Gertrud von Helfta - Ökumenisches Heiligenlexikon (original) (raw)
Schon als fünf Jahre altes Mädchen war Gertrud - wohl als Waisenkind - insKloster Helfta derZisterzienserinnen gekommen, wo sie von der ÄbtissinGertrud von Hackeborn und ihrer LehrerinMechthild von Hackeborn wissenschaftlich und geistlich erzogen und dann selbst Nonne wurde. Sie übersetzte Teile der Heiligen Schrift ins Deutsche. Am 27. Januar 1281 hatte sie eine Vision: Sie wurde von Jesus Christus in die Nachfolge gerufen; er hob sie über eine Dornenhecke zu sich und führte sie davon. Vor ihrer Bekehrung wollte sie den Männern in nichts nachstehen; von ihren damaligen Anstrengungen hatte Jesus in der Berufungsvision gesagt: Bisher hast Du mit meinen Feinden vom Staub der Erde gegessen und aus ihren Dornen ein paar Honigtropfen gesaugt. Komme zu mir - ich will dich trunken machen mit dem Strom meiner göttlichen Wonnen. In den nächsten Jahren wurde diese mystische Christusbeziehung stetig vertieft und entfaltet.
Johann Heiss: Gertrud mit dem Jesuskind, um 1690, in derStiftskirche in Garsten
Pietro Liberi (1605 – 1687): Gertrud in Ekstase, Altarbild in der Basilika Santa Giustina in Padua
Groß war Gertruds Liebe zu Jesus, ausgedrückt in der freien Hingabe an das Leiden als Zeichen der Nachfolge, ebenso stark war auch ihre Liebe zu den Menschen. Stundenlang war sie den Menschen ihrer Umgebung Zuhörerin, Ratgeberin, Trösterin. Gleichzeitig war sie eine hochgebildete und künstlerisch begabte Frau. Umfassende Brautmystik und besondere Verehrung des Herzen Jesu kennzeichneten ihre Frömmigkeit, hinzu kam die Hingabe an Gott in der Feier der Liturgie des Kirchenjahres. Als Vorbild für ihr Leben stellte Christus Gertrud seine Mutter Maria vor Augen, die Hingabe an den Sohn führte dazu, dass seine Wundmale so sehr in ihr Herz eingebrannt wurde, dass sie erlebte, wie er sein Herz gegen das ihre austauschte.
Holzstatue in der ihr geweihten Gertrudkapelle im Kloster Helfta
Ihre beiden Hauptwerke sind der Legatus divinae pietatis, Gesandter der göttlichen Liebe mit der Schilderung der Offenbarungen an Gertrud - wohl Anfang des 15. Jahrhunderts ins Deutsche übersetzt - und die Exercitia spiritualia, Geistliche Übungen; in kunstvoller und hochpoetischer Form enthalten diese Übungen die Zusammenfassung all ihres religiösen Wissens, Lebens und Erlebens, zugleich auch eine Summa des theologischen Wissens und der religiösen Spekulationen ihrer Zeit. Die Legende erzählt von einer Vision der Mystikerin, in der sie die sterbende Jungfrau Maria in einem Garten sah, umgeben mit aller Arten wohlriechender Blumen.
Holzstatue von 1725, in der Klosterkirche in Aroucain Portugal
Als eine der großen Mystikerinnen Deutschlands erhielt Gertrud den Ehrennamen die Große. Im Zuge der Gegenreformation im 16. wurden ihre Werke vor allem in den romanischen Ländern weit verbreitet, gelangten bis nach Südamerika und prägten u. a. Petrus Canisius. Für die katholische Frömmigkeit vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wurden Gertruds Offenbarungen wichtig durch Auszüge, die im erbaulichen Schrifttum aufgenommen wurden.
In Folge eines Fürstenstreits wurde das KlosterHelpede / Helfta 1342 erstmals zerstört und ging schließlich 1525 in den Wirren der Bauernkriege unter; nach kurzer Wiederbelebung wurde es 1542 säkularisiert. Später war die Anlage preußische Staatsdomäne, dann DDR-Volksgut. Nach dem Untergang der DDR kam die Anlage wieder in Kirchenbesitz, dort entstand 1999 wieder ein Zisterzienserinnenkloster. Dort wurde 2008 die ihr geweihte Gertrudkapelle errichtet.
