Die Stellung der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie in der Grazer Stadtgeschichte. In: Eva Klein, Christina Pichler, Margit Stadlober (Hrsg.): Denk!mal weiter. Kulturerbe in Bewegung zwischen Aufbruch und Umbruch. Grazer Universitätsverlag, Allgemeine wissenschaftliche Reihe 53, Graz 2019 (original) (raw)
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2000
Die Bedeutung archäologischer Forschung in den mittelalterlichen Städten ist seit langem unumstritten. Baden-Württemberg hat sich allerdings erst relativ spät, seit den 1980er Jahren, mit anderen Regionen in eine Reihe gestellt, in denen die in tensive archäologische Erforschung der mittelalterlichen Stadt schon länger einen Schwerpunkt bildete 2 .1980-1985 haben auch hier wichtige, von Öffentlichkeit und Fachwelt als sensationell empfundene Funde die Bedeutung stadtarchäologischer Grabungen für die Erforschung der Kultur des hohen und späten Mittelalters über deutlich gezeigt 3-das Bürgerspital von Heidelberg, der Fischmarkt in Konstanz, die Stadtburg in Marbach und nicht zuletzt die Latrine des Freiburger Augusti nerklosters 4. Wenig später wurde dann in der Archäologischen Denkmalpflege ei-1 Der Text des Vortrags wurde für den Druck nur geringfügig überarbeitet sowie mit Quel len-und Literaturnachweisen versehen.
Archäologische Informationen 40, 443-446, 2017
Review of Kenzler, H., Scholkmann, B. & Schreg, R. (Hrsg.) (2016). Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Grundwissen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
"„Castellum, Curia, Palatium“ – Mit diesen drei durchaus plakativen und in der archäologisch-historischen Forschung bedeutungsschweren Begriffen wurde ein noch bis vor wenigen Jahren unbekanntes mittelalterliches Bodendenkmal im mainfränkischen Steigerwaldvorland nahe der unterfränkischen Stadt Gerolzhofen belegt, dessen Untersuchung ab 2007 im Rahmen eines großen und durch diverse Unterstützer ermöglichten Forschungsprojektes realisiert werden konnte. Mehrjährige archäologische Ausgrabungen auf dem Kapellberg bei Gerolzhofen, deren Dokumentation und Auswertung in der vorliegenden Studie nun erstmals umfassend der Öffentlichkeit vorgelegt werden, erbrachten eine Fülle von Funden und Befunden, die wesentlich zur Rekonstruktion der mittelalterlichen Geschichte Mainfrankens beitragen und durch unterschiedliche Aspekte darüber hinaus wichtige Informationen zu diversen Themengebieten der Mittelalterarchäologie liefern. Insbesondere während des 8. bis zum beginnenden 15. Jahrhundert stellte sich der kleine Bergsporn am Westrand des Steigerwaldes trotz eines auffälligen Mangels an Schriftquellen als ein zentraler Ort der Region und politisch-wirtschaftlicher Bezugspunkt sowohl der herrschenden Eliten als auch der lokalen Bevölkerung heraus. Ihren Anfang nimmt die Geschichte des Hügels in Form einer namenlosen spätmerowingerzeitlichen Burganlage mit mächtiger Wall-Graben-Befestigung und hölzerner Innenbebauung aus den Jahrzehnten um 700, die auch in karolingischer Zeit eine hohe strategische Bedeutung besaß. Für das fortgeschrittene 8. und 9. Jahrhundert kann der Platz gar als administrativer Mittelpunkt eines wichtigen Fiskalgutkomplexes angesprochen werden, der als einer von insgesamt 25 zur wirtschaftlichen Erstausstattung des neu gegründeten Bistums Würzburg herangezogenen Königshöfe in die Geschichtsbücher eingegangen ist. In ottonischer Zeit erweiterte man das "castellum", um einen im Zuge dieser Arbeiten ebenfalls errichteten steinernen Repräsentationsbau von etwa 40 m Länge und bis zu 14,40 m Breite zu schützen. Die Gestaltung dieses zweifelsfrei in die Mitte des 10. Jahrhunderts datierten und sakrale wie profane Funktionen in sich vereinenden Gebäudekomplexes findet seine Entsprechung in der Baukunst ottonischer Pfalzen oder Königshöfe und stellt somit ein hochkarätiges und überregional bedeutendes Zeugnis frühmittelalterlicher