M. Zückert u.a. (Hrsg.): Religion in den böhmischen Ländern 1938-1948. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation (original) (raw)

JEMELKA, Martin: Klassen- und nationalitätsbezogener Religionsunterricht in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit am Beispiel des Ostrauer Industriegebietes, in: M. Wermke, G. Reimann (Hrsg.), Religiöse Bildung und demokratische Verfassung in historischer Perspektive, Leipzig 2019, s. 131-145

Michael Wermke, Gregor Reimann (Hrsg.), Religiöse Bildung und demokratische Verfassung in historischer Perspektive, Studien zur religiösen Bildung, Band 20., 2019

Der Religionsunterricht in Schulen aller Stufen war unmittelbar nach der Gründung des tschechoslowakischen Staates (28. Oktober 1918) ein breit diskutiertes Thema mit einem erheblichen Mobilisierungspotential, ein Politikum, das einerseits Teil einer »religiösen Revolution« 1 hin zur Etablierung einer ›nationalen und fortschrittlichen‹ Tschechoslowakischen Kirche im Januar 1920 war, andererseits aber auch eine wichtige Komponente des öffentlichen Diskurses über eine Trennung von Staat und Kirche. Die Liberalisierung des Religionsunterrichts stand im tschechoslowakischen Schulwesen in der gesamten Zwischenkriegszeit im Zentrum des Kampfes für eine sog. freie Schule, also für ein Laien-Schulsystem ohne einen (dominanten) Einfluss vor allem der katholischen Kirche. So wie auch in der gesamten Zeit der ersten Tschechoslowakischen Republik keine Trennung von Staat und Kirche vollzogen wurde und die Geistlichen, die durch den Staat anerkannten Kirchen, auch weiterhin durch den Staat entlohnt wurden, so blieb auch der Religionsunterricht und dessen Alternative in Form einer sog. Laienmoral für Schüler aus konfessionslosen Familien integraler Bestandteil des Lehrplans traditioneller wie experimenteller Schulen aller Stufen.

“Europäische Religionsgeschichte von Ost und West – ein Forschungsdesiderat der Religionswissenschaft”, Zeitschrift für Religionswissenschaft 28/2 (2020) 336–347.

2020

Diesem Review Essay sollte eine Bemerkung vorangestellt werden, die dessen Hauptargument auf passende Weise zusammenfasst: Bei den zu besprechenden Werken geht es um religionsgeschichtliche Versuche in Bezug auf den Osten Europas (im breiten Sinne des Wortes). Jedoch liegt die Expertise sowohl des Verfassers der Monographie als auch der Herausgeberin des Sammelbandes und der diversen Beitragenden nicht im Gebiet der herkömmlichen Religionswissenschaft. Die meisten unter ihnen kommen aus der Geschichtswissenschaft (insbesondere der osteuropäischen Geschichte), aber auch aus anderen Ecken, wie zum Beispiel der Theologie, der Slawistik, der Byzantinistik, der Ethnologie, der Soziologie oder der Literaturwissenschaft. Selbstverständlich stellt dies kein Problem dar; im Gegenteil ist dies sogar eindeutig zu begrüßen. Dass insbesondere Geschichtswissenschaftler/innen sich mit religiösen Phänomenen und Entwicklungen in diversen historischen Epochen, unter anderem im europäischen (und auch im deutschsprachigen) Raum, befasst haben, ist keineswegs neu und sollte keine Verwunderung verursachen. Es gibt bereits eine lange Reihe von wichtigen Beiträgen solcher Art, die erhebliche Forschungslücken füllen, und dies verlangt zweifellos Anerkennung. Die Frage ist aber, wie all dies zur bereits akademisch und fachlich etablierten Religionswissenschaft steht, die die Erforschung von Religionen zum ausschließlichen Untersuchungsgegenstand hatim Unter

IFB-Rezension Johann Georg Hamann : Religion und Gesellschaft / hrsg. von Manfred Beetz ...-Berlin [u.a.] : De Gruyter, 2012.

