Ich bin immer noch da! : Begleitung von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und Demenz (original) (raw)

Ich werde wieder lebendig" : Personale Geschehensordnung und Daseinsthematische Begleitung bei Menschen mit Demenz

2008

Der Forderung nach Entwicklung und Evaluation theoretisch fundierter psychosozialer Interventionen bei Demenz wird in dieser Studie nachgekommen. Aufbauend auf der dynamischen Personlichkeitstheorie von Hans Thomae, deren Kern die Daseinsthemen als Vollzugsformen der individuellen Existenz bilden, wurde die Daseinsthematische Begleitung konzipiert, die sich auf einem anthropologisch-philosophischen Hintergrund spiegelt. Nach einer Aufarbeitung dieser Theorie auch in ihren philosophischen Bezugen wird aufgezeigt, wie die daseinsthematische Strukturierung des demenzkranken Individuums erfasst werden kann, wobei auf eine wissenschaftstheoretische Abbildung mit Hilfe des Forschungsprogramms Subjektive Theorien (Groeben) Wert gelegt wird. In Mikrolangsschnitten werden Erlebnisspharen abgebildet, in denen eine von Vertrauen und Offenheit gekennzeichnete daseinsthematischer Begleitung die Autotelie des Selbst fordert und damit in der Personalitat die Individualitat des Menschen hindurchleu...

„(Wozu) brauchen Sie die Betreuungssituation?“ Angehörige von Demenzpatienten in einer analytischen Psychotherapiegruppe

Psychotherapie Forum, 2014

ZusammenfassungFokus dieser Arbeit ist der „Betreuendengewinn“, das heißt die Frage, ob und gegebenenfalls wozu betreuende/ pflegende Angehörige von DemenzpatientInnen die Betreuungssituation nutzen oder auch benötigen. Die Forschungsfrage dazu ist, ob sich die fortschreitende Einsicht, Aspekte der belastenden Betreuungssituation selber zu brauchen, in ganz besonderer Weise klärend und hilfreich für die Bewältigung der Situation erweisen kann.Das Setting war das einer analytischen Psychotherapiegruppe. Die explanatorische Fragestellung wurde methodisch in Anlehnung an das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse beantwortet, wobei Primärcodes zu Kategorien verdichtet wurden.Die Ergebnisse zeigen als positiv konnotierten Betreuendengewinn: bewusst Lebenskunst/ Lebensweisheit üben und die familiäre/ partnerschaftliche Beziehung aufgrund der Situation genießen. Andere Profite galten der Distanzierung: das Verhältnis von Nähe und Distanz klären, eigene Ängste abwehren, die familiäre Beziehung trotz der Situation genießen, Ambivalenz bewusst machen, mit Gedanken an den Tod vertraut werden, Kontrolle ausüben. Weiters wurde zusätzliche therapeutische Selbsterfahrung vertieft und das Thema Patientenverfügung reflektiert.Durch diese Klärung konnte die Situation vielfach als Lebensabschnittschance angenommen werden und konnten sich Versöhntheit vertiefen, Ambivalenzen eingeordnet, Nähe/Distanz-Konstellationen optimiert, die eigene Begrenztheit und Sterblichkeit mit größerer Angstfreiheit realisiert und quälende Kontrollmuster sich selbst und den Betreuten gegenüber aufgelöst werden.SummaryThe focus of this investigation is “caregiver’s gain”, i.e. the question as to whether and, as the case may be, to what purpose relatives who provide care for dementia patients can use the caregiving situation or even need it. The research question is whether a caregiver’s progressive awareness of needing certain aspects of the burdensome caregiving situation themselves can prove to clarify and promote efforts to cope with the situation in a very special way. The setting was that of an analytic psychotherapy group. The explanatory question was answered in keeping with the method of qualitative content analysis, with primary codes being condensed into categories. The results show a positively connoted caregiver’s gain: cultivating the art of living/wisdom and enjoying the familial/partnership and relationship on the basis of the situation. Other benefits had to do with distancing: clarifying the relationship of closeness and distance, warding off one’s own fears, enjoying the familial relationship despite the situation, becoming aware of ambivalence, dealing with thoughts about death, exercising control. Moreover, additional therapeutic self-experience was deepened and the topic of advance health care directives was reflected on.Such clarification made it possible to accept the situation in many ways as a stage-of-life opportunity, allowing the caregiver to deepen a state of reconciliation, assess forms of ambivalence, optimize constellations of closeness and distance, gain an awareness of their own limits and mortality with less anxiety and dissolve distressing patterns of control in regard to themselves and the person being cared for.

Einleitung: Demenz und personale Identität

Zeitschrift für Praktische Philosophie

Die zunehmende Verbreitung von Demenzerkrankungen hat zu einem erhöhten Interesse an philosophischen Theorien der personalen Identität geführt, da diese Patienten in manchen Hinsichten aus ihrer eigenen Identität "herauszufallen" scheinen. Zu den philosophischen Ansätzen, die sich hiermit beschäftigen, gehören Theorien der numerischen Identität, wie etwa das psychologische oder das biologische Kontinuitätskriterium, narrative Theorien der Identität, aber auch Refl exionen über verschiedene Formen des Erinnerns, die sich zum Teil in der modernen Psychologie und in den Neurowissenschaften niederschlagen. Dieses Schwerpunktheft enthält aktuelle Beiträge von Experten aus den genannten Bereichen.

