Warum Computerspielen trotzdem gut ist Neutralisierungsstrategien von Computerspielabhängigen und sozialwissen-schaftlichen Forschern (original) (raw)
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Ethik des Computerspiels [vorletzte Fassung]
Feige, Daniel M./Ostritsch, Sebastian/Rautzenberg, Markus (Hg.): Philosophie des Computerspiels, Stuttgart: Metzler, 2018, S. 77-96.
Die finale Druckversion ist erschienen in: Feige, Daniel M./Ostritsch, Sebastian/Rautzenberg, Markus (Hg.): Philosophie des Computerspiels, Stuttgart: Metzler, 2018, S. 77-96. Ethik [vorletzte Fassung] Sebastian Ostritsch 1. Was heißt eigentlich "Ethik des Computerspiels"? Wovon reden wir, wenn wir über die Ethik des Computerspiels sprechen? Unter dem Ausdruck "Ethik" wollen wir im Folgenden die philosophische Ethik verstehen, d. h. die systematische, argumentativ-rationale Reflexion der normativen und evaluativen Dimension menschlicher Praxis. Einer Ethik in diesem Sinne geht es also nicht darum, normative und / oder evaluative Meinungsäußerungen zu tätigen, sondern darum, nach der Berechtigung und den Prinzipien derartiger normativer und /oder evaluativer Urteile zu fragen. Als Ethik des Computerspiels wird der Reflexionsbereich nun entsprechend eingeschränkt, nämlich vom Gesamtbereich menschlicher Praxis auf einen Teilbereich, nämlich die normative und evaluative Dimension des Spielens von Computerspielen sowie Computerspiele selbst als ethisch bewertbare Artefakte. Die philosophische Reflexion auf das Normative und Evaluative sollte aber nicht vorschnell auf eine bestimmte Art von Normativität bzw. einen bestimmten Typ an Werten verengt werden. Wir können und sollten mindestens folgende Arten der Normativität (und entsprechend: Arten von Werten) unterscheiden (vgl. hierzu Luckner 2005, 39-46): Zum einen können wir von schwacher praktischer Normativität (oder einem schwachen Sollen) sprechen, wo wir es mit Fragen der Klugheit zu tun haben. "Klugheit" meint hier aber nicht die Fähigkeit, diejenigen Mittel zu wählen, die optimal zur Realisierung beliebiger vom Subjekt gesetzter Zwecke führen. Klugheit ist nicht instrumentelle Rationalität. Vielmehr handelt es sich bei Klugheit um die Fähigkeit, eine bestimmte Praxis, an der ein Subjekt teilhat, bzw. in letzter Instanz die allumfassende Praxis der eigenen Lebensführung im Ganzen gelingen zu lassen. Die Normen und Werte, die bei der Klugheit im Spiel sind, sind schwach, weil sie nicht unbedingt gelten, sondern nur unter der Voraussetzung, dass eine Praxis (bzw. letztlich die Praxis, die wir etwas ungeschickt den "Gesamtlebensvollzug" nennen können) gelingen soll. Statt mit Geboten hat es die Klugheit daher auch nur mit Ratschlägen zu tun. Anders dagegen die Moral. Bei ihr haben wir es mit Geboten zu tun, oder anders: Wir sind im Bereich starker praktischer Normativität. Nicht was unter bestimmten Bedingungen zu tun geraten ist, steht hier im Fokus, sondern das, was kategorisch gefordert ist, d. h. was auch in Absehung all dessen, was ein einzelnes Subjekt will, getan werden muss.
Spielen, nicht belehren: über Computerspiele, Religion und Selbstwirksamkeit
Forum Erwachsenenbildung: die evangelische Zeitschrift für Bildung im Lebenslauf, 2014
Das Spiel hat mindestens seit Ernst Lange und Ulrich Kabitz in der Evangelischen Erwachsenenbildung einen festen Platz. Aber gilt dies auch für Computerspiele? Die Autorin und der Autor stellen vor allem die Bedeutung von Rollenspielen in derzeit massenhaft genutzten Computerspielen vor und veranschaulichen auch ihre religiöse Dimension. Computerspiele ermöglichen in einem hohen Maße Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und üben in die Aneignung konkreter Freiheit ein.
Arno Görgen, Robert Glashüttner, Rudolf Inderst,Conny Lee, Eugen Pfister und Rainer Sigl , „Von der verbotenen Liebe des Spielejournalismus und der Game Studies“, in: Spiel-Kultur-Wissenschaften, http://spielkult.hypotheses.org/1018 23.06.2016.
