Garcilasos Porträts oder: Wie entsteht das Bild eines Dichters? (original) (raw)

Gott als Porträtmaler in Sermo CCLI [des Nicolaus Cusanus]

In: Inigo Bocken/Harald Schwaetzer (Hrsg.), Spiegel und Porträt. Zur Bedeutung zweier zentraler Bilder im Denken des Nicolaus Cusanus, Maastricht 2005, p. 133-145, 2005

Spiegel und Porträt -genauer gesagt Spiegelbild und gemaltes Bild -sind Metaphern, die aus der Anthropologie des Cusanus nicht wegzudenken sind. Beide illustrieren in treffender, d.h. die besondere Verschränkung von Ähnlichkeit und Verschiedenheit optimal zum Ausdruck bringender Weise das Verhältnis des Menschen als Ebenbild Gottes zu seinem Urbild: Der Mensch ist als ausgezeichnetes Geschöpf Spiegelbild Gottes und dessen Porträt -er ist seinem Schöpfer in höchstem Maße ähnlich und doch zugleich von ihm verschieden. Doch haben die Metaphern von Spiegelbild und Porträt bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Deshalb sollen in einem ersten Abschnitt die zeitgenössischen Positionen von Ralf Konersmann und Hans-Georg Gadamer vorgestellt werden, bevor in einem zweiten Schritt die Auffassung des Cusanus, wie sie sich pointiert in Sermo CCLI finden läßt, dargelegt wird. Ein dritter Abschnitt ist dem kritischen Vergleich der cusanischen Position mit den modernen Interpretationen in Form eines systematischen Resümees gewidmet. 1 Ralf Konersmann, Lebendige Spiegel, 86.

Dichter und Individuum : zu einem Manuskriptblatt aus Hofmannsthals Nachlaß

1996

Die Beschäftigung mit den bildenden Künsten ist schon für den frühen Hofmannsthal, und nicht nur in seinem Erstlingsdrama, prägend. Es dürfte also nicht überraschen, daß er dann in der späteren Phase, wo er über die Stellung des modernen Dichters prinzipiell nachdenkt, auch dessen Beziehung zur bildenden Kunst miteinbezieht. Neu ist nach der Berührung mit der italienischen Renaissance seit der Jahrhundertwende das Rembrandt-Erlebnis. Davon zeugen mehrere ab 1903 erworbene Monographien in seiner Bibliothek, Anspielungen in zahlreichen Aufsätzen wie "Shakespeares Könige und große Herren" (1905) und nicht zuletzt die Entwürfe zu dem Monolog "Rembrandts schlaflose Nacht". In einem bislang unveröffentlichten Manuskriptblatt, das wohl auch aus dieser Zeit stammt, bringt Hofmannsthal einen Vergleich mit der Technik Rembrandts, um den Arbeitsprozeß des Dichters anschaulich zu verdeutlichen: Ahnung und Darstellung des Dunstkreises um den Menschen herum: wie die sich kreuz...

