Tierische Mitgeschöpfe (original) (raw)

Einer Tierethik Des Mitgefühls

2008

Normalerweise geht man davon aus, dass die Tierethik ein typisches Problem der gegenwärtigen philosophischen Diskussion ist. Doch die ersten Grundlagen einer Tierethik wurden bereits während des 19. Jahrhunderts von Arthur Schopenhauer erarbeitet. Schopenhauers Ansatz hierzu ist dabei eng mit den allgemeinen Prinzipien seiner Moralphilosophie verknüpft. Das Wesen der Ethik besteht nach Schopenhauer darin, dass das Mitleid das einzige moralische Fundament der Ethik sei. Darüber hinaus hängt seine Theorie des Mitleids mit einem spezifischen Weltkonzept (die Welt als Wille und Vorstellung) zusammen. 1 Ein innovativer Aspekt dieser Moralphilosophie liegt darin, dass sich das Gefühl des Mitleidens nicht allein auf Menschen, sondern auch auf die Tiere sowie auf alle lebendigen Wesen bezieht. Wie begründet Schopenhauer seine Theorie? Warum soll das moralische Gefühl unseres Gewissens sich auch für die Tiere interessieren? Grundlegend muss man voraussetzen, dass der Mensch in Schopenhauers Ansatz in einer Umwelt lebt, die aus einem komplexen Zusammenhang zwischen Willen und Vorstellen gebildet ist. Fundamental für seine Moral ist also eine Weltanschauung, in der die Menschen als von anderen Lebewesen abhängig gedacht sind. Deshalb sind Menschen auch für die anderen Lebenswesen verantwortlich. Schopenhauer geht davon aus, dass das Mitleid das einzig richtige ethische Leitprinzip sei. Mitleid und moralische Verantwortung dürfen sich nicht allein auf menschliches Handeln gegenüber anderen Menschen beschränken, sondern es habe auch Tiere zu berücksichtigen. Zunächst seien die kritischen und positiven Grundlagen von Schopenhauers Tierethik skizziert, bevor deren einzelnen Elemente vorgestellt werden. Schopenhauer erhebt gegenüber der abendländischen Philosophie den Vorwurf, dass sie die Tierrechte missachtet habe (Teil 1). Alternativ dazu entfaltet er Grundzüge einer Ethik, die in ihrem Ansatz die Tierrechte mit einbezieht (Teil 2). Abschließend sei auf wichtige Impulse für die gegenwärtige Ethikdiskussion verwiesen (Teil 3). 1. Schopenhauers Kritik an der abendländischen Kultur im Hinblick auf die Anerkennung der Tierrechte In seiner "Preisschrift über das Fundament der Moral" kritisiert Schopenhauer unnachgiebig die europäische philosophische Tradition. Er selbst geht dabei von der indischen und buddhistischen Lebensweisheit aus, in der ein achtsamer Umgang mit Tieren eine zentrale Rolle spielt. 2 Zunächst seien Grundzüge dieser Kritik vorgestellt, um anschließend deren weiterführende, aber auch problematische Aspekte zu diskutieren. Schopenhauer konstatiert, dass die Tierrechte im Verlaufe der abendländischen Geschichte in Vergessenheit geraten seien, da die europäische Kultur den Tieren in ihrem Status als Lebewesen kaum Beachtung geschenkt habe. Seine Kritik verknüpft dabei zwei Aspekte miteinander: a) den Antropozentrismus der abendländischen Philosophie sowie einen von ihm behaupteten Einfluss jüdischer Theologie, der heute allerdings differenzierter diskutiert werden müsste, als

Die Tierknochen

2011

In den Jahren 1998 bis 2006 fanden im Rahmen eines trinationalen Forschungsprojekts Ausgrabungen in der römischen Fundstelle Oedenburg/Biesheim-Kunheim (Dép. Haut-Rhin, France) statt. Dabei wurden Teile einer Zivilsiedlung und eines Tempelbezirkes (1.-3. Jh.), die julisch-claudischen Militärlager 1 (Band I) sowie eine valentinianische Befestigung und eine Mansio (Band III) 2 ausgegraben. Der vorliegende Band behandelt die Zivilsiedlung, den gallo-römischen Tempelbezirk und seine Umgebung. In diesen Bereichen sind keine aufgehenden Strukturen erhalten, sondern nur eingetiefte Befunde (Gruben, Gräben, Fundamente etc.) sowie wassergesättigte Schichten. In der Folge werden die archäozoologischen Funde aus den profanen und sakralen Bereichen der Zivilsiedlung vorgestellt. Dabei handelt es sich vorwiegend um Speiseabfälle, aber auch um Gewerbeabfälle. Der Fundniederschlag beginnt um Christi Geburt und deckt einen Zeitrahmen von ca. 300 Jahren ab. Alle Datierungsangaben beziehen sich auf die nachchristliche Zeitrechnung.