Die Betreuung von Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus aus Sicht des Behandlungs- und Betreuungsteams

Pflege, 2019

Um der Komplexität der Betreuungssituation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus gerecht zu werden, ist es erforderlich, bedürfnisgerechte Interventionen zu entwickeln. Dabei sollte die Sichtweise aller für die Situation relevanten Personengruppen miteinbezogen werden, unter anderem auch die Sicht der Betreuungsteams. Ziel: Diese Studie untersuchte, wie sich die Betreuung von Menschen mit Demenz innerhalb der strukturellen Gegebenheiten in drei Schweizer Zentrumspitälern aus Sicht der Betreuungsteams gestaltet. Methode: Es fanden drei Fokusgruppeninterviews mit Teams (bestehend aus Ärztinnen / Ärzten, Pflegenden und Therapeutinnen / Therapeuten) statt. Die Datenanalyse erfolgte mithilfe der Inhaltsanalyse nach Mayring. Ergebnisse: Insgesamt nahmen 20 Fachpersonen teil. Drei Hauptkategorien ließen sich identifizieren: "Menschen mit Demenz konfrontieren das Krankenhaussystem", "Das Krankenhaussystem wird Menschen mit Demenz nicht gerecht" und "Notwendige Veränderungen erfolgen innerhalb des Krankenhaussystems". Es wird deutlich, dass es innerhalb des Krankenhaussystems nicht vorgesehen ist, auf spezifische Bedürfnisse von Menschen mit Demenz einzugehen. Die Teams sehen sich gezwungen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Dies geschieht unsystematisch und mit wenig Unterstützung durch das System. Schlussfolgerung: Es erscheint essenziell, die Initiative der Teams zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Betreuung von Menschen mit Demenz systematisch zu unterstützen. Bei der Entwicklung von Interventionen sollte die Teamzusammenarbeit als ein Hauptaspekt berücksichtigt werden.

Leben mit Demenz – Recht des Einzelnen, Chance der Gemeinschaft. (Rez. v.: Klie, Thomas (2021): Recht auf Demenz […])

Zeitschrift für Gemeinwirtschaft und Gemeinwohl, 2021

Der Titel des hier anzuzeigendes bemerkenswertes Büchlein befremdet: Was soll das sein, ein „Recht auf Demenz“, also ein Recht auf etwas, das doch niemand haben möchte… Der Autor Thomas Klie, Gerontologe und Rechtswissenschaftler, richtet mit einer „philosophische[n] Herleitung eines Rechts auf Demenz“ (11) des Philosophen Reiner Marten die Perspektive seiner Schrift ein: „Wenn wir Demenz nicht heilen können, müssen wir mit Demenz leben lernen. Wenn Demenz eine Lebensform ist, muss eine solidarische und empathische Gesellschaft Menschen mit Demenz ein Recht auf diese Lebensform, eben auf Demenz, einräumen.“ (ebd.) Es geht also um das Recht auf eine – wenn auch nicht selbstgewählte – Lebensform, eine Lebensform, die jeden von uns ereilen kann. Die gewählte Herleitung hat den Vorteil, dass sie von Prämissen ausgeht, die in unserer Gesellschaft unstrittig sind: die (bisherige und voraussichtlich dauerhafte) Unheilbarkeit ist wissenschaftlich unstrittig; das Selbstverständnis als „eine solidarische und empathische Gesellschaft“ ist politisch unstrittig (anders als die weitergehende Vorstellung einer „wärmende[n] Gesellschaft“ [16] es sein wird). Klie macht zu Beginn bereits deutlich, dass dieses Selbstverständnis allerdings mit einer anderen, ebenfalls anerkannten realen Verfasstheit unserer Gesellschaft kollidiert: derjenigen als „radikalisierte[r] Leistungsgesellschaft“ (ebd.). Implizit ist damit gleich das Feld des politischen Streits um ein Recht auf Demenz aufgespannt. Allerdings nivelliert Klie die Schärfe, mit der dieser politische Streit zu führen wäre, indem er ausführt, dass wir uns die – heute bereits – erforderlichen Aufwendungen für eine praktische Realisierung des Rechts „nur so lange leisten [könnten], wie Deutschland durch Exporte der produzierenden Industrie viel Geld verdient“ (ebd.). Das ist ein Argument ähnlich dem von Oskar Lafontaine, der seinerzeit mit dem Verweis auf nicht tragbare Kosten gegen die Wiedervereinigung stritt; die Geschichte zeigte, dass er Unrecht hatte. Warum? Weil auch in der Politik die alte Volksweisheit gilt, „wo ein Wille, da ein Weg“.

Technische Unterstützung für Menschen mit Demenz?

TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis, 2015

Erste assistive Technologien für Menschen mit Demenz wurden bereits entwickelt und sind auch schon am Markt erhältlich. Von einem flächendeckenden Einsatz dieser Technologien kann aber nicht gesprochen werden. Vor dem Hintergrund der offensichtlich vorhandenen gesellschaftlichen Bedarfslage – Demenz gilt als eine der gesellschaftlichen Herausforderungen in Zusammenhang mit dem demografischen Wandel – liegt der Verdacht nahe, dass diese frühen technischen Entwicklungen die Nachfrage des Marktes noch nicht ausreichend gut adressieren. Hier kann eine bedarfsorientierte Technikentwicklung mit der Analyse des räumlichen, sozialen und funktionalen Handlungskontextes und der Identifikation der Anforderungen und Wünsche der Akteure im Pflegearrangement ansetzen. Das heißt, bevor technische Festlegungen getroffen werden, wird erhoben, welche Bedarfe an Unterstützung im Arrangement bestehen. Lassen sich zur Befriedigung dieser Bedarfe technische Assistenzsysteme identifizieren, die im Pflegea...