Annäherungen an das Unaussprechliche (original) (raw)
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Musik als Aussprechen des Unaussprechlichen?
Kann man heute überhaupt über die Musik so radikal metaphysisch denken wie das Arthur Schopenhauer an der vorigen Jahrhundertwende schon konnte, als er den kühnen Gedanken schrieb, daß "die Musik … auch wenn die Welt gar nicht wäre, doch bestehen könnte"? 2 Denn dieser feurige, in die Weisheit verliebte Mann hat in seiner Philosophie nicht nur den Glauben an die völlige Unabhängigkeit der Musik von der erscheinenden Welt bezeugt, insofern sie Zeit und Raum transzendiert, sondern auch die weitreichende Einsicht, daß die Musik die Ideen selbst übergeht, insofern sie die Wahrheit unmittelbar abbildet. Für ihn gilt auch, daß die Musik "in einer höchst allgemeinen Sprache das innere Wesen, das Ansich der Welt … ausspricht," 3 das er unter dem Begriff des allesbeherrschenden Willens denkt. Deswegen ist für ihn als einen entfernten Schüler Platons, trotz seiner eigenartigen Auffassung Platonischen Ideen als unmittelbare Objektivationen des mysteriösen absoluten Willens, nach denen sich immer wieder die sichtbare Welt verwirklicht, "die Wirkung der Musik so sehr viel mächtiger und eindringlicher, als die anderen Künste: denn diese reden nur vom Schatten, sie aber vom Wesen." 4 Obwohl dem heutigen Musikwissenschaftler inmitten des Haufens mehr oder weniger einfallsreicher Essays und detailierter Analysen solche Gedanken wahrscheinlich schon auf den ersten Blick fremd und ungewöhnlich klingen, gilt es, sich angesichts ihrer radikalen ontologischen Hingabe doch zu fragen: Wie ist es mit der Musik und ihrem Verhältnis zur Welt? Woher empfängt Musik als solche überhaupt ihr Dasein? Wie kann Musik " das innere Wesen der Welt aussprechen " ? Kann Musik überhaupt was aussprechen? Befinden wir uns nicht auch selbst bei solchen Fragen an der Grenze des Unaussprechlichen? Und was schließlich gibt dem geheimnisvollen Aussprechen der Musik seinen Sinn, wovon der ungewöhnliche Philosoph aus Danzig spricht? Nur der blinde, in sich verflechtende Wille selbst? Allesbeherrschendes Wollen als letzter Grund der Welt? Versteckt sich dahinten aber völlig unerwartet etwas ganz anderes, schicksalhafteres und unbegreifbar andersartiges? Etwas, was wir uns erhoffen, obwohl es unaussprechlich und unvertonbar ist? Etwas, in was wir hoffen können und an was wir glauben gerade deswegen, weil es für jedes Denken unerreichbar und unverfügbar ist? Etwas, was tausenderlei von Stimmen in ein einziges Echo in der kontemplativen Stille des Mystikers entführten Herzens verschmelzen kann? Damit wir uns auch selbst in solche und ähnliche Fragen nach dem Vorbild Schopenhauers vertiefen können und geistesfrei der Musik als geheimnisvollem Aussprechen des Unaussprechlichen aufhorchen bzw.
Widersprüchlich und unvollendet
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
I. Die Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit als ein Vorbild? In dem Roman "Taschenführer einer intelligenten Frau durch ihr eigenes Schicksal" zeichnete der im US-amerikanischen Exil lebende tschechische Journalist Pavel Tigrid folgendes Bild der sogenannten Ersten Tschechoslowakischen Republik: "[…] zivilisierte Beziehungen zwischen den Leuten, gemeinsam anerkannte Hierarchie der Werte, bescheidenes aber unnachgiebiges nationales Selbstbewusstsein, Achtung der Tradition, der ehrlichen Arbeit als auch des ehrlichen Worts, Unterstützung für diejenigen, die wir gewählt hatten, gute Schulen, saubere Züge sowie Restaurants mit sauberen Tischtüchern und mit netter Bedienung … Das alles war in der Ersten Republik-sicherlich nicht in einem hinreichenden und ausgewogenen Ausmaß-vorhanden, aber es war vorhanden." 1 Obwohl dieses Bild vor allem den Lebensstil der mittleren und oberen Schichten der tschechoslowakischen Gesellschaft wiedergibt, 2 wurde es nach der Wende zur fast ausschließlichen Optik, durch die an die Zwischenkriegszeit erinnert wurde. Der erste Präsident nach 1989, Václav Havel, griff nicht nur in seinen Reden auf dieses Erbe zurück. So sollten umfangreiche Renovierungsarbeiten die in den Zeiten des Kommunismus verwahrloste Prager Burg (den traditionellen Sitz des Präsidenten) wieder im alten Glanz erstrahlen lassen-ähnlich wie auch Tomáš Garrigue Masaryk die in den Zeiten der Habsburgermonarchie vernachlässigte Burg nach der Gründung der Tschechoslowakei hatte umbauen lassen. Renoviert werden mussten nach 1989 jedoch nicht nur die Gebäude: Die ganze Gesellschaft sollte wieder in die natürliche Bahn ihrer Geschichte zurückkehren, aus welcher sie durch den schändlichen "Kommunismus" herausgerissen worden war. Dieser Kurs sollte zurück nach Europa, zu Freiheit, Selbstständigkeit, Demokratie und zu Wohlstand führen. Die Erste Tschechoslowakische Republik diente hier als Vorbild und Wegweiser. Bald zeigte sich jedoch die Widersprüchlichkeit dieser Tradition: Mit der Spaltung der Tschechoslowakei 1992 und den angespannten Beziehungen zu Deutschland wegen der sudetendeutschen Frage kam auch der problematische Teil des Erbes der Ersten Republik zum Vorschein: die Beziehungen zwischen beiden
Was blüht dem Dorf? Demokratieentwicklung auf dem Land, 2019
Die Herausgeber*innen verwenden in den Fließtexten das Gender-Sternchen, da sie das Ziel verfolgen, möglichst alle geschlechtlichen Identitäten abzubilden und eine inklusive Sprache anstreben.
