Die Generationengerechtigkeit der Alterssicherung. Demographischer Wandel und bundesdeutscher Sozialversicherungsstaat (original) (raw)
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Eine einheitliche Bundesrente - Paradigmenwechsel in der Alterssicherung
Impulspapier Zentrum für neue Sozialpolitik, 2024
Die Alterssicherung in Deutschland steht vor drei zentralen Herausforderungen: Altersarmut: Aufgrund variierender und unsteter Erwerbsbiografien zahlen Menschen weniger in die Rentenversicherung ein, was ihre monatlichen Auszahlungen im Alter senkt. Unterschiedliche Lebensdauern: Da das Einkommen mit der Lebenserwartung korreliert, führt das aktuelle Rentensystem zu Subventionen für Gutverdienende und Abzügen für Geringverdienende. Erweiterung des Leistungsbegriffs: Jenseits der Erwerbsarbeit leisten viele Menschen wertvolle Beiträge zur Gesellschaft (z.B. in Form von Pflege oder Ehrenamt), die im derzeitigen Rentensystem nicht ausreichend anerkannt werden. Insbesondere für Menschen mit geringem bis mittleren Einkommen sind die Altersaussichten ernüchternd. Sie können weder sicher eine auskömmliche staatliche Rente erwarten, noch haben sie die Ressourcen, um sich ausreichend privat abzusichern. Gleichzeitig sind sie zu wohlhabend, um umfängliche soziale Sicherungsleistungen zu erhalten. Ein effizientes Nachsteuern wird erschwert durch den Anspruch an die Rentenversicherung, gleichzeitig Armut zu verhindern und Leistung zu belohnen: Es handelt sich um widersprüchliche Ziele, die nur bei sehr hohen Einkommen gleichzeitig erfüllt werden können. Daher sollten sie auf zwei Säulen verteilt werden: Erste Säule: Um Armut zu bekämpfen, zahlt der Staat eine einheitliche, an den Mindestlohn gekoppelte und somit armutsvermeidende Bundesrente an alle ab Erreichen der Altersschwelle aus. Den Anspruch auf die volle Rentenhöhe erhält, wer 50 Jahre lang im Land lebt und 20 Jahre lang erwerbstätig war. Zweite Säule: Damit Leistung weiterhin belohnt wird, kann staatlich unterstützt privat oder betrieblich vorgesorgt werden. So wird die Möglichkeit zur Statusdifferenzierung aufrecht erhalten. Ein solcher grundlegender Paradigmenwechsel in Form dieser Rentenreform sorgt für verlässliche Aussichten auf eine auskömmliche, armutsvermeidende Rente für alle. Die Lebensleistung wird dabei pauschal und wohlwollend anerkannt – egal ob sie etwa in der Familie, im Beruf oder in der Überwindung von Notlagen bestand. English: Pension provision in Germany faces three key challenges: Old-age poverty: Due to varying and unsteady employment biographies, people pay less into the pension scheme, which reduces their monthly payments in old age. Different lifespans: As income correlates with life expectancy, the current pension system leads to subsidies for high earners and deductions for low earners. Broadening the concept of benefits: Beyond gainful employment, many people make valuable contributions to society (e.g. in the form of care or voluntary work) that are not sufficiently recognised in the current pension system. The prospects for old age are particularly sobering for people with low to medium incomes. They can neither expect an adequate state pension nor do they have the resources to take out sufficient private insurance. At the same time, they are too wealthy to receive comprehensive social security benefits. Efficient readjustment is made more difficult by the need for pension insurance to simultaneously prevent poverty and reward performance: These are contradictory goals that can only be fulfilled simultaneously with very high incomes. They should therefore be spread across two pillars: First pillar: to combat poverty, the state pays a standardised federal pension, linked to the minimum wage and thus preventing poverty, to everyone once they reach the age threshold. Anyone who has lived in the country for 50 years and worked for 20 years is entitled to the full pension amount. Second pillar: To ensure that performance continues to be rewarded, state-supported private or company pension provision can be made. In this way, the possibility of status differentiation is maintained. Such a fundamental paradigm shift ensures reliable prospects of an adequate, poverty-avoiding pension for all. Lifetime achievements are recognised across the board and favourably - regardless of whether they were made in the family, at work or in overcoming hardship.
