Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten: Minderheiten im Spannungsfeld von Glaubensfreiheit, öffentlicher Ordnung und Islam (original) (raw)

Soziale Gleichheit und soziale Ungleichheit und die ägyptische Religion

1983

Der Ägyptologe sieht sich im Verhältnis zur außerfachlichen Öffentlichkeit gewöhnlich in einer zugleich beneidenswerten und klagwürdigen Position: Stets geladen, ist er doch meist recht unnütz. Auf der einen Seite: Selten wird er bei kulturübergreifenden Veranstaltungen übergangen. Er kann auch schlecht übergangen werden, weil er mit der altägyptischen Hochkultur immerhin eine der großen Hochkulturen zu "verwalten" hat. Zudem ist "seine" Hochkultur-durch geographische Gegebenheiten vor allem-wie kaum eine andere als eine geschlossene Sonderregion abgegrenzt und damit abgegrenzt von den Gegenstandsbereichen anderer Disziplinen, die sich mit Hochkulturen beschäftigen. Wenn man Kompetentes über das alte Ägypten hören will, muß man schon den Ägyptologen hören. Auf der anderen Seite: Im allgemeinen hat der Ägyptologe kaum anderes zu berichten, als was der Hörer im Prinzip ohnehin schon weiß oder zu wissen glaubt, und im allgemeinen erwartet man von ihm auch gar nichts anderes als eine Bestätigung verallgemeinerter Vorstellungen, die man sich auf Grund anderweitiger und leichter zugänglicher Materialien bereits gemacht hat. Erwünscht freilich ist immer die Zugabe von etwas Lokalkolorit-und das kann denn der Ägyptologe auch liefern. Ich sage dies nicht von ungefähr in einer Vorlesung, die sich mit der altägyptischen Religion beschäftigen soll. Es gibt nämlich kaum einen Datenbereich der Ägyptologie-abgesehen vielleicht von der Kunstgeschichte in dem einer pauschalen Betrachtungsweise der altägyptischen Hochkultur so gefrönt wird wie im Bereich der Religionsgeschichte, nein, ich muß sagen: der Religionswwjmyc/ja//; denn ausgeklammert wird ja gerade in der Regel die Geschichte. Daher denn auch die pauschale Formulierung meines Beitrags: Soziale Gleichheit und soziale Ungleichheit und die ägyptische Religion, ein Thema, das sich vom Rahmenthema der Ringvorlesung praktisch nur dadurch unterscheidet, daß "Religionen" durch "ägyptische Religion" ersetzt ist.

Kleine Religionsgemeinschaften

2019

Zusammenbruch des Nationalsozialismus bedeutete auch für die kleinen Religionsgefü ei~ chaften Leipzigs eine Zäsur. Neben den gesellschaftlichen Umwälzungen änderte sich r Sie zusätzlich einiges in religiöser Hinsicht. Im Laufe des Bestehen der SBZ und der DDR :~n d clte sich die Religions-und Kirchenpolitik mehrfach-der Blick abseits der großen "-ltchen. .. zeigt sowohl Parallelen als auch bemerkenswerte Abwe,chungen. 62 So wurde m der so. . k WJet,schen Besatzungszone vorerst die Religionsfreiheit wiederhergestellt. In direkter Folge e~m es im gesamten Gebiet zu einem Aufleben religiösen Lebens. Gemeinden sammelten ihre M.~lll~ligen oder verstreuten Anhänger oder gewannen gerade unter den Flüchtlingen neue St ttgltcder (etwa die EUM-Gerneinde).63 In den darauffolgenden Jahren verhielt sich der entw ehe nd e Staat zunehmend repressiv, zumindest einem Teil der Gemeinschaften gegenüber. So CORE Metadata, citation and similar papers at core.ac.uk

Das " Framing-Projekt " der Muslimbruderschaft im Ägypten der 1980er und 90er Jahre

