Michael Bies, Elisabetta Mengaldo: Poetik und Ästhetik des Kapitals. Eine Einleitung (original) (raw)

Über die Anfänge »Das Kapital« zu popularisieren. Die Kurzfassung als Genre der Arbeiter*innenbewegung

Work In Progress. Work On Progress. Doktorand*innen-Jahrbuch 2023 der Rosa-Luxemburg-Stiftung: https://www.rosalux.de/publikation/id/51494/work-in-progress-work-on-progress-12 , 2024

https://www.rosalux.de/publikation/id/51494/work-in-progress-work-on-progress-12 Difficulties with reading Marx’s »Capital« have been dealt with over the years in different ways. The text genre »abridgment« applied to »Capital« is a form of creative reaction to some of those difficulties. A few years after the publication of »Capital« leaders of the labour movement provided short versions of it to reach a wider readership. In doing so they inaugurated an international tradition that has not stopped until today. The article presents this form of popularization of »Capital«, its first protagonists and some characteristics.

Einleitung: Diskussionen im Anschluss an Joseph Vogls Das Gespenst des Kapitals

So why is it that intelligent, seemingly well-informed economists can have such different views of their subject? To put it another way, how can one economist take the view that the discipline is successfully solving the problems confronting society, whilst another sees the discipline as engaging in abstract theorizing that has no bearing on the real world?

Bernd Blaschke, Der homo oeconomicus und sein Kredit bei Musil, Joyce, Svevo, Unamuno und Céline. 2004 – Eske Bockelmann, Im Takt des Geldes. Zur Genese modernen Denkens. 2004 – Joseph Vogl, Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen. 2002

Arbitrium, 2006

Die Arbeit des Wissenschaftlers besteht wesentlich im Nachweis von Beziehungen zwischen Dingen und Ereignissen, deren Zusammenhang nicht (oder nicht mehr) unmittelbar einsichtig ist. Je unvermuteter und gleichzeitig je nachvollziehbarer diese Beziehungen, um so mehr vermag eine Untersuchung dem Vorwurf der Banalität beziehungsweise Absurdität entgegenzusetzen. Sowohl der Eindruck, daß nichts geht, als auch der Verdacht, daß alles geht, lassen befürchten, daß die Lektüre nicht Erkenntnis, sondern Langeweile bewirken werde. Die drei folgenden Untersuchungen fordern das Urteil des Lesers hinsichtlich des Verhältnisses von Neuheit und Plausibilität heraus, behaupten sie doch, die Beziehung zwischen Ökonomie und Wissens-beziehungsweise Literaturgeschichte in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Wie umfangreich die Forschung zu dieser Beziehung mittlerweile ist, belegt Bernd Blaschke in seiner Dissertation Der homo oeconomicus. Hier findet sich eine eingehende "Inventur vorliegender Forschungen zu Ökonomie und Literatur" (S. 37Ð107), in der Blaschke von Lukács über Jameson bis Dirk Baecker, von Sohn-Rethel über Vernon bis Marc Shell so manches Werk Revue passieren läßt, wobei ihm viel an der Veröffentlichung eines möglichst subjektiven Urteils gelegen scheint. 1 Nichtsdestotrotz ist die Zielsetzung klar: "Mein Anspruch ist es, die methodologisch 1 Am Rande sei hier auf den ziemlich befremdlichen Hang zu persönlichen Kundgebungen hingewiesen: Wir erfahren, daß Blaschke "ausgiebige Lektüre" betreibt (S. 30), ebenso weiht er uns über künftige Arbeitspläne ein und auch über dasjenige, was er selbst großzügig anderen Forschern zur Nachbehandlung überläßt (S. 384), und auch die Methodenwahl ist Bekenntnissache ("und bekenne mich zur ökonomistischen Brille [sic!] meiner Romanlektüre", S. 14). Absolut großartig ist eine lange Fußnote (S. 169f.), in der er sich bei Jochen Hörisch nicht nur für dessen "heuristisch ungemein inspirierende", nichtsdestotrotz "überzogene" These, sondern auch

Thomas Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“. Eine politökonomisch-feministische Kritik wider den kritischen Schein