2012
Zusammenfassung Der Beitrag betrachtet die Entwicklung des Generationenverhaltnisses unter der normativen Perspektive der Gerechtigkeit und Solidaritat zwischen den Generationen. Der Fokus liegt auf sozialpolitischen Fragestellungen. Der Autor bezieht sich kritisch auf die in der Offentlichkeit vertretene These zunehmender Konflikte zwischen den Generationen und einer Benachteiligung der Jungeren durch die Alteren. Die Generationenbeziehungen in den Familien sind durch eine positive Entwicklung und ein hohes Solidaritatsniveau gekennzeichnet. Die sozialen Sicherungssysteme werden durch die demographische Entwicklung zwar belastet, jedoch sind die Herausforderungen losbar. Scheinbare Verletzungen der Gerechtigkeit zwischen den Generationen im sozialpolitischen Kontext erweisen sich bei genauerer Analyse als intragenerationelle Gerechtigkeitsprobleme zwischen Familien und Kinderlosen sowie zwischen Arm und Reich. Der Autor sieht allerdings die Gefahr, dass das Schlagwort »Generationen...
2006
Das Rationierungsthema im Gesundheitswesen ist ebenso wenig neu wie die Erkenntnis, dass fortgeschrittene Gesellschaften wie Deutschland mit starkem Tempo altern. An Aktualitat und politischer Brisanz gewinnen die Themen, wenn sie miteinander verquickt werden. Als erstmals zwei prominente Wissenschaftler im deutschen Fernsehen eine Rationierung von kostenintensiven Therapien fur 75-Jahrige und Altere fur die Zukunft forderten (Report Mainz 2003), ging ein jaher Aufschrei durch alle gesellschaftlichen Gruppen. Arztevertreter, die Kirchen, aber auch Vertreter praktisch aller politischer Parteien machten Front gegen eine Altersrationierung im Gesundheitssystem. Dennoch bleibt die Frage: Konnen wir uns die demografische Alterung ohne Rationierung leisten?
2008
In der folgenden Studie möchten wir ausgewählte Aspekte von intra-und intergenerationalen Umverteilungseffekten im System der bundesdeutschen Alterssicherung auf der Basis der Humankapitalheorie mit Simulationsmethoden analysieren. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Vergleich von Kosten und Nutzen von kompensierenden Investitionen in das Humankapital zu unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus, beginnend bereits im Vorschulalter, endend mit Transferzahlungen im Rentenalter, mit denen Ungleichheit direkt verringert werden kann. Mit Ersterem ist die Vorstellung verbunden, dass das Humankapital durch zielgerichtete Investitionen gesteigert werden kann, und diese Zunahme einen positiven Einfluss auf die Arbeitsverdienste hat. Unter "Bildungsinvestitionen" verstehen wir alle Maßnahmen, die geeignet sind, kognitive und nichtkognitive Fähigkeiten von Menschen zu verbessern, unabhängig davon, ob dies in der Familie, im Freundeskreis oder in Bildungseinrichtungen erfolgt. Die nachträgliche Korrektur der Lebenseinkommen durch Transferzahlungen während der Phase des Rentenbezugs und die vorsorgenden Bildungsinvestitionen weisen jeweils spezifische Kosten und Nutzen für die Generation der Kinder, Erwerbstätigen und Rentner auf, die wir veranschaulichen möchten. Zusammengefasst erhalten wir folgende Ergebnisse. Falls es das Ziel der Politik ist, die Ungleichheit des Lebenseinkommens in der Gruppe von Personen einer Generation zu verringern, sind aus Kosten-Nutzen-Überlegungen bis zum Alter von 18 Jahren kompensierende Bildungsinvestitionen, im Alter danach finanzielle Transferleistungen die bessere Wahl. Dies kann mit folgendem Zahlenbeispiel illustriert