Wolfgang Bunzel | Goethe-Universität Frankfurt am Main (original) (raw)
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Papers by Wolfgang Bunzel
Wälder. Von der Romantik in die Zukunft. Ein Thema – drei Museen – drei Perspekti-ven.Hrsg. von Anne Bohnenkamp-Renken, Brigitte Franzen, Nicola Lepp, Kathrin Meyer. Frankfurt a.M./Bad Homburg: Deutsches Romantik-Museum/Senckenberg Na-turmuseum Frankfurt/Museum Sinclair Haus – Stiftung Kunst und ..., 2024
De Gruyter eBooks, May 30, 2013
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts, Dec 2, 2019
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts
Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-krit... more Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-kritische Frankfurter Brentano-Ausgabe in nahezu jedem ihrer Bände ungedruckte Texte des Autors enthält, kommt es doch nur sehr selten vor, dass ein bislang gänzlich unbekanntes Werk auftaucht. Ein solcher, durchaus spektakulär zu nennender Fund kann nun hier präsentiert werden. Im Zusammenhang der Arbeiten an Band 13,2 der Edition, der Dramen, Dramenfragmente und -pläne enthält, 1 ist es nämlich gelungen, die anonym, ohne Jahreszahl und mit bewusst irreführender Ortsangabe erschienene Verssatire ›Das Maifeld von St. Helena‹ zweifelsfrei Clemens Brentano zuzuschreiben.
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts
WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) eBooks, 2008
Frankfurter Goethe-Haus, 2012
Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Da die relative Merkmalsarmut der Textform eine Vielzahl von Funktionszuschreibungen gestattet-da... more Da die relative Merkmalsarmut der Textform eine Vielzahl von Funktionszuschreibungen gestattet-darunter solche, die vom Gattungsinventor ursprünglich nicht vorgesehen waren oder von bisherigen Gattungsnutzern nicht ausgereizt worden sind-, konnte das Prosagedicht besonders leicht den Gegebenheiten unterschiedlichster Autorpoetiken angepaßt werden. Dieser Umstand ließ das Genre zu einer der wandlungsfähigsten Gattungen der Literaturgeschichte werden. 1 Die außerordentliche Flexibilität des Kommunikationstyps Prosagedicht zeigt sich schon in den Anfängen der Gattungsentwicklung, präsentieren sich doch gleich die ersten Versuche in diesem Genre, die nach Baudelaires Tod unternommen worden sind, als durchaus eigenwillige Neuschöpfungen. Einen regelrechten Alternativentwurf zu den Petits poemes en prose stellen die Stichotvorenija ν prvqe (Gedichte in Prosa) 2 des in Frankreich lebenden russischen Autors Ivan Turgenev (1818-1883) dar. Hier erscheint das Prosagedicht als eine verdichtete und damit nurmehr indirekt am Muster der Verslyrik orientierte Form >moderner< Kurzprosa-eine Gattungsvariante, die sich später besonders im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit erfreuen sollte. Daß in Turgenevs Stichotvorenija ν pro%e die Auseinandersetzung mit der Verslyrik keine nennenswerte Rolle spielt, 3 hängt sowohl mit der Werkentwicklung dieses Schriftstellers als auch mit seinem an der >klassischen< französischen und deutschen Schon Bernard bestimmt das Prosagedicht als »genre protee« und hebt seinen »polymorphisme« hervor; Suzanne Bernard: Le poeme en prose de Baudelaire jusqu'ä nos jours, S. 9 und 11. Namen, Begriffe oder Texte in kyrillischer Schrift werden im folgenden transliteriert wiedergegeben und anschließend ins Deutsche übersetzt. Gasde hat denn auch zu Recht von »Turgenevs besonderem Weg zum Prosagedicht«< gesprochen: »Im Gegensatz zu Baudelaire und den meisten anderen Autoren von Prosagedichten kam Turgenev [...] nicht von der Verslyrik [...], sondern von der physiologischen Skizze, dem Roman und der Novelle«; Christa Gasde: Das Prosagedicht-ein Traum. Zu Turgenevs Stamcha und einem Feuilleton von Luwig Pietsch. In: Beiträge und Skizzen zum Werk Ivan Turgenevs. [Hrsg. von Johannes Holthusen.] München: Verlag Otto Sagner 1977 (= Slavistische Beiträge 116), S. 125 und 120f. Voreilig erscheint es dagegen, wenn die Verfasserin daraus den Schluß zieht: »Wenn ihn also die Gattung >stichotvorenie ν proze< [...] von irgendwelchen >Fesseln< befreite, dann nicht von denen des Verses, sondern von denen der Fabel.« Ebd., S. 120f.
