Im Kosmos der Dinge. (Portrait for the exhibition The Exotic?, NZZ Geschichte) (original) (raw)

Margaretes Paradiesvogel. Vereinnahmungen des Fremden und Wunderbaren aus der Neuen Welt im frühneuzeitlichen Kunstdiskurs

Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, 2009

Mit der Entdeckung der Neuen Welt vollzog sich ein epochaler Wandel in der europäischen Wissens und Wahrnehmungskultur. Wenn Kolumbus glaubte, den Ostteil Asiens entdeckt zu haben, bedeutete dies, ein phantastisches Land betreten zu haben, das bislang nur in mythischen Berichten existierte. Und als sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzte, dass hier ein neuer Kontinent gefunden worden war, stellte dies bekanntlich grundsätzlich neue Fragen, etwa zum göttlichen Schöpfungsplan oder der menschlichen Natur der Ureinwohner. Die Deskriptionen des Neuen bilden allein aufgrund der Vielfalt der Entde ckungen und der umfangreichen topischen und literarischen Überformungen ein äußerst heterogenes Bild, das zwischen dem gleichsam im Paradies lebenden edlen Wilden und dem unmenschlichen und sittenlosen Kannibalen oszilliert. Die Naturalien und Artefakte, die mit den Entdeckungsfahrten nach Europa gelangten, spielten dabei eine nicht unwichtige Rolle. Allerdings fällt auf, dass das Interesse an den Stücken aus Übersee sich nicht auf ihre Qualität als Na turalie, als Exoticum, als Trophäe oder als ethnographisches Dokument be schränkte. Ihre epistemologische Verortung war vielmehr auch Teil einer weit reichenden, sich damals in der Alten Welt im Wandel befindlichen Auffassung von künstlerischer Produktion und Wahrnehmung. Kunst als Wissenssystem erst ermöglichte die klassifizierende Aneignung des Fremden. Diesem Aspekt sind die folgenden Ausführungen gewidmet, wobei sich der zeitliche Rahmen im wesentlichen auf das erste Drittel des 16. Jahrhunderts beschränken muss. 1

Fremde Dinge. Die Exotika früher Museen und das europäische Geschichtsbewusstsein

Die Begegnung mit Fremden und das Geschichtsbewusstsein

Die Exotika früher Museen und das europäische Geschichtsbewusstsein »Auswärtige, Indianische und andere frembde Sachen« 1-so beschrieben frühneuzeitliche Sammler ihre exotischen Museumsstücke. Diese Assoziation von »fremd« mit »fremdländisch« hat auch die Forschung übernommen. Dass in den »Kunst-und Wunderkammern« neben exotischer auch historische Fremdheit konstruiert wurde, hat dagegen weniger Aufmerksamkeit gefunden. Dabei existierten räumliche und zeitliche Formen des »othering« nicht bloß parallel zueinander: Die Inszenierung exotischer Fremdheit inspirierte und strukturierte die Entdeckung der eigenen, europäischen Geschichtlichkeit. Dass frühe Museen bisher vor allem als Orte interkultureller Begegnung untersucht worden sind, reflektiert den aktuellen Boom transnationaler Ansätze. In der Folge hat man das Museum als einen Kontaktraum ausgemacht, der möglicherweise vielschichtigere Formen von Begegnung zuließ als die von rigiden Essentialismen geprägten Reiseberichte. So vermutet Horst Bredekamp, dass die materiellen Zeugnisse früher Museen einen freieren Blick ermöglicht haben könnten, als dies die Lektüre von tendenziösen Texten zuließ. In frühen Sammlungsformen sei daher ein »offener, respektvoller Umgang« mit dem Fremden sowie ein »ehrendes Sammeln« praktiziert worden, das sich deutlich von der »kolonialistischen Beuteschau« späterer Museen unterschieden habe 2. Die affirmative Bezugnahme auf die Wunderkammer als »Spielraum« zwischen Kunst und Wissenschaft sowie zwischen den Kulturen lässt sich als die Kehrseite der scharfen Kritik an modernen Museen verstehen. Während den heutigen Museen ihr kolonialer Blick und die gewaltsame Konstruktion von Alteritäten vorgeworfen werden 3 , erschei

