Neue Perspektiven der Wissenssoziologie (original) (raw)

Wissensmanagement und Wissenssoziologie

  1. In den letzten Jahren ist das Wissensmanagement zu einer breiten Bewegung geworden, die sich insbesondere im Schnittfeld von wissenschaftlicher Grundlagenforschung und praktischer Anwendung ansiedelt. Trotz ihrer Nähe hat sich jedoch die Wissenssoziologie, die naturgemäß Wissensprozesse untersucht, bislang kaum mit dieser noch recht jungen Disziplin auseinandergesetzt. In meinem hier zusammengefaßten Beitrag will ich (1) die Grundlagen des wissenssoziologischen Ansatzes formulieren, dem ich folge; (2) werde ich skizzieren, wie sich das Wissensmanagement aus der Perspektive der Wissenssoziologie darstellt. Dabei sollte ich betonen, daß dies eine Außenperspektive eines Nicht-Wissensmanagers ist; (3) möchte ich einige Probleme des Wissensmanagements ansprechen, die sich aus dieser Perspektive ergeben, um in dann sehr kurz auf zukünftige Perspektiven einzugehen. (Dabei handelt es sich hier freilich um die Gliederung eines geplanten Aufsatzes, die in dieser Kurzform auf einige Thesen reduziert werden muß.) (1) Die klassische Wissenssoziologie hatte aufgezeigt, daß Wissen auf sehr direkte Weise von sozialen Strukturen abhängt. Unter Wissen wurden dabei, durchaus analog zum englischen "knowledge", sowohl die anerkannten Vorstellungen über die Welt wie auch die Prozesse ihrer Erkenntnis verstanden. (Deswegen war selbst bei Mannheim noch der Begriff der Erkenntnissoziologie im Gebrauch.) Vor allem die deutsche Wissenssoziologie konzentrierte sich auf die weltanschaulichen Elemente des Wissens und ihre Abhängigkeit von sozialen Strukturen. Ein Beispiel dafür sind etwa Schelers klassenbedingte Denkarten oder Mannheims Analyse des deutschen Konservativismus. Die mit Alfred Schütz, Peter Berger und Thomas Luckmann eingeläutete neuere oder neoklassische Wissenssoziologie weitet dagegen das Untersuchungsfeld der Wissenssoziologie dramatisch aus: Hier geht es nicht mehr nur um die "höheren Wissensformen", die Religion, Politik oder Wissenschaft auszeichnen, sondern (auch!) um das Alltagswissen, das unser Handeln leitet [BL66]. Wissen wird hier nicht als vom Rest des Menschen abgelöste Kognition angesehen, sondern als Grundlage jeden Handelns. Wie Handeln basiert Wissen auf elementaren Sinnprozessen, in denen intentionale Bezugnahmen (als Erfahrungen von etwas oder Handlungen auf etwas hin) hergestellt werden. Wissen reicht dabei von nichtsprachlichem implizitem Gewohnheitswissen bis zu ausführlichen symbolischen Konstruktionen, die in kosmologischen und religiösen Modellen gipfeln. 527

» Wissen des Lebens. Wissenssoziologische Beiträge zur Wissenssoziologie

Sociologia internationalis 44/2, 193-215., 2006

Im folgenden Artikel wird der Versuch unternommen, ausgehend von lebensphilosophischem Denken, eine Lebenssoziologie zu skizziereneine Lebenssoziologie, die wissenssoziologische Probleme und Fragen auf eigene Art zu stellen und zu lösen beansprucht. Lebensphilosophisches Denken zielt auf die Sichtbarmachung der Bereiche der sozialen Wirklichkeit, die in der Wissenssoziologie bisher unberücksichtigt geblieben sind.