Von der verbotenen Liebe des Spielejournalismus und der Game Studies" | Spiel-Kultur-Wissenschaften https://spielkult.hypotheses.org/1018 "Von der verbotenen Liebe des Spielejournalismus und der Game Studies" | Spiel-Kultur-Wissenschaften https://spielkult.hypotheses.org/1018 2/9 ebenhölzernen überladenen Bücherregalen. Eine durch das Opaion einer gewaltigen Kuppel einstrahlende Lichtsäule beleuchtet einen Arbeitstisch, über und über bedeckt mit Pergamenten, Büchern, Bookazines und Podcast-Transkripten. Erster Akt EP [auf einem umgestürzten Kapitel sitzend und einen Federkiel mit dem Messer anspitzend]: Wenn junge Kulturjournalisten und KulturjournalistInnen anfangen in ihren Überlegungen zu Computerspielen Adorno zu zitieren, stelle ich mir die Frage, wozu es uns Kulturwissenschaftlerinnen und die Game Studies überhaupt noch braucht. Haben wir nicht alle unsere Studien mit dem hehren Ziel angefangen, den Geheimnissen des Spiels auf den Grund zu folgen und die ganze Welt an unseren Erkenntnissen teil haben zu lassen? Zugleich haben wir verlernt unser Wissen so zu kommunizieren, dass auch NichtwissenschaftlerInnen es verstünden. Schuld daran ist ja nicht unbedingt die Überkomplexität des Gegenstandes oder unserer Gedanken sondern vielmehr unsere oft unnötig verklausulierte Sprache, die wir uns im akademischen Rahmen anerziehen. Sind also nicht KulturjournalistInnen im Grunde die besseren Wissensvermittler, die besseren KulturwissenschaftlerInnen? CL [tritt aus dem Schatten einer relie erten Säule]: Diese Frage wirft bei mir eine andere Fragen auf: Weshalb und wozu überhaupt die strenge Grenzlinie zwischen Wissenschaft und Journalismus? Beide Metiers haben zum Ziel, Wissen zu vermitteln und gesammelte Informationen zu Conclusiones zu verarbeiten. Und besonders ein so kulturtheoretisches Fach wie die Game Studies sind mit der gesellschaftlichen Rezeption, deren Teil der Gamesjournalismus ist, so eng verwoben, dass ich in postmoderner Mashup-Manier an dieser Stelle für eine Vermischung von Journalismus und Wissenschaft plädiere beziehungsweise wir akzeptieren müssen, dass diese Vermischung bereits vollzogen ist. [reckt bedeutungsvoll die Faust gen Himmel und zieht sich rückwärts hinter ihre Säule zurück]
Computerspielsucht als Konstruktion hegemonialer Männlichkeit
Signifikant mehr männliche Jugendliche und Erwachsene spielen Video- und Computerspiele und weisen häufiger Symptome der Abhängigkeit auf, als Mädchen und Frauen (vgl. Batthyány et al. 2009, Rehbein/Kleimann/Mößle 2009). Die Hypothese, dass exzessives Computerspielen zur Konstruktion einer bestimmten Form hegemonialer Männlichkeit beiträgt, wird auf Basis von ethnographischen Beobachtungen des Computerspielens und einer Gruppendiskussion mit aktuellen und ehemaligen Computerspielern nahegelegt. Die meisten populären Computerspiele erzählen Geschichten männlicher Protagonisten und simulieren über unterschiedliche Mechanismen die ernsten Spiele der Männer (Bourdieu 1997). Video- und Computerspiele reduzieren die Komplexität der sozialen Statusgewinnung und belohnen die Spielenden, wodurch Abhängigkeit entstehen kann. Bestimmte Computerspiele ermöglichen das virtuelle Erleben von hegemonialen Männlichkeitsattributen (Aggression, Dominanz, Selbstverbesserung, Aufbau, etc.), welche als „unterhaltend" uns „extrem spannend" beschrieben werden. Gewaltsame Konfliktlösung und Kämpfe unter männlichen Tropen sowie hierarchische Ordnungsmuster unter den Spielenden stellen Charakteristiken moderner Video- und Computerspiele dar, welche Attribute hegemonialer Männlichkeit widerspiegeln.
