IBERO-ONLINE.DE Paul Zech im argentinischen Exil 1933-1946: Legenden und Leid-ein Schriftsteller ohne Publikum * * (original) (raw)

Paul Zech im südamerikanischen Exil 1933-1946. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Emigration in Argentinien

1978

Obw ohl Argentinien eines der bedeutend sten A ufnahm eländer für die aus politi schen oder "rassischen" G ründen vom "D ritten Reich" verfolgten Flüchtlinge w ar (man schätzt die Zahl der nach Argen tinien gelangten Flüchtlinge auf 45 000), ist die Geschichte dieser Emigration wie auch des von ihr geschaffenen kulturel len Lebens, insbesondere ihres literari schen und publizistischen Wirkens, bis her kaum erforscht. Dies gilt auch für den Ende 1933 nach Argentinien emi grierten und 1946 in Buenos Aires ver storbenen Schriftsteller Paul Zech, der wohl aus der Zeit vor dem ersten W elt krieg und aus den zwanziger Jahren als "expressionistischer L yriker" und "Ar beiterdichter" bekannt ist, dessen um fangreiches, zum großen Teil unver-© BIBLIOTHECA IBERO-AMERICANA V erö ffen tlich u n g en des Ibero-A m erikanischen In stitu ts P reu ß isch er K ulturbesitz H erausgegeben v o n W ilh elm S tegm ann B and 24

Paul Zech in Argentinien - Kulturkrise und Neuschöpfung der Welt

Es fehlt Deutschland, aber insbesondere Argentinien nicht an Beispielen für Erfahrungen gescheiterter oder erfolgreicher Einwanderer. Argentinien ist als Einwanderungsland umfassend erforscht, die Einwanderung stellt einen Wesenskern des argentinischen Selbstverständnisses dar. Auch ist die Immigration der Deutschen dort dokumentiert, nicht aber ist es bisher gelungen, die Erfahrungen deutscher Einwanderung in Argentinien für Deutschland als Einwanderungsland des späten 20. Jahrhunderts fruchtbar zu machen. Die deutsche Wanderung nach Argentinien ist zeitlich und geografisch zu weit entfernt, als dass sie z. B. mit der Migration der Gastarbeiter ab 1960 nach Deutschland in Verbindung gebracht würde. Argentiniens Sozialgeschichte bietet jedoch ein großes Potenzial, denn die Geschichte und Erfahrungen deutscher Einwanderer in Argentinien geben ein vergleichbares, aber im Kern anderes Bild, als es diejenigen der Gastarbeiterwanderung nach Deutschland darstellen. Dem Kulturkonflikt weicht in der neuen Welt die kreative interkulturelle Neuschöpfung einer neuen Identität, die Altes und Neues verbindet. Buenos Aires und Argentinien versprachen Millionen von Einwanderern ein neues Leben, das " hacerse la América " wurde zum Allgemeinplatz, es blieb leider oft nur ein Traum. Viele Einwanderer des späten 19. und 20. Jahrhunderts scheiterten bzw. blieben in Buenos Aires in elenden Lebensverhältnissen stecken. Nicht hinterfragt wird in Argentinien jedoch die Vermischung der Kulturen. Deutschland begreift sich dagegen noch nicht als interkulturell, Argentiniens Identität findet darin aber gerade die Grundlage, auch wenn das Land seit seiner Gründung mit der Verbindung seiner unterschiedlichen Kulturen ringt. Die Verbindung der Migrantenkulturen dort wurde zur Basis einer neuen Identität, ganz anders als z. B. im angelsächsisch geprägten Nordamerika. Paul Zech kann als Avantgarde-Migrant eine paradigmatische Stellung im Prozess der Identitätskonstruktion einnehmen. Er war wohl der erste maßgebende deutsche Exilant und Expressionist in Argentinien, der angesichts der Machtüberlassung 1933 unfreiwillig seine Heimat verlassen hatte und über unterschiedliche, mehr oder weniger erfolgreiche Integrations-und Distanzversuche letztlich in der Kulturschaffung und -vermittlung seine neue Heimat fand. Erst zögerlich wird er aber von der argentinischen Literaturwissenschaft bemerkt. Hier steht er immerhin für den sog. " Avantgardetransfer " oder für die " Stadtbricolage ". 2 Zech erfasst und bearbeitet als deutscher Exilant in Argentinien auf seine Weise geradezu den Grundkonflikt des Landes: eine sich hinterfragende eurozentrische Moderne, die gegen ein verschüttetes altes und zugleich hervor drängendes neues Amerika steht. Es gelingt ihm in dem bedeutenden Zeitfenster der Dreißiger-und Vierzigerjahre schließlich, beides zu verbinden. Das Exil stellt dabei die Extremsituation der Migration dar. Zechs Grunderfahrungen werden so zu Metaphern des postmodernen Menschen, der haltlos zwischen einer Kultur und der anderen wandert und sich neu konstruiert. Wenn man eine wesentliche Erfahrung Zechs in der neuen Umwelt Argentiniens hervorheben muss, so ist es wohl die Krisenerfahrung in der amerikanischen Großstadt, die sich auf verschiedene Weise durch alle Phasen seines Exils zieht.

