Ein Krankenhaus vor dem Kollaps: So schlimm steht es um die umkämpfte Schifa-Klinik (original) (raw)

Ein Krankenhaus, das nicht mehr als Krankenhaus funktioniert.

Rund um die Schifa-Klinik in Gaza-Stadt zeigt sich das Kriegsgeschehen von seiner hässlichsten Seite. In den vergangenen Tagen haben die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas rund um das Klinikgebäude im Viertel Rimal massiv zugenommen. Israel vermutet, dass die Hamas ihr militärisches Hauptquartier in Tunneln unter dem Krankenhauskomplex errichtet hat. Die Hamas bestreitet das.

Hier transportieren zwei Sanitäter eine verletzte Frau auf einer Trage in das Krankenhaus (Foto vom 6. November)  

Die Weltgesundheitsorganisation spricht von "entsetzlichen Zuständen". Es befänden sich mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene, schrieb die WHO am Montag auf der Plattform X (früher Twitter). Sie beruft sich dabei auf das palästinensische Gesundheitsministerium, das von der Islamistenorganisation kontrolliert wird. Unter anderem fehlt den Kliniken Treibstoff für den Betrieb von Generatoren, weshalb sie keinen Strom mehr haben. Demnach konnten Patienten unter anderem keine Dialyse mehr erhalten. Frühgeborene seien zudem ohne Brutkästen in Operationssäle verlegt worden.

Nach Angaben des Vize-Gesundheitsministers sind mittlerweile sechs Frühgeborene und neun schwerkranke Patienten gestorben. Die WHO forderte beide Seiten zu einer sofortigen Waffenruhe auf.

Internationale Gemeinschaft fordert Israel auf, krankenhausnahe Kämpfe zu vermeiden

Auch die Europäische Union verurteilte den Einsatz von Krankenhäusern und Zivilisten als Schutzschilde durch die Hamas. "Zivilisten muss erlaubt werden, das Kampfgebiet zu verlassen", heißt es in einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell im Namen der EU von Sonntagabend. "In diesem Zusammenhang fordern wir Israel dringend auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten."

"Die zivilen Opfer in diesem Krieg sind eine reine Katastrophe", betonte Peter Lerner, Sprecher der israelischen Armee in einem ZDF-Interview am Sonntagabend. "Die Zivilisten zahlen einen hohen Preis. Einen Preis, den die Hamas mit ihrer Entscheidung des Angriffs gegen uns, beschlossen hat (...). Wir haben keine Alternative. Wir müssen dieses Paradigma ändern." Laut dem Sprecher sei es daher "unverzichtbar", dass die Menschen das Krankenhaus evakuieren. Man versuche zu koordinieren, zu helfen und unterscheide zwischen nicht-kämpfenden Zivilisten und Soldaten. Es sei "eine Riesenherausforderung für jede Armee", erklärte der Sprecher und fügte hinzu, "aber wir wollen die Hamas besiegen und das bringt uns unserem Ziel einen Schritt näher."

Krieg in Nahost Ein Krankenhaus vor dem Kollaps: So schlimm steht es um die umkämpfte Schifa-Klinik 10 Bilder 13.11.2023

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn rief Israel ebenfalls zur Zurückhaltung auf. "Krankenhäuser dürfen kein Schlachtfeld sein", forderte er unter Verweis auf mutmaßliche israelische Luftangriffe auf die Al-Schifa-Klinik. "Hier sind Babys die ersticken, weil kein Sauerstoff mehr da ist", sagte Asselborn. Am Sonntag hatte der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses bereits ähnliche Worte gefunden. "Die Vereinigten Staaten wollen keine Gefechte in Krankenhäusern, in denen unschuldige Menschen und Patienten, die medizinische Versorgung erhalten, zwischen die Fronten geraten", sagte Jake Sullivan dem Sender CBS.

"Die Lage ist zum Zerreißen", warnte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag in Brüssel nach ihrer dritten Reise in die krisengebeutelte Region.

les / mit DPA