„Der Herr freut sich seiner Geschöpfe.“ Anmerkungen zum Stellenwert der Tiere in der Liturgie

Mensch - Tier - Gott. Interdisziplinäre Annäherungen an eine christliche Tierethik, 2021

Das Paper untersucht die Bedeutung der Tiere in der Liturgie. Diese stellt in der Art und Weise, wie sie das Leben integriert, im Licht der Heiligen Schrift reflektiert und zur Sprache bringt, einen „ethischen Lernort“ dar. Ebenso arbeitet er die liturgisch relevante Bedeutung der Tiere aus schöpfungstheologischer wie heilsgeschichtlicher Perspektive heraus und plädiert für thematische Gottesdienste und Votivmessen. Schließlich geht er auf die Frage ein, wie sinnvoll Gottesdienste mit Tieren sind.

Tierisch! Vom Tier zum Wirkstoff

Animalistisch! Ein Thema - Vier Ausstellungen, hg. von Anna Schmid, Andrea Bignasca, Marc Zehntner, Philippe Wanner, Berlin: Hatje Cantz, 2021

Barbara Orland tierisch! Vom Tier zum Wirkstoff Bär, Löwe, Hirsch-viele Apotheken tragen bis heute ein Tier im Namen. Lange Zeit schmückten Krokodile, Einhörner, Schwertfische oder Schildkrötenpanzer die Verkaufsräume, und noch heute findet sich in der Schweiz die Schlange als Symbol auf dem grünen Apothekenkreuz, welches die Kunden schnell zur nächsten Apotheke leiten soll. Tiere, so hat es den Anschein, haben einen hohen symbolischen Stellenwert für die Pharmaziegeschichte. Die Dauerausstellung im Pharmaziemuseum der Universität Basel bestätigt diesen Eindruck, zeigt sie doch viele Schaustücke, Gefässe, Amulette und andere symbolträchtige Objekte tierischen Ursprunges. Die Sonderausstellung ‹tierisch! Vom Tier zum Wirk-stoff› geht einen anderen Weg. Sie demonstriert, dass, jenseits aller Symbolik, tierische Körper immer auch als Rohstoffe zur Herstellung von Arzneimitteln dienten. Es ist nicht ganz einfach abzuschätzen, welchen Anteil tierische Substanzen am Arzneischatz hatten und haben. Zu gross sind zeitliche und regionale Unterschiede. Pflanzliche Rohstoffe haben ohne Frage zuallererst in den Materialkammern der Apotheker und Drogisten gelegen: Kräuter, Früchte, Samen, Blumen, Rinden, Harze und vieles mehr. Das Mineralreich mit Heilerden, Steinen, Salzen, Schwefel und Metallen spielte ebenfalls eine grosse Rolle. Tierische Drogen wurden, anders als man vermuten würde, ebenfalls reichlich verwendet. Ihre Bedeutung im Arzneischatz des frühneuzeitlichen Europas lässt sich mit wenigen Zahlen belegen. Wie die Pharmaziehistorikerin Katja Susanne Moosmann in ihrer Auswertung einiger amtlicher Arzneibücher (Pharmakopöen) des 18. Jahrhunderts zeigt, enthielten je nach Ausgabe zwischen 15 und 40 Prozent der Rezepturen tierische Materialien. In den Haus-und Volksarzneibüchern, die sie untersuchte, lag der Anteil noch höher und erreichte in einem Fall sogar 60 Prozent. Besonders erwähnt wird die ‹Heylsame Dreck-Apotheke […]› von Christian Franz Paullini (1634-1712) aus dem Jahre 1696, ein Rezeptbuch, welches nahezu vollständig tierische Rohstoffe verarbeitete, einschliesslich Urin, Blut und Kot des Menschen. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass Rezepte oft gar nicht aufgeschrieben wurden, dann lässt sich eine Vielzahl an Praktiken im Umgang mit Tieren erahnen. Nicht alle Geschichten, die zu erzählen sich lohnen würde, können hier ausgebreitet werden. Die Sonderausstellung Pharmaziemuseum der Universität Basel wie auch der nachfolgende Text präsentieren kaleidoskopartig nur einige Splitter. Die im Folgenden erzählten Geschichten werden von allgemeinen Informationen zur Chronologie der Pharmaziegeschichte eingerahmt. Vom vergessenen Nutzen der Eselsmilch Viele jüngere Ärzte und Apotheker «mit ihren chymischen starcken Arzeneyen» haben die guten Hausmittel und vortrefflichen Schriften der antiken Ärzte völlig vergessen, klagte 1727 Friedrich Hoffmann (1660-1742) in seiner Abhandlung über die Eselsmilch. Ob Hoffmanns Klage zutraf, ist fraglich. Denn gerade zu seiner Zeit fand ein regelrechter Milch-Boom in der Medizin statt. Andererseits war er kein umherziehender Heiler, der ein Präparat auf den Märkten anpreisen musste, um es zu verkaufen. Friedrich Hoffmann war Professor der Medizin an der Universität Halle und erfand neben seiner universitären Lehre auch Arzneimittel, darunter die bis heute auf dem Markt befindlichen Hoffmannstropfen (Ätherweingeist, fachsprachlich Spiritus aethereus). Dass sich Hoffmann für die Eselsmilch starkmachte, lag eher daran, dass er in der allgemeinen Begeisterung für die «chymische Arzneikunst» das althergebrachte Wissen der Praxis verteidigen wollte. Die Erfahrung muss die Lehrmeisterin sein, lautete sein Credo, und in Bezug auf die Milch sei diese sehr gut. Die antiken Schriften des Hippokrates, Dioskurides oder Galen betrachtete Hoffmann als ein brauchbares Erbe. Auch die Debatten der Alten seien äusserst lehrreich, lobte er. So habe man sich seit dem Altertum über die richtige Wahl der Milch oder die Wirkung verschiedener Nahrungen auf die im weiblichen Körper entstehende Milch den Kopf zerbrochen. Wann ist Menschen-, wann Ziegen-, Schaf-, Kuh-oder Eselsmilch angezeigt? Der in dieser Frage bis weit in das 18. Jahrhundert hinein als Autorität anerkannte griechisch-römische Arzt Galen (129-216) hatte die Milch von solchen Tieren empfohlen, die dem Patienten möglichst ähnlich sind. Zwar verfüge jede Milch über ein dreifaches Wesen, welches mit besonderen Kräften ausgestattet sei: Die Molke befeuchtet, verdünnt, laxiert, spült scharfe Materie weg. Der Rahm, das fette Wesen, aus dem man Butter macht, sei erweichend, lindernd, klebend. Der Käse ist das grobe, irdische, «schleimichte Wesen», welches «gerinnet von sauren Sachen», verdickend und stopfend wirkt. Aber jedes Tier ist von Natur aus verschieden. Schaf-, Ziegen-und Kuhmilch sind käsiger und deshalb hauptsächlich als Nahrung geeignet; Frauen-, Stuten-und Eselsmilch haben eine feine Konsistenz und eignen sich besonders als Heilmittel. Kapitelseite aus ‹Herrn Friderich Hoffmanns, weltberühmten Medici, gründliche Anweisung wie ein Mensch vor dem frühzeitigen Tod und allerhand Arten Kranckheiten durch ordentliche Lebens-Art sich verwahren könne.› Halle im Magdeburgischen, 1715-1728. Pharmaziemuseum Basel. S. 152-153