**Kanonisation:**Gertrud wurde erst 1678 ins römische Heiligenverzeichnis aufgenommen.
**Attribute:**Nonne, brennendes Herz, Buch, Kreuz, Feder
Patroninvon Peru und Tarragona in Spanien; zweite Patronin des Bistums Magdeburg
Bauernregel: Tummeln sich an Gertrud die Haselmäuse, / ist es weit mit des Winters Eise.
Worte der Heiligen
Gertrud beschreibt, wie das Kreuz Jesu Christi angemessen verehrt werden kann:
In der Messe sodann wurde sie vom Herrn durch folgende Worte belehrt: Betrachte, welches Beispiel ich meinen Auserwählten durch diese Verherrlichung des Kreuzes gebe. Denn den Gegenständen, welche mir zu körperlichen Erquickungen dienten, wie z. B. dem Gefäß, worin ich in meiner Kindheit gebadet wurde, und ähnlichem, habe ich keine so hohe Ehre erteilt wie meinem Kreuze, der Dornenkrone, der Lanze und den Nägeln, welche dazu dienten, mir Leiden zu bereiten. Deshalb wünsche ich, dass auch meine Freunde mich hierin nachahmen, und zwar dadurch, dass sie meiner Ehre und ihres eigenen Heiles wegen eine größere Liebe ihren Feinden als ihren Wohltätern erweisen, weil sie hieraus einen unvergleichlich größeren Gewinn ziehen können. Unterlassen sie es aber aus menschlicher Schwachheit, die erlittenen Unbilden sogleich durch Wohltaten zu vergelten, so würde es mir hierbei doch ein angenehmes Opfer sein, wenn sie wenigstens eine Weile nachher sich bemühten, den Unbilden durch Wohltaten zu entsprechen, gleichwie das Kreuz meines Leidens eine Zeitlang in der Erde verborgen lag und nachher erhöht wurde. …
Hierauf begehrte sie sehnsüchtig, eine Partikel von dem Herrn so teuren Holz zu erwerben, um durch die Verehrung für dieselbe vom Herrn umso gnädiger angesehen zu werden. Er antwortete ihr: Willst du Reliquien haben, die mein Herz zu dem Besitzer wirksam hinziehen können, dann lies den Text meiner Leidensgeschichte und erwäge dabei sorgfältig, welche Worte ich mit größerer Liebe gesprochen habe. Diese schreibe ab, bewahre sie, überdenke sie oftmals und sei versichert, dass du hierdurch meine Gnade mehr als durch andere Reliquien verdienen wirst.
Quelle: Gertrud die Große: Gesandter der göttlichen Liebe, übersetzt von J. Weißbrot, 4. Buch, 50. Kapitel, S. 384f
Zitate von Gertrud von Helfta:
Gott ist höher und tiefer als alle Erkenntnis; nur die Liebe erreicht ihn.
Der Herr sagte zu ihr: Mein Herz wird verwundet durch ein zuversichtliches Vertrauen. Dies Vertrauen tut meiner Liebe eine solche Gewalt an, dass ich mich ihr niemals entziehen kann.
Der Herr nimmt viel lieber den guten Willen eines aufrichtigen Herzens als große Werke ohne lautere Absicht.
Je mehr ein Mensch von anderen Menschen verlassen ist, desto mehr wird er durch göttliches Erbarmen getröstet.
Je öfter für jemand gebetet wird, desto mehr Segen liegt auf ihm, denn kein gläubiges Gebet wird unerhört bleiben, wenn den Menschen auch die Art der Erhörung verborgen ist.
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung
Martyrologium Romanum Flori-Legium
Im Kunstverlag Josef Fink erschien die von Pfarrer Josef Hochenauer besorgte Auswahl: (Link mit Vergütung) Bilder und Gleichnisse aus dem Werk der heiligen Gertrud von Helfta.
Informationen zu Gertrud von Helfta und ihrem Werk gibt die Homepage von Siegfried Ringler, auf der auch seine neue Übersetzung der Exercitia spiritualia zu bestellen ist.
Das neu aufgebaute Kloster Helfta ist mit eigenerHompage im Internet.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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