Das Narrativ von der Wiederkehr der Religion (original) (raw)
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Die Suche nach dem großen Narrativ
Jahrbuch für Kulturpolitik 2019/20, 2020
Wir sind Zeug*innen von radikalen innen-und außenpolitischen Umbrüchen und erleben einschneidende Veränderungen, die häufig an Überforderung nicht entbehren. Es mag nur allzu menschlich erscheinen, in dieser Situation nach vermeintlich altbekannten Lösungen zu greifen, auf Parolen des Bewahrens, oder den Wert sogenannter, zu schützender kultureller Identität nach oben zu setzen. Der Soziologe Thomas Druyen sieht jedoch gerade in dieser Reaktion eine zentrale Ursache für die zunehmende Ratlosigkeit: »Es gibt diese ›Horizonte der Verläss-lichkeit‹, die über Jahrhunderte unser Verhalten bestimmt haben, nicht mehr, die etwas sehr Beruhigendes hatten. Und deshalb ist Kontinuität oftmals eine Reise in die völlig falsche Richtung.« (Druyen 2018a; vgl. Druyen 2018b). Man mag entgegenhalten, dass Gesellschaften regelmäßig Umbrüche erfahren, die immer schon die Suche nach Orientierungs-und Begründungsmustern auf die Tagesordnung gerufen haben. Allerdings bergen die Errungenschaften und Herausforderungen der Gegenwart eine Komplexität für das alltägliche (Zusammen-)Leben, die auch eine grundsätzliche Transformation bestehender Denk-und Handlungslogiken erforderlich macht. Albert Einstein sagte bereits: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« Im Kontext dieser Umbrüche und ansteigender Komplexität beziehungsweise Unübersichtlichkeit hat in den letzten Jahren der Begriff des Narrativs eine beachtliche Karriere gemacht. Als Modewort allerdings wird es vielfach in Texten verwendet, wo andere Begrifflichkeiten meist besser am Platz wären. Wir fordern neue Erzählungen, aber sind wir auch bereit dafür? Als sinnstiftende Erzählungen bieten Narrative Orientierung in immer komplexer werdenden Systemen. Der Duden kennzeichnet »narrativ« schlicht als »erzählend, in erzählender Form darstellend« beziehungsweise die »Narrativik« als »Technik und Theorie des Erzählens«. Dahinter verbirgt sich eine große Kunst,
Filmische Narration des Religiösen
Religion und Ästhetik: Zur filmisch-seriellen Narration des Religiösen, Karl Alber Verlag, 2021
Es fängt mit dem Erzählen an. Den Unterschieden und Gemeinsamkeiten, Erzählungen, die sich parallel zueinander aufbauen und sich häufig auseinander zu entwickeln scheinen. Der Erzählende als Individuum sondert sich aus der Sicht der Anderen, der Zuschauenden, durch bestimmte Elemente, Charakteristika und Verhaltensweisen, manchmal nach einem bestimmten Muster, ab. In seiner Anwesenheit ist dieser Einzelne in unterschiedlichen Konstellationen umgeben von einer Mehrzahl von Einzelnen, die sich verbunden und als Gruppe fühlen oder zu fühlen versuchen: Die Mehrzahl von Einzelnen, ist eine Gemeinschaft, die ein Individuum nur zu sich nimmt, wenn die Frage der Zugehörigkeit durch einen bestimmten von der Gemeinschaft aufgestellten Codex ganz am Anfang geklärt wurde.-Wie viele Fehler, bewusst oder unbewusst, duldet eine Gemeinschaft?-Wie viel Kontrolle und Überwachung sind nötig, um eine Gemeinschaft zu stärken und zu schützen?-Was braucht die Gemeinschaft, um zu existieren? In seinem Buch Überwachen und Strafen schreibt Michel Foucault über die Kontrolle der Tätigkeit, die Zeitplanung als ein altes Erbe in den klösterlichen Gemeinschaften. 1 Er schreibt von alten Mustern, die die neue Disziplin mühelos durchsetzen. Armeen, Fabriken, Schulen etc. waren Disziplinarkontrollen und sind der Wegbegleiter jeder Gemeinschaft, aber jede Gemeinschaft besteht immer aus Menschen, natürlich 179
Interdisciplinary Journal for Religion and Transformation in Contemporary Society, 2016
This article asks for the genuine resources of the Christian narrative against fundamentalist tendencies within (Christian) religion. It presupposes that critical reflection on religionand reflection within religion cannot be separated from each other: Critique of religions and illumination processes within them must always be combined. In the first chapter I examine three types of fundamentalism according to three main questions highlighted by the philosopher Klaus Heinrich concerning identity, language, and self-destruction. In the second chapter, I refer to these questions by looking at important motives of Gianni Vattimo's re-interpretation of Christianity. In the last chapter I ask whether the motives pickedup in Heinrich and Vattimo can find their centre within the biblical term covenant.