AUFSATZSAMMLUNG 13-1 Johann Georg Hamann : Religion und Gesellschaft / hrsg. von Manfred Beetz ...-Berlin [u.a.] : De Gruyter, 2012.-VII, 420 S. ; 24 cm.-(Hallesche Beiträge zur europäischen Aufklärung ; 45).-ISBN 978-3-11-028828-5 : EUR 119.95 [#2667] Der Name Johann Georg Hamann hat eine eigene, ja eigenartige Faszinati-on, denn unter den Schriftstellern und Denkern des 18. Jahrhunderts findet er nicht seinesgleichen. 1 Die Ausnahmestellung Hamanns wird auch immer wieder herausgestellt; es ist auch kein Zufall, daß sich häufig Autoren jen-seits des Mainstreams mit Hamann befaßt haben: Ernst Jünger, Gerhard Nebel oder auch Nicolás Gómez Dávila sowie schon im 19. Jahrhundert der "religiöse Schriftsteller" Sören Kierkegaard. Hamann ist auch immer wieder kontrovers gedeutet worden, weil er in einer Zeit, die sich in philosophischer Hinsicht zunehmend der Kritik der reinen Vernunft verschrieb, die Ver-nunft an die Sprache binden wollte. Hamann beharrte darauf, daß Vernunft Sprache sei und also historisch, d.h. niemals "rein", sondern immer in sinnli-chen und konkreten Bezügen steht. Hamanns Werk verdeutlicht das, man kann schon sagen bis zum Exzeß. Denn die ungemein dichten Texte des Königsberger Denkers stellen solch hohe Anforderungen der Kommentie-rungsbedürftigkeit, 2 daß schon Goethes Pläne zu einer Hamann-Edition zu nichts führten. Welche Schwierigkeiten mit der Edition der Schriften Ha-manns verbunden waren und sind, ist seit Jahrzehnten immer wieder Ge-genstand von Überlegungen in der Hamann-Forschung, wobei sich teils be-rechtigte Kritik nicht zuletzt an der Editionspraxis des großen Hamann-Forschers Josef Nadler entzündete. Daran knüpft auch in dem vorliegenden Band ein Beitrag des Mitherausgebers Andre Rudolph an, der sich dem 1 In Kürze erscheinen gesammelt wichtige Studien zu Hamann in: Querdenker der Aufklärung : Studien zu Johann Georg Hamann / Sven-Aage Jørgensen.-Göttingen : Wallstein-Verlag, 2013 (Febr.).-224 S. : Ill.-ISBN 978-3-8353-1232-6 : EUR 34.90.-Eine Rezension in IFB ist vorgesehen. 2 Zu diesem Problemkreis der Kommentierungsbedürftigkeit beachte man auch Lexikon der imaginären philosophischen Werke / Andreas Urs Sommer.-1.-6. Tsd.-Berlin : AB, Die Andere Bibliothek, 2012.-361 S. ; 22 cm.-(Die andere Bibliothek ; 326).

Islamische Revolution in Kurdistan: Zwischen Sektierertum und Ökumenismus // Wiener Jahrbuch für Kurdische Studien: Religion in Kurdistan 2019/7. P.63-84.

