Wieder mehr SARS-CoV-2-Infektionen; Vogelgrippe ante portas; Neues zum RSV-Vakzin (original) (raw)
Im Infektiologie-Blog bieten wir Ihnen jede Woche eine kurze Übersicht zu den aktuellen Entwicklungen in der Epidemiologie, Diagnostik und Therapie von COVID-19, Grippe und weiteren Infektionskrankheiten.
Corona-Newsblog, Update vom 20. Juni 2024
- COVID-19, Influenza, RSV – die Trends in Deutschland
- COVID-19: Die FDA setzt bei Vakzinen auf Antigene von KP.2 – die EU bleibt bei JN.1
- RSV: Neue Cochrane Review zeigt Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen
- Dengue-Fieber: Ausbrüche in Europa immer häufiger
- Dengue-Fieber: WHO warnt vor weltweit steigenden Zahlen
- Vogelgrippe: WHO meldet Fall aus Indien
- Vogelgrippe: Wie gut sind wir auf eine mögliche Pandemie vorbereitet?
COVID-19, Influenza, RSV – die Trends in Deutschland
Auf der Website „Infektionsradar“ stellt das Bundesministerium für Gesundheit die wichtigsten Entwicklungen zusammen. Die neuesten 7-Tage-Inzidenzen:
- COVID-19: 1,9 laborbestätigte Fällen je 100.000 Einwohner (13. Mai: 1,0).
- Influenza: 0,23 laborbestätigten Fälle je 100.000 Einwohner (13. Mai: 0,69).
- RSV: 0,07 laborbestätigte Fälle je 100.000 Einwohner (13. Mai: 0,13).
Bei SARS-CoV-2 geht der Trend wieder klar nach oben, was auch die Analyse von Abstrichen zeigt. Im Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren wurden zuletzt in 31 aller 56 eingesandten Sentinelproben respiratorische Viren identifiziert, darunter Rhinoviren (27%), humane Metapneumoviren (hMPV; 11%), Parainfluenzaviren (PIV; 9%), Adenoviren und SARS-CoV-2 (je 7%). Die Positivrate von Influenzavirus- und humanen saisonalen Coronavirus (hCoV) lag bei jeweils 2%. Respiratorische Synzytialviren (RSV) wurden nicht gefunden.
Für die 21. und 22. Woche stehen dem RKI bisher 19 SARS-CoV-2-Genomsequenzen zur Verfügung. Der Gesamtanteil aller JN.1-Sublinien liegt bei 42%. Die Sublinien KP.2 und KP.3 („FLiRT“-Varianten“) wurden je 4-mal (21%) nachgewiesen und JN.1.18 1-mal (5%).
Ob die neuen Varianten mit einer stärkeren Immunflucht oder mit schwererem COVID-19 in Verbindung stehen, ist unklar. Zu den Symptomen zählen v.a. Fieber, Schüttelfrost, Husten, Halsschmerzen, Muskel- und Körperschmerzen und Müdigkeit, aber auch Geruchs- und Geschmacksverlust sowie gastrointestinale Beschwerden.
COVID-19: Die FDA setzt bei Vakzinen auf Antigene von KP.2 – die EU bleibt bei JN.1
Die US Food and Drug Administration (FDA) rät Herstellern von COVID-19-Vakzinen, Antigene des Stamm KP.2 einzusetzen. Die Ankündigung kam überraschend mehr als 1 Woche, nachdem ein FDA-Beratungsgremium einstimmig empfohlen hatte, COVID-19-Impfstoffe für den Herbst anhand von JN.1 oder einen ihrer Abkömmlinge zu aktualisieren.
Nach der Abstimmung herrschte zwischen den Ausschussmitgliedern und Dr. Peter Marks, dem leitenden Impfstoffbeauftragten der Behörde, Uneinigkeit darüber, welchen Stamm die FDA empfehlen sollte. Die meisten Ausschussmitglieder bevorzugten JN.1, während Marks einem neueren Stamm wie KP.2 Priorität eingeräumt hat.
Dies ist das 3. Mal, dass die Impfstoffe aktualisiert wurden, um auf die zirkulierenden Stämme zu reagieren. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) setzt für Herbst und Winter auf Antigene von JN.1.
RSV: Neue Cochrane Review zeigt Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen
Ziel einer neuen Cochrane Review war, die Wirksamkeit und Sicherheit der mütterlichen Impfung gegen das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) zur Vorbeugung von Erkrankungen bei Säuglingen zu beurteilen.
Forscher schlossen 6 randomisiert-kontrollierte Studien mit 17.991 schwangeren Frauen in ihren Review ein. Die Intervention bestand in 4 Studien aus einem RSV-Prä-F-Proteinimpfstoff und in 2 Studien aus einem RSV-F-Protein-Nanopartikelimpfstoff. In allen Studien war das Vergleichspräparat ein Placebo. Die methodische Qualität erwies sich in 2 Studien als hoch und in 4 Studien als niedrig, hauptsächlich aufgrund eines Auswahlbias. Alle Studien wurden von pharmazeutischen Herstellern finanziert.
