Schmitt, R. (1997). Metaphernanalyse als sozialwissenschaftliche Methode. Mit einigen Bemerkungen zur theoretischen "Fundierung" psychosozialen Handelns. (original) (raw)

Metaphernanalyse als sozialwissenschaftliche Methode: mit einigen Bemerkungen zur theoretischen "Fundierung" psychosozialen Handelns

1997

Metaphernanalyse als sozialwissenschaftliehe Methode Mit einigen Bemerkungen zur theoretischen »Fundierung« psychosozialen Handeins 1. Theorie und/ oder Praxis Eine Einführung in die Metaphernanalyse wird mit einer Vorge schichte verständlicher: In der Arbeit als Einzelfall-und Familienhel fer, mit vielen praktischen Problemen konfrontiert, suchte ich nach dem Diplom in Psychologie Hilfe in Theorien, die ich an der Univer sität gelernt hatte. Einzelfall-und Familienhilfe sind (oder nach den Kürzungen: waren) in Berlin Leistungen der Behinderten-oder Fa milienfürsorge, des Jugend-oder Sozialpsychiatrischen Diensts für Kinder, Erwachsene und Familien mit vielfältigen Schwierigkeiten: Verwahrlosung, psychische Erkrankungen, Einnässen, Sucht und Ge walt in der Familie etc. Sie wird gewährt (oder aufgedrängt), wenn der Betreuungsbedarf die Kapazitäten der bezirklichen Sozialarbeiter übersteigt und andere, eher mittelschichtoriemierte Hilfen (Schulpsy chologischer Dienst, Erziehungsberatungsstellen, Psychotherapie etc.) nicht greifen oder überfordert sind (vgl.

Schmitt, Rudolf (2013). Zuwendung zum Menschen und andere Bilder sozialer Interaktion. Metaphernanalyse als Forschungsmethode in der Sozialen Arbeit. In: Wolf Rainer Wendt (Hg.) (2013). Zuwendung zum Menschen in der Sozialen Arbeit. Festschrift für Albert Mühlum, S. 165-178. Jacobs: Lage.

Zuwendung zum Menschen und andere Bilder sozialer Interaktion: Metaphernanalyse als Forschungsmethode der Sozialen Arbeit 1) Warum Metaphernanalyse? Albert Mühlum sieht die Sozialarbeitswissenschaft, an Vorläufer anknüpfend, in einer Entwicklung zu einer "transdisziplinären oder multidisziplinären Disziplin" (Mühlum 2004, 134), und nennt die Überschneidungen zu vielen Disziplinen, von der Soziologie über die Psychologie und Politologie, Ökonomie und Rechtswissenschaften bis hin zur Erziehungswissenschaft und anderen. Der Bogen ist weit gespannt -das begründet einige der Schwierigkeiten einer Sozialarbeitswissenschaft. Dennoch soll hier ein kurzer Blick auf eine weitere Wissenschaft gelenkt werden, die der Sozialarbeit zuarbeiten kann: die Linguistik, insbesondere jene Teile der Pragmalinguistik, denen es um Sprechen, Sprache und Denken unter Alltagsbedingungen geht. Selbst diese Spezifikation ist hier nicht auszuloten, der folgende Text beschränkt sich auf die sog. "kognitive Linguistik", die sich in Anknüpfung an eine erste Publikation der Sprachwissenschaftler George Lakoff und Mark Johnson (1980, vgl. 1999) zur qualitativen Forschungsmethode weiterentwickelte und inzwischen einige sozialarbeitsbezogene Studien aufweisen kann. Warum könnte diese neue Betrachtungsweise hilfreich sein? Es sind drei Ebenen, die in den folgenden Studien angesprochen werden: a) Muster des alltäglichen Sprechens und ihre Implikationen für Beratung, Intervention und Prävention: Wenn z.B. männliche Alkoholkranke oder Alkoholmissbrauchende ihr Trinken als "Leistung", "Kampf" oder "Sport" sprachlich darstellen, dann sind nicht nur metaphorische Heldentaten gemeint, sondern auch Selbstdefinitionen, deren Veränderung zuweilen an sprachlich unattraktiven Metaphern von unmännlicher "Abstinenz" oder "Nüchternheit" scheitert (Schmitt

Schmitt, Rudolf (2011) Systematische Metaphernanalyse als qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsmethode.