Politics, Religion, and Art
Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Die mit der vergleichsweise raschen Durchsetzung des deutschen Naturalismus in den achtziger Jahr... more Die mit der vergleichsweise raschen Durchsetzung des deutschen Naturalismus in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts einhergehende Privilegierung mimetischer Literaturkonzepte begann in dem Maße problematisch zu werden, in dem der Stellenwert der Kunst in der Moderne insgesamt als gefährdet empfunden wurde. Angesichts der zunehmenden medialen Konkurrenz durch bild-und tonspeichernde Medien (Photo-und Phonographie) drohte der Literatur der Verlust ihrer bisherigen Funktion 1-eine Gefahr, die es als wenig sinnvoll erscheinen ließ, das künsderische Leitziel weiterhin vorrangig darin zu suchen, Realität einfach abzubilden und sie damit auf ästhetischem Wege zu verdoppeln. Diese Legitimationskrise des mimetischen Prinzips führte zu einer verstärkten Empfänglichkeit für selbstbezügliche Formen literarischen Ausdrucks, die zu dieser Zeit allerdings nur außerhalb des deutschen Sprachraums zu finden waren. Als konsequenteste Befürworter des ästhetizistisch-autoreflexiven Kommunikationstyps können dabei die parnassischen und symbolistischen Vertreter der französischen l'art pour l'art-Bewegung gelten. Deren lange wenig interessant wirkende-da in Deutschland allzu vertraute-»markante Pointierung autonomieästhetischen Denkens« 2 entwickelte mit einem Mal ungeahnte Faszinationskraft, schien sich so doch ein gangbarer Weg zu eröffnen, wie vor dem Hintergrund rapide schwindender sozialer Verbindlichkeit von Kunst deren Status auf eingeschränktem, aber dennoch festem, weil unangefochtenem Terrain längerfristig zu sichern sei. Im Zuge der einsetzenden Symbolismus-Rezeption, die sich parallel mit der nicht minder wichtigen, lebhaften Aufnahme der Philosophie Nietzsches ereignete, kam es zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts ideologisch wie ästhetisch zu einem folgenschweren Paradigmenwechsel, der die bewußtseins-und literaturgeschichtlichen Rahmenbedingungen der deutschen Literatur grundlegend veränderte. So prophezeite etwa Bleibtreu schon 1886: »Die Neue Poesie wird [...] darin bestehen, Realismus und Romantik derartig zu verschmelzen, dass die naturalistische Wahrheit der trokkenen und ausdruckslosen Photographie sich mit der künstlerischen Lebendigkeit idealer Composition verbindet.« Carl Bleibtreu: Revolution der Literatur, S. 31. Vgl. Annette Simonis: Literarischer Asthetizismus. Theorie der arabesken und hermetischen Kommunikation der Moderne, S. 19. 157 Formen bombastischer Repräsentationskunst ereignete. 8 Dies gelang vor allem durch die starke Orientierung am Vorbild Nietzsche, 9 der nicht nur als wirkmächtiger Philosoph, sondern zugleich auch als literarischer Formeninnovator angesehen wurde. Die Bezugnahme auf aktuelle französische Muster blieb demgegenüber vergleichsweise schwach und erfolgte zudem vorrangig auch nur über die Vermittlung österreichischer Autoren. Auf diese Weise kam es zu merkwürdigen ästhetisch-ideologischen Inkongruenzen, so beispielsweise wenn sich der im Gefolge der Nietzsche-Verehrung neuerwachte Kult der genialischen Künstlerpersönlichkeit im Umkreis der im Dezember 1890 von Otto Julius Bierbaum zusammen mit Julius Schaumberger, Hanns von Gumppenberg und Georg Schaumberg gegründeten Gesellschaft für modernes Leben<-erster Vorsitzender dieses weiteren institutionellen Kristallisationskerns war wiederum Michael Georg Conrad; Anna Croissant-Rust gehörte der Vereinigung als einzige Frau an-mit Konzepten einer sozialen Gebrauchskunst 10 amalgamierte. Gerade deshalb aber erweist sich die Münchner Moderne nicht nur als wichtige Relaisstation im Ubergang von der Diskursformation g Hinweise zur soziokulturellen Differenzierung der drei wichtigsten Großstädte im deutschsprachigen Raum finden sich bei Jens Malte Fischer: Die Großstädte und die Künstler um die Jahrhundertwende.