Über das Unbemerkbare in der Wahrnehmung
Husserl Studies, 2013
What we cannot notice, we cannot be perceptually aware of either: This view, still very popular in contemporary analytic philosophy of mind, has been recently defended by M. Tye and A. Noë. The present paper tries to undermine this idea by referring to some empirical cases showing that we can be perceptually aware of something which our thematic attention fails to grasp. The limits of perception do not coincide with the limits of attention, and this holds not only in the case of so called “primary attention,” but also in the case of “secondary attention.” We therefore reject Arvidson’s hypothesis of the identity between the field of attention and the field of consciousness.
Überlegungen zu einer Rhetorik der "unsprechlichen Sünde
2021
Dem spätmittelalterlichen Autor und Übersetzer Johannes Hartlieb (gest. 1468) zufolge darf es die Liebe zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts nicht geben. Die Natur habe Männern und Frauen solches verboten: ,,Wann was die natur verpewt, das mag die lieb nit vberwinden." 1 In seiner Übertragung von De amore (1440) schreibt Hartlieb-getreu der hochmittelalterlichen Vorlage aus der Feder des Andreas Capellanus (ca. 1185)-fest, daß die Liebe in ihrer emotionalen wie in ihrer sexuell-leidenschaftlichen Dimension die Zweisamkeit von Männern oder Frauen ausschließe: Zum ersten ist das in der li eb zumergken, das die lieb vnd inbrünstig mynn ist allein zwischen weihen vnd mannen, wan zwischen zwayen mannen oder zwayen frawen mag solich geliebt vnd inbrunstig mynn kain stat gewinnen.
Die geschichtslose Berechenbarkeit
Klostermann eBooks, 2015
Meine Einstellung in Bezug auf die Schwarzen Hefte: Es ist bekannt, dass Heidegger einen weit verbreiteten Einfluss in Lateinamerika hat. Von Mexiko bis Argentinien findet man Seminare, Aufsätze, Bücher und Übersetzungen in Bezug auf Heideggers Denken. Vor einigen Jahren haben wir sogar die Iberoamerikanische Gesellschaft für Heideggerstudien (Sociedad Iberoamericana de Estudios Heideggerianos) gegründet. 1 Wie in allen Regionen ist die Beziehung Heideggers zum Nationalsozialismus ein immer noch aktuelles und viel diskutiertes Thema. Die Veröffentlichung von Texten hierzu, wie z.B. von Víctor Farías 2 oder Julio Quesada 3 , haben ihre Spuren hinterlassen. Trotz der Verbreitung solcher Interpretationen gibt es zahlreiche Interessierte, die das Problem ernst nehmen und nach einer grundlegenden Auslegung suchen. In diesem Sinne begrüße ich das Erscheinen der "Schwarzen Hefte". Wenn man die Hefte noch nicht kennt-und das ist in Lateinamerika noch üblich und wird wohl auch mindestens einige Jahre, bis die Übersetzung erscheinen wird, so bleibendann kann man das Problem unter einigen bestimmten Voraussetzungen betrachten. Zum Beispiel hat mir ein bekannter Professor aus Madrid einige Tage vor diesem Treffen gesagt, dass er gegen diese Publikation ist. Gerade weil er die Texte noch nicht kennt, denkt er, dass es sich hier nur um ein Tagebuch handelt. Wir alle
Annäherungen an das Verstehen im Unterricht
2018
Wir müssen mehr über das Verstehen im Unterricht wissen. Eine didaktisch aufschlussreiche Unterrichts- und Lehr-Lernforschung rückt in dem Maße an ihren Gegenstand heran, in dem sie sich den Bedingungen für verständnisvolle, sinnkonstituierende, geistig aktivierende Lernprozesse im Unterricht widmet. Eine am sachbezogenen Verstehen orientierte Interaktion im Unterricht braucht Verweilräume für Phantasie und Erfahrung. Dass Phantasien in alltäglichen Erfahrungsprozessen, in der Kunst, in mußevollen oder auch kritischen Situationen des Lebens eine durchaus produktive Rolle spielen, bezweifelt niemand. In diesem Aufsatz wird die These entfaltet, dass Phantasien auch in einem vergleichsweise zielorientierten Unternehmen wie Unterricht ihre produktive Potenz entfalten können. Eine Professionalisierung des Unterrichtens erfordert im Sinne der Autoren eine stärker hermeneutisch bestimmte Lernkultur, die die vielschichtigen und auch widersprüchlichen Phantasien, die ein Lerngegenstand aktua...