Exhibition catalogue: Spiel! Kurzweil in Renaissance und Barock, 2016
Das Spiel als Freizeitbeschäftigung in allen seinen Ausformungen war in der Neuzeit sowohl von mittelalterlichen Bewertungen als auch vom Humanismus geprägt. Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert gilt eine ambivalente Grundhaltung, wo das Spiel geachtet und gefördert, gleichzeitig aber auch verteufelt und verboten wurde. Verantwortlich für diese Auffassung waren u. a. gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale und religiöse Umwälzungen nach der Zeitenwende von 1500.
Im Sommersemester 2015 konnte ich am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin das Seminar ‘Philosophie des Spiels’ unter- richten. Nach Blöcken zu Denkern aus den Bereichen Anthropolo- gie/Kulturtheorie, Ästhetik und Sprachphilosophie hatte ich zwei Sitzungen für das Thema Gamification/Computerspiel reserviert. Markus Rautzenberg sollte als Gast ins Seminar kommen. Etwas überraschend schlug er als Diskussionsgrundlage Gregory Batesons “Theorie des Spiels und der Phantasie” vor. Die Diskussion gestal- tete sich so spannend und produktiv, dass ich Dennis Clausen und Thorsten Junge vorschlug, anstatt eines Essays ein Gespräch zu ihrem Sammelband Digitale Spiele im Diskurs beizutragen. Ich freue mich sehr, dass sie diesem Vorschlag zugestimmt haben.
2017
Ethikunterricht soll den Schuler_Innen eine „ethische Grundbildung“ (Thyen 2015) vermitteln, um sie „zu moralisch-praktischer Urteilsbildung und verantwortlichem Handeln“ (ebd.) zu befahigen. Dazu gehort ein Wissen um und eine Orientierungsfahigkeit „im Bereich der Grundsatze unseres […] Handelns“ (Schnadelbach, 1992, 381), welche nicht um ihrer selbst willen angeeignet, sondern „auf die Perspektive der Schuler_Innen, auf ihre Vorverstandnisse und Erfahrungskontexte handlungswirksam zuruckbezogen“ werden sollen (Thyen 2015). Einer dieser Erfahrungskontexte ist die mediale Welt. Medienpadagogische Masnahmen sollen die Kinder und Jugendlichen in diesen Kontexten und Welten handlungsfahig machen. Das heist, sie im Sinne Baackes (1999, 34f.) zu befahigen, auf ihrem Wissen uber Medien basierend selbige nutzen und gestalten zu konnen, aber eben auch, dass sie im Sinne der Medienkompetenz als Medienkritik verantwortungsvoll mit Medien umgehen. Ein medienpadagogisch reflektierter Ethikunter...
Die Natürlichkeit des Spielens. Vom Verschwinden des Gemachten im Computerspiel
Lit eBooks, 2008
kann, fußt auf akribisch ausgeführten, logischen Schlussfolgerungen. Kernpunkt für Poes Argumentation ist allerdings, dass die angebliche Maschine besiegbar ist. »Ist das Princip erst einmal entdeckt, nach welchem man eine Maschine dazu bringen kann, Schach zu spielen, so bedarf´s blos einer Erweiterung solchen Principes, sie das Spiel auch gewinnen, und einer neuerlichen Erweiterung, sie jedes Spiel gewinnen zu lassen, will sagen sie in den Stand zu setzen, jedweden Gegen-Spieler zu schlagen. Schon nach kurzem Nachdenken muß Jedermann zu der Überzeugung gelangen, daß die Schwierigkeit, welche darin besteht eine Maschine zum Gewinnen sämtlicher Schach-Partien zu bringen, um nichts größer sein kann denn diejenige, die es zu meistern gilt, um solche Maschine auch nur eine einzige Partie gewinnen zu lassen« (ebd., 276). Zwei Perspektiven sind es, die an der Poes Argumentation signifikant und auf den aktuellen Status der Game Studies übertragbar sind. Zum einen wird an einer solchen Argumentation deutlich, dass Aussagen über Computer, digitale Medien und rechnende Maschinen immer und zu großen Teilen von Wünschen und Diskursen durchzogen sind-Wünschen, Projektionen und Konstellationen, die zumindest rückwirkend aussagekräftig in der Konstruktion und Rekonstruktion von Diskursen sind. Denn die Auseinandersetzung und das hohe Interesse an der Kempelen´schen Maschine beruhen-wie jede magische Vorführung-auf der subjektiven (und teilweise auch gesellschaftlichen) Konstellation, ›glauben zu wollen‹¯7 ; beruhen auf der technische Vision und dem subjektiven Wunsch nach Maschinentechniken der Intelligenzsubstitution.