Mit diesem Band wird die dreibandige Edition des Briefwechsels von Bettine von Arnim mit ihren So... more Mit diesem Band wird die dreibandige Edition des Briefwechsels von Bettine von Arnim mit ihren Sohnen Freimund (Band 1), Siegmund (Band 2) und Friedmund (Band 3) abgeschlossen.Der Briefwechsel zwischen Bettine von Arnim und ihrem zweitaltesten Sohn Siegmund ist eine der ungewohnlichsten Eltern Kind Korrespondenzen uberhaupt. Siegmund war politisch konservativ bis zum Reaktionaren und verfolgte seine Uberzeugungen mit Unnachgiebigkeit und Dogmatismus. Die Schriftstellerei seiner Mutter lehnte er ebenso ab wie ihr politisches und soziales Engagement. Obwohl der Sohn sie immer wieder verbal attackierte und ihr harsche Vorwurfe machte, dass sie ihre Funktion als Mutter nicht adaquat ausfulle, setzte sich Bettine von Arnim wiederholt nachdrucklich fur ihn ein. Indem sie ihm in ihren Briefen ausfuhrliche Darstellungen der politischen und sozialen Verhaltnisse in Berlin lieferte, versuchte sie ihn zugleich von der Richtigkeit ihrer politischen Ansichten zu uberzeugen. Siegmunds Briefe doku...
Während in Deutschland noch im Erscheinungsjahr der ersten Übersetzungen von Turgenevs Stichotvot... more Während in Deutschland noch im Erscheinungsjahr der ersten Übersetzungen von Turgenevs Stichotvottnija ν proste das neue Gattungsmodell aufgegriffen wurde, verging in Osterreich ein ganzes Jahrzehnt, bis es zur Abfassung von Prosagedichten kam. Diese merkwürdige zeitliche Verschiebung resultiert nicht etwa-wie man vielleicht vermuten könnte-aus einer nur schwachen Turgenev-Rezeption im Nachbarland, 1 sondern hängt vielmehr mit charakteristischen Unterschieden im Literatursystem beider Nationen zusammen. 2 So war es in der Donaumonarchie nicht zu einer wirklichen »Emancipation« der Erzählprosa gekommen, 3 weil das Drama und die Lyrik in der akademischen Poetik ebenso wie in der literarischen Produktion der zeitgenössischen Autoren ihre Vormachtstellung behaupten konnten. Die damit verbundene Persistenz einer >klassischen<, den Prämissen des Idealismus verpflichteten Gattungshierarchie wiederum hatte erheblich dazu beigetragen, daß sich das Realismusparadigma in der Ästhetik kaum-und wenn, dann nur ansatzweise-durchzusetzen vermochte. Eine mit den übrigen europäischen Nationalliteraturen vergleichbare naturalistische Bewegung schließlich blieb in Österreich fast gänzlich aus. 4 Kurz gesagt: Es bestand dort geraume Zeit kein spezifisches >Bedürfnis< nach An-7
Wälder. Von der Romantik in die Zukunft. Ein Thema – drei Museen – drei Perspekti-ven.Hrsg. von Anne Bohnenkamp-Renken, Brigitte Franzen, Nicola Lepp, Kathrin Meyer. Frankfurt a.M./Bad Homburg: Deutsches Romantik-Museum/Senckenberg Na-turmuseum Frankfurt/Museum Sinclair Haus – Stiftung Kunst und ..., 2024
De Gruyter eBooks, May 30, 2013
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts, Dec 2, 2019
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts
Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-krit... more Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-kritische Frankfurter Brentano-Ausgabe in nahezu jedem ihrer Bände ungedruckte Texte des Autors enthält, kommt es doch nur sehr selten vor, dass ein bislang gänzlich unbekanntes Werk auftaucht. Ein solcher, durchaus spektakulär zu nennender Fund kann nun hier präsentiert werden. Im Zusammenhang der Arbeiten an Band 13,2 der Edition, der Dramen, Dramenfragmente und -pläne enthält, 1 ist es nämlich gelungen, die anonym, ohne Jahreszahl und mit bewusst irreführender Ortsangabe erschienene Verssatire ›Das Maifeld von St. Helena‹ zweifelsfrei Clemens Brentano zuzuschreiben.
Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts
WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) eBooks, 2008
Frankfurter Goethe-Haus, 2012
Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Da die relative Merkmalsarmut der Textform eine Vielzahl von Funktionszuschreibungen gestattet-da... more Da die relative Merkmalsarmut der Textform eine Vielzahl von Funktionszuschreibungen gestattet-darunter solche, die vom Gattungsinventor ursprünglich nicht vorgesehen waren oder von bisherigen Gattungsnutzern nicht ausgereizt worden sind-, konnte das Prosagedicht besonders leicht den Gegebenheiten unterschiedlichster Autorpoetiken angepaßt werden. Dieser Umstand ließ das Genre zu einer der wandlungsfähigsten Gattungen der Literaturgeschichte werden. 1 Die außerordentliche Flexibilität des Kommunikationstyps Prosagedicht zeigt sich schon in den Anfängen der Gattungsentwicklung, präsentieren sich doch gleich die ersten Versuche in diesem Genre, die nach Baudelaires Tod unternommen worden sind, als durchaus eigenwillige Neuschöpfungen. Einen regelrechten Alternativentwurf zu den Petits poemes en prose stellen die Stichotvorenija ν prvqe (Gedichte in Prosa) 2 des in Frankreich lebenden russischen Autors Ivan Turgenev (1818-1883) dar. Hier erscheint das Prosagedicht als eine verdichtete und damit nurmehr indirekt am Muster der Verslyrik orientierte Form >moderner< Kurzprosa-eine Gattungsvariante, die sich später besonders im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit erfreuen sollte. Daß in Turgenevs Stichotvorenija ν pro%e die Auseinandersetzung mit der Verslyrik keine nennenswerte Rolle spielt, 3 hängt sowohl mit der Werkentwicklung dieses Schriftstellers als auch mit seinem an der >klassischen< französischen und deutschen Schon Bernard bestimmt das Prosagedicht als »genre protee« und hebt seinen »polymorphisme« hervor; Suzanne Bernard: Le poeme en prose de Baudelaire jusqu'ä nos jours, S. 9 und 11. Namen, Begriffe oder Texte in kyrillischer Schrift werden im folgenden transliteriert wiedergegeben und anschließend ins Deutsche übersetzt. Gasde hat denn auch zu Recht von »Turgenevs besonderem Weg zum Prosagedicht«< gesprochen: »Im Gegensatz zu Baudelaire und den meisten anderen Autoren von Prosagedichten kam Turgenev [...] nicht von der Verslyrik [...], sondern von der physiologischen Skizze, dem Roman und der Novelle«; Christa Gasde: Das Prosagedicht-ein Traum. Zu Turgenevs Stamcha und einem Feuilleton von Luwig Pietsch. In: Beiträge und Skizzen zum Werk Ivan Turgenevs. [Hrsg. von Johannes Holthusen.] München: Verlag Otto Sagner 1977 (= Slavistische Beiträge 116), S. 125 und 120f. Voreilig erscheint es dagegen, wenn die Verfasserin daraus den Schluß zieht: »Wenn ihn also die Gattung >stichotvorenie ν proze< [...] von irgendwelchen >Fesseln< befreite, dann nicht von denen des Verses, sondern von denen der Fabel.« Ebd., S. 120f.