Herrschaftsarchitektur dar, als dessen Bauherren die "Schweinfurter Grafen" gelten dürfen und das sogar in der Chronik Thietmars von Merseburg erwähnt wird. Nach einer vermeintlichen Zerstörung oder Schleifung der Burg im Rahmen der die politische Landschaft Nordostbayerns erschütternden „Schweinfurter Fehde“ und einer im Zuge dessen erfolgten Entfremdung von ihren ursprünglichen Besitzern entwickelte sich der Kapellberg samt einer angrenzenden Siedlung Lindelach im hohen Mittelalter zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort der Würzburger Bischöfe. In den folgenden Jahrhunderten des hohen Mittelalters wurde die Anlage durch weitere Baumaßnahmen den Anforderungen der neuen Besitzer angepasst und diente während der weltlichen Herrschaftskonsolidierung des Hochstifts Würzburg als „curia episcopi Lindeloch“ der mainfränkischen Diözese als politisch-ökonomischer Knotenpunkt und gleichsam Symbol der kirchlichen Macht in der Region, die mit Hilfe eines am Ort angesiedelten Ministerialengeschlechts aufrecht erhalten werden sollte. Diese Entwicklung gipfelte laut bischöflicher Kanzleischreiber im 14. Jahrhundert schließlich in der Erhebung des Ortes zu einem von nur fünf im Einflussbereich der Würzburger Kirche existierenden „pallacia“, bischöflichen Höfen mit Verwaltungs- und/oder Residenzcharakter. Diese zeichneten sich im Fall des Kapellbergs weiterhin durch eine zeitgemäße und repräsentative Architektur samt Inneneinrichtung aus und dienten dem reichhaltigen Fundmaterial des ausgehenden 14. Jahrhunderts zufolge weiterhin einer größeren Personengruppe als Wirkungsbereich. Nur wenige Jahrzehnte nach einer letzten und aufwendigen Um- und Ausbauphase des weiterhin mit Kapelle und profanen Räumen ausgestatteten Bauwerks fand selbiges offenbar im Verlauf des sogenannten „Fränkischen Städtekrieges“ seinen Niedergang, der sich anhand unterschiedlicher Indizien recht sicher in die Jahre um 1400 datieren lässt. Die Forschungen auf dem Kapellberg resultierten in der Neuentdeckung eines über siebenhundert Jahre existierenden Siedlungsplatzes des frühen bis späten Mittelalters, der auf künftigen Kartierungen mittelalterlicher Zentralorte nicht mehr fehlen darf. "
Die begonnene Altstadt"sanierung" mit Tiefenenttrümmerung und geplanten Flächenabrissen in den letzten DDR-Jahren sowie die angelaufene Revitalisierung der Stralsunder Altstadt im Rahmen eines Modellstadtprojektes Städtebauförderung des Bundes ab 1990 führten bei der Stadtverwaltung zu der Erkenntnis, dass für die Bodendenkmalpflege eine Fachkraft eingestellt werden muss. Seit dem späten Frühjahr 1991 existiert eine derartige Planstelle bei der sich damals formierenden unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt. Von Anfang an war der Schutz nachmittelalterlicher genauso wie urgeschichtlicher und mittelalterlicher Bodendenkmäler selbstverständlicher Teil der täglichen Arbeit, obgleich die im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern bis Ende November 1993 gültige DDR-Verordnung zum Schutz von ur-und frühgeschichtlichen Bodenaltertümern diese nicht als Schutzziel hatte 1 . Die Notwendigkeit von Schutz, Bergung und Dokumentation auch neuzeitlicher Bodendenkmäler durch die hiesige Stadtarchäologie bestand außer in ihrer konkreten Bedrohung durch die angelaufenen Baumaßnahmen unter anderem deshalb, weil die neu zu strukturierende Landesarchäologie sich seinerzeit in einem teilweise personell schmerzhaften Werdeprozess befand und sich aus diesem Grund zunehmend erst ab 1993/94 in den Altstädten engagieren konnte.
Die mittelalterliche Stadt erforschen – Archäologie und Geschichte im Dialog
Die mittelalterliche Stadt erforschen – Archäologie und Geschichte im Dialog, 2009
Armand Baeriswyl/Georges Descoeudres/Martina Stercken u.a. (Hrsg.), Die mittelalterliche Stadt erforschen – Archäologie und Geschichte im Dialog (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 36), Basel 2009.