werden: Um eine (moderate) Reduktion der Ungleichheit des Lebenseinkommens zwischen dem "reichen" und dem "armen" Rentner von 3 auf 2,8 zu erreichen, müssten entweder zusätzliche Bildungsinvestitionen im Vorschulalter in einer Höhe von etwa 11 000 € aufgewendet werden, oder aber ein Transfer in einer Höhe von mehr als 78 000 € in der Rentenphase. Insbesondere kann man von Bildungsinvestitionen im Vorschulalter aufgrund des Fähigkeitenmultiplikators der Kindheit die größten Erträge gemessen am Lebenseinkommen erwarten. In der intergenerationalen Dimension könnten nach unseren Berechnungen von im Jahre 2008 eingeführten, steuerfinanzierten zusätzlichen Bildungsinvestitionen im Vorschulalter bereits die Geburtsjahrgänge ab 1975 in Form einer Zunahme des Lebenseinkommens (durch höhere Altersrenten) profitieren. Die Ergebnisse unserer Analyse verdeutlichen, dass in der Regel vorsorgende Maßnahmen zur Verbesserung der Produktivität und zur Reduktion von Ungleichheit kostengünstiger als nachträgliche Korrekturen des Einkommens sind. Diese ökonomische Sicht gilt vor allem dann, wenn man Lebenszyklusaspekte in die Analyse einbezieht.
Generationengerechtigkeit und Finanzierung der Altersrenten
Die Finanzierungsprobleme unserer Altersvorsorgesysteme werfen Fragen auf zur Gerechtigkeit, insbesondere zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Ist die Unterscheidung zwischen «Umverteilung» und «Kapitaldeckung» wirklich so zentral, wie man dies vorgibt? Wie viel Gewicht hat das so genannte Argument der «erworbenen Ansprüche» oder das von Richard Musgrave vorgeschlagene Finanzierungsverfahren? Der Verfasser geht diesen Fragen nach und versucht Antworten zu finden. 1
E s bedarf allerdings keines vertieften volkswirtschaftlichen Verständnisses, um nachzuvollziehen, dass auch ein privates Rentensystem bei anhaltender Kinderlosigkeit der Bevölkerung nicht funktionieren kann. Andernfalls hätte man so etwas wie ein volkswirtschaftliches Perpetuum mobile erfunden, das Wohlstand aus dem Nichts herzaubert. Da man nur kaufen kann, was hergestellt wird, hat das Geld, das wir heute sparen und auf Konten zurücklegen, in Zukunft nur dann die gleiche Kaufkraft wie heute, wenn unsere Volkswirtschaft auch in Zukunft eine mit der heutigen vergleichbare Produktivität aufweist. Dies besagt die bekannte Verkehrsgleichung von Irving Fisher, nach der der Wert einer Währung von der Produktivität der Volkswirtschaft im Verhältnis zur umlaufenden Geldmenge abhängt (). Zentralbanken haben deshalb die Aufgabe, die Geldwertstabilität sicherzustellen, indem sie diese umlaufende Geldmenge an die Produktivität der Volkswirtschaft anpassen, um Inflation oder Deflation zu vermeiden. Steigt
2013
Bis zum Jahr 2030 werden die Unternehmen in Deutschland mit rund 6 Millionen Erwerbsfahigen im Alter von 20 bis 64 Jahren weniger auskommen mussen. Gleichzeitig wird die Zahl der Menschen uber 64 Jahren um rund 5,5 Millionen wachsen. Die Kosten fur das Renten- und Gesundheitssystem steigen, wahrend die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zuruckgeht. Viele Menschen glauben nicht mehr, dass sie von der gesetzlichen Rentenversicherung ein ausreichendes Alterseinkommen werden beziehen konnen. Diese Befurchtungen sind keineswegs grundlos. Der demografische Wandel braucht daher politische Entscheidungen, die Sicherheit und Fairness im Auge haben. Die Demografie-Kommission der Heinrich-Boll-Stiftung legt in dieser Publikation entsprechende Empfehlungen vor.