Institutionelle Verstetigung von paradigmatischer Ausrichtung – Das Beispiel Sachverständigenrat (original) (raw)

Institutionelle Verstetigung von paradigmatischer Ausrichtung

PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft

A central criticism of economics is that there exists a determinate, relatively monolithic approach: mainstream economics. A representative example is the „German Council of Economic Experts“ (Expert Councilfor the Assessment of the Macroeconomic Development, Sachverständigenrat, SVR) withfour mainstream members plus one dissenter, a „4 :1“ quota with institutionalized minorityrecognition. In this article we ask from a sociological and especially from a performative pointof view whether this quota will be reflected in the annual reports of SVR and whether it canbe found in structures in the scientific field as well, especially in textbooks and in appointmentpractices of its members.

Kritik am lohnpolitischen Konzept des Sachverständigenrats

2004

In seinem jüngsten Jahresgutachten hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine lohnpolitischen Vorstellungen expliziert. Gustav A. Horn und Camille Logeay bezweifeln im folgenden Beitrag, dass das Modell des Sachverständigenrates konsistent und für die Lohnpolitik bei Unterbeschäftigung relevant ist. Im Anschluss daran eine Erwiderung von Jens Ulbrich und Stephan Kohns vom Mitarbeiterstab des Sachverständigenrates. --

Die Vielfalt der Institutionenverständnisse im Kontext des institutionellen Defizits und als Maßstab der Kritik. Betrachtungen am Beispiel Chantal Mouffe

Agonale Demokratie und Staat, 2021

Das Problem der Institutionen in der agonalen Demokratietheorie Es ist ein gängiger, fast schon zum Allgemeinplatz gewordener Vorwurf, dass agonale Demokratietheorien ein institutionelles Defizit haben. 2 Demnach hätten sie ein Desinteresse an institutionellen Fragen und infolgedessen insgesamt ein mangelhaftes analytisches Potential. 3 Das agonale Demokratie-und Politikverständnis à la Bonnie Honig und Chantal Mouffe befinde sich in einer "Endlosspirale von Ordnung und Zerstörung". 4 Vertreter*innen eines konflikt-und kontingenzaffinen Politikverständnisses argumentieren hingegen, dass man nicht die Konzeptionalisierung von Institutionen, sondern deren kritische Befragung verfolge. 5 Man sehe sich gezwungen, "institutionstheoretischen Belangen" mit einer grundlegenden Skepsis zu begegnen. Es soll vielmehr "die grundsätzlich prekäre Relation zwischen konstituierter und konstituierender Macht in den Blick" genommen werden. 6 Agonale Demokratietheorien beschäftigen sich dann (selbst-)bewusst gerade nicht mit institutionellen Arrangements und der Begründung von Institutionen, sondern mit Formen politischer Praktiken und Handlungen, die "das Soziale" konstituieren. 7 Das Problem an dieser Debatte zwischen Positionen, die ein Institutionendefizit beklagen und Positionen, die eine "widerständige […] Praxis der Institutionen-und Semantikbefragung" 8 einfordern ist aber ein auf beiden Seiten verschwommener und undefinierter Institutionenbegriff. Das Objekt, das entweder fehlt oder befragt werden soll, hat eine wechselnde Gestalt und einen unklaren Umfang. Genau dieses Defizit der Defizitdebatte ist der Ausgangspunkt dieses Beitrags. Am Ende werden sowohl 65

Institutieren statt Institutionalisieren. Zur Einrichtung des Harun Farocki Instituts. Tom Holert, Doreen Mende und Volker Pantenburg im Gespräch mit Daniel Eschkötter und Brigitte Weingart, in Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM) 17, 2017

«Wir wollen eine Einrichtung schaffen, die zu Anfang einfach ein Büro zur Anleitung und Koordination einiger Dokumentarfilmarbeiten ist» – so lautet der erste Satz eines Rundschreibens, das der Filmemacher, Medienkünstler, Autor und Dozent Harun Farocki unter dem Titel Was getan werden soll 1975 an mutmaßlich Gleichgesinnte verschickte. Dieser Text spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung des Harun Farocki Instituts (HaFI), mit der Freund_innen, Verwandte und Kolleg_innen auf den plötzlichen Tod Farockis im Juli 2014 reagierten. Das im Sommer 2015 als Stiftung eingetragene Institut hat seine Adresse – und sein ‹Büro› – im ebenfalls neu gegründeten Kulturquartier silent green im Berliner Stadtteil Wedding. Zu den ersten Amtshandlungen dieser «Einrichtung» gehörte eine kommentierte und ins Englische übersetzte Veröffentlichung von Farockis Rundschreiben. Daniel Eschkötter und Brigitte Weingart haben sich mit den Vor-standsmitgliedern des HaFI, Tom Holert, Doreen Mende und Volker Pantenburg, über die Entstehung, Struktur und Arbeit des Instituts unterhalten.