Politics, Religion, and Art
Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Die mit der vergleichsweise raschen Durchsetzung des deutschen Naturalismus in den achtziger Jahr... more Die mit der vergleichsweise raschen Durchsetzung des deutschen Naturalismus in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts einhergehende Privilegierung mimetischer Literaturkonzepte begann in dem Maße problematisch zu werden, in dem der Stellenwert der Kunst in der Moderne insgesamt als gefährdet empfunden wurde. Angesichts der zunehmenden medialen Konkurrenz durch bild-und tonspeichernde Medien (Photo-und Phonographie) drohte der Literatur der Verlust ihrer bisherigen Funktion 1-eine Gefahr, die es als wenig sinnvoll erscheinen ließ, das künsderische Leitziel weiterhin vorrangig darin zu suchen, Realität einfach abzubilden und sie damit auf ästhetischem Wege zu verdoppeln. Diese Legitimationskrise des mimetischen Prinzips führte zu einer verstärkten Empfänglichkeit für selbstbezügliche Formen literarischen Ausdrucks, die zu dieser Zeit allerdings nur außerhalb des deutschen Sprachraums zu finden waren. Als konsequenteste Befürworter des ästhetizistisch-autoreflexiven Kommunikationstyps können dabei die parnassischen und symbolistischen Vertreter der französischen l'art pour l'art-Bewegung gelten. Deren lange wenig interessant wirkende-da in Deutschland allzu vertraute-»markante Pointierung autonomieästhetischen Denkens« 2 entwickelte mit einem Mal ungeahnte Faszinationskraft, schien sich so doch ein gangbarer Weg zu eröffnen, wie vor dem Hintergrund rapide schwindender sozialer Verbindlichkeit von Kunst deren Status auf eingeschränktem, aber dennoch festem, weil unangefochtenem Terrain längerfristig zu sichern sei. Im Zuge der einsetzenden Symbolismus-Rezeption, die sich parallel mit der nicht minder wichtigen, lebhaften Aufnahme der Philosophie Nietzsches ereignete, kam es zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts ideologisch wie ästhetisch zu einem folgenschweren Paradigmenwechsel, der die bewußtseins-und literaturgeschichtlichen Rahmenbedingungen der deutschen Literatur grundlegend veränderte. So prophezeite etwa Bleibtreu schon 1886: »Die Neue Poesie wird [...] darin bestehen, Realismus und Romantik derartig zu verschmelzen, dass die naturalistische Wahrheit der trokkenen und ausdruckslosen Photographie sich mit der künstlerischen Lebendigkeit idealer Composition verbindet.« Carl Bleibtreu: Revolution der Literatur, S. 31. Vgl. Annette Simonis: Literarischer Asthetizismus. Theorie der arabesken und hermetischen Kommunikation der Moderne, S. 19. 157 Formen bombastischer Repräsentationskunst ereignete. 8 Dies gelang vor allem durch die starke Orientierung am Vorbild Nietzsche, 9 der nicht nur als wirkmächtiger Philosoph, sondern zugleich auch als literarischer Formeninnovator angesehen wurde. Die Bezugnahme auf aktuelle französische Muster blieb demgegenüber vergleichsweise schwach und erfolgte zudem vorrangig auch nur über die Vermittlung österreichischer Autoren. Auf diese Weise kam es zu merkwürdigen ästhetisch-ideologischen Inkongruenzen, so beispielsweise wenn sich der im Gefolge der Nietzsche-Verehrung neuerwachte Kult der genialischen Künstlerpersönlichkeit im Umkreis der im Dezember 1890 von Otto Julius Bierbaum zusammen mit Julius Schaumberger, Hanns von Gumppenberg und Georg Schaumberg gegründeten Gesellschaft für modernes Leben<-erster Vorsitzender dieses weiteren institutionellen Kristallisationskerns war wiederum Michael Georg Conrad; Anna Croissant-Rust gehörte der Vereinigung als einzige Frau an-mit Konzepten einer sozialen Gebrauchskunst 10 amalgamierte. Gerade deshalb aber erweist sich die Münchner Moderne nicht nur als wichtige Relaisstation im Ubergang von der Diskursformation g Hinweise zur soziokulturellen Differenzierung der drei wichtigsten Großstädte im deutschsprachigen Raum finden sich bei Jens Malte Fischer: Die Großstädte und die Künstler um die Jahrhundertwende.
