Hesiod und das (Nicht)Wissen der Dichtung (original) (raw)
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Hesiod und das Wissen der Musen
Christian Vogel, Hesiod und das Wissen der Musen, Working Paper des SFB 980 Episteme in Bewegung, No. 14/2019, Freie Universität Berlin, S. 1–25, 2019
Ziel dieses Aufsatzes ist es, den Geltungsanspruch zu ergründen, den Hesiod mit der Musenansprache seinem dichterischen Werk einschreibt.
2007
Hermeneutik der Dichtung I ‚Dichtung' und ‚Deutung' 1 scheinen in einem eindeutigen Verhältnis zueinander zu stehen, das man näherhin als ein wechselseitig dienendes Verhältnis bezeichnen könnte. Die Dichtung in ihrer sie als solche kennzeichnenden Vieldeutigkeit ist auf die Deutung angewiesen, die erst die Vieldeutigkeit der Dichtung zutage fördert-in immer wieder neuen, die Dichtung deutenden Perspektivierungen. Und seinerseits ist das Geschäft der Deutung auf die Dichtung und ihre Vieldeutigkeit angewiesen. Das Verhältnis der Wechselseitigkeit ist somit ein Abhängigkeitsverhältnis. Das erhellt auch daraus, daß die Deutung so alt ist wie die Dichtung selbst. Und dennoch: Die Deutung deutete zumeist weniger im Interesse der Dichtung denn im eigenen Interesse. Sie entwickelte bei aller Bezüglichkeit auf ihren Gegenstand eine gewisse Eigenständigkeit. Das gilt für die Allegorese und den Euhemerismus der hellenistischen Zeit nicht anders als für moderne Methoden und Theorien, e.g. die Rezeptionsästhetik, die Intertextualität, eine der Psychoanalyse, der Sozial-und Mentalitätsgeschichte, gar dem Marxismus verpflichtete Exegese, zudem die Systemtheorie, Medientheorie, Kulturanthropologie und nicht zu vergessen die diversen turns, die in ihrer rasanten Abfolge sich jeweils selbst ‚erledigen', zugleich das Baudelairesche Modernitätskonzept aufs Schönste bestätigen. Somit ist gegenüber der ‚Deutung der Deutung' die ‚Deutung der Dichtung' immer erneut ins Hintertreffen geraten-und damit das vornehmste Geschäft der Literaturwissenschaft. 2 Eine Ausnahme bilden Formalismus und Strukturalismus. Ihr Verdienst liegt darin, sich auf die Beschreibung der Form und der Struktur der Dichtung konzentriert und sich damit auf die Höhe-nicht nur-der modernen Dichtung selbst begeben zu haben. An die Seite der philosophischen Hermeneutik tritt erstmals die aisthetische Hermeneutik, genauer: die Hermeneutik der Aisthesis. 3
Journal of the History of Philosophy, 1968
Begriff und Bild Die Existenzphilosophie hat eine ihrer Wurzeln in dem metaphysischen Begriff des Lebens, wie ihn Goethe und Nietzsche gedacht haben. Da gibt es kein "aussen", neben oder uber diesem Leben; es ist sich selbst genug, und doch drangt es auf Steigerung. Nicht von aussen treten philosophische Erkenntnis und kunstlerische Anschauung an das Leben heran; sie sind selbst Bewegungen dieses Lebens, das uber sich ins Kl are und Reine kommen will. Sie sind Weisen der Selbst-interpretation des Lebens. Diesen Charakter des Lebens, uber sich selbst hinaus zu drangen,
Experimentelle Dichtung : Ernst Jandl
2020
