Rezension: Sachbuch: Dies Bildnis ist bezaubernd fremd (original) (raw)
Als Hans Belting 1983 seine zunächst befremdende, vielfach vordergründig mißverstandene Münchner Antrittsvorlesung "Ende der Kunstgeschichte?" hielt, leitete er eine langfristige wissenschaftliche Operation ein, welche nicht das Begräbnis einer paralysierten akademischen Disziplin, sondern eher deren Wiedererweckung durch Grenzerweiterung zum Ziel hatte. Die Frage nach der Geschichtlichkeit der Kunst, die seit dem achtzehnten Jahrhundert vor einem spezifisch europäischen Horizont entfaltet worden war und das Paradigma des an den deutschen Universitäten so blendend verkündeten Faches Kunstgeschichte gebildet hatte, soll überwölbt werden durch eine ohne zeitliche und räumliche Begrenzung, vor allem aber auch ohne ästhetischen Vorbehalt gestellte Frage nach dem Bild. In dem erweiterten, ja schließlich grenzenlosen Raum einer erst zu erfindenden Bildwissenschaft würde die traditionelle Kunstgeschichte keineswegs untergehen, wohl aber als ein an ganz bestimmte historische und kulturelle Bedingungen geknüpfter Spezialfall der allgemeinen Geschichte des Bildes relativiert werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich bei diesem Versuch um eine ungemein folgenreiche, auch mutige Operation handelt, der mindestens in Deutschland kaum Vergleichliches an die Seite zu stellen ist und welche gegen die Vorbehalte der "Beati Possidentes" der Fachbeschränktheit allemal in Schutz genommen werden sollte.