Kein Abschied vom Leitbild "Zivilmacht" : die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Zukunft europäischer Außenpolitik (original) (raw)
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Deutsche Außenpolitik im Wandel, Eine Zivilmacht als Waffenexporteur
„Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ (Joachim Gauck am 14.06.2014) Mit diesen einprägsamen Worten äußerte sich der deutsche Bundespräsident gegenüber Deutschland Radio Kultur nach dem Abschluss eines Staatsbesuches in Norwegen. Er nahm sich dabei die norwegischen Stimmen zum Vorbild in Sachen Sicherheitspolitik, die sich zu einem „Ja zu einem aktiven Deutschland“ ausgesprochen hatten. Er wurde hierbei auch sehr persönlich: „[...] denn ich habe das Gefühl, dass unser Land eine Zurückhaltung, die in den vergangenen Jahrzehnten geboten war, vielleicht ablegen sollte zugunsten einer größeren Wahrnehmung von Verantwortung [...]“. Gauck hatte damit inhaltlich an seine Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres angeknüpft, bei der er bereits mehr außenpolitische Verpflichtungen vonseiten Deutschlands eingefordert hatte.
integration, 2013
Krisen setzen bestehende politische Strukturen, Inhalte und Prozesse unter Druck. Gleichwohl können sie positive Effekte erzeugen: Im besten Falle erlauben sie im Sinne Mancur Olsons ein Aufbrechen festgefügter Verteilungskoalitionen und schaffen Freiraum für Neues. 1 Noch ist offen, wie sich die Globale Finanzkrise (GFK), die 2007 in den USA ihren Ausgang nahm und mit dem drohenden Bankrott europäischer Staatshaushalte in Irland, Portugal und Griechenland einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, langfristig auf die Dynamik der europäischen Integration auswirkt. Unbestreitbar ist jedoch, dass sie die tektonische Verschiebung weltpolitischer Gewichte vom Transatlantik hin zum Transpazifik nachdrücklich verstärkt und einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führt. Asien-und vor allem China-wird auch für Europa immer bedeutsamer. Doch nimmt die Europäische Union die Volksrepublik China (VR China) "wichtig genug"? 2 Die Debatten über das Führungsvermögen asiatischer Nationen in der globalen Politik, über die Weltmacht China und den Abstieg der USA hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die neue G20, deren wesentlichste geopolitische Innovation der Einschluss der viel diskutierten BRICS 3 darstellt, symbolisiert die neue Unübersichtlichkeit der globalen Regelsetzung. Die Europäische Union erscheint als an den Rand der globalen Bühne gedrängt. Eine Hauptrolle spielte sie zuletzt nur als Problemzone, die ihre Staatsschulden nicht in den Griff bekommt. Die Zivilmacht Europa scheint vorläufig abgedankt zu haben-ironischerweise zu einem Zeitpunkt, da die G20 als Ergebnis europäischen Drucks wichtige Kernnormen Europas umzusetzen beginnt. Während die VR China begonnen hat, ihre neue Rolle mit wachsendem Selbstbewusstsein neu zu definieren, mildert die Europäische Union ihren normativen Anspruch in den bilateralen Beziehungen rhetorisch und praktisch entscheidend ab. Anstatt wie bislang am Wandel Chinas zu arbeiten versichert sie nun ihrem Gegenüber ihren Respekt vor seiner Entwicklung 4 und Anerkennung als gleichwertiger Partner selbst in identitätsstiftenden Fragen wie der Umsetzung von Menschenrechten. 5 Dieser Wandel in der europäischen Selbstwahrnehmung wird durch die globale Finanzkrise weiter verstärkt. Die Währungsunion schwankt zwischen Auflösung und Vertiefung. Die bisherige Machtverteilung im Mehrebenensystem und die Legitimation europäischer Entscheidungen werden angezweifelt. Die Bundesrepublik Deutschland findet sich in einer
Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 2012
In den vergangenen Jahren haben sich Deutschland und Frankreich in der sicherheits-und Verteidigungspolitik zunehmend voneinander entfernt. Auf beiden seiten fehlt der politische Wille, die bestehenden Differenzen durch konkrete Reformvorhaben zu durchbrechen und die bilateralen Kooperationsformate einer Revision zu unterziehen. einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen können beide seiten allein durch ein entschlossenes Handeln zugunsten einer europäischen Integration in der sicherheits-und Verteidigungspolitik entgegenwirken.
(2012) "Frieden, Sicherheit und Demokratie – Wie weiter mit der AU?"
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNSC) hat am 12. Oktober 2012 mit der Annahme von Resolution 2071 eine Frist von 45 Tagen gesetzt, um die Details für eine militärische Intervention in Mali zur Rückeroberung des Nordens auszuarbeiten, wobei der Economic Community of West African States (ECOWAS) und der Afrikanischen Union (AU) eine zentrale Rolle zukommen soll. Analyse Der Putsch in Mali vom 22. März 2012 und die nachfolgende de-facto-Sezession des Nordens stellen die AU und die ECOWAS vor eine erhebliche Herausforderung. Die Krise lässt ein strukturelles Problem afrikanischer Krisenbewältigungs-und Konfliktlösungspolitik deutlich werden: Die gleichzeitige Umsetzung und Integration der in ihren Grundzügen 2002 beschlossenen Friedens-und Sicherheitsarchitektur sowie der 2007 verabschiedeten Governance-Architektur um die "African Charter for Democracy, Elections and Gover nance" stellt die aktuell größte praktische Herausforderung der Union dar. Die AU-Politik wird durch ein politisches Umfeld erschwert, das sich seit 2005 deutlich verschlechtert hat: Die Zahl der gewaltsamen Konflikte in Afrika nimmt wieder zu und die Qualität formal etablierter Demokratien ist eher rückläufig. Gleichzeitig genießt die AU-Kommission unter den Mitgliedstaaten nur begrenzt Rückhalt für ihre Politik in den Bereichen Frieden, Sicherheit und Demokratie: Etwa ein Drittel der Mitgliedstaaten stellt sich mehr oder weniger offen gegen diese Politik, indem sie zentrale Rechtsdokumente der AU nicht unterzeichnen beziehungsweise deren Implementierung verweigern.