Übersetzer im Exil (1933-1945): Erkundungen auf einem unbestellten Forschungsfeld (2016)

Exile Studies have a long tradition. They have always encompassed as well the biographical studies of individual groups of people who had to flee the territory ruled by National Socialists due to racism or for political reasons, such as politicians, trade union activists, publicists, writers, artists, and scientists. Research, however, has so far not paid attention to one group—translators. In this paper, the possible scope of research into this group and how the political turning points in 1933, 1938, and 1945 affected translation are discussed. At the same time, this contribution is a request for collaboration in a new interdisciplinary field of study, the research into the life and oeuvre of individual translators.

Die Schweiz und das literarische Exil (1933–1945)

Jahrbuch für Europäische Geschichte, 2006

Seit dem Erscheinen des so genannten Bergier-Berichts im Jahre 2001/2002 kann die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg als weitgehend erforscht gelten . Der Bericht ermöglichte es auch, einen Gesamtüberblick über die schweizerische Flüchtlingspolitik zu gewinnen . Doch obwohl der Einberufung der Expertenkommission im Jahre 1996 historische Arbeiten vorausgingen, welche die vorherrschende Vorstellung der Schweiz als ein seiner humanitären Tradition folgendes Asylland und Bewahrerin der Demokratie kritisch hinterfragten und als Teil einer nationalen „Rechtfertigungsideologie“ betrachteten, damit auf der Ebene von in den 1930er Jahren offiziell propagierten – und bis heute wirksamen – Werten, Leitbildern und Ideen ansetzten, befasste sich die Bergier-Kommission nicht mit deren Vermittlern: hommes des lettres, Gelehrte und Schriftsteller . Gerade an der Schnittstelle zwischen einer – unten noch auszuführenden – Kultur der „Geistigen Landesverteidigung“, die zu stärken die schweizerischen Schriftsteller von den politischen Autoritäten aufgerufen waren, und der Haltung gegenüber Flüchtlingen jedoch lässt sich, so die These des vorliegenden Beitrags, zeigen, wie komplex und kontrovers das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland auch im Feld der kulturellen Produktion war und welche Schwierigkeiten sich aus dem doppelten Selbstverständnis des Alpenlandes, einerseits als ein Ort der Zuflucht für Fremde, andererseits als eine selbständige, sich von den sie umgebenden totalitären Regimen abgrenzende helvetische Gemeinschaft, ergaben.

Der Schriftsteller-Philosoph im Exil

2015

Kurzfassung Das Thema dieser Arbeit war, den literarisch-philosophischen Stil des Schreibens von Gunther Anders vom literaturwissenschaftlichen Standpunkt her zu untersuchen, und zwar anhand von ausgewahlten Texten aus seinen Tagebuchern. Die Tagebuchaufzeichnungen haben sich als dafur geeignet erwiesen, weil Anders sie weder als reine bekenntnisliterarische Form noch als reine philosophische Reflexionen verstanden haben will. Daher galt es als Herausforderung, zu zeigen, wie sich Anders’ poetische Sprache, seine Kunst der dramatischen Darstellung, seine Metaphorik, verbunden mit seinen philosophischen Grundgedanken, ausgerechnet in dieser Form offenbaren. Auserdem lasst sich das Tagebuchschreiben als solches bzw. die haufige Verwendung von Tagebuchnotizen in vielen seiner Werke schon an sich als ein Merkmal von Anders’ Schreibstil bestimmen. Als eine der Charakteristika von Anders’ Schreiben wird seine Beschaftigung mit dem Thema Exil genannt. Seine Exilerfahrung nennt Anders selbs...