Der Dichter als Mänade. Dionysische Pfade des späten Hölderlin

2019

Die vorliegende Arbeit stellt die Frage nach dem ästhetisch-philosophischen Gehalt der Dionysos-Figur in den späten Dichtungen Friedrich Hölderlins. Dabei rekurriert sie argumentativ auf das von Hölderlin selbst angefertigte Übersetzungsfragment der Euripidei’schen Βάκχαι, das, nur 24 Verse umfassend, in den ersten Prätext einer unvollendeten Hymne mündet, die mit dem Vers „Wie wenn der Land¬mann am Feiertage das Feld“ (FHA, Stuttgarter Foliobuch, 58) beginnt. Der heute allgemein als „Feiertagshymne“ bekannte Text steht, wie die Analyse hermeneutisch, philologisch und diskursrelevant nachweist, in direktem Bezug zur Dionysos-Rezeption der Βάκχαι. Das darin abstrahierte Begriffsinventar und die Auslegung des Dionysos-Motivs dienten schließlich dazu, eine gesamtinterpretatorische Neulektüre der neun "Nachtgesänge" zu vollziehen, die Hölderlins "turn" zum Dionysischen geschichtsphilosophisch wie ästhetisch begründen. Damit wird die Dichtung immer auch genötigt, in die Tiefe zu blicken, um über ihren ontologischen Kern nach Wahrheiten zu suchen. Für Hölderlins ist die dichterische Aufgabe letztlich eine kosmologische, die sich mit dem Wesen, der Entstehung und der Zusammensetzung des Kosmos zu beschäftigen hat. Diese Beobachtung wird in der Analyse der neun Nachtgesänge besonders evident: Die neun Texte zeichnen sich durch eine ihnen eigene Kosmogonie aus, die ein Modell des Kosmos liefert, das ihn trotz des ständigen Zurückfallens in das Chaos als eindimensional versteht. Chaos und Kosmos sind nicht antithetisch zueinander organisiert, sondern korrelativ. In diesem Verständnis von Kosmos gelangt nichts zur Synthese, weil es keine ihr zur Aufhebung dienende These und Antithese gibt. Das Eine, in sich unendlich Unterschiedene, das Hölderlin über Heraklit lernt, ist das Zusammenfallen aus ständiger Destruktion und Konstruktion in partikularer, aber auch in totaler Hinsicht. Hölderlin findet in der entscheidenden Homburger-Phase, die geprägt ist von zahl-reichen existentiellen Enttäuschungen, ein Sinnbild für seine Vorstellung eines Prinzips, das Erscheinungs-, aber auch Ausdrucksform des Kosmos ist und ihm über die Rezeption der Euripidei‘schen Βάκχαι begegnet: Dionysos. Hölderlin und Euripides werden über ihre späte Faszination der Dionysos-Gestalt zu Brüdern im Geiste: Beide schreiben in einer Zeit, die vor einer Abkehr am vorherrschenden Wissensmodell steht. Euripides am Ende der Sophistik, Hölderlin am Ende der Aufklärung. Mit Nietzsche gesprochen: In beiden Fällen bewahrt das Dionysische die Menschheit vor der Allmacht des Apollinischen. Hölderlins Dionysos-Rezeption beginnt mit dem Umschwung in eigene dichterische Pro¬uktion. Der hymnische Ansatz Wie wenn am Feiertage ... ist der erste Reflex, der selbst bacchantische Züge trägt, aber diese in der Form des hypothetischen Wie-Wenns distanziert. Der Text scheitert letztlich an seiner eigenen Problematik, die zerstörerische Kraft der un-mittel¬baren Gotteserfahrung bändigen zu können. Eine Lösung entwickeln erst die Nachtgesänge, indem sie die diony¬sische Welterfahrung als ein ästhetisches Kollektiv im Modus einer dithyrambischen Dich¬tung als Dar-stellungsart des Kosmos verstehen. Das Wie-Wenn des Vorgängertextes ist nun realiter geworden, weil die Möglichkeit der Dichtung zur Notwendigkeit geworden ist: Der Kreis schließt sich, indem die Dichtung als Nachtgesang in ein verborgenes Territorium blickt, um das Walten des Weltenprinzips zu offenbaren. An dessen selbstzerstöreri¬schem Impetus geht sie deshalb nicht zugrunde, weil sie eigene Formen über ihr Ableben hinaus entwickelt. Durch diese An¬teilnahme an der Genese des Kosmos ist sie selbst permanent im Werden, aber zugleich Ausdrucksform der ständigen Neuschaffung des Kosmos. Über den Zustand, im Gewand des Dionysos die Welt zu bewältien, indem ihr eigenes Ableben als sinnvoll erscheint, entwickelt die Hölderlin‘sche Dichtung in den Nachtgesängen ihren eigenen Logos, der die Menschheit als zeit¬gebunden am zeitlosen – und damit ewigen – Zusammenfallen des Kosmos im Chaos versöhnt.

