"Es ist fünf nach zwölf": Tobias Hans zweifelt an Friedrich Merz' Eignung als Kanzler (original) (raw)

Früherer CDU-Ministerpräsident "Es ist fünf nach zwölf": Tobias Hans zweifelt an Friedrich Merz' Eignung als Kanzler

CDU-Politiker Tobias Hans

Tobias Hans, früherer CDU-Ministerpräsident im Saarland: "Das hat die CDU-Spitze versäumt"

© Oliver Dietze / DPA

Tobias Hans wirft dem CDU-Vorsitzenden vor, sich nicht entschieden genug von der AfD abzugrenzen. "Es ist fünf nach zwölf", meint der frühere Ministerpräsident des Saarlands. "Das muss auch Friedrich Merz endlich sehen."

Herr Hans, nach den jüngsten Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz zur AfD twitterten Sie: "Wehret den Anfängen!" Das ist eine Anspielung auf den Beginn des Nationalsozialismus. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?

Entschuldigung, die rechtsextreme AfD steigt in den Umfragen immer weiter an, in einigen Ländern wäre sie bereits stärkste Kraft – und sie feiert erste Wahlerfolge auf kommunaler Ebene. Das muss eine konservativ-bürgerliche Partei wie die CDU alarmieren, davon muss sie sich auch deutlich abgrenzen. Das hat die CDU-Spitze versäumt.

Merz preist stattdessen die CDU als "Alternative für Deutschland – mit Substanz" und hat die Grünen als "Hauptgegner" identifiziert. Ein Fehler?
Mir drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, um den Versuch, einen neuen Sound in der CDU zu etablieren. Das ist der Abschied vom Kurs der Mitte, mit dem die CDU fast 20 jahrelang erfolgreich regiert hat. Wir sollten unsere Zeit nicht damit vergeuden, uns von den Grünen abzugrenzen, die lediglich unsere demokratischen Mitstreiter sind. Die AfD aber ist unser politischer Feind, denn in ihren Reihen befinden sich bekanntlich nicht nur Demokraten.

28. September 2023,09:10

Für CDU-Chef Friedrich Merz schaut nach unten

Ist Friedrich Merz noch der richtige Vorsitzende?
Mittlerweile muss man vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft. Und wenn jemand das erklärte Ziel hatte, die AfD zu halbieren – und die sich dann aber locker verdoppelt – dann ist das zumindest kein Ausweis für Erfolg. Und auch der Wechsel eines Generalsekretärs nach nur eineinhalb Jahren, spricht nicht für Führungsstärke.

Friedrich Merz als Kanzlerkandidat? "Frage völlig offen"

Merz würde gern Kanzlerkandidat werden. Einverstanden?
Ich halte diese Frage für völlig offen. Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass der Spitzenkandidat einer Partei Regierungserfahrung mitbringt – und Fingerspitzengefühl bei schwierigen Fragen. Wir haben gute Regierungschefs in den Ländern. Deren Erfolge dürfen wir nicht kleinreden, sondern müssen sie mit ins Team holen. Nur gemeinsam sind wir stark. Das muss die Parteiführung noch lernen.

29. Juni 2023,06:22

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Was muss die CDU machen, um die AfD kleinzuhalten und wieder zu alter Stärke zu finden?
Die CDU muss sich in der Mitte der Gesellschaft verorten und Partnerin derjenigen sein, die sich für ein modernes Deutschland einsetzen. Wir brauchen mehr CO2-Einsparungen, mehr Elektromobilität, neue Technologien. Alle großen CDU-Politiker – von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis Angela Merkel – haben sich zum Ziel gesetzt, an der Spitze des Fortschritts zu stehen und gleichzeitig konservative Werte hochgehalten. Wieder Anwalt und Ansprechpartner für alle Menschen in Deutschland sein, ihnen zuhören und auf dieser Basis konkrete Lösungen für die Probleme der Menschen anbieten – daran müssen wir anknüpfen, dann gewinnen wir auch Vertrauen bei jungen Menschen und Frauen – da sind wir im Moment wirklich auf dem absteigenden Ast.

Sehen Sie eine Chance, dass sich Friedrich Merz in die Riege der CDU-Größen einreihen kann?
Wenn jemand so viel Zeit darauf verwendet, sich von einer Bundeskanzlerin abzugrenzen, die dieses Land maßgeblich geprägt und vorangebracht hat, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: das wird sehr schwierig.

Tobias Hans: "Es ist fünf nach zwölf"

Braucht die CDU einen neuen Beschluss, um ihre Haltung zur AfD zu klären?
Nein. Aber der Vorsitzende muss sich klar zum geltenden Beschluss bekennen: keine Zusammenarbeit mit Extremisten, weder von rechts noch von links! Dieser Grundkonsens hat die CDU stark gemacht.

Aber reicht es wirklich immer nur auf Abgrenzung zur AfD zu setzen?
Wir müssen die AfD inhaltlich stellen und ihre Politik als das entlarven, was sie ist: ausgrenzend und destruktiv. Das ist aber nicht das, was der Parteivorsitzende macht. Merz hat in seinem Interview suggeriert, dass Kompromisse auch mit der AfD gesucht werden können. Dabei müssen wir doch den Konsens mit demokratischen Parteien suchen! Es kann doch nicht sein, dass wir – weil es gerade so schön ist – mal eben eine Mehrheit mit der AfD zimmern. Im nächsten Schritt finden wir uns als Juniorpartner der AfD wieder.

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Übertreiben Sie jetzt nicht ein wenig?
Ganz im Gegenteil. Nun wird es schwer, dass ein Kreisvorsitzender oder Bezirksvorsitzender der Ortsebene aufgibt, keinen Ortsvorsteher mit der AfD zu wählen. Genau so hat schleichend das Versagen eines kompletten Staates in der Weimarer Republik begonnen und zu schrecklichen Dingen geführt, die im deutschen Namen über die Welt gebracht worden sind. Ich kann nur daran erinnern, dass auch die NSDAP in demokratischen Wahlen gewählt wurde. Die AfD steht bundesweit nun bei 22 Prozent. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Das muss auch Friedrich Merz endlich sehen.