George Steiners Vermächtnis: Zur Vergangenheit und Zukunft der Übersetzungswissenschaft (original) (raw)
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Chronotopos - A Journal of Translation History, 2019
Although machine translation has become an everyday and ubiquitous phenomenon, it has met with widespread disinterest in translation studies. The essay attempts to show that this is no coincidence, but can be explained by the history of translation studies itself. It is claimed that in the transition from the paradigm of 'recoding' to the paradigm of 'action', which at the same time marks the emancipation of translational studies from linguistics, machine translation falls into a systematically generated blind spot: The guiding idea of a translating human subject inevitably leads to the suppression of machine translation, whose increasing social relevance in turn puts this guiding idea under empirical pressure. The article suggests that the challenge posed by machine translation for a discipline focused on human translation should be met by recognizing the constitutive historicity of translation.
Błachut, Edyta / Gołębiowski, Adam (eds.): Beiträge zur allgemeinen und vergleichenden Sprachwissenschaft. Band 8: "Synchronie und Diachronie. Gegenstand - Methoden - Ziele", Wrocław, Atut, 2019
On the Metaphor of the Metalanguage from the Perspective of Translation Studies using the Example of “Geschichte der neueren Sprachwissenschaft” (The History of Modern Linguistics) by Gerhard Helbig The topic of the article is the conduit metaphor of the metalanguage as a problem of translation. The essay is a continuation of a cycle of studies on the metaphor in meta-linguistic discourses. The Polish translation of Gerhard Helbig’s work „Geschichte der neueren Sprachwissenschaft“ (‘The History of Modern Linguistics’) documents similarities in the metaphorics of the German and Polish metalanguages, which confirms the thesis about the congruence of metaphors of Western culture. Theoretical aspects will be discussed that may help in the translation of the metaphor.
Hermeneutik des Übersetzens. Heidegger, Gadamer und die Translationswissenschaft
This article attempts to start an interdisciplinary dialogue, dealing with the different approaches on translation coming from philosophy and translation studies. The article argues that, despite many efforts of describing the phenomenon of translation from the point of view of linguistics, theory of literature and communication sciences, it is only the hermeneutical perspective that is able to interpret this phenomenon starting from itself and thus to reach to a comprehensive understanding of it. Hermeneutical reflections on translating came both from the hermeneutic philosophy (F. E. D. Schleiermacher, M. Heidegger, H.- G. Gadamer, P. Ricoeur) and from the translation studies (F. Paepcke, R. Stolze in Germany, H. Meschonnic, A. Bermann and J.-R. Ladmiral in France, G. Steiner in the Anglo-American area). However these two orientations have not, so far, entered into a dialogue. It is only these latest three books discussed in the present article that offer the premises of bringing closer the two hermeneutical traditions which developed so far in a parallel fashion, thus setting a starting point for discussing upon a general hermeneutical “theory” of translation.
Linguistische Analyse und Übersetzungskritik von Wolfgang Borscherts "An diesem Dienstag
Jeanneret Rene, 1989
Für die Analyse literarischer Texte-und dies dürfte der erste Schritt ernsthaften literarischen Übersetzens sein-stehen heute eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, und sicher kann man nur durch eine Kombination von Methoden (etwa der formal-ästhetischen Werkanalyse mit dem biographischen und dem literatursoziologischen Ansatz) einen literarischen Text voll und ganz erfassen. Wäre es da nicht vermessen zu sagen, daß rein linguistische Verfahren ausreichen, um literarischen Texten gerecht zu werden? Müßten linguistische Verfahren nicht durch literaturwissenschaftliche ergänzt werden? Dies sind Fragen, die bereits der Ausgangstext aufwirft. Doch der Ausgangstext ist ja nur die eine Seite