Eine RSV-Impfung der Mutter verringert im Vergleich zu Placebo die Zahl an Krankenhauseinweisungen von Säuglingen mit RSV-Infektion (Risikoverhältnis 0,50, 95%-Konfidenzintervall 0,31 bis 0,82; 4 RCTs, 12.216 Säuglinge; hohe Evidenz). „Basierend auf einem absoluten Risiko von 22 Krankenhauseinweisungen pro 1.000 Säuglingen unter Placebo entsprechen unsere Ergebnisse 11 Krankenhauseinweisungen weniger pro 1.000 Säuglingen von geimpften schwangeren Frauen“, so die Autoren.
Die RSV-Impfung der Mutter hat im Vergleich zu Placebo wenig oder keinen Einfluss auf das Risiko angeborener Anomalien (RR 0,96, 95%-KI 0,88 bis 1,04; 140 pro 1.000 mit Placebo, 5 weniger pro 1.000 mit RSV-Impfung; 4 RCTs, 12.304 Säuglinge; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit).
Auch hat eine Impfung wahrscheinlich wenig oder keinen Einfluss auf das Risiko einer intrauterinen Wachstumsstörung (RR 1,32, 95%-KI 0,75 bis 2,33; 3 pro 1.000 mit Placebo, 1 mehr pro 1.000 mit RSV-Impfung; 4 RCTs, 12.545 schwangere Frauen; moderate Evidenz). Zudem berichten die Forscher, es gebe möglicherweise wenig oder keinen Einfluss auf das Risiko einer Totgeburt (RR 0,81, 95%-KI 0,38 bis 1,72; 3 von 1.000 mit Placebo, kein Unterschied mit einer RSV-Impfung; 5 RCTs, 12.652 schwangere Frauen).
Möglicherweise sind weitere Untersuchungen in Zusammenhang mit Frühgeburten erforderlich. Basierend auf einem absoluten Risiko von 51 Frühgeburten pro 1.000 Säuglingen von schwangeren Frauen, die ein Placebo erhalten hatten, scheint es bei schwangeren Frauen mit RSV-Impfung 8 Frühgeburten mehr pro 1.000 Säuglinge geben. Weitere Sicherheitssignale fand das Autorenteam nicht.
Dengue-Fieber: Ausbrüche in Europa immer häufiger
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) warnt zunehmend mehr importierten Infektionen mit dem Dengue-Fieber bei Reisenden, die aus Endemie-Gebieten kommen. Auch die Zahl an Infektionen mit dem West-Nil-Virus nimmt zu.
„Europa sieht bereits, wie der Klimawandel günstigere Bedingungen für invasive Mücken schafft, die sich in bisher nicht betroffene Gebiete ausbreiten und mehr Menschen mit Krankheiten wie dem Dengue-Fieber infizieren“, kommentiert Andrea Ammon, Direktorin des ECDC. „In den am stärksten gefährdeten Gebieten Europas sind persönliche Schutzmaßnahmen in Kombination mit Maßnahmen zur Vektorkontrolle, die Früherkennung von Fällen, die rechtzeitiger Überwachung, weiterer Forschung und Sensibilisierungsmaßnahmen von größter Bedeutung.“
Ein Blick auf die Zahlen:
- Im Jahr 2023 wurden in der EU bzw. im EWR 130 lokal übertragene Dengue-Fälle gemeldet, im Jahr 2022 waren es 71 Fälle.
- Im Jahr 2023 kam es zu 713 lokal übertragenen Übertragungen des West-Nil-Virus in 123 verschiedenen Regionen von 9 EU-Ländern. 22 dieser Regionen waren 2023 zum 1. Mal Infektionsorte. Insgesamt sind 67 Patienten gestorben. Die Zahl der gemeldeten Fälle ist zwar niedriger als im Jahr 2022 (1.133 Fälle). Aber die Zahl der betroffenen Regionen steigt kontinuierlich, was auf eine weite geografische Verbreitung des Virus – und seiner Vektoren – hindeutet.
Dengue-Fieber: WHO warnt vor weltweit steigenden Zahlen
Die Zahl der zwischen Januar und April 2024 weltweit registrierten Dengue-Fälle übersteigt bereits die Gesamtzahl der Fälle aus 2023, wie Medscape berichtet. In den ersten 4 Monaten dieses Jahres wurden 7,89 Millionen wahrscheinliche Fälle der Krankheit registriert, verglichen mit 6,6 Millionen im letzten Jahr.
Experten der WHO betonen, dass der Anstieg der Inzidenz multifaktoriell sei. Ohne Frage sei der Klimawandel ein entscheidender Faktor für die Ausbreitung der Krankheit, auch in Regionen, in denen Infektionen zuvor nicht aufgetreten sei. „Härtere Bedingungen begünstigen tatsächlich Mücken, sodass sie sich viel schneller vermehren können. Gleichzeitig vermehrt sich auch das Virus im Körper der Mücke stärker. Dies trug tatsächlich zur Ausbreitung der Krankheit bei“, sagte Dr. Raman Velayudhan von der WHO-Abteilung zur Kontrolle vernachlässigter Krankheiten. Und die steigende Zahl an Reisen hätte zur Verbreitung mit beigetragen.