Eine Kritik der deutschen Zivilreligion aus dem Geist der Tragödie
Globkult, 2008
Peter Furth (*1930), emeritus professor of philosophy at the Free University of Berlin, began his career at the Frankfurt School unter Adorno and Horkheimer. He guided the dissertation of student leader Rudi Dutschke. This collection of essays including his final lecture at the university (1991) delineates his road from a "leftist" heterodox Marxist position to skeptical "conserativsm". He challenges the (West) German concept of dealing with the holocaust as a surrogate for meaning and and its instrumental usage in politics. He charges leftist liberals for their refusal to mourn Germany´s, i.e. their own history: "Troja hört nicht auf zu brennen."
Deutsche Zeitschrift für Philosophie
Gegen die Narrativität Von GALEN STRAWSON (Reading) I. "Das Selbst ist eine beständig neugeschriebene Geschichte", so der Psychologe Jerry Bruner: Wir alle sind dauerhaft verwickelt in eine "Selbst-produzierende Erzählung", und "zuletzt werden wir die autobiographischen Erzählungen, durch die wir von unserem Leben erzählen". Oliver Sacks pflichtet dem bei: Jeder "konstruiert und lebt eine ",Erzählung', [und] diese Erzählung sind wir, ist unsere Identität". 1 Ein beeindruckender Chor von Zustimmung erhebt sich aus den Geisteswissenschaften-aus den Literaturwissenschaften, der Psychologie, Anthropologie, Soziologie, Philosophie, Politikwissenschaft, Religionswissenschaft-und findet seinen Widerhall in der Psychotherapie, Medizin, Rechtswissenschaft, im Marketing, Design und was es sonst sein mag: Gewöhnliche Menschen erfahren ihr Leben als eine Erzählung oder Geschichte irgendeiner Art, oder zumindest als eine Sammlung von Geschichten. Dies bezeichne ich als die psychologische Narrativitätsthese. Es ist eine schlicht empirische, rein deskriptive These darüber, wie gewöhnliche Menschen ihr Leben erfahren-so sind wir nun einmal, dies ist unsere Natur-, und wird oft mit einer normativen These verbunden, die ich die ethische Narrativitätsthese nennen werde, der gemäß eine reichhaltige Narrative Einstellung zum je eigenen Leben wesentlich ist für ein gutes Leben, für eine echte und volle Persönlichkeit. Die deskriptive und die normative These lassen im Wesentlichen vier Kombinationen zu. Erstens kann man die deskriptive These für wahr und die normative für falsch halten. Man kann davon überzeugt sein, dass wir in unserem Denken faktisch zutiefst Narrativ sind und dass dies gleichwohl nicht gut sei. Der Protagonist des Sartreschen Romans La nausée hat eine Sicht, die in diese Richtung geht. 2 Sie wird auch den Stoikern zugeschrieben, insbesondere Mark Aurel. Zweitens kann man umgekehrt der Auffassung sein, die deskriptive These sei falsch und die normative wahr. Man kann einräumen, dass wir nicht alle natürlicherweise Narrativ in unserem Denken sind, und dennoch darauf bestehen, dass wir es sein sollten und sein müssen, um ein gutes Leben zu führen. Abwandlungen dieser Ansicht finden sich bei Plutarch 3 und häufig in der gegenwärtigen Literatur. Drittens kann man dafürhalten, dass beide Thesen wahr seien: Man kann davon überzeugt sein, dass alle gewöhnlichen nicht-pathologischen Menschen natürlicherweise Nanrativ sind, und ebenso davon, dass Narrativität für ein gutes Leben entscheidend ist. Dies ist heute die herr
2017 - Die Wiederkehr der Religionen und die Kulturwissenschaften
2017
Ist es nötig, darauf zu verzichten, von Religion zu sprechen? Was wir benötigen, ist vielmehr ein Begriff von Religion, der es ermöglicht, gerade die Veränderungen im gesellschaftlichen Ort und der individuellen Bedeutung von Religion zu beschreiben. Das gelingt, wenn man Religion von der einzelnen Person und ihrer sozialen Einbindung her denkt. Nicht die gedanklichen Systeme, die Beobachter von innen oder außen entwerfen und die sich der oder die einzelne immer nur bruchstückhaft und unvollkommen aneignen (Michel de Certeau) können, sollen im Mittelpunkt stehen. Stattdessen bildet gelebte Religion den Ausgangspunkt, in ihren Varianten, ihren unterschiedlichen Situationen und sozialen Konstellationen. Nur in seltenen Fällen – die dann natürlich in den Blick genommen werden müssen und als "grouping" oder Traditionsbildung zu analysieren sind – verdichten sich solches Handeln einzelner mit anderen und untereinander zu Netzwerken, zu Organisationen oder findet seinen Niederschlag in schriftlichen Texten, die dann ein massives und manchmal auch langes Eigenleben entfalten können und dem ähneln, was wir üblicherweise unter Religionen verstehen.
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In: Raimund Karl/Jutta Leskovar/Stefan Moser (Hrsg.), Die erfundenen Kelten. Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 4. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 31, 2012, 11–21.
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„Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung“, in: Matthias Aumüller (Hg.), Narrativität als Begriff. Analysen und Anwendungsbeispiele zwischen philologischer und anthropologischer Orientierung, Berlin/Boston: De Gruyter, 2012, S. 21–46., 2012