. Despite the restrictions imposed by censorship and state news policy, journalists still had some scope for interpretation. Nevertheless, the press coverage of both states was very similar in terms of the propagandistic strategies employed. The primary aim was to motivate the population for war and to boost their confidence in victory. The reports in the first months of the war characteristically conveyed the hope that the war would be short. Newspaper reports thus presented the larger battles as decisive conflicts, highlighted the achievements of their own troops and, by concentrating on the successful areas of the front, gave the impression that the war was progressing favourably. Defeats were frequently passed over or presented as strategic withdrawals. The military-strategic appraisals were often accompanied by ideological-moral interpretations, portraying the war as one of liberation or defence. Despite all the attempts to gloss over military setbacks, developments on the war front led to a certain disillusionment, and people gradually began to realise that the war was not going to be as short as hoped. This resulted in a more cautious press coverage of the war fronts; nevertheless, there are numerous examples which show continuity in the propaganda strategies followed in the further course of the war.