In dieser Studie wird Ernst Jandls experimentelle Dichtung unter Einbeziehung seiner komplexen Sprachwelt und verschiedener Interpretationsansätze beschrieben. Um seine poetologischen Überlegungen und Schreibverfahren zu erfassen, werden einige zum Kanon gehörende Texte vorgeführt. Dabei wird von den selbstreferenziellen Positionen des Autors und den diversen Untersuchungen aus der Sekundärliteratur ausgegangen, die vordergründig die innovatorischen Qualitäten der Dichtungen hervorheben.This study describes Ernst Jandl's experimental poetry and takes into account his complex linguistic world and variety of interpretative approaches. In order to comprehend his poetological reflections and writing methods we present some of his texts belonging to the literary canon, beginning with the author's self-referential position and diverse studies of the secondary literature which emphasize the innovative qualities of his poetry
Dichtung und Wahrheit. Zur Literarisierung biographischer Wendepunkte im Mittelalter: Max Frisch – Felix Fabri – Heinrich Seuse – Augustinus, in: Textwelt – Lebenswelt, hg. v. Brigitte Boothe/Pierre Bühler/Paul Michel/Philipp Stoellger (Interpretation Interdisziplinär 10), Würzburg 2012, S. 303–320, 2012
I "Denn Verbrechen und Wahnsinn sind Objektivation der transzendentalen Heimatlosigkeit." 1 Der Satz ist Lukács' Theorie des Romans entnommen. Mit ihm grenzt er das epische Individuum, den Held des Romans, vom antiken Epos ab. Er beschreibt Kriterien, die die moderne Welt und ihrenso Lukács -paradigmatischen Ausdruck, den Roman, von der Antike unterscheiden. Verbrechen und Wahnsinn gibt es auch in der Antike. Aber in einem qualitativen Sprung kommen Verbrechen und Wahnsinn in der Moderne als Ausdruck des allgemeinen Verlusts von Werten und sinnstiftenden Strukturen im Einzelnen vor. Beide Begriffe schließen sich auch keineswegs gegenseitig aus. In Schuld und Sühne kommt Raskolnikovs Suche nach Gott in einem verbrecherischen Akt des Wahnsinns zusammen. Dieses Fragilwerden des Subjekts sei Thema des Romans und der Prosa. Die Lyrik aber sei durch eine höhere Freiheit und Realitätsferne vom Roman dadurch unterschieden, dass sie in einem proteischen Akt Sinn wirklich stiftet. Die Lyrik kann "eine proteische Mythologie der substantiellen Subjektivität schaffen: für sie ist nur der große Augenblick da, und in diesem ist die sinnvolle Einheit von Natur und Seele [...] ewig geworden" 2 . Die prosaische Welt dagegen ist auf das faustische Drama der Moderne und auf den imaginären Raum einer Verdopplung der Begierde festgelegt. Die selbstreflexive Struktur des modernen Bewusstseins treibt die Differenz zwischen Objekt der Begierde und imaginärer Begierdestruktur unaufhaltsam voran. Die Bedingungen der dämonischen Wette zwischen Doktor Faust und Mephisto sind prinzipiell unerfüllbar geworden: "Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!" (V. 1699-1702). In einer immer schneller werdenden Welt, passiert das nicht. Wir gehen zugrunde, aber ohne Seligkeit. Da rettet auch kein stoisches Ideal der tranquilitas animae. Das Faustische Drama ist um diese nihilistische Sicht auf den schönen Augenblick strukturiert, die einer regelrechten "Negation des Kairos" 3 , des schönen Augenblicks, gleichkommt. Der Lyrik aber wird von Lukács eine natürliche Tendenz zur Übernatürlichkeit zugesprochen. Sie kann kitten, was getrennt ist. Die moderne Entzweiung wird aufgehoben. Ihr Ideal ist nach Lukács das zeitenthobene Bild einer Harmonie, in der das Subjekt -der Leser und das lyrische Ich -erfährt, dass es in die Welt passt. Der Fixpunkt der Lyrik ist, so kann man sagen, der letzte Vers aus Goethes Gedicht Vermächtnis: Der Augenblick ist Ewigkeit. Die Moderne Dichtung setzt sich mit diesem Versprechen auseinander und einer ihrer Lösungsansätze besteht darin, dass auf den den Wahnsinn als Struktur von Bewusstsein und von Texten setzt.