in: L‘ Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 1, 117-123, 2016

Thomas Pikettys "Kapital im 21. Jahrhundert" 1. Eine politökonomisch-feministische Kritik wider den kritischen Schein "Trotz ihrer (der Reichen, Anm. der Autorin) natürlichen Selbstsucht und Raubgier und obwohl sie nur ihre eigene Bequemlichkeit im Auge haben, obwohl der einzige Zweck, welchen sie durch die Arbeit all der Tausende, die sie beschäftigten, erreichen wollen, die Befriedigung ihrer eitlen und unersättlichen Begierden ist, trotzdem teilen sie doch mit den Armen den Ertrag aller Verbesserungen, die sie in der Landwirtschaft einführen. Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustande gekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner verteilt worden wäre; und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft." 2 Von Adam Smith bis August Friedrich von Hayek, vom klassischen Liberalismus des 18. bis zum Neoliberalismus des 21. Jahrhunderts: Soziale Ungleichheit diene dem Nutzen aller und dem Fortschritt der Gesellschaft-und so auch den Ä rmsten. 3 Die Geschichte der bürgerlichen Ö konomik lässt sich als große Erzählung der Rechtfertigung sozialer Herrschaft, verharmlosend vielfach als "Ungleichheit" tituliert, lesen. Gegen sie richtet sich Marxens Kritik an der auf Klassenspaltung beruhenden kapitalistischen Produktionsweise mit ihrer trinitarischen Formel, die Arbeit Lohn, Kapital Zins und Boden Rente zuspricht. Obgleich Thomas Pikettys Titel "Kapital im 21. Jahrhundert" unweigerlich Assoziationen mit Marx' grundlegender Kapitalismuskritik weckt, bleibt Piketty eine solch kritische Analyse schuldig. 4 Der Titel ist ebenso suggestiv wie irreführend, erklärt aber wohl den globalen Erfolg des Buches, das schon jetzt mit weltweit mehr als einer Million verkaufter Exemplare als der wissenschaftliche Bestseller der letzten Dekaden

Klaus Dörre, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa unter Mitarbeit von Thomas Barth (2009): Soziologie – Kapitalismus – Kritik. Eine Debatte

Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2011

R e z e n s i o n Kapitalismustheorien haben in der jüngeren soziologie eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Mit der Marx-Renaissance im Kontext der 1968er-Bewegung war die Kapitalismusanalyse zu neuer Bedeutung gelangt und zugleich wurde von feministischer seite eine kritische Auseinandersetzung angestoßen. im ergebnis liegen erweiterungen vor, welche geschlecht-und ethniebasierte Herrschaft berücksichtigen. Mit der entwicklung der Regulationstheorie in den 1970er Jahren wurde die ökonomiezentrierte Analyse politologisch erweitert. in den 1980er Jahren verloren Kapitalismustheorien an Bedeutung. Die gesellschaftlichen entwicklungen seit Mitte der 1990er Jahre haben ihnen zu neuer Aufmerksamkeit verholfen. eines der jüngsten Werke ist das von Klaus Dörre, stephan Lessenich und Hartmut Rosa unter Mitarbeit von Thomas Barth vorgelegte Buch "soziologie-Kapitalismus-Kritik", mit dem sie eine "kritische soziologie des Gegenwartskapitalismus" begründen wollen (s. 13). in im suhrkamp Verlag erprobter Weise stellen die Autoren nach der einleitung ihre jeweiligen Positionen vor. es folgen Kritiken und Repliken und ein Fazit. Die Figur eines hoch qualifizierten Leiharbeiters durchwandert Klaus Dörres Ansatz auf der suche nach Antworten auf die Frage: "Gibt es (…) einen zusammenhang zwischen der prekären Lebenssituation eines einzelnen und einer besonderen Variante des Kapitalismus?" (s. 22) sie werden in einer Weiterentwicklung des Theorems der kapitalistischen "Landnahmen" (Luxemburg, Ahrendt, Lutz, Harvey), im Anschluss an Bourdieus Werk und die Regulationstheorie gegeben (s. 35-54). immer neue gesellschaftliche Bereiche würden "finanzmarktgetrieben" durch "Landnahmen" "erschlossen", wobei Profiterzielung von der ökonomischen Bestandssicherung entkoppelt sei bzw. ihr zuwiderlaufe (s. 54-75). Prekarität ist, so die Antwort auf die genannte Frage, als Kehrseite dieser ökonomischen Unbeständigkeit zu begreifen. Die Finanz-ist eine "Gesellschaftskrise",

Das Kapital : Kritik der politischen Ökonomie / Karl Marx. - Neue Textausgabe / bearb. und hrsg. von Thomas Kuczynski

EDITION 18-1 Das Kapital : Kritik der politischen Ökonomie / Karl Marx. -Neue Textausgabe : [auf der Grundlage der zweiten deutschen Ausgabe von 1872/73 und der französischen Ausgabe von 1872/75 sowie der Arbeitsexemplare des Verfassers, unter Berücksichtigung der Erstausgabe und der von Friedrich Engels herausgegebenen Ausgaben sowie weiterer handschriftlicher Materialien von Marx und Engels] / bearb. und hrsg. von Thomas Kuczynski. -Hamburg : VSA-Verlag. -24 cm [#5737]

Die Erfindung des ›ästhetischen Kapitalismus‹: Andreas Reckwitz und die Schicksale von Ästhetik und Sozialkritik

With his theory of ›aestheticization‹ Andreas Reckwitz claims a fundamental revision of sociology. Loheit analyses the theoretical grammar in which questions concerning the aesthetic become the standard of criticism for a renewal of society and capitalism takes the shape of an ›aesthetic economy‹. Reckwitz’ ›aesthetic criticism‹ of capitalism leads, as the analysis shows, not just to a systematic disarticulation of social criticism, it furthermore destroys the ability to make distinctions as developed in tradition of enlightenment; for this ability is crucial for any theory that claims to be critical.