Tierischer Hofstaat

Eine Sonderausstellung auf Schloss Ambras Innsbruck zeigt die Menagerien und Volieren der Habsburger Höfe. Veronika Sandbichler, die Direktorin des Schlosses, erklärt die Bedeutung dieser Ausstellung.

„Herrentiere“ und „Untermenschen“

Historische Anthropologie, 2011

„in der geschichte ist viel zu wenig von tieren die rede.“ Diese Feststellung traf elias canetti in den frühen 1940er Jahren. sie ist noch heute gültig, hat die ge‐ schichtswissenschaft im deutschsprachigen raum – anders als in den usA oder großbritannien – doch erst jüngst begonnen, sich mit der rolle von tieren in der geschichte auseinanderzusetzen. Dies ist insofern erstaunlich, als die Abgrenzung zum tier ein konstitutives moment menschlicher selbstdefinition darstellt und sich die geschichte der tier‐mensch‐Beziehung in diesem sinne als „historische grund‐ lagenforschung“ verstehen lässt. Aus historischer perspektive ist dabei die philosophisch‐anthropologische Frage nach dem menschen in seiner Ähnlichkeit und Differenz zum tier weniger grund‐ sätzlich von interesse. Vielmehr befasst sich die geschichtswissenschaft vor allem mit den beschreibbaren Folgen und effekten der fortwährenden trennung zwischen tier und mensch, die giorgio Agamben als „eine grundlegende metaphysisch‐po‐ litische operation“ bezeichnet hat. Diese trennung bildet zugleich den Ausgangs‐ punkt weiterer (problematischer) unterscheidungen, etwa zwischen Frau und mann oder den sogenannten Wilden und Zivilisierten, die über ihre angeblich unterschied‐ liche nähe zum tier differenziert wurden und werden. Während noch die philosophie der Aufklärung von einer wesensmäßigen Diffe‐ renz von mensch und tier ausgegangen war, setzten sich um 1800 zunehmend alter‐ native sichtweisen durch, die eher die gemeinsamkeiten von mensch und tier he‐ rausstellten, und zwar insbesondere die empfindungs‐ und leidensfähigkeit beider, die zum Ausgangspunkt der tierschutzbewegung werden sollte. mit der Betonung der empfindsamkeit der tiere ließ sich Kritik an einem rein anthropozentrischen tierschutz üben – eine position, die der britische Jurist und philosoph Jeremy Bent‐ ham bereits am ende des 18. Jahrhunderts in seiner Introduction to the Principles of Morals and Legislation wirkmächtig auf den punkt gebracht hatte. Bei den tieren,