In vielen Staaten der MENA-Region zählten Islamistische Soziale Bewegungen (ISB) in den vergangenen Jahrzehnten zu denjenigen Kräften, die an der Spitze oppositioneller Aktivitäten standen und versuchten, die gesellschaftlichen und politischen Strukturen in Richtung einer Islamisierung zu beeinflussen. Einige dieser Bewegungen, wie die Hisbollah im Libanon, oder die Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten, griffen dabei auch auf militante und gewalttätige Aktionsformen zurück, während andere, wie verschiedene Gruppen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft, friedfertigere Mittel zur Erreichung ihrer Ziele einsetzten (vgl. Haklai 2009: 36). Die vorliegende Arbeit möchte in diesem Zusammenhang der Beantwortung der Frage nachgehen, welche Inhalte diejenigen ideologischen „Frames“ transportierten, die die Muslimbruderschaft (MB) im Ägypten der 1980er und 90er Jahre konstruierte, um Anhänger zu gewinnen und sie zu einem Engagement für die Bewegung zu motivieren. Obwohl ISB als die größten und wichtigsten Sozialen Bewegungen (SB) in der arabischen Welt gelten können und in der Öffentlichkeit teilweise erhebliche Aufmerksamkeit generierten, konnte die traditionelle westliche Bewegungsforschung in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Gründen relativ wenig zu einem zufriedenstellenden Verständnis dieses Phänomens beitragen. Zum einen war die Analyse von SB im Westen stark auf normativ-zivilgesellschaftliche Ansätze fokussiert, welche ISB unberücksichtigt ließen, da diese nicht als demokratiefähig galten und meist anhand informeller Strukturen organisiert waren und sind (vgl. Meijer 2005: 287f). Zum anderen konzentrierte sich die traditionelle Forschung in ihren Erklärungsansätzen bezüglich der Ursachen des Zustandekommens von SB einseitig auf materielle gesellschaftliche Missstände wie Armut, ökonomische Ungleichheit und Ausbeutungsverhältnisse (vgl. Oberschall 2004: 34). Seit einigen Jahren ist jedoch verstärkt der Versuch zu beobachten, Erkenntnisse aus dem Bereich der Social-Movement-Theory (SMT) auf ISB anzuwenden. Ansätze der SMT beschäftigen sich dabei in erster Linie mit den Organisationsmechanismen von ISB im Kontext autoritärer und repressiver politischer Systeme, ohne eine demokratische Zielsetzung der entsprechenden Bewegungen zur unbedingten Voraussetzung einer wissenschaftlichen Untersuchung zu machen (vgl. Meijer 2005: 287f). Desweiteren kommen zunehmend Elemente der New Social Movement- Theorien (NSM) zur Anwendung, welche sich bei der Analyse von ISB von rein materialistischen Ansätzen entfernen und stattdessen stärker wertezentrierte Erklärungsmechanismen in den Vordergrund stellen (vgl. Sutton /Vertigans 2006: 102). Die Anwendung von SMT und NSM- Theorien auf das Phänomen von ISB konnte das Verständnis der Wissenschaft für den Untersuchungsgegenstand insgesamt in vielfacher Hinsicht erheblich erweitern und so zur Schaffung neuer Perspektiven und Analysedimensionen beitragen (vgl. Haklai 2009: 37ff). Eine zentrale Erkenntnis für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist dabei, dass die Anhänger von ISB nicht lediglich aus den Reihen der ökonomisch-marginalisierten Unterschichten der arabischen Gesellschaften rekrutiert werden (vgl. Wickham 2002: 120). Individuelle soziale und ökonomische Deprivation trägt zwar zum Erstarken von ISB bei, reicht aber als alleiniger Grund nicht aus, um ihr verstärktes Auftreten hinreichend zu erklären. Stattdessen müssen die Funktionsmechanismen der erfolgreichen Mobilisierung und Organisation von entsprechenden Anhängerschaften durch ISB stärker in den Fokus von Untersuchungen treten (vgl. Meijer 2005: 280). Da ökonomische Interessen nicht als individuelles Hauptmotiv für die Beteiligung an einer ISB angesehen werden können, spielen ideologische Faktoren für die Gewinnung von Anhängern mutmaßlich eine entscheidende Rolle (vgl. Haklai 2009: 38f). ISB können hierbei im Geiste der NSM-Theorien als „New Social Movements“ angesehen werden, welche vor allem durch die Vermittlung bestimmter Werte und Identitätsangebote versuchen, Anhänger zu rekrutieren und zu mobilisieren (vgl. Meijer 2005: 282). Diejenigen nicht-materiellen und religiösen Werte, welche Islamistische Soziale Bewegungen dabei vertreten, sind den postmateriellen Werten der NSM-Theorien insofern ähnlich, als dass sie, und nicht lediglich ökonomische Missstände, ausschlaggebend für die Gewinnung von Mitgliedern sind (vgl. Sutton/Vertigans 2006: 105). Tarrow merkt dazu an: „Because it is so reliable a source of emotion, religion is a recurring source of social movement framing“ (Tarrow 1998: 112) Vor diesem Hintergrund scheint es für ein tieferes Verständnis von ISB wichtig zu sein, sich eingehender mit dem Konzept des sogenannten „Framings“ im Kontext islamistischer Bewegungen zu beschäftigen (vgl. Meijer 2005: 282). Die vorliegende Arbeit möchte in diesem Sinne zu einem besseren Verständnis der ideologischen Anziehungskraft von ISB beitragen, indem in einem ersten Schritt die theoretischen Grundannahmen des Framing-Konzepts erläutert werden. Anschließend soll detaillierter darauf eingegangen werden, welche allgemeinen Merkmale und Muster Framing-Prozesse im Kontext Islamistischer Sozialer Bewegungen aufweisen, bevor anhand der ägyptischen Muslimbruderschaft in den 1980er und frühen 90er Jahren beispielhaft aufgezeigt wird, welche spezifischen Inhalte Framing-Prozesse von ISB enthalten können, die zum Ziel haben, Anhänger für die Bewegung zu gewinnen und sie zur Ausführung von Handlungen im Sinne der den Frames zugrunde liegenden Ideologie zu motivieren.

Friedensbildung aus der Sicht neuer religiöser Bewegungen

Handbuch Friedenserziehung: Interreligiös - interkulturell - interkonfessionell, hrsg.v. Haußmann,Werner; Biener,Hansjörg; Hock,Klaus; Mokrosch,Reinhold, S. 164-167, 2006

Neue religiöse Bewegungen bilden kein einheitliches Segment im religiösen Feld. Und das nicht nur deswegen, weil es bereits über die Frage, wie »alt« darf eine religiöse Bewegung sein, um als »neu« zu gelten, einen nur sehr ungefähren Konsens gibt (BAR-KER 1994; 1999; CHRYSSIDES 1999). Problematischer ist die Uneinheitlichkeit der Glaubensinhalte, die Verschiedenheit der religiösen Hintergrundstraditionen und somit der Lehren und Ethiken neu-religiöser Gruppen (vgl. PARTRIDGE 2004); und schließlich scheint die Entscheidung einer Gruppe zum oder gegen das Engagement für den Frieden kaum theorie-oder theologiegeleitet zu sein und von einer Vielzahl Faktoren abzuhängen, die nicht leicht zu durchschauen sind. Eine auch nur in groben Zügen kohärente Friedenstheologie der neu-religiösen Bewegungen kann man daher nicht erwarten.