Punkrock und Behinderung: Image und Teil einer verkrüppelten Subkultur (original) (raw)

(2016) ‚The world's first amputee pop artist’. Darstellung von Behinderung in Viktoria Modestas ‚Prototype’. In: PopScriptum 12 - Sound, Sex und Sexismus, Online Journal.

Die Darstellung und Thematisierung von Behinderung in der Popmusik ist nicht die Regel. Wo normative Körper-, Schönheits- und Geschlechterbilder vorherrschen, wirken Körper die nicht dieser Norm entsprechen wenig ästhetisch und werden meist nicht gezeigt, oder nur in ihrer Einschränkung visualisiert. Umso größere Wirkung entfaltet vor diesem Hintergrund das viel rezipierte Musikvideo zum Song „Prototype“ von Viktoria Modesta, das die Künstlerin als begehrenswertes Objekt und Subjekt darstellt: Die gutaussehende, weiße und reiche Sängerin wirkt im Musikvideo gerade durch das Tragen einer Beinprothese besonders, glamourös und sexy. [2] Das Besondere bei Modesta sind ihre verschiedenen Unterschenkelprothesen, die sehr ästhetisch in das Musikvideo eingebracht wurden, um unterschiedliche Zwecke innerhalb der Storyline zu erfüllen: ein schwarzer Stachel, leuchtende Neonröhren und eine Prothese aus Swarovski-Kristallen. Der englische Text des Liedes ist simpel gestaltet. Das Video selbst beinhaltet Sequenzen, die als sexy, queer und freakig identifiziert werden können. Der Song wird von harten technischen Beats begleitet, die visuell und akustisch Stärke signalisieren. Das Fehlen des Unterschenkels wird hier nicht als Beeinträchtigung thematisiert, sondern als ästhetisches Charakteristikum, als Moment der Freiheit und als Merkmal subversiver Dominanz. Im vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, inwiefern die körperliche Versehrtheit Modestas keine Behinderung [3], sondern eine selbstbestimmte, eigenmächtige Überschreitung von Schönheits- und Körpernormen dargestellt. Mit dieser popkulturellen Aneignung wird ein transhumanes, begehrenswertes Subjekt produziert, das die Grenzen gängiger Vorstellungen von Behinderung übersteigt.

‚The world’s first amputee pop artist’. Darstellung von Behinderung in Viktoria Modestas ‚Prototype’

2016

Grenzen der Mainstream-Popmusik Die Darstellung und Thematisierung von Behinderung in der Popmusik ist nicht die Regel. Wo normative Körper-, Schönheits-und Geschlechterbilder vorherrschen, wirken Körper die nicht dieser Norm entsprechen wenig ästhetisch und werden meist nicht gezeigt, oder nur in ihrer Einschränkung visualisiert. Umso größere Wirkung entfaltet vor diesem Hintergrund das viel rezipierte Musikvideo zum Song "Prototype" von Viktoria Modesta, das die Künstlerin als begehrenswertes Objekt und Subjekt darstellt: Die gutaussehende, weiße und reiche Sängerin wirkt im Musikvideo gerade durch das Tragen einer Beinprothese besonders, glamourös und sexy.[2] Das Besondere bei Modesta sind ihre verschiedenen Unterschenkelprothesen, die sehr ästhetisch in das Musikvideo eingebracht wurden, um unterschiedliche Zwecke innerhalb der Storyline zu erfüllen: ein schwarzer Stachel, leuchtende Neonröhren und eine Prothese aus Swarovski-Kristallen. Der englische Text des Liedes ist simpel gestaltet. Das Video selbst beinhaltet Sequenzen, die als sexy, queer und freakig identifiziert werden können. Der Song wird von harten technischen Beats begleitet, die visuell und akustisch Stärke signalisieren. Das Fehlen des Unterschenkels wird hier nicht als Beeinträchtigung thematisiert, sondern als ästhetisches Charakteristikum, als Moment der Freiheit und als Merkmal subversiver Dominanz. Im Clara Becker, Franziska Knöppchen und Lisa Pfahl, ‚The world's first amputee pop artist'. Darstellung von Behinderung in Viktoria Modestas ‚Prototype' 2 vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, inwiefern die körperliche Versehrtheit Modestas keine Behinderung[3], sondern eine selbstbestimmte, eigenmächtige Überschreitung von Schönheits-und Körpernormen dargestellt. Mit dieser popkulturellen Aneignung wird ein transhumanes, begehrenswertes Subjekt produziert, das die Grenzen gängiger Vorstellungen von Behinderung übersteigt.