Als Herausforderung nennt die WHO, zu verhindern, dass andere Arboviren, die oft Dengue-ähnliche Symptome aufweisen, nicht ausreichend erfasst werden. „Es gibt Länder, die gleichzeitig von Chikungunya, Zika und Oropouche betroffen sind. Wenn alle Erkrankungsfälle davon als Denguefieber-verdächtig gelten, wird das Meldesystem [übermäßig viele] Denguefieber-Fälle erfassen. Das ist eine Herausforderung für uns“, sagt Velayudhan.
Vogelgrippe: WHO meldet Fall aus Indien
Indische Behörden haben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Details über die 1. Infektion mit dem Vogelgrippevirus A(H9N2) übermittelt. Der Fall liegt schon Monate zurück, ist aber erst jetzt kommuniziert worden.
- Am 26. Januar 2024 haben Eltern ihr 4-jähriges Kind beim Pädiater erstmals mit Fieber und Bauchschmerzen vorgestellt.
- Am 29. Januar bekam es Krampfanfälle und wurde erneut dem Kinderarzt vorgestellt.
- Am 1. Februar wurde das Kind aufgrund schwerer Atemnot, hohem Fieber und Bauchkrämpfen auf die pädiatrische Intensivstation eines örtlichen Krankenhauses eingeliefert. Ärzte diagnostizierten eine postinfektiöse Bronchiolitis, die durch eine virale Lungenentzündung verursacht worden ist.
- Am 2. Februar wurden Proben im Virusforschungs- und Diagnoselabor des Krankenhauses positiv auf Influenza B und auf ein Adenovirus getestet.
- Der kleine Patient wurde am 28. Februar 2024 vermeintlich genesen aus dem Krankenhaus entlassen.
- Am 3. März wurde er wegen erneuter schwerer Atemnot in ein anderes staatliches Krankenhaus überwiesen, auf die pädiatrische Intensivstation eingeliefert und intubiert.
- Am 5. März haben Ärzte einen Nasopharynxabstrich an das Kolkata Virus Research and Diagnostic Laboratory geschickt; in der Probe konnten Influenza A (nicht subtypisiert) und Rhinoviren nachgewiesen werden.
- Dieselbe Probe wurde zur Subtypisierung an das National Influenza Centre am National Institute of Virology in Pune geschickt. Am 26. April konnten Forscher per PCR das Influenza A(H9N2) typisieren.
- Am 1. Mai wurde der kleine Patient mit Sauerstoffunterstützung aus dem Krankenhaus entlassen.
Das Kind hatte zu Hause und in der Umgebung Kontakt mit Geflügel. Es gab keine bekannten Personen in der Familie, der Nachbarschaft oder unter den Mitarbeitern des Krankenhauses bzw. der Kinderarztpraxis, die sich ebenfalls infiziert haben.
Bei dem Report handelt es sich um die 1. Infektion mit A (H9N2) in 2024 aus Indien. In 2019 hatten Behörden der WHO 1 Fall gemeldet.
Vogelgrippe: Wie gut sind wir auf eine mögliche Pandemie vorbereitet?
In den USA breitet sich H5N1 weiter aus. Wie der dortige Landwirtschaftsverband schreibt, seien 25 Herden in Michigan, 22 in Idaho, 18 in Texas, 10 in Colorado, 8 in New Mexico, 5 in South Dakota, 4 in Kansas, je 3 in Minnesota und Iowa und je 1 in North Carolina, Ohio und Wyoming betroffen.
„Eine Grippepandemie steht seit langem ganz oben auf der Liste der globalen Gesundheitsbedrohungen und die Vogelgrippe stellt ein besonders ernstes Problem dar“, heißt es in einem redaktionellen Beitrag von The Lancet . H5N1 hat seit seiner Identifizierung im Jahr 1996 über 800 Menschen infiziert; die Mortalität liegt über 50%.
Seit 2020 ist das Virus in Vogelpopulationen endemisch geworden und hat eine beispiellose Tierpandemie ausgelöst, von der mindestens 26 Säugetierarten betroffen sind. Trotz Forderungen nach einer verstärkten Überwachung reagierten die USA nur langsam und viele Fälle bleiben wahrscheinlich unentdeckt.
Bleibt als Lichtblick: „Alle momentan für saisonale Influenza verwendeten Klassen von antiviralen Medikamenten funktionieren (zumindest in vitro) gut gegen die momentanen H5N1-Stämme“, sagt Prof. Dr. Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, USA, gegenüber dem Science Media Center SMC. „Daher sollte auch eine Therapie mit diesen Medikamenten bei Infizierten gut funktionieren.“ Impfstoffe gegen H5N1 seien entwickelt und Impfstämme, die zu den momentan zirkulierenden H5N1-Viren – auch in Kühen – passten, seien vorhanden.
Doch jetzt ist es an der Zeit, zu handeln: „Ich glaube, man sollte vorsorglich Therapeutika einlagern (…)“, rät Krammer. „Impfstoffe sind nur sehr begrenzt verfügbar und sollten produziert und eingelagert werden. Das ist aber machbar, wenn man jetzt damit beginnt.“
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