Erheben, Auswerten, Darstellen: Konturen einer hermeneutischen Wissenssoziologie

1994

In den Wissenschaften, aber besonders in der Sozialwissenschaft, existieren viele Glasperlenspiele. Die reine Methodologie ist eines der schönsten unter ihnen, wenn auch zugleich eines der nutzlosesten. Die Suche nach ehernen Gesetzen, die notwendigerweise die Wahrheit an das wissenschaftliche Tageslicht bringen, ist zwar sehr reizvoll (weil sie den Stoff für viele Tragödien lieferte), doch ist sie (leider) dazu verdammt, sich immer wieder im undurchdringlichen Dickicht symbolischer Welten zu verlieren. Aüen Hoffnungen zum Trotz kann es die eine richtige Methode nicht geben, allenfalls eine nützliche Methode in bezug auf eine interessierende Fragestellung und die vorhandenen bzw. zugänglichen Daten. Ob eine Methode gut oder schlecht ist, kann man U. E. erst dann einschätzen, wenn man weiß, (a) auf welche Frage eine Antwort gefunden werden soll und (b) welche Daten zur Verfügung stehen. Dies gilt für beide Arten wissenschaftlicher Methoden, also einerseits für die Erhebungsund andererseits für die Auswertungsmethoden. Fragestellung, Daten und die Erhebungsund Auswertungsmethoden sind Größen, die bei jeder Forschung aufs Neue in (ein an den jeweiligen wissenschaftlichen Diskurs anschlußfähiges) 'Gleichgewicht' gebracht werden müssen. Welche Daten darf man nun auswerten und mit welcher Methode darf man dies? Darf man alle mit dem gleichen Verfahren interpretieren? Wie kommt man überhaupt an nützliche Daten? Wie können die unterschiedlichen Daten aufeinander bezogen werden? Diese und viele andere Fragen tauchen auf, wenn man eine Studie plant und dann auch durchführt. Diese Fragen werden allerdings erheblich dringlicher, wenn die Auswertung der erhobenen Daten ansteht. Dann zeigt sich, daß sie nicht mit einer und schon gar nicht mit einer endgültigen Antwort zu versehen sind. Wie man die Fragen für sich begründet beantworten kann, hängt von vielen Variablen ab, vor allem jedoch von dem Erkenntnisziel, das man mit der eigenen Arbeit anstrebt. Um dieses Problem besser zu veranschaulichen, möchten wir eine schöne und treffende Metapher Luhmanns aufgreifen. In seiner Klage über die Detailverliebtheit einiger Kollegen zeichnet er folgendes Bild: "Forscher, die man mit dem Auftrag, festzustellen, wie es wirklich war, ins Feld jagt, kommen nicht nirück; sie apportieren nicht, sie rapportieren nicht, sie bleiben stehen und schnuppern entzückt an den Details." (Luhmann 1980: 49)

Wissenssoziologische Videohermeneutik

Handbuch Qualitative Videoanalyse, 2018

Die Wissenssoziologische Videohermeneutik ist ein interpretatives Verfahren zur sozialwissenschaftlichen Analyse von Videodaten unabhängig von deren jeweiligen Inhalten und Erscheinungsformen. Der Beitrag stellt die zentralen methodologischen Grundüberlegungen des empirisch-analytischen Ansatzes vor und erläutert die aus diesen Prämissen sich ableitenden, konkreten Verfahrensschritte einer methodisch kontrollierten Videoanalyse.

Wissen des Lebens: Lebenssoziologische Beiträge zur Wissenssoziologie

Sociologia internationalis 44/2, 193-215., 2006

Im folgenden Artikel wird der Versuch unternommen, ausgehend von lebensphilosophischem Denken, eine Lebenssoziologie zu skizziereneine Lebenssoziologie, die wissenssoziologische Probleme und Fragen auf eigene Art zu stellen und zu lösen beansprucht. Lebensphilosophisches Denken zielt auf die Sichtbarmachung der Bereiche der sozialen Wirklichkeit, die in der Wissenssoziologie bisher unberücksichtigt geblieben sind.