Wiener Jahrbuch für Kurdische Studien: Religion in Kurdistan, 2019

After the 1979 revolution in Iran, the Kurdish left-wing nationalists and some other Kurdish and non-Kurdish armed oppositional groups—frequently acting in transnational mode—tried to establish their control over the Kurdish regions of Iran. As a result, Iranian Kurdistan almost sank in chaos and sectarian conflict and, finally, faced a massive intervention by central government. To successfully pursue their agenda in the area, the Shi'ite Islamists who had come to power in Tehran struggled to overcome their perception by others as “Shi'ites.” Only so could they hope to also penetrate the Kurdish-populated areas alongside other rebellious provinces of Iran with Sunni majority, as well as to export revolution to Sunni-majority regions abroad. In particular, to establish its rule in Iranian Kurdistan, the revolutionary regime not only sent its own armed supporters there but also employed Sunni Islamism as a tool to enter Kurdish local politics. A case in point is the establishment and activities of the Organisation of Muslim Kurdish Peshmerga. The paper focuses on the role of religion in political developments in Iranian Kurdistan in 1979-1984, and overviews the origins of Kurdish Sunni Islamism related to the activities of various Iranian government agencies and Iranian political movements. It analyses media reports and political documents of the time, as well as draws on the recently published memoirs of and interviews with the participants and observers of the developments on the ground. Nach der Revolution von 1979 im Iran versuchten die kurdischen linken Nationalisten und einige andere kurdische und nicht-kurdische bewaffnete oppositionelle Gruppen, die häufig grenzübergreifend agierten, eigene Kontrolle über die kurdischen Regionen des Iran zu etablieren. Es kam zu einer Konfrontation zwischen ihnen und Teheran, das sich weigerte, eine Autonomie den kurdischen Gebieten zu gewähren. Infolgedessen versank das iranische Kurdistan beinahe im Chaos des sektiererischen Konflikts und erlebte schließlich eine gewaltige Intervention der Zentralregierung. Um ihre Politik in der Region erfolgreich umzusetzen, bemühten sich die schiitischen Islamisten, die in Teheran an die Macht gekommen waren, darum, ihre Wahrnehmung durch andere als „Schiiten“ zu überwinden. Nur so konnten sie hoffen, auch in den kurdisch besiedelten Gebieten, sowie in anderen rebellischen Provinzen Irans mit sunnitischer Mehrheit, wieder Fuß zu fassen, sowie die islamische Revolution in mehrheitlich sunnitische Regionen außerhalb Irans zu exportieren. Um kurdische Gebiete wiederzuerobern, sandte das revolutionäre Regime, unter anderem, nicht nur eigene bewaffnete Anhänger dorthin, sondern setzte auch den sunnitischen Islamismus als Instrument ein oder verbündete sich mit ihm. Ein typisches Beispiel ist die Gründung und Tätigkeit der Organisation der muslimischen kurdischen Peschmerga. Das Papier befasst sich mit der Rolle der Religion in der politischen Entwicklung im iranischen Kurdistan in den Jahren 1979-1984, und gibt einen Überblick über die Ursprünge des kurdischen sunnitischen Islamismus im Zusammenhang mit den Aktivitäten verschiedener iranischer Regierungsbehörden und iranischer politischer Bewegungen. Es analysiert Medienberichte und politische Dokumente der Zeit sowie die letztlich veröffentlichten Erinnerungen und Interviews mit den Teilnehmern und Beobachtern der Entwicklungen vor Ort.

Mähren als Gelobtes Land. Migrationserfahrung und Heilsgeschichte bei den Hutterischen Brüdern, in: In: P. Hrachovec, G. Schwerhoff, W. Müller, M. Schattkowsky (eds.): Reformation als Kommunikationsprozess. Die böhmischen Kronländer und Sachsen. Köln: Böhlau 2021 (Norm und Struktur, 51), 361-379.

Mit den biblischen Motiven des Exodus der Israeliten aus Ägypten, der Wüstenwanderung des Gottesvolkes, des Gelobten Landes und der Landnahme, des Babylonischen Exils, des prophetisch-apokalyptischen Rufs „Geht hinaus aus Babylon!“ (Jes 48,20; Jer 50,8; 51,6.45; 2Kor 6,17; Offb 18,4), der Rückkehr aus dem Exil, des Wiederaufbaus des von den Gottlosen zerstörten Tempels, der Völkerwallfahrt zum Zion und der Vision des Neuen Jerusalem als Ziel der Heilsgeschichte (Offb 21f) war christlichen Gruppen der frühen Neuzeit ein gemeinsamer Vorrat an Metaphern und Deutungsmustern zur religiösen Verarbeitung von Flucht- und Migrationserfahrungen vorgegeben. Nicht selten kam es dabei zu Gleichsetzungen des Migrationsziels mit dem Gelobten Land oder gar dem Neuen Jerusalem, teils im Sinne einer unverbindlichen rhetorischen Metaphorik, teils aber auch mit recht konkreten Implikationen. Neben den französischen Glaubensflüchtlingen, die in Calvins Genf ein „Neues Jerusalem“ sahen, seien die puritanischen Siedler genannt, die in Neuengland theokratische Gemeinwesen gründeten, um dort die Wiederkunft Christi zu erwarten, oder auch die niederländisch-reformierten Siedler, die seit dem 17. Jahrhundert nach Südafrika kamen und ihren Anspruch auf den Besitz des Landes mit einer aus biblischen Texten hergeleiteten Bundestheologie legitimierten. Zu einer vergleichbaren geographischen Konkretisierung – typologisch-ekklesiologisch verstandener – alttestamentlicher Motive kam es im 16. Jahrhundert bei täuferischen Flüchtlingsgemeinden, die auf adligen Grundherrschaften in Südmähren Asyl fanden. Ähnlich wie später die Puritaner in Neuengland und die niederländischen Siedler in Südafrika entwickelten die Hutterer einen mit alttestamentlichen Wendungen gesättigten, ausgeprägt „zionistischen“ Sprachcode zur Beschreibung ihrer Migrationserfahrung. Zu beachten ist allerdings der entscheidende Unterschied, dass die Täufer keinen Anspruch auf den Besitz des Landes, das sie als den ihnen von Gott angewiesenen Ort ansahen, erhoben.