Hermeneutisches Klopfen an die Wände des Unaussprechlichen Zur Sprachtheorie von Friedrich Schlegel
Der Platoniker Hans Krämer hat die paradoxe These vertreten, dass Friedrich Schlegel, der Spiritus Rector der Jenenser Romantik, mit seiner eigenartigen Deutung der platonischen Philosophie die kontinentale Platon-Forschung der letzten zwei Jahrhunderte in wesentlichen Zügen geprägt und beeinflusst hat. Schlegel geht davon aus, dass das Grundprinzip der platonischen Philosophie, die Idee des Guten, als das Höchste und das Würdigste des Denkens, unfassbar und unaussprechlich bleibt. Mit der Unsagbarkeit des Guten hängt auch die Asystematik und Unvollendbarkeit seines Denkens zusammen, sowie die Ironie als philosophische Form mit der die antinomische Struktur menschlicher Vernunft zur Sprache gebracht wird. 1 Der anhaltende Erfolg der Schlegelschen Platon-Deutung beruht nach Krämer darauf, "daß sich in ihr das moderne Selbst-und Weltverständnis in seiner Geschichtlichkeit, Endlichkeit und Vorläufigkeit an den Texten eines Klassikers der Philosophie wiedererkennt und gleichsam gespiegelt findet" 2 . 1 Hans Krämer. "Platons Ungeschriebene Lehre". Platon in der Sicht neuerer Forschungen. Hg. T. Kobusch, B. Mojsisch. Darmstadt: Wiss. Buchges, 1996. S. 247-275, hier S. 265; vgl. H. Krämer. "Fichte, Schlegel und der Infinitismus in der Platondeutung". Deutsche Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 62 (1988). S. 583-621. Es ist beachtenswert, dass Krämer in seinem 1982 publizierten italienischen Platonbuch, Platone e i fondamenti della metafisica noch immer Schleiermacher wegen seiner hermeneutischen Devise sola scriptura, wonach Platons gesamte Philosophie in seinen Schriften zu suchen sei, für die Abschaffung der neuplatonischen Platon-Auslegung verantwortlich machte. Schlegels Anteil daran war damals noch belanglos. Sechs Jahre später wird im Infinitismus-Aufsatz Schlegel als Urheber aller modernistischen Fehldeutungen der platonischen Philosophie gebrandmarkt, während für Schleiermacher behauptet wird, dass er "immerhin mit dem Systemgedanken einen Grundzug des neuplatonischen Paradigmas festgehalten hat".
Die Unhintergehbarkeit der Intuition
In diesem Aufsatz räume ich mit einigen tiefsitzenden Vorurteilen gegen die methodologische Rolle von Intuitionen in der Philosophie auf. Zunächst wird gezeigt, dass Intuitionen eine zentrale Rolle als epistemische Gründe in Gedankenexperimenten spielen. Aber auch völlig andere Methoden des Philosophierens (wie etwa die Transzendentalpragmatik) kommen ohne Rekurs auf Intuitionen als Gründe letztlich nicht aus. Außerdem kläre ich über die Natur von Intuitionen und deren epistemologischen Status genauer auf. Intuitionen sind fundamentale Gründe, aber sie sind fehlbar, anfechtbar und lassen sich methodisch kontrollieren. Im letzten Teil des Aufsatzes zeige ich, dass Intuitionen auf eine besondere Weise unangreifbar sind: Alle gegen sie gerichteten skeptischen Argumente rekurrieren selbst an irgendeiner Stelle verdeckt auf Intuitionen. Skeptische Generalangriffe auf Intuitionen als valide Gründe untergraben sich also selbst