Mit diesem Band wird die dreibandige Edition des Briefwechsels von Bettine von Arnim mit ihren So... more Mit diesem Band wird die dreibandige Edition des Briefwechsels von Bettine von Arnim mit ihren Sohnen Freimund (Band 1), Siegmund (Band 2) und Friedmund (Band 3) abgeschlossen.Der Briefwechsel zwischen Bettine von Arnim und ihrem zweitaltesten Sohn Siegmund ist eine der ungewohnlichsten Eltern Kind Korrespondenzen uberhaupt. Siegmund war politisch konservativ bis zum Reaktionaren und verfolgte seine Uberzeugungen mit Unnachgiebigkeit und Dogmatismus. Die Schriftstellerei seiner Mutter lehnte er ebenso ab wie ihr politisches und soziales Engagement. Obwohl der Sohn sie immer wieder verbal attackierte und ihr harsche Vorwurfe machte, dass sie ihre Funktion als Mutter nicht adaquat ausfulle, setzte sich Bettine von Arnim wiederholt nachdrucklich fur ihn ein. Indem sie ihm in ihren Briefen ausfuhrliche Darstellungen der politischen und sozialen Verhaltnisse in Berlin lieferte, versuchte sie ihn zugleich von der Richtigkeit ihrer politischen Ansichten zu uberzeugen. Siegmunds Briefe doku...
Während in Deutschland noch im Erscheinungsjahr der ersten Übersetzungen von Turgenevs Stichotvot... more Während in Deutschland noch im Erscheinungsjahr der ersten Übersetzungen von Turgenevs Stichotvottnija ν proste das neue Gattungsmodell aufgegriffen wurde, verging in Osterreich ein ganzes Jahrzehnt, bis es zur Abfassung von Prosagedichten kam. Diese merkwürdige zeitliche Verschiebung resultiert nicht etwa-wie man vielleicht vermuten könnte-aus einer nur schwachen Turgenev-Rezeption im Nachbarland, 1 sondern hängt vielmehr mit charakteristischen Unterschieden im Literatursystem beider Nationen zusammen. 2 So war es in der Donaumonarchie nicht zu einer wirklichen »Emancipation« der Erzählprosa gekommen, 3 weil das Drama und die Lyrik in der akademischen Poetik ebenso wie in der literarischen Produktion der zeitgenössischen Autoren ihre Vormachtstellung behaupten konnten. Die damit verbundene Persistenz einer >klassischen<, den Prämissen des Idealismus verpflichteten Gattungshierarchie wiederum hatte erheblich dazu beigetragen, daß sich das Realismusparadigma in der Ästhetik kaum-und wenn, dann nur ansatzweise-durchzusetzen vermochte. Eine mit den übrigen europäischen Nationalliteraturen vergleichbare naturalistische Bewegung schließlich blieb in Österreich fast gänzlich aus. 4 Kurz gesagt: Es bestand dort geraume Zeit kein spezifisches >Bedürfnis< nach An-7