Inside/Outside Dioramas. Wirklichkeitsspekulationen im Museum

2015

Das Diorama erscheint als museales Ausstellungsdisplay äußerst ambivalent. Während es auf der einen Seite durch seine statische Repräsentation von Kultur und Natur in zeitlicher und räumlicher Hinsicht unbeweglich und anachronistisch erscheinen muss, steckt in dem Anspruch, Wirklichkeiten spezifischer Zeiten und Orte nachzustellen, wiederum ein Potenzial, das den Blick von Betrachter*innen in Bewegung zu versetzen vermag. Dioramen stellen neben dem, was darin sichtbar wird, zugleich eine spezifische Wissensordnung aus, auf deren Grundlage sich diese Repräsentationsform entwickelt hat. Diese Ordnungen für die Gegenwart lesbar zu machen, entfaltet die Möglichkeit, etablierte Sichtweisen auf Dioramen zu verändern und somit die eigene Betrachter*innenposition zu reflektieren und zu hinterfragen. Dieser Text hat sich daher einerseits zur Aufgabe gestellt, Weltbild und Darstellungspraxis von Dioramen in naturhistorischen Museen unter Bezugnahme auf die African Hall des American Museum of Natural History in New York kritisch zu beleuchten. Andererseits möchte sie das Potenzial dieses Ausstellungsformats und die institutionelle Entwicklung von Naturkundemuseen reflektieren und anhand der Arbeit "Chronotopes & Dioramas" von Dominique Gonzalez-Foerster herausarbeiten.

Fritz Eisels Mosaik Der Mensch bezwingt den Kosmos am Rechenzentrum in Potsdam. Eine kunsthistorische Kontextualisierung von Ort, Werk und Rezeption

Zeitschrift für Kunstgeschichte, 2020

The subject of this essay is Fritz Eisel’s mosaic Der Mensch bezwingt den Kosmos (Humanity Conquers the Cosmos), a frieze that has decorated the Potsdam data-processing center since its completion in 1972. Composed of 18 panels measuring ca. 3 × 3 m, this frieze is unusually large, yet in its ideological appropriation of science and technology it is a paradigmatic example of public art in the German Democratic Republic. Framed by textual references to Einstein and Marx, Eisel’s mosaic glorifies the progress of industry, agriculture, and administration, but first and foremost of aviation and space flight. This essay examines the mosaic in the context of the “scientific-technical revolution” officially proclaimed in 1964, and with a view to its site, which is fraught with historical implications.

Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie

Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie 1 1. Die im Titel der Ausstellung enthaltenen Probleme haben universellen Charakter, betreffen nicht nur die sich auf das photographische, mediale Bild stützenden künstlerisch Tätigkeit, sondern die Kunst überhaupt. Sie berühren nämlich die entscheidende Frage der sowohl in der Existenz des Künstlers als auch des Betrachters seiner Werke so lebenswichtigen und künstlerisch entscheidenden Relationen zur Außenwelt . Das Schaffen der Künstler aus Polen, die an dieser Ausstellung teilnehmen, stellt eines von vielen Beispielen für diese Art von Problematik dar. Absicht dieser Präsentation ist das Aufzeigen dieser universellen Probleme vom Gesichtspunkt lokaler Kunst aus, der Kunst im Polen der letzten zwei Jahrzehnte. Die Künstler repräsentieren einige der letzten Generationen. Die Photographie stellt in ihren künstlerischen Biographien nur einen Teil der Praktiken dar. Im Schaffen eines jeden unserer Autoren waren die im Titel erwähnten Probleme fast von Anfang an und sind ständig anwesend. Die mit Lokalität verbundene Universalität, die in der Problematik dieser Ausstellung vorhanden ist, bewirkt, dass man deren Präsentation mit einem etwas genaueren Blick auf die Titelfragen, aber aus einer allgemeineren, eben universellen Perspektive beginnen muss. 2. Raum-und Zeitgefühl sind für uns hauptsächlich dank der Sinne erfahrbar, vor allem aber dank des Sehsinnes, deren ‚Verlängerung' in gewissem Sinne die Photographie ist. Das Bild jedoch, also das, was die Photographie registriert, hat eher geistigen als sinnlichen Charakter. Aufgrund des photographischen Bildes selbst, seines visuellen Inhaltes, können wir nicht viel zum Thema Zeit und Raum sagen. Es ist erst die Konvention der bildlichen Darstellung sowie außerbildliches Wissen, die erlauben, die Aufzeichnung von Zeit und Raum in ihm "abzulesen". Paradoxerweise erlaubt uns das unbewegliche, photographische Bild in viel größerem Maß als der bewegliche Film, Raum und Zeit zu erfahren. Seine 1 L. Lechowicz, Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie. On time, space and the person in photography, [in exhibition catalogue] Person / Zeit / Raum. Fotografie aus Polen -Osoba / Czas / Przestrzeń. Fotografia z Polski. RUPERTINUM Museum moderner Kunst, Salzburg, 25.10.2002 -24.11.2002, pp. 7-12. Unbeweglichkeit -also die Leugnung der Bewegung, und dadurch auch der Zeit, für die Bewegung Emanation und Folge ist -sowie ihre Flächigkeit, also die Leugnung der Räumlichkeit, sind viel suggestiver im Hervorrufen dieser Empfindung als eben der Film oder das bewegliche Fernseh-oder Videobild. Die Suggestion der Zeit und des Raumes, die im photographischen Bild enthalten sind, stützt sich auf ihr Gegenteil und ihre Negierung. 3. Der Raum erlaubt uns, die Veränderung wahrzunehmen, welche die Zeit hervorruft. Die Veränderung, also das, was in der Zeit geschieht, braucht Raum, um sich vollziehen zu können. Ohne Raum wird die Zeit abstrakt, wobei sie absolute Relativität annimmt. Ohne Zeit füllt der Raum die Leere dessen, was sich in ihm nicht vollzieht. Der Raum ist ohne Veränderung unvollständig, sinnlich nicht lesbar. Die Bewegung der Gegenstände im Raum sowie ihres Beobachters bewirken, dass wir den Raum empfinden können. Der unbewegte Blick auf das Bild der Welt im Ruhezustand "verflacht" den Raum. Das ist das Sehen der Photographie. Warum ruft also ihr bewegungslose und flache Bild bei uns manchmal derartig starke Zeit-und Raumempfindungen hervor? Worauf beruht das Phänomen der Photographie, ihre Möglichkeiten dieser besonderen "Stellvertretung" von Zeit und Raum? Jenes Phänomen kann man leicht wahrnehmen und verstehen, nicht wenn man mit der Photographie in ihren alltäglichsten und gewöhnlichsten Äußerungen zu tun hat, sondern eben mit ihrer differenzierten Anwendungen in der Kunst. Die präsentierte Ausstellung ist, über das Zeigen zeitgenössischen polnischen photographischen Schaffens hinaus, gleichzeitig ein Versuch, die oben vorgestellten Fragen zu zeigen und auf sie aufmerksam zu machen. Viele Künstler versuchen aus verschiedenen Motiven und sich der Photographie auf unterschiedliche Art und Weise bedienend, mithilfe der Photographie symbolische oder ganz materielle Rekonstruktionen von Zeit und Raum durchzuführen. Die Bewegungslosigkeit und Flachheit der Photos stellen für manche von ihnen eine Herausforderung dar. 4. Das Prinzip des Kontrastes zwischen dem, was die Photographie verbildlicht, und dem, wie sie es tut, spielt bei ihrem Phänomen eine besondere Rolle, die man sich oft nicht bewusst macht. Unsere Psychologie sinnlichen Wahrnehmens ist so konstruiert, dass die Bewegungslosigkeit Bewegung besser empfinden lässt, und Flächenhaftigkeit den Raum, so wie Kälte die Wärme und Glätte die Rauheit. Daraus

Das Geschäft mit den Dingen. Der Nahversorger im Museum / Ein Bericht über eine Ausstellung als Prozess