Der La-Plata-Reisende Ulrich Schmidl (1535-1553). Neuere Literatur zu Autor und Werk

Der La-Plata-Reisende Ulrich Schmidl (1535-1553). Neuere Literatur zu Autor und Werk, 2020

Seit dem Erscheinen der kritischen Ausgabe von Hans Stadens und Ulrich Schmidls Werk , hrsg. durch den Verfasser 2007 bzw 2008, hat sich einiges im Bereich der Forschung zu Schmidl getan. Wir wollen hier für interessierte Leser exemplarisch die wichtigsten Linien der Forschung und neuere Ausgaben vorstellen, soweit zu unserer Kenntnis gelangt.

Heinrich Bettziech / Beta (1813-1876). Berliner Journalist, Satiriker und Anarchist. Emigriert aufgrund philologischer Missverständnisse?, in: Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49. Bd. 4, hrsg. v. Walter Schmidt, Berlin 2013, S. 119-161

genannt Beta), geboren am 23. März 1813 in Werben bei Delitzsch in Sachsen, war ein nicht unbedeutender Berliner Journalist und Publizist. Im Frühjahr 1851also relativ spätfloh er wegen einer drohenden Hochverratsanklage nach England. Der bisher einzige Spezialaufsatz zu ihm macht seine Exilzeit in England zum Thema, und mit Blick auf die Forschungslage lässt sich behaupten, Beta existiert bis heute lediglich als ein Sekundärphänomen der "Gartenlaube"-Forschung, der Fontane-Forschung, der Freiligrath-Forschung und der Marx-Forschung 1 . Seine Aktivitäten vor 1851 sind bisher gar nicht ins Blickfeld geraten.

Im Abgrund der Wut. Zur Kultur- und Literaturgeschichte des Zorns

Seit den Anfängen der abendländischen Kultur- und Literaturgeschichte sind Zorn und Wut zentrale Motive literarischer Texte. Zugleich sind sie Gegenstand intensiver theoretischer Reflexionen in verschiedensten Feldern des Wissens. Das Buch führt beide Aspekte in diskursgeschichtlicher Perspektive zusammen: Ausgehend von den antiken Voraussetzungen (von Homers Ilias bis Senecas De ira) stellt es den epochalen Umbruch in der Codierung des Zorns an der Schwelle zur Moderne ins Zentrum. War der Zorn Jahrhunderte lang als Wunsch nach Rache aufgrund gekränkter Ehre oder verletzten Rechts definiert worden, wird er seit Ende des 18. Jahrhunderts unter der neuen Kategorie des Gefühls (und mehr und mehr unter dem Namen ‚Wut’) mit Begriffen von Energie und Widerstand beschrieben: als Gefühl einer „Beeinträchtigung unseres eigenen Ich’s“ (Burdach). Während von der Antike bis zur Neuzeit der Zorn Ehre und Recht verteidigt, bewacht die moderne Wut: das Leben, das Begehren und das Glück. Die germanistische Studie untersucht an Hand von Diskursen und Texten vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert sowohl die theoretischen Folgen und Weiterentwicklungen dieses Umbruchs als auch die Konsequenzen für das Erzählen von Zorn und Wut.

Kampflieder, Satire, Homoerotik: Ludwig Renns ‘nicht vertonte Texte’ aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs im Hanns Eisler Archiv

Eisler-Mitteilungen, 2022

The article deals with an bundle of papers that Eisler brought back from wartime Spain to Paris in 1937 and kept until the end of his life. The text source, which has hitherto been overlooked by scholars, contains drafts and clean copies of six poems that Renn wrote in Spain in the first months of the Spanish Civil War. These poems can be divided into three distinct groups: two poems are Kampflieder lyrics about the anti-fascist struggle of the German interbrigadists in Spain, two are ironic recollections of lile in (Nazi) prison, and two are personal poems about Renn's feelings and fears at the time regarding his homosexuality. These literary works shed light on significant aspects of cultural life within the German Thälmann Battalion of the International Brigades, as well as on Renn's biography. The documents are kept today in the Hanns-Eisler-Archiv in Berlin, catalogued as "Nicht vertonte Texte”.