Mit anderen Tieren leben

Interspezies Lernen

I wanted more service animals so that the city could prosper, so that someday we could go to the stars. Instead, I could not control the situation. I failed my animals and myself. 1 7 Aus den verschiedenen Positionen heraus besteht zum Beispiel Uneinigkeit darüber, ob menschlicher Umgang mit Tieren sich so gestalten sollte, dass ihnen ein Leben in kompletter Freiheit, körperlicher Unversehrtheit, oder lediglich auf eines frei von »unnötigem« Leiden ermöglicht wird.

Tierische Organe für den Menschen

2014

Auch wenn die Zahl der möglicherweise zukünftig für die Xenotransplantation eingesetzten Tiere weit geringer ist als jene, die für den menschlichen Verzehr getötet werden, lohnt sich die tierethische Betrachtung aufgrund eines stattfindenden Paradigmenwechsels hin zur verstärkten medizinischen Nutzung der Tiere. Der Aufsatz versucht, die gängigen tierethischen Ansätze auf ihre Bewertung der Xenotransplantation hin zu befragen und aus christlicher Perspektive einen differenzierten Standpunkt zu entwickeln.

Über Grenzen zwischen Mensch und Tier

10 Minuten Philosophie , 2019

In den vergangen 20 Jahren aber besonders seit dem 11. September 2001 sind hunderte von neuen Grenzen weltweit entstanden: Kilometerlange Stacheldrahtzäune, eine Unmenge neuer Schutzmauern, zahlreiche Offshore-Gefangenenlager, biometrische Reisepass-Databanken, und Sicherheitskontrollen aller Arten.1 Dies hebt der Philosoph Thomas Nail am Anfang seines kürzlich veröffentlichten Buchs, Theory of the Border, hervor. In einer Zeit, in der ich zum Beispiel nach Kalifornien oder auch nach Südafrika hin und zurück fliegen kann für den halben Preis eines iPhone 7, visumfrei könnte man meinen, dass überall Grenzen verschwinden. Aber in der Tat, genau das Gegenteil passiert. Im Jahr 2015 wurden mehr Mauern zwischen Nachbarländern gebaut als zu jedem anderen Zeitpunkt in der menschlichen Geschichte und weitere werden momentan errichtet. Aber dieser Beitrag trägt den Titel Über Grenzen zwischen Mensch und Tier. Was haben solche Grenzen-sichtbare Grenzanlagen und Kontrollen zwischen Ländern mit Grenzen zwischen Menschen und Tieren-zu tun? Gemäß Nail ist die Grenze "ein Prozess sozialer Spaltung". Sie führt "eine Zweiteilung oder eine Gabelung von irgendeiner Art in die Welt ein".2 Aber Grenzen, alle Grenzen-wie Étienne Balibar gesagt hat-"haben eine Geschichte; der Begriff der Grenze hat eine Geschichte".3 Und wenn wir lang genug zurück in die Zeit reisen, sehen wir, dass Grenzen oder genauer gesagt die Fähigkeit, Grenzen zu setzen und zu erkennen, eine zentrale Eigenschaft ist, die zumindest gemäß manchen PhilosophInnen und AnthropologInnen den Menschen von anderen Tieren unterscheidet. Zusammen mit der Sprache oder der Vernunft und unzähligen anderen Eigentümlichkeiten gilt sie als ein spezifisches Merkmal. Friedrich Hegel behauptet in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Religion aus dem Jahr 1827: "Das Tier, der Stein, weiß nicht von seiner Schranke."4 Menschen wissen im Gegensatz dazu, dass sie "beschränkte Wesen" sind. Aber sobald wir wissen, dass wir beschränkt sind, haben wir bereits die Grenze,