Extrem und Normalität: Institutionalisierung als Komplementäre Alternative

Diskurse der Empfindsamkeit, 1988

E ntgrenzung, Expansion, Intensivierung-vor allem unter solchen und ähnlichen Begriffen bündelte sich bislang die Geschichte der Empfindsamkeit. Sei es, daß von der Empfindsamkeit die Rede war als einer Kommunikation, die die komplementäre Ordnung standesspezifischer, gegeneinander abgeschlossener Sprachfelder überschreitet, sei es, daß eine empfindsame Nahwelt Chancen für ein privates und persönliches Glück eröffnet. Doch dieser Zugewinn an zugleich individualisierender wie sozialisierender Kommunikation bedeutet andererseits nicht, daß der in den 70er Jahren des Jahrhunderts so erfolgreiche • Pascal Bruckner/ Alain Finkielkraut, Das Abenteuer gleich um die Ecke. Kleines Handbuch der Alltagsüberlebenskunst (aus dem Französischen von H. Kober), München/ Wien 1981, S. 112.

Ambivalenzen linker Institutionskritik - Auseinandersetzung mit Bourdieus Institutionsverständnis

2019

Seit Beginn der Nachkriegszeit leben wir in westlichen Industriestaaten in einer freiheitlich-demokratischen Ära. Für Menschen, die nach dem Berliner Mauerfall geboren wurden und ihren Lebensweg in westlichen Industrienationen beschritten haben, ist die freiheitlich-demokratische Staatsordnung als mustergültiger Zustand und konstanter Rahmen gesetzt. Freiheitliche Demokratie scheint erlebte Normalität, ja fast könnte sie als Naturzustand eines Staates interpretiert werden. Mit dieser Lebens-und Alltagserfahrung geprägt, lässt eines der in der Nachkriegszeit meistzitierten deutschsprachigen Diktums aufhorchen: «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Vorausset-zungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist» (Böckenförde, 1976, S. 60). Die ersten beiden Sätze des berühmten Böckenförde-Diktums relativieren die gefühlte Demokratiegarantie und weisen auf die Fragilität einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung hin. So wie die freiheitliche Ordnung heute ist, muss sie nicht zwingend sein und bleiben. Es stellt sich unumgänglich die Frage, welche Voraussetzungen eine freiheitlich und demokratisch organisierte Gesellschaft zusammenhalten. Gemäss dem Böckenförde-Diktum basieren diese Voraussetzungen auf Regulierungskräften, welche die den Bürgern gewährte Freiheit regeln. Dabei müssen die Kräfte von innen heraus auf individueller und ebenso auf kollektiver Ebene garantiert sein, ohne dass der Staat diese mittels «Rechtzwanges und autoritativen Gebots» durchzusetzen hat. Es braucht folglich einen Kitt, der das Gebäude der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zusammenhält und von den Bewohnern dieses Gebäudes selbstmotiviert laufend gefestigt wird. Eine wichtige Komponente dieses verbindenden Kitts möchte ich in diesem Essay in Institutionen sehen. Institutionen definieren sich gemäss der Encyclopaedia Britannica als «a set of formal rules (including constitutions), informal norms, or shared understandings», die von staatlichen oder nicht-staatlichen Akteuren formalisiert und durchgesetzt werden. In diesem Sinne zeigen sich Institutionen sowohl in immateriellen Konstrukten und Ideen wie Recht, Religion, Heirat oder Familie, als auch in physischen Verdinglichungen, wie Universitäten, Börsen, Regierungsgebäuden oder Kirchen. Sie haben im gesellschaftlichen Raum eine Orientierungsfunktion, anhand der Richtungsentscheidungen mit Verlässlichkeit getroffen werden können (Ferguson, 2014, S. 12). Institutionen beeinflussen damit unser Verhalten und unsere Interaktionen. Institutionen gehören zu modernen Gesellschaften. Diese Selbstverständlichkeit reflektiert sich in der grundlegenden institutionstheoretischen Annahme, nach der Institutionen gesellschaftlich als alternativlos wahrgenommen würden und damit garantiert seien (vgl. z.B. die Schule des soziologischen Neoinstitutionalismus). Institutionen bilden eine stabile Gesellschaftsstruktur, in die vertraut werden kannso die Annahme. In der Realität schwindet dieses Vertrauen in Institutionen jedoch in westlichen Industrienationen (Botsman, 2017, S. 40-50). Ereignisse wie die Finanzkrise, die Panama Papers, der VW Dieselskandal oder die katholischen Missbrauchsaffären strapazieren das Vertrauen in angestammte Institutionen und Eliten, die diese Institutionen besetzen. Vertrauenseinbrüche aufgrund von institutionellen Krisen gab es im historischen Verlauf immer wieder, doch ist das Ausmass und die Geschwindigkeit des gegenwärtigen Vertrauensverlustes zwischen Bürgern und Institutionen neuartig (Botsman, S. 41). Der Kitt, der freiheitlich-demokratische Gesellschaften zusammenhält, bröckelt. Die gesellschaftliche Stabilitätsfunktion von Institutionen und den Zeitgeist des angeschlagenen Vertrauens gegenüber Institutionen möchte ich in vorliegendem Aufsatz mittels Bourdieus linker Kulturtheorie besser verstehen. Bourdieus Kulturtheorie eignet sich für eine solche Analyse, da er mit dem Wandel zur kapitalistischen, modernen Gesellschaft ein Erstarken von Institutionen annimmt, dabei die zunehmende Wichtigkeit von Institutionen aber gleichzeitig kritisch beurteilt (Fröhlich & Rehbein, 2014, S. 182). Sein Institutionsverständnis wird von mehreren Seiten ergründet. Erstens wird der