des Übersetzungsvorgangs, und die moderne Übersetzungstheorie hat deutlich gemacht, daß der Zieltext keine einfache «Abbildung» des Ausgangstexts sein kann, sondern in einer kommunikativ sehr komplexen Relation zu ihm steht. Eine Übersetzung ist determiniert durch ihren Zweck, und dieser ist abhängig von den Erwartungen und Bedürfnissen der zielsprachlichen Leser. Von dort her muß die Analyse des Ausgangstexts und die Suche nach zielsprachlichen Entsprechungen gesteuert sein'. Es sieht demnach so aus, als sei das Übersetzen, und zumal das literarische, ein sehr aufwendiges Geschäft, und die Frage des praktischen Übersetzers ist sicher berechtigt: Ist dieser Aufwand ökonomisch vertretbar, vor allem, wenn man bedenkt, daß das Seitenhonorar, wie heute in Deutschland üblich, zwischen DM 15.-und DM 25.-liegt? Muß der Übersetzer wirklich so gründlich vorgehen wie der Literaturwissenschaftler, und muß er in jedem Fall gleichzeitig auch noch versuchen, das Ergebnis seiner Interpretation auf den Horizont seiner zielsprachlichen Leser auszurichten? Die Dinge, so scheint es mir, sind in der Theorie komplizierter als in der Praxis. Beim heute geltenden Translationsverständnis literarischer Texte ist es üblich, die Textwelt des Originals zu bewahren und den Leser, I Es wird zitiert nach Wolfgang Borchert, Das Gesamtwerk. Hamburg, Rowohll 1959 und Wolfgang Borchert, The Man Outside. The Prose Works 0/ Wal/gang Horchert. Translated from the German by David PoRTER. Landon, Calder and Boyars 1966, siehe Anhang. 2 Vgl. generell dazu REISS/VERMEER 1984, 95ff. und speziell für die literarische Übersetzung NORD 1988. Publié dans Bulletin CILA (Commission interuniversitaire suisse de linguistique appliquée-Schweizerische Hochschulkomission für angewandte Sprachwissenschaft) (« Bulletin VALS-ASLA » depuis 1994) 49, 38-50, 1989, qui doit être utilisé pour toute référence à ce travail An diesem Dienstag übten sie in der Schule die großen Buchstaben. (Z. 4-5) Auf dem Schulhof fraßen die Nebelkrähen das weggeworfene Brot. (2. 18) An diesem Dienstag trugen sie Hauptmann Hesse auf einer Bahre in die Entlausungsanstalt. (Z. 54-55) Der Sanitäter haue lange dünne Finger. (Z. 59) (Hervorhbg. v. Verf.) Der Gebrauch dieser Formen ist unerwartet. Von einem bestimmten Dienstag war noch nicht die Rede, eine Schulklasse wurde noch nicht erwähnt, über Nebelkrähen und weggeworfenes Brot wurde dem Leser noch nichts gesagt, und er hat auch noch nicht erfahren, wer Hauptmann Hesse in die Entlausungsanstalt trug. Der durch diese Formen implizierte Verweis auf Bekanntes geht ins Leere. Üblich und erwartbar wäre: An einem Dienstag übten die Kinder in der Schule große Buchstaben. Auf dem Schulhof fraßen Nebelkrähen weggeworfenes Brot. An diesem Dienstag wurde Hauptmann Hesse ... in die Entlausungsansatlt getragen. Einer der Sanitäter hatte lange dünne Finger.
Übersetzungshermeneutik. Historische und systematische Grundlegung
Die Übersetzungshermeneutik hat sich in den letzten Jahren weltweit zu einer äußerst dynamischen Forschungsrichtung entwickelt. Übersetzungstheoretische Publikationen mit her-meneutischem Schwerpunkt sind nicht nur zahlenmäßig angestiegen, sondern haben auch ihre traditionelle Eingrenzung auf das literarische Übersetzen aufgesprengt. Die Fachübersetzung, die audiovisuelle Übersetzung und der Dolmetschvorgang sind ebenfalls Gegenstand hermeneutischer Untersuchungen geworden. Auch stehen sie im Zeichen einer ausgesprochen interdisziplinären Offenheit und beziehen Erkenntnisse aus der Linguistik, der Philosophie, der Kommunikationswissenschaft, der Rhetorik, der Theologie und neuerdings auch den Kognitionswissenschaften in den hermeneutischen Diskurs mit ein. Die vorliegende Arbeit erkundet die Grundlagen der sich im Umbruch befindenden Übersetzungshermeneutik. Sie legt in einem ersten Vorstoß zu einer zugleich entwicklungsgeschichtlichen wie auch systematischen Bestimmung eine Rekonstruktion dieser Forschungsrichtung anhand repräsentativer Beiträge vor. Die detaillierte Analyse dieser Hauptdimensionen fördert den klassischen Kern der Übersetzungshermeneutik zutage und weist zugleich indikativ auf ihre neueren Entwicklungen hin.
