Dialektwandel und Veränderung der individuellen Varietätenrepertoires. Ergebnisse und Materialien einer empirischen Untersuchung zur Standard/Dialekt-Variation bei russlanddeutschen Aussiedlern in Deutschland (original) (raw)

Mehr als Dialekt-Relikte: Regionale Variation im Gegenwartsdeutschen

Lublin Studies in Modern Languages and Literature

Although dialect use has declined massively over the past 100 years in large parts of the German-speaking countries, there is still a considerable areal diversity overall. Even the written standard language is characterised by diatopic heterogeneity on various levels – pronunciation, lexis, grammar, pragmatics. This is even more true for spoken everyday language, which, depending on the country and area, may be more dialectal, regiolectal, or near-standard in the German-speaking countries. This paper focuses on lexical variation and presents data from the Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA) from online surveys conducted over the last 17 years; some of these data is compared with older data from the Wortatlas der deutschen Umgangssprachen (WDU) collected in the 1970s. The approx. 600 maps of the AdA produced so far document, on the one hand, a surprisingly clear preservation of older regional contrasts in the distribution of diatopic variants, as already known from earlier diale...

Deutsch und Russisch: Herkunftssprachen in russlanddeutschen Aussiedlerfamilien

2016

Deutsch und Russisch: Herkunftssprachen in russlanddeutschen Aussiedlerfamilien Vorbemerkung Im Mittelpunkt des Beitrags stehen vier russlanddeutsche Aussiedlerinnen, die als Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Tochter miteinander verwandt sind. Ihre zweisprachige und bikulturelle Entwicklung in der Sowjetunion, Russland und Deutschland wird durch sprachbiografische und diskursanalytische Verfahren rekonstruiert. Schwerpunkte der longitudinalen Erhebung und Analyse bilden die Situation kurz nach der Ankunft sowie diejenige nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland. Die Abfolge der vier Generationen demonstriert am Beispiel einer durchaus exemplarischen Familie, wie es aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen zum Sprachwechsel in einer Sprachminderheit kommen und wie ein Sprachwechsel aufgrund anderer gesellschaftlicher Entwicklungen wieder rückgängig gemacht werden kann. Die Russlanddeutschen wären nach dem Zweiten Weltkrieg und der Aufhebung der Zwangsansiedlung in den Deportationsgebieten (dem "Kommandantur-Regime") von der deutschen Sprache zur russischen Sprache als Gruppenund Familiensprache übergegangen. Jedoch infolge der Übersiedlung nach Deutschland wird die ursprüngliche Gruppen-und Familiensprache, das Deutsche, reaktiviert und ausgebaut oder gar neu erworben. Das mitgebrachte Russisch gerät in Bedrängnis. Es ist zu wünschen, dass sich die zunehmende Akzeptanz gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und Multikulturalität in Deutschland festigt und den Erhalt der russischen Sprache in Deutschland als Bestandteil europäischer Mehrsprachigkeit begünstigt. Probleme, die sich aus Mehrsprachigkeit und Multikulturalität ergeben könnten, sollte eine moderne Gesellschaft mit zivilgesellschaftlichen Verfahren lösen lernen. Der folgende Beitrag wurde 2014 in der vorliegenden Form zur Publikation in einem Sammelband über Heritage Languages angenommen. Die Entscheidung beruhte auf dem Urteil der HerausgeberInnen und zwei double-blind Peer-Reviews. Im Oktober 2015 teilten die HerausgeberInnen den AutorInnen der Beiträge mit, dass sie aus persönlichen Gründen den Band nicht zum Druck bringen können. Wir wünschen uns sehr, dass dieser Beitrag auch als Online-Publikation seinen Platz in der Diskussion über Heritage Languages, individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit findet.

Strategieneinsatz zum Erwerb rezeptiver Varietätenkompetenzen im mittelbairischen Dialektgebiet