¯8 Wie weit ist das Versprechen des schachspielenden Roboters entfernt von dem Versprechen der ›künstlicher Intelligenz‹ aktueller Spiele? Wie weit sind die Anfang der 90erJahre geführten euphorischen Diskussionen um Cyborgs, der Externalisierung unserer Gehirnfunktionen in die Netze, oder die Verheißung selbststeuerender Automaten von den gesellschaftlichen Wunschkonstellationen der damaligen Londoner Salons entfernt? Näher betrachtet aber zeichnet die Auseinandersetzung um den ›Schachtür-ken‹ (und dies stellt die zweite Perspektive dar) bereits die Argumente dessen vor, was als Eckpunkte der aktuellen Diskussion um die Computer-, Handy oder Konsolenspiele gelten mag. Poe positioniert sich gegenüber einem Spiel und verhandelt, was zwischen ihm und dem Spiel geschieht. Die Frage, die Poe aufwirft und die auch als produktiv für die hier verhandelten Game Studies gelten könnte, ist also diejenige, was Computerspiele ›evozieren‹, was sie hervorrufen und was Betrachter und User mit ihnen verhandeln. Evokationen und sublime Objekte Evokationen ›Evokation‹-umgangssprachlich mit ›Hervorbringung‹ zu übersetzen-taucht als Begriff in Kants »Kritik der Urteilskraft« auf; Kant sucht hier nach dem wesenhaften Moment der Maschine. Am Beispiel des Uhrwerks reflektiert er darüber, welches die ›hervorbringende Kraft ist‹ die ein solches Uhrwerk auszeichnet und die nicht in der Summe der Mechanik und Bewegungen gegeben zu sein scheint.¯9 Dass Techniken und Maschinen selbst nicht oder nur indirekt gesellschaftliche Bedeutung produzieren, scheint einleuchtend, dass die Bediener, Benutzer, Konstrukteure und Kritiker der Maschinen aber an, mit und durch die Maschine Bedeutungen verhandeln um so mehr. Was also ›ru-fen‹ Medienmaschinen (wie eben die Spielmaschinen) in uns wach? Was verhandeln wir durch sie, welche Bedeutungen rufen Maschinen hervor, was evozieren sie? Nimmt man dieses Fragen ernst, wird deutlich, dass eine Analyse des Computers und seiner Bedeutungsproduktion sich weniger auf die technische Konstellation selbst beziehen kann, sondern (sich) auf die Vorbedingungen, Kontexte, Gebräuche und (kultur-)historischen Konstellationen der Techniken konzentrieren müsste. Eine ähnliche Denkungsweise findet sich auch in der »Wissenschaftsgeschichte« von Michelle Serres (1998), der die ›Bewegung‹ von Innovationsdiskursen als ein Navigieren im sozialen wie technisch ›Offenen‹ darstellt. Nach Serres müsste die Darstellung der Geschichte der Computer zunächst auch als eine Serie von Umwidmungen und Umdeutungen verschiedener Bedeutungen, Materialien und Vorrichtungen geschrieben werden: »Technische Erfindungen erweisen sich als chaotisches Gewimmel von Basteleien, Neuverwendungen, prekären Verfestigungen operativer Anordnungen. [...] Der Computer zum Beispiel erscheint heute als das irdische Exempel einer ewig platonischen Idee. Eine gewisse Kunst der Inszenierung war an diesem Erfolg gewiß nicht unbeteiligt« (Lévy 1998), 943). Mit dem Begriff der Evokation wäre meines Dafürhaltens aber eben nicht nur die Frage nach der Konstitution eines ›Objekts Computer‹ zu behandeln, sondern auch die Frage nach der Herstellung des theoretischen Objekts ›Compu-terspiel‹. Aktuell konstituiert sich nicht nur ein homogenes Ganzes im Bezug auf das ›neue Medium‹ des vernetzten digitalen Rechners, sondern auch im Bezug auf das, was die Disziplin der Game Studies zu untersuchen angetreten ist. Überspitzt könnte formuliert werden, dass durch die Verwissenschaftlichung und Empirisierung des spielerischen Moments im digitalen Möglichkeitsraum ebenso eine Evokation zu konstatieren wäre. Im Segment einer akademischen wie kulturellen Theoretisierung wäre dann von der ›Herausrufung‹ eines vor-Evokationen