"Das Original erschaffen". Zu Schillers Übersetzungsstrategien
Kreative Praktiken des literarischen Übersetzens um 1800, ed. by Alexander Nebrig, Daniele Vecchiato, 2018
In Forschungsarbeiten zur literarischen Übersetzung ist von Friedrich Schiller generell kaum die Rede. Als eine der Ursachen dafür lässt sich sein Ruf als ,Übersetzer der Übersetzer' vermuten, der nicht falsch ist, aber von seinen romantischen Gegnern vielleicht in mehr als gerechtfertigter Weise böswillig übertrieben wurde. Jedenfalls verdanken wir ihm eine Reihe von Übersetzungswerken, die einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Aufnahme von Elementen europäischer Kultur in die deutsche Literatur leisten und ein eigenständiges Konzept sowohl gegenüber den Übersetzungsverfahren des 18. Jahrhunderts als auch dem in Schleiermachers Theorie formulierten romantischen Übersetzungsmodell darstellen. Im Kontext seiner Tätigkeit als Übersetzer und Bearbeiter von Theaterstücken, die er zeitgleich mit seiner dramatischen und lyrischen Produktion betrieb, hat Schiller eine Reihe verschiedener Übersetzungsstrategien angewandt, die zwischen größerer Nähe zum Originaltext und Anwendung individuellerer Ausdrucksformen schwanken. Diese Abweichungen hängen zum Teil von objektiven Rahmenbedingungen sowie von der Sprache ab, da Schiller mit unterschiedlicher Sprachkompetenz aus dem Lateinischen, Französischen, Englischen und Griechischen übersetzt, zum Teil aber auch von der literarischen Gattung, die je nach Fall mehr oder weniger komplexe formale Vorgehensweisen erfordert. Hinzu kommen subjektive und auch funktionale Aspekte, d.h. Schillers Interesse für den Text und seine Verwendung. So ist ihm etwa seit seiner Kindheit Vergils Latein vertraut, wohingegen er für das Griechisch des Euripides sowie Shakespeares Englisch andere Übersetzungen hinzuziehen muss. Was die literarischen Gattungen betrifft, gibt es zwar reichlich lyrische Texte und Prosatexte, aber Schillers Übersetzungstätigkeit konzentriert sich aus nachvollziehbaren Gründen auf die Tragödie, die nicht nur Materie für die Reflexion über das eigene literarische Schaffen bietet, sondern auch Erkenntnisse über die Konzeption von Bühneneffekten ermöglicht. Die Liebe zum Theater und die Auffassung der Tragödie als Repräsentation des Konfliktes zwischen Vernunft und Leidenschaft, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, bilden die Voraussetzung für diese Übersetzungen und steuern den Prozess der Übertragung von einer Sprache in die andere. Im Folgenden betrachte ich exemplarisch 2 drei Übersetzungen: Iphigenie auf Tauris von Euripides, Phädra von Jean Racine und Macbeth von William Shakespeare, wobei Letzterer aus dem Blickwinkel der kritischen Analyse Friedrich Schleiermachers diskutiert wird. I. "Studium der Griechen": Iphigenie in Aulis des Euripides I.1. Schillers Übersetzung im Kontext Aus der Textanalyse der Iphigenie in Aulis geht mehr als deutlich hervor, dass für Schillers Übersetzungen in erster Linie seine Tätigkeit als Dramaturg Pate gestanden hat. 1 Schiller begann mit der Übersetzung von Euripides' Drama in den letzten Monaten des Jahres 1788. Im gleichen Zeitraum begann er auch mit einer Übertragung von Die Phönizierinnen, die er allerdings nicht vollendete. 2 Auslöser des neuen Interesses für die Griechen war fraglos Schillers Begeisterung für Homer und, vor allem, die Tragiker, die er -Letztere in der französischen Übertragung von Pierre Brumoy -gemeinsam mit seiner späteren Frau Charlotte von Lengefeld und deren Schwester Caroline von Beulwitz las. Besonders Caroline ermutigte ihn dazu, den Übersetzungen eine neue, der modernen Rezeption angepasste Form zu verleihen. 3 Schiller berichtet seinerseits, dass das Übersetzen des Euripides ihm große Freude bereite und stellt fest: "ein großter Theil davon kommt auch auf sein Alterthum", da in diesem Text der Mensch "sich so ewig selbstgleich" sei und "dieselben Leidenschaften, dieselben Collisionen der Leidenschaften, dieselbe Sprache der Leidenschaften" habe. 4 Als Gegengewicht zur historischen Distanz zu den antiken Griechen hebt er hervor, dass der Text das unwandelbare Wesen des Menschen als solchen darstelle, "diese Aehnlichkeit, diese Einheit derselben Menschenform". 5 Die Freude am Antiken und die Faszination, die das Klassische in diesen Jahren auf Schiller ausübte, wie die Niederschrift der Texte Die Götter Griechenlandes und Die Künstler bezeugt, reichen nicht als Erklärung aus, warum er sich mit der Übersetzung einer griechischen Tragödie beschäftigen wollte, obwohl er sein 1 Schillers Texte werden zitiert nach der Nationalausgabe, begr. von Julius Petersen, fortgef. von Liselotte Blumenthal und Benno von Wiese, hg. im Auftrag der Klassik-Stiftung Weimar und des Deutschen Literaturarchivs Marbach von Norbert Oellers, Weimar 1943 ff. (im Folgenden: NA). 2 Beide Übersetzungen wurden 1789 in der Zeitschrift Thalia veröffentlicht. Zum Kontext von Schillers Auseinandersetzung mit den griechischen Texten siehe Ernst-Richard Schwinge, Schiller und die griechische Tragödie. In: Schiller und die Antike, hg. von Paolo Chiarini und Walter Hinderer, Würzburg 2006, S. 15-48. 3 Théatre des Grecs, par le R. P. Brumoy, Nouvelle édition par M. Prevost, Tome VII, Cussac, Paris 1786 (derselbe Band enthält Prevosts Übersetzung der Phönizierinnen). 4 Brief an Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengenfeld vom 4. Dezember 1788, NA 25, 153. 5 NA 25, 153.