Bacem Dziri & Amir Dziri (Hg.). Aufbruch statt Abbruch: Religion und Werte in einer pluralen Gesellschaft. Herder. 2018. 288 Seiten. ISBN 9783451812019

Review of of Aufbruch statt Abbruch: Religion und Werte in einer pluralen Gesellschaft, edited by Bacem Dziri and Amir Dziri, 2023

Sammelbände laufen Gefahr, schlecht durchdacht oder thematisch unzusammenhän gend zu erscheinen. Der 2018 im Verlag Herder erschienene Band ›Aufbruch statt Abbruch: Religion und Werte in einer pluralen Gesellschaft‹ vermittelt diesen Ein druck nicht. Seine Herausgeber, Bacem und Amir Dziri, haben mit diesem lesens werten Werk einen Beitrag zu gegenwärtigen Debatten über Vielfalt, Werte und Integration geleistet und es geschafft, 15 Aufsätze von 16 Autor:innen, ein Vorwort von Hatice Durmaz-der Vorsitzenden von RAMSA-und Amir Dziris Einleitung thematisch und strukturell sinnvoll zu verbinden. Im Zentrum der Anthologie steht die Frage nach der Bedeutung von Werten in einer und für eine zunehmend plurale deutsche Gesellschaft, deren Ergebnisse sich teilweise auch auf andere Länder über tragen lassen. Dziri leitet die Artikel auf erfrischende Weise mit wirtschafts-und gesellschafts analytischen Betrachtungen ein. Er stellt sich damit programmatisch gegen die Feti schisierung und Reduzierung von Muslim:innen auf ihre religiöse Zugehörigkeit. Seine Kritik richtet sich gegen die Objektifizierung des Islams, die sowohl von Muslim:innen als auch von der Mehrheitsgesellschaft vorangetrieben wird. Der Sammelband intendiert, die Mechanismen der gegenwärtigen ›Islamdebatten‹, die zu einer »symbolisch aufgeladenen Plattform grundsätzlicher postsäkularer Fragestel lungen geworden« sind, zu erörtern, einzuordnen und zu entmythologisieren. Ziel ist nach Dziri »eine Justierung der aktuellen Wahrnehmungen, die unter dem Bedürfnis nach Abgrenzung und konstruierter Differenz geschehen« (16). Diese Thematiken werden, nochmals in drei Blöcke unterteilt, von den einzelnen Autor:innen aus sozio logischer, politikwissenschaftlicher, philosophischer, historischer und theologischer Perspektive beleuchtet und durch Beiträge von Aktivist:innen und Politiker:innen ergänzt. Der erste Teil, ›Über Partikularität und Universalität von Werten‹, beginnt mit einem Beitrag von Yasemin El-Menouar. Ihr zufolge sind die vorgeblichen Integra tionskrisen, die durch gegenwärtige Islam-und Integrationsdebatten vermittelt wer den, im Kern »Wahrnehmungskrisen« (36), wobei die Selbstwahrnehmung von Muslim:innen und die in der Mehrheitsgesellschaft herrschende Sicht auf sie stark divergierten. Es bedürfe eines »neuen Gemeinsinns« durch die Konstruktion »großer Erzählungen« (30f.), neuer Dialogformen und der Vermittlung »religiöser Kommuni kationskompetenz« (36), um den Weg für ein offenes »dynamisches Wir« zu berei ten, welches »kulturelle, religiöse und soziale Unterschiede anerkennt« (20). Hansjörg Schmid untersucht die Viabilität von Werten als Brückenkonzepte in pluralistischen Gesellschaften. Der von ihm vorgeschlagene Wertedialog als »Weg der Verständigung