Neues Museum, 2016

Klimesch - Das Geschäft mit den Dingen Der Nahversorger im Museum Eine Ausstellung als Prozess - Volkskundemuseum Wien Fr, 24.04.2015 – Do, 31.12.2015 Im Rahmen eines längerfristigen Ausstellungsprojekts zeigte das Volkskundemuseum Wien bis Ende Oktober 2015 das Sortiment des Haushalts- und Eisenwarengeschäftes Klimesch. Nun macht Klimesch Pause - und kommt wieder. Wir melden uns rechtzeitig. Zwischen der Firma Klimesch und dem Museum bestand eine jahrzehntelange enge Geschäftsbeziehung. Herr Klimesch, dessen Geschäft sich in der Nachbarschaft des Museums befand, versorgte das Museum mit Waren aller Art: Glühbirnen, Schrauben, Werkzeug und mit dem, was sonst noch alles im Museumsalltag gebraucht wurde. Als die Handlung im Jahr 2013 schloss, kaufte das Volkskundemuseum den Restbestand der Waren in Bausch und Bogen – einschließlich der Regale und Geschäftsmöbel. Das Thema der aktuellen Ausstellung ist das Verhältnis der Menschen zu den Dingen im Alltag. Es geht aber auch um die Frage, wie Konsum, Produktion und Handel die Beziehungen zwischen den Menschen untereinander regeln. Nicht zuletzt geht es auch um die Rolle, die ein Museum im Umgang mit den Dingen spielen kann und soll. Das Museum ist selbst ein Umschlagplatz für Dinge und Wissen. Wie in einem Gemischtwarenladen werden hier Geschichte und Gegenwart verhandelt. Die Ausstellung versteht sich als Beitrag zur Diskussion unserer materiellen Kultur und der Funktion von Museen. Nicht nur die Konzeption, auch die Ausstellung selbst ist ein offenes Experiment zum prozessualen Ausstellungsmachen – die im April eröffnete Schau wandelt sich mit dem Eingreifen der BesucherInnen ständig und entwickelt sich weiter. Die Objekte stehen nicht in Vitrinen, sondern agieren in einem Objekttheater, in dem Berühren erlaubt und Mitspielen erwünscht ist! Vermittlungsprogramm Bei der Vermittlung der Ausstellungsinhalte wird mit Dingbiographien, pantomimischen Gebrauchsanleitungen, spielerischem Warentausch und Aspekten der Marktforschung gearbeitet werden. Hier Geht es zum Vermittlungsprogramm! Rahmenprogramm Die "offene Ding-Akademie" Sie versteht sich als Nahversorgung für alle mit Wissen, Ideen, Diskussionsangeboten und politischen Perspektiven. Diese werden hier gemeinsam geboren, durchdacht, gefüttert und wieder verworfen. Die "offene Ding-Akademie" ist darüber hinaus ein Ort des Handelns: Es können ganz konkrete Eingriffe in die Ausstellung geplant und getätigt werden. Dinge können gegen Geschichten und andere Werte getauscht oder mit einer persönlichen Geschichte ins Museum eingebracht werden. Handlungsnotwendigkeiten und Handlungsspielräume werden geschaffen und vielleicht wieder zur Seite gestellt. Mit der "offenen Ding-Akademie" entwickeln wir gemeinsam eine Utopie für neue Formen der Wissensproduktion, in welchen die Dinge, die uns umgeben auch ein Wörtchen mitsprechen. Die Angebote der "offenen Ding-Akademie" bestehen aus gemeinsamer Lektüre, Dingperformances, Podiumsdiskussionen, Workshops und dem Austausch mit ExpertInnen unterschiedlichster Lebenslagen und ihrem jeweiligen Wissenssortiment. Jeder Veranstaltungsbesuch bringt den TeilnehmerInnen je nach Aktivierungsgrad eine bestimmte Anzahl von Punkten, die in einem Studienbuch verzeichnet werden. Selbstverständlich wird am Ende der gesamten Ausstellung feierlich ein Diplom verliehen. Die "offene Ding-Akademie" lädt alle zum Mitdenken, Mitspielen, Mitutopisieren ein, besondere Vorkenntnisse werden dabei nicht benötigt! Idee: Matthias Baitl Kuratorische und dramaturgische Leitung: Herbert Justnik

Das Fremde. Anmerkungen zu seinem Auftritt in Kultur und Wissenschaft

Kultur- und Medientheorie, 2006

Auf den ersten Blick scheinen sich die Rückzugsgebiete des Fremden dramatisch verringert zu haben. Keine weißen Flecken mehr weist die Weltkarte auf, von dunklen Kontinenten keine Rede. Und dennoch gab es noch nie so viel an imaginierter und auch tatsächlich erfahrbarer Fremdheit, wie ausgerechnet im Zeitalter einer scheinbar grenzenlosen, uniformen Verwestlichung. In der Epoche seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben exponentiell ansteigende weltweite Reiseaktivitäten, Migrationsbewegungen und Kommunikationsnetze das Fremde überall aufgespürt, entzaubert oder vertrieben. Zugleich aber wachsen die Begegnungen mit Erscheinungsformen kultureller Fremdheit derart, dass Kultur selbst inzwischen, und mit durchaus guten Gründen, als ein synkretistischer Modus der Ermöglichung und Verarbeitung von Fremdkontakten verstanden werden kann, so jedenfalls die These des postkolonialen Theo-1 retikers Homi Bhabha. Nicht zufällig vollzog sich der Eintritt in das Zeitalter globaler Mobilität zeitgleich mit den teils sprunghaften, teils allmählichen Prozessen der Entkolonialisierung, von denen unterschiedlichste Weltregionen, Nationen und Akteure in mehre