Mason A. Wirtz, 2020

Sollen österreichische Dialekte in den Deutsch als Fremdsprache-Unterricht miteinbezogen werden? Bisher lautet die Antwort auf diese Frage nein, denn standardsprachliche Varietäten vorwiegend bundesdeutscher Natur dominieren die Deutsch als Fremdsprache Lehrwerke. Treten L2-Deutschlernende mit solch einem Lernhintergrund Substandardvarietäten des Deutschen entgegen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Verständnisschwierigkeiten konfrontiert. Die vorliegende Masterarbeit soll nun umfassende, bisher noch nicht erforschte Strategien, Methoden und didaktische Herangehensweisen zur Varietätenkompetenz des Mittelbairischen liefern. Nach einer Auseinandersetzung mit der Plurizentrik und ihrem Bezug zum Deutschen, den österreichischen Nationalvarietäten bzw. dem Standard sowie Substandardvarietäten inkl. Umgangs-, Regionalsprachen sowie Dialekten in Österreich, widmet sich diese Arbeit der Analyse dreier Lehrwerke. Diese Textbücher – Linie 1 – Österreich, Pluspunkt Deutsch – Österreich und Schritte Plus – Österreich – wurden explizit für L2-Deutschlernende in Österreich publiziert und sind alle auf der Niveaustufe B1 angesiedelt. Es sollen im Rahmen dieser Analyse Fragen hinsichtlich des Übungsrepertoires, der Audioauthentizität sowie Berücksichtigung Substandardvarietäten auf der lexikalischen und phonetischen Ebene nachgegangen und neue Erkenntnisse diesbezüglich geliefert werden. Schließlich wird eine Adaptierung des Interkomprehensionsansatzes herausgearbeitet, um so den Erwerb rezeptiver Varietätenkompetenzen bei jenen L2-Deutschlernenden zu fördern. Als abschließender Schritt wird die Adaptierung der erneut konzeptualisierten Methodik in Form eines Lehrwerksexemplars vorgestellt, welches als Ergänzung zum normalen Deutsch als Fremdsprache-Unterricht dienen soll. Das Lehrwerkexemplar und seine praktische Umsetzung wird schließlich aufgeschlüsselt, erklärt und jene weiteren Forschungsschritte an dieser Stelle erläutert.

Zur Varietät des Deutschen in Namibia

Die Neuauflage des "Variantenwörterbuchs des Deutschen" (Ammon et al. 2016) enthält erstmals lexikalische Besonderheiten 1 auch der Viertelzentren, d.h. Länder, in denen das Deutsche nicht den Status einer Amtssprache hat, u.a. der deutschsprachigen Sprechergemeinschaft in Namibia. Damit ist das Deutsche in Namibia nicht unbedingt in das Zentrum des Interesses der germanistischen Sprachwissenschaft gerückt, zumindest jedoch in ihr Blickfeld geraten 2 . Das Deutsche hat in Namibia 3 seit der Unabhängigkeit 1990 den Status einer Nationalsprache (von 11). Alleinige Amtssprache ist Englisch 4 , wobei es nur von ca. 1% der namibischen Bevölkerung als Muttersprache gesprochen wird. Deutsch war Amtssprache lediglich in der Zeit von Deutsch-Südwestafrika als Schutzgebiet 5 (ab 1884; 1915 wurde das Land von 1 Bislang ist die Bearbeitung der namibia-deutschen Lexik generell das Forschungsfeld, über das die meisten Informationen vorliegen, meist als Wortlisten zu Entlehnungen mit Erklärungen. Sprachwissenschaftlichen Anspruch haben allerdings nur Nöckler (1963), Riehl (2002), Shah (2007) und Kroll-Tjingaete (2016). Bei Pütz (1982 und 1983) -als Gesamtausgabe 2001 neu aufgelegt -und Sell (2013) handelt es sich lediglich um populär(wissenschaftlich)e Wörterbücher, die zudem ohne Quellen arbeiten bzw. diese nicht angeben. Allerdings finden sich vereinzelt Herkunftsangaben auch bei Pütz. Darüber hinaus ist die Schreibung bei Pütz und Sell (etwas gewöhnungsbedürftig) vulgär-phonetisch und nicht an den Ausgangssprachen orientiert. Der zweite Schwerpunkt sind sprach-und kulturpolitische Darlegungen, zu vgl. wären hier wiederum Nöckler (1963), Kleintz (1984), Jaworowski (2014) sowie Ammon (2015: 359-369). 2 Insofern gilt auch für Namibia: "Die eingehende Erforschung der nationalsprachlichen Eigentümlichkeiten des Deutschen in den deutschsprachigen Ländern bleibt ein soziolinguistisches Desiderat." (Löffler 1994: 67) bzw. "Despite the prestige held by the Germn language in Namibia, there is a lack of relevant, current and comprehensive literature on the topic. (Shah 2007: 20). 3 Bereits am 12.06.1968 wurde der Name Namibia für das geographische Territorium vom UN-Sicherheitsrat per Resolution festgeschrieben. 4 Die Wahl des Englischen zur Amtssprache hatte politische Gründe. Zum einen wurde Englisch in Namibia als "politisch unbelastete" Sprache von der Regierungspartei SWAPO betrachtet anders als Afrikaans oder Deutsch, zweitens sollte keine ethnische Gruppe bei der Sprachenwahl bevorzugt werden und drittens hatte im 20. Jahrhundert Englisch einen gefestigten Status als Diplomaten-, Wissenschafts-und Techniksprache (vgl. Jaworowski 2014: 26). Englisch ist zudem Arbeitssprache der Afrikanischen Union. Pütz/Dirven (2013: 341) untersuchen das Sprachplanungsmodell und den Kriterienkatalog der SWAPO, wobei sie zu dem Ergebnis gelangen, dass es insbesondere zum Punkt "Akzeptanz" und Englisch als "Sprache der Befreiung" nie eine Befragung oder wissenschaftliche Analyse gab und insbesondere das Kriterium "Bekanntheit" gegen das Englische gesprochen hätte. Eine Untersuchung zur Sprechereinstellung zum Englischen als "Sprache der nationalen Einheit" liegt von Pütz 1995 vor. Dabei schwankt die Akzeptanz von 99% bzw. 92% bei Oshiwambo-Sprechern, 67% bzw. 58% bei Hereros, 14,1% bei Nama und Damara und nur 7,6% bei Sprechern des Afrikaans (Prozentzahlen zitiert nach Pütz/Dirven 2013: 343.) 5 Belege für sprachpolitische Bestrebungen zum sprachlichen Umgang von Nicht-Deutschsprachigen durch die Schaffung einer arbeitsfähigen Verkehrssprache auf deutscher Basis -insbesondere, um nicht dem (Pidgin)-Englischen und vor allem dem Afrikaans, das bereits als interethnische Verkehrssprache fungierte (vgl. hierzu Nöckler 1963: 25, 67f.), das Feld zu überlassen, lassen sich in Emils Schwörers Abhandlung "Kolonial-Deutsch. Vorschläge einer künftigen deutschen Kolonialsprache in systematisch-grammatischer Darstellung und Begründung" von 1916 finden, in der er ein Zweistufenmodell eines vereinfachten Deutsch vorschlägt wegen der "übermäßigen Schwierigkeiten der hochdeutschen Schriftsprache" (Schwörer 1916: 15). System A sollte dabei Das Deutsche als plurizentrische Sprache. Ansprüche -Ergebnisse -Perspektiven. Sonderheft der Zeitschrift für deutsche Philologie, Heinz Sieburg/Hans-Joachim Solms (eds.), 2018.

