Rezension: Sachbuch: Europa (original) (raw)
"Polen" von Renate Marsch-Potocka und Grazyna Strzelecka. Erschienen in der Reihe: dtv Merian Reiseführer. Gräfe und Unzer Verlag, München 1996. 239 Seiten mit zahlreichen Karten und farbigen Fotos. 24,90 Mark. ISBN 3-423-37016-5.
Reiseführer über Polen haben Konjunktur. Jetzt hat dtv/Merian ebenfalls ein Handbuch - in typischer Aufmachung und im informativen Stil der Reihe - über das östliche Nachbarland vorgelegt. Die beiden Autorinnen, die deutsche, in Polen lebende Journalistin Renate Marsch-Potocka und die gebürtige Warschauerin Grazyna Strzelecka, waren, den Vorgängen der sich entwickelnden deutsch-polnischen Annäherungen folgend, bestrebt, ärgerliche Geschichtsklitterungen zu vermeiden. In einem knappen Kapitel über die Kreuzritterzeit des Spätmittelalters zum Beispiel wird diese historische Periode als ein Kampf um Macht im Ostseeraum geschildert und nicht als ein Volkstumskampf unter nationalistischen Aspekten, wie auf polnischer Seite im Roman des Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz oder wie in der NS-Zeit als germanische Heldenideologie. Von den Minderheiten in Polen ist die Rede, von den Ukrainern, den Litauern und der größten Minderheit, den etwa 500000 Deutschen in Oberschlesien und Masuren. Freilich wird die dynastische Politik des polnischen Herzoghauses der Piasten im dreizehnen Jahrhundert nicht einmal erwähnt, die ihr schlesisches Herrschaftsgebiet durch deutsche Siedler aus Hessen, Thüringen und Franken kolonisiert und sich bald der böhmischen Krone angeschlossen haben. Nach Einleitungskapiteln des Bandes zu Historie, wirtschaftlicher und geographischer Gegenwart wird der Leser auf elf Routen durch die unterschiedlichen Regionen Polens geführt. Das gibt praktische Anleitungen für die Reiseplanung. Im Kapitel über Breslau belegen die Autorinnen die Universität mit dem Namen "Leopoldinum". Ihre Anfänge gehen zwar auf den Habsburger-Kaiser Leopold I. zurück, der Anfang des achtzehnten Jahrhunderts die Gründung eines Jesuitenkollegs förderte. Im Jahre 1811 wurde dann die Universität von Frankfurt an der Oder, die "Viadrina", mit der Breslauer Jesuitenhochschule, der "Leopoldina", zur Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität vereinigt. Der Name "Leopoldinum" war nicht üblich. Und die Provinzhauptstadt an der Oder besaß im neunzehnten Jahrhundert nicht nur Industrie und Brauereien. Sie war wichtiges Zentrum von politischer und wirtschaftlicher Verwaltung und von vielen Kultur- und Bildungseinrichtungen, darunter sieben humanistischen Gymnasien. (Wa.)