2013d Hans Carossas Ergänzungen: Die Sicht des Archäologen und die Vision des Dichters

E. Koczizky, J. Lang (Hrsg.), Tiefenwärts. Archäologische Imaginationen von Dichtern, 2013

W ir kamen aus dem Kreuzgang in den Hof, wo rosen rankten im gezweig der Zeder und in den Achseln einer jungen Palme die vollen goldnen samenbüschel wuchsen. 5 Am Boden aber blühte wie im norden Feldblume Wegwart, blaue sträuße reihend um das zerfallne Bildwerk alter särge. Und wie der Blinde, den ein sonntagskind führt, geheime Dinge schaut im innern Dämmer, 10 so lernt' ich sehn, und die zerbrochnen Formen ergänzten sich beim Klange Deiner Deutung zu klaren szenen lichtbeglückten Daseins. Zwei Elefanten tragen eine hohe grablampe; ihr entsprießen Laub und äpfel, 15 und nymphen schmiegen sich an Fabeltiere; doch groß und heilig zwischen mann und Frau steht Juno Pronuba, schirmerin der Ehe. Wir gingen weiter zwischen roten Urnen bis zu der großen schreitenden aus marmor; 20 vor dunkelgrüner Laubwand ragt sie, hauptlos, doch ihre leicht beschuhten Füße eilen. Unsagbar schmerzlich war mir dieser Anblick, als müßt' ich Abschied nehmen, müßte fliehen, für immer fliehn aus trümmern schöner vorzeit 25 zurück ins eigne strömend wilde Leben. Doch Du, Du fandest neue Zauberworte, verklärende, und die fluchtgewillte seele, sich beugend unterm Hauche Deiner Andacht, begann gehorsam-still das alte steinbild 30 mit Deiner glühenden rede zu vergleichen. Kein schwärmen war's, war nur ein innig Wittern, der leise Anfang einer treuen Übung, die sich unendlich fortsetzt, ohne Zutun. Durch manches Land bin ich seither gekommen, 35 viel menschen traf ich; nirgends ist ein Bleiben. Doch öfters, wenn ich spät auf's Lager sinke, seh im Dunkel der geschloss'nen Lider die graue Wanderin, die Du so rühmtest mit wunderbaren rührenden Legenden. 40 Entgegen schwebt sie mir, doch nicht mehr hauptlos, und immer weiß ich: sie wird wieder kommen; denn sie nimmt Kraft aus meinen tiefern Kräften. statt eines Kopfs, der irgendwo im schutt liegt, wuchs ihr ein Lichthaupt, wie Athena schimmernd. 45 oft lischt sie aus; plötzlich erglänzt sie wieder. Dann eilt sie sternenhell durch rote Wolken und will mich nachziehn in ein geisterland. hans carossa Ergänzungen: Ein dank an ludwig curtius Abb. xxx Officius illor molesequiate dolorpor abore nonseceatur, ute qui tenit doloreperior aligendi quidus

Figurationen des Porträts

2018

In diesem Beitrag, einem Glückswunsch zum Geburtstag meines lieben Kollegen und Freundes Professor Dietrich Boschung, möchte ich mich einem historischen Herrscher aus dem frühen Mesopotamien namens Mesannepada und der Abbildung auf seinem amtlichen Siegel, die ihm durch eine Inschrift Identität verleiht, widmen. Es handelt sich demzu folge um die älteste sicher belegte Herrscherdarstellung Mesopotamiens. König Mesannepada (im Amt 2563-2524 v. u. Z.) 1 übte die Oberherr schaft über die zwei Hauptstädte der frühdynastischen Länder von Sumer und Akkad, Kisch und Ur, aus. Schon sein Vater, König Meskalamdu, herrschte über diese beiden Machtzentren-und so auch über das ganze Gebiet der frühen keilschriftlichen Zivilisation Mesopotamiens. Der In schrift von Tummal zufolge, einem der Tempel der heiligen sumerischen Stadt von Nippur, baute dort Mesannepada die früher zerstörte Kultstätte wieder auf. 2 Ein tiefgreifender Wandel erfolgte aber erst mit unserem König in seiner (Residenz?)Stadt, dem sumerischen Ur. Genau mit ihm endete nämlich die vorher übliche Praxis von Beisetzungen der wichtigen Persönlichkeiten von Ur in Prunkgräbern mit großartiger Ausstattung von kostbaren Materialien-und sogar mit Menschenopfern 3. Eine sehr wichtige Quelle zu Mesannepadas Herrscherideologie stellt sein Siegel dar (Abb. 1a-d) 4. Er präsentiert sich dort als Sieger über tieri sche, und wahrscheinlich auch menschliche, Feinde; in heroischer Nacktheit verteidigt er einen Stier oder eine Kuh gegen einen furchterregenden Löwen, den er in der zweiten Szene mit einem Dolch angreift. Die identifizierende