Zentrale Annahmen der kognitiven Metapherntheorie lassen sich als Elemente einer qualitativen Forschungsmethodik in den Sozialwissenschaften nutzen. Der Aufsatz skizziert das Potenzial des Ansatzes von Lakoff und Johnson für eine hermeneutisch orientierte Metaphernanalyse, für deren Durchführung Regeln und Gütekriterien angegeben werden können. Als sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse wird sie nicht dazu beitragen, in der innerlinguistischen Debatte Fortschritte zu erzielen. Ihre Aufgabe ist es, in sozialwissenschaftlichen Problemfeldern neue Sichtweisen zu erzeugen und sich im Verhältnis zu anderen Auswertungsmethoden zu bewähren.

Schmitt, Rudolf (2000). Metaphernanalyse und helfende Interaktion. In: Psychomed. Zeitschrift für Psychologie und Medizin. Heft 3, 12. Jahrgang, Reinhardt-Verlag, München 2000, S. 165-170

Metaphernanalyse und helfende Interaktion Der Aufsatz führt in das Phänomen alltäglicher Metaphorik praktisch wie theoretisch ein, bevor er an einem Fallbeispiel die Möglichkeiten der Metaphernanalyse in der Supervision und einen Überblick über Möglichkeiten metaphorischer Intervention in Beratungsgesprächen zeigt. Der Ablauf der Metaphernanalyse als Forschungsmethode wird skizziert. 1. Metapher und Alltag; oder: Verstehen und Nichtverstehen An einem meiner ersten Arbeitstage in einer psychiatrischen Klinik führte mich eine Kollegin in den schwierigen Umgang mit einer noch akut psychotisch kranken Patientin erzählend ein: Diese Patientin hatte sie vor der Stationstür um einen kleinen Geldbetrag angebettelt, und sie hatte das mit der Notlüge (so ist der Alltag) abgelehnt: Das ginge nicht, sie sei selbst im Moment "abgebrannt". Die Patientin wäre sehr erschrocken und hätte dann versucht, einen Feuerlöscher aus seiner Halterung an der Flurwand zu reißen, um, wie meine Kollegin dann verstand, sie zu löschen. Wenn unsere alltäglichen Bilder nicht mehr verstanden werden, stoßen wir darauf, daß es Bilder sind, die zwar noch einen engen Zusammenhang mit dem gemeinten Sinn haben, jedoch nicht wörtlich zu nehmen sind: "Abgebrannt" zu sein bedeutet real wie bildlich eine empfindliche Verminderung unserer materiellen Ressourcen. Dieses Vermögen der Metaphorik, mit kräftigen Bildspendern ("Brand") alltägliche Phänomene zu beschreiben, läßt sich jedoch auch in Formen erkennen, in denen diese Trennung zwischen "wörtlicher" und "übertragener" Bedeutung verschwimmt. An einem transkribierten Interview will ich dies im mikroskopischen Ausschnitt zeigen. Eine Sozialarbeiterin beschreibt, wie die von ihr betreute ältere Frau versucht, die Helferin zu bemuttern (Schmitt 1995/181ff): Helferin: ... oder wenn sie die Stimmen hört, die reden ihr ja manchmal auch ein, Rabenmutter zu sein, und dann hat sie eben Gewissensbisse, weil die Ehe damals halt so schlimm war, und sie denkt, daß das Kind viel davon abgekriegt hat von ihrem Frust. Und daß sie jetzt halt versucht, bei mir keine Rabenmutter zu sein, jetzt halt eine richtige Mutter zu sein, aber es ist schwierig. Interviewer: Und Dir ist das zu dicht? Helferin: Mir ist es, mir ist es zu dicht, ja. Sie weiß es aber auch, also sie nimmt mich in den Arm, und sagt dann gleich: "Ich weiß, ich weiß .." oder so, so war es zumindest gestern. "Aber ich freue mich halt so, daß Sie da sind." Mir ist es zu dicht, auf jeden Fall. Was ist an dieser Stelle passiert? Der Interviewer versucht nach den Regeln der Interviewführung von Witzel (1989) durch Reformulieren und Spiegeln des Gesagten das Interview in Gang zu halten. Schneller als es seine theoretischen Überlegungen zulassen, hat er das für die Sozialarbeiterin zu enge Verhältnis zur Betreuten in der Metapher, es sei "zu dicht" reformuliert-also eine räumliche Metaphorik für das Beziehungsverhalten gewählt. Und da zögert die Sozialarbeiterin zunächst-die Kommata stehen in der Transkriptionsanleitung für eine kleine Pause mit Stimmsenkung-und erzählt dann, daß diese

Sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse 2021/03 (3.11.2021

Sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse, 2021

Die Rundmail 2021/03 versammelt neue Publikationen zu einer sozialwissenschaftlichen Metaphernanalyse, auch Workshops, und enthält eine themenspezifische Sammlung zu Metaphern im Kontext von Covid-19

Schmitt, Rudolf (2016). Arbeiten in und mit Metaphern: eine konzeptionelle Anregung. In: Resonanzen. E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychotherapie, Supervision und Beratung, 4(1), S. 25-44. Verfügbar unter https://www.resonanzen-journal.org/index.php/resonanzen/article/view/383

Resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychosomatischer Medizin, Psychotherapie, Supervision und Beratung, 2016

Der Umgang mit Metaphern in Beratung und Therapie wird oft selbst nach der Logik eines Werkzeugs diskutiert, als wären Metaphern Instrumente, die man kunstfertig einsetzen könnte. Die von der kognitiven Linguistik (Lakoff & Johnson, 1980, 1998) abgeleitete Metaphernanalyse erschüttert dieses naive Selbstverständnis: Auch BeraterInnen und TherapeutInnen leben in ihren kaum bewussten metaphorischen Mustern, und qualitative Forschung zeigt, dass metaphorische Kommunikation ein situatives und interaktives Phänomen ist, zu dem alle Teilnehmenden beitragen. Der Aufsatz fasst den aktuellen Diskussionsstand zusammen und schlägt eine behutsame und reflexive Vorgehensweise vor.

Schmitt, Rudolf (1999). Von oberen Totpunkten, inneren Schweinehunden und anderen Männern. Zwischenbericht: Alkohol im Alltag und Metaphernanalyse. In: Rundbrief Gemeindepsychologie 1999, Schwerpunktthema Qualitative Forschungsmethoden in der Gemeindepsychologie. Band 5, Heft 2, S. 84-95

Rundbrief Gemeindepsychologie, 1999

. Von oberen Totpunkten, inneren Schweinehunden und anderen Männern. Zwischenbericht: Alkohol im Alltag und Metaphernanalyse. In: Rundbrief Gemeindepsychologie 1999, Schwerpunktthema Qualitative Forschungsmethoden in der Gemeindepsychologie. Band 5, Heft 2, S. 84-95

Metaphernanalyse (Soziale Arbeit) (2010)

Alkohol ist ein 'guter Tropfen' dann einmal ein Gläschen Wein und dann auch als Besonderheit ein Gläschen Sekt (B2) dass also ein guter Tropfen zählt, aber wenig. Also, nicht, nicht die Masse Alkohol (B2) sie [die Mutter] schenkt mir zwar öfters mal Weinflaschen, teurere (B6) Die Verkleinerungsformen "Gläschen" oder "Tropfen" werden in diesen Beispielen aufgewertet durch adjektivische oder adverbiale Bestimmungen (ein 'guter' Tropfen, 'teurere', 'als Besonderheit'), die dem Alkohol einen besonderen Wert als flüssige Kostbarkeit zuweisen. Auf der Handlungsebene lässt dieses Konzept des 'guten Tropfens' eine Ritualisierung der Alkoholmengen zu, die im visuellen Konzept, dass Trunkenheit zur Dunkelheit führt, nicht denkbar war. -Stärker auf eine Wirkung zielt ein drittes metaphorisches Konzept:

Schmitt, Rudolf (2011). Metaphernanalyse in der Erziehungswissenschaft

Die Reflexion der denkleitenden Wirkung von Metaphern in der Alltags-und Fachsprache hat in der Erziehungswissenschaft eine lange Tradition. Als qualitative Forschungsmethode ist die Metaphernanalyse jüngeren Datums, denn erst die kognitive Metapherntheorie des Linguisten George Lakoff und des Sprachphilosophen Mark Johnson stellte einen theoretischen Rahmen zur Verfügung, der zu einem nachvollziehbaren Prozedere der Rekonstruktion metaphorischer Deutungsmuster entwickelt werden konnte. Der Aufsatz führt in die kognitive Metapherntheorie ein, stellt die vorhandenen empirischen Studien und ältere Reflexionen zur bildlichen Sprache in der Erziehungswissenschaft vor, bevor das Ablaufschema einer Metaphernanalyse skizziert wird. Derzeit dominieren Analysen aus dem Kontext des Lehrens und Lernens, in anderen Gebieten der Erziehungswissenschaft lassen sich erste Studien finden.