Punk und Pose – zur Medienästhetik zwischen Bild, Text und Performance

Stilbildungen und Zugehörigkeit (pp.67-91), 2019

Die großen traditionellen Debatten um Subversion, Gegenkultur und Popkultur haben sich in den vergangenen Jahren sehr stark auf die Binnensemantik von Pop und Tradition kapriziert. Innerhalb dieser Debatte lassen sich Argumentationsmuster festmachen, die in der Geschichte der Popmusik stilbildend sind. So geht es in der Frage nach Gegenkultur und Subversion im Pop selbstverständlich auch immer um die Frage des öffentlichen Auftretens, der äußeren Erscheinung und um das politische Programm innerhalb einer Tradition von Popkultur. In den folgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, insbesondere den Begriff der Pose zu erproben und fruchtbar zu machen und dabei auf eine der wichtigsten Zäsuren der Popkultur, nämlich Punk und New Wave, zu übertragen.

"Yankees raus". Amerika-Rezeption im deutschen Punk- und Hardcore-Diskurs

Amerika-Rezeption im deutschen Punk-und Hardcore-Diskurs "Dies ist eine Geschichte von Ufern. An die Wellen schlugen. Sie kamen aus England, breiteten sich dort schnell aus, sprangen aufs Festland über, setzten die Großstädte unter Wasser und flossen von dort aus weiter, um später in der Provinz zu verebben. Jahre später. 1975 in England ausgebrochen, 1981 bei uns verebbt. In uns. Ein Jugendtsunami." 1

Vom Kanon der Verbote und der postmedialen Musik – Überlegungen zu Tabu Tonalität

die Konstitution musikalischen Zusammenhangs durch Tonalität ist unwiederbringlich dahin. Weder glaubt die dritte Generation an die beflissenen Dreiklänge, die sie blinzelnd schreibt, noch vermöchten die fadenscheinigen Mittel von sich aus zu anderem Klang eingesetzt zu werden als dem hohlen." i So schrieb Theodor W. Adorno in seiner 1949 erschienenen Philosophie der neuen Musik und zementierte damit die Ablehnung der tonalen Musik, die vor ihm bereits Schönberg als überholt erklärt und mit seiner Methode der "12 nur aufeinander bezogenen Töne" systematisch ausgehebelt hatte. Das Tabu Tonalität hatte in der Zeit, als Adorno diese Zeilen schrieb zweifelsohne seine Hochzeit. Hat dieses Gebot heute noch Gültigkeit? Spontan wirkt es veraltet, wähnen sich doch die meisten der zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten in einer Zeit, in der alles erlaubt ist. Die Frage nach dem Tabu Tonalität erweckt dadurch beinahe schon nostalgische Gefühle und erinnert an eine Zeit, als die Welt geordnet schien, in der Richtig und Falsch unmissverständlich voneinander getrennt waren. Nun sind Tabus widerspenstige Gefährten, sie verabschieden sich nicht einfach dadurch, dass sich die Rhetorik im betreffenden musikalischen Diskurs ändert. Auch wenn längst ein "alles ist erlaubt" formuliert und proklamiert wurde, greifen allzu oft die Fesseln der vergangenen Verbote auf unbewusste und damit umso widerstandsfähigere Art. Geht man heutzutage im deutschsprachigen Raum auf ein Festival der instrumentalen Neuen Musik, fällt auf, dass der überaus dominante Teil der zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten die Tonalität bestenfalls mit größter Vorsicht angreifen. Verbalisiert man heutzutage aber noch, dass Tonalität verboten sei, erntet man damit am ehesten ein müdes Lächeln. Tatsächlich scheint das einstige Verbot in der Praxis aber noch verblüffend stark nach zu wirken. Wozu dienen Tabus? Entsprechend der Anthropologin Mary Douglas, schützen Tabus eine Gesellschaft, indem sie eine bestimmte Ordnung aufrechterhalten, also konservieren, und von der Verbreitung einer unheilbringenden Idee oder Substanz schützen. Feared contagion extends the danger of a broken taboo to the whole community. ii Ein typisches Beispiel für ein kulturübergreifendes Tabu ist das Inzestverbot, das eine Familie und damit auch die Gesellschaft vor Fehlgeburten und genetischer bedingter Resistenzschwäche schützen soll. Entsprechend sollte die neue Musik der 50er Jahre vor einer vermeintlich degenerativen Wirkung der Tonalität geschützt werden, die, so Adorno, von der Kulturindustrie vereinnahmt und zur Verblendung des Bürgertums benutzt wurde. iii Um die Frage zu beantworten, ob so ein Tabu heute noch Gültigkeit hat, ist es meiner Meinung nach notwendig, sich zu vergegenwärtigen, aus welcher Situation heraus dieses Verbot einst entstanden