Einstellungen zu Standarddeutsch und Dialekt in der Deutschschweiz

Die Sprachsituation in der Deutschschweiz mit ihrem funktionalen Nebeneinander von Dialekt und Hochdeutsch und die Plurizentrizität der deutschen Sprache begünstigen die Entstehung von ambivalenten Gefühlen gegenüber dem Standarddeutschen: Einerseits erachten Schweizerinnen und Schweizer das (bundesdeutsche) Hochdeutsch als Instanz für ‚gutes Deutsch', andererseits empfinden sie eine emotionale Distanz zur ‚Quasi-Fremdsprache' Deutsch. Bisherige Studien in der Einstellungsforschung haben denn auch gezeigt, dass ein gespaltenes Verhältnis und negative Einstellungen zum Hochdeutschen entstehen können.

Wandel und Variation in der Morphosyntax der schweizerdeutschen Dialekte

Taal en Tongval, 2014

The article deals with the areal distribution of morphosyntactic variants in Swiss German dialects. The Zurich project "Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz" (SADS) has provided a lot of evidence for the existence of syntactic isoglosses within the German-speaking regions of Switzerland. In the following, we will discuss several types of variant distribution. There are syntactic variables showing a division of Western and Eastern Swiss German dialects, a division well known from phonology and lexis. In addition, we find few archaic variants restricted to southern Highest Alemannic, again in line with other linguistic levels. Most interesting are some variants showing up in quite small-and differing-regions. These regions usually do not only show these specific variants but variation with a more common variant. This leads to a discussion of the implications of variation. Variation is not only seen as an indication of an ongoing change, but it is argued that there is evidence for a long lasting variational situation and largely stable variation respectively. Several possible types of comparison with older data and between age groups (apparent time analysis) within the data are presented. There are relatively few cases where we can show larger shifts between two regional variants and there seem to be only some rare cases of syntactic influence by Standard German introducing new variants. With respect to the old question of morphosyntactic borrowing, Swiss German dialects show cases of resistance as well as cases of interference, the latter concerning loan translation and semantic adaptation if the structure favors it.