Zum Fichte-Bild im Marburger Neukantianismus

Fichte-Studien, 2013

»Der gewaltige Fichte verkündete das Morgenroth einer neuen Welt-Epoche durch die Ausgiessung des heiligen Geistes über alles Fleisch. Der Geist, von dem im neuen Testament geweissagt wird, dass derselbe die Jünger Christi in alle Wahrheit leiten soll: es ist kein andrer als der Geist der Wissenschaft, der sich in unsern Tagen offenbaret hat. Er lehrt uns in unverhüllter Erkenntniss die absolute Einheit des menschlichen Daseins mit dem göttlichen, die von Christus zuerst der Welt im Gleichniss verkündigt wurde. Die Offenbarung des Reiches Gottes ist das Wesen des Christenthums, und dies Reich ist das Reich der Freiheit, die durch Versenkung des eigenen Willens in den Willen Gottes-Sterben und Auferstehen-gewonnen wird. Alle Lehren von der Auferstehung der Todten im physischen Sinne sind nur Missverständnisse der Lehre vom Himmelreich, welches in Wahrheit das Princip einer neuen Weltverfassung ist. Es war Fichte vollkommener Ernst mit der Forderung einer Umschaffung des Menschengeschlechtes durch das Princip der Menschheit [Hvg. G.E.] selbst in ihrer idealen Vollendung gegenüber dem Verlorensein der Einzelnen in den Eigenwillen. So ist der radicalste Philosoph Deutschlands zugleich der Mann, dessen Sinnen und Denken den tiefsten Gegensatz bildet gegen die Interessen-Maxime der Volkswirtschaft und gegen die gesamte Dogmatik des Egoismus. Es ist daher nicht umsonst, dass Fichte der Erste war, der in Deutschland die sociale Frage in Anregung brachte [

Die Gestalt im Gesicht. Zur Figur Don Quijotes und zu den Strukturen literarischer Reputation

arca, 2007

The central issue in the self-reflexive development of Don Quijote is an episode in Part I, 19, in which Sancho Panza names his master “Caballero de la Triste Figura.” The early German Quijote-translators Joachim Caesar, Friedrich Justin Bertuch, and Ludwig Tieck rendered the phrase as “Ritter (von) der traurigen Gestalt,” which has been repeatedly criticized. But we may ask whether the alleged mistranslation Gestalt does not have an impact on Cervantes's phrase and not, perhaps, disclose something in it. It may be argued that Figura anticipates the status of the knight as a literary figure. The premise of the second part of the novel is the popularity of the protagonist. The sobriquet that Sacho Panza gives to Don Quijote actually serves as a promise that is fulfilled in the second part of the novel. Für Siegfried Jüttner zum 66. Geburtstag

Lucas Kilian - der Augsburger Kupferstecher und Porträtist als Chronist seiner Zeit.

Ausstellungskatalog Elias Holl - Meister Werk Stadt, Maximilianmuseum Augsburg, 2023

Lucas Kilian (1579-1637) war bereits ein weit über die Reichsstadt Augsburg hinaus gefragter Kupferstecher, als er 1619 das Bildnis des Elias Holl 2 signierte: Der Kupferstich zeugt von der unangefochtenen Meisterschaft des Lucas Kilian in der Wiedergabe individueller Porträtzüge mit den Mitteln des Kupferstichs.Der Maler und Kunsthistoriograf Joachim von Sandrart (1606-1688) rühmte Lucas Kilian in seiner "Teutschen Academie" (1675) als den besten Kupferstecher in Deutschland nach dem kaiserlichen Hofkupferstecher Aegidius Sadeler (1670-1729), daneben sei Lucas auch ein brillanter Zeichner gewesen. Das belegen insbesondere seine nach dem Leben ("ad vivum") gezeichneten Porträt, die in diesem Aufsatz erstmals Thema einer umfassenderen Untersuchung sind. Sie zeigen ihn als Chronist seiner Zeit. .