Psychopharmaka absetzen – gewusst wie (original) (raw)

Kompetente Hilfen beim Wunsch, Psychopharmaka abzusetzen

›Perspektiven der psychiatrischen Krankenhäuser – Mit und ohne Bett‹. Tagungsdokumentation 25./26. und 27. September 2023 in Berlin, 2024

Psychopharmaka absetzen als bloßen Wunsch zu bezeichnen, würde der häufigen medizinischen Notwendigkeit, angesichts sich abzeichnender chronischer oder lebensbedrohlicher Wirkungen von Psychopharmaka diese Substanzen rasch abzusetzen, nur ein geringes Gewicht geben. Das Absetzen kann auch die Folge der Erkenntnis sein, dass ihre prophylaktischen Wirkungen mehr eine Behauptung als eine nachgewiesene Wirkung sind. Dem Entschluss zum Absetzen liegen oft genug befürchtete Rezeptorenveränderungen, die zu erheblichen Problemen beim Absetzen führen können, zugrunde. Und natürlich handelt es sich beim Absetzen von Psychopharmaka auch und insbesondere um die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts und des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit. Einzig angesichts der praktizierten strukturellen Verletzung dieser Rechte wäre es berechtigt, von einem Wunsch zu sprechen – von einem Wunsch nach kompetenter Hilfe. Da diese Hilfen – entgegen den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und der WHO – in der Regel bisher nicht gewährt werden, sehen die Betroffenen oft nur den Ausweg, auf eigene Faust vorzugehen.

Wo bleiben die neuen Wege beim Absetzen von Psychopharmaka?

Soziale Psychiatrie, 2022

Im Rahmen der DGSP-Jahrestagung 2021 in Bremen organisierten Uwe Gonther und Peter Lehmann ein Symposium, für dessen inhaltliche Ausrichtung sie verantwortlich zeichneten: »Wo bleiben die neuen Wege beim Absetzen von Psychopharmaka?«. Die Podiumsteilnehmenden des Symposiums haben ihre dort gehaltenen jeweiligen Beiträge für »Soziale Psychiatrie« zusammengefasst. Seit über einem halben Jahrhundert weiß man von den immensen Problemen beim Absetzen von Psychopharmaka. Seit drei Jahrzehnten weiß man von der um 20 bis 25 Jahre reduzierten Lebenserwartung von Menschen mit ernsten psychiatrischen Diagnosen (und entsprechender Verabreichung oft gesundheitsschädlicher Psychopharmaka). Immer wieder wird von Betroffenenseite und von engagierten psychiatrisch Tätigen eine kompetente Begleitung beim Absetzen von Psychopharmaka eingefordert, mittlerweile sogar von der »S3-Leitlinie Schizophrenie«. Doch abgesehen von zaghaften Ansätzen ambulanter, teilstationärer und stationärer Unterstützung beim Absetzen bleibt die Masse der Betroffenen ohne jegliche Unterstützung. Dazu desinformiert die Pharmaindustrie die Ärzte- und Patientenschaft. Es gebe keine Abhängigkeit und Entzugsprobleme, man könne die Psychopharmaka meist rasch in 1 bis 2 Wochen absetzen. Wie kann dies zum Wohle der Betroffenen geändert werden? Wo bekommen Betroffene Hilfe? Wie können Angehörige konstruktiv in Reduktionsprozesse einbezogen werden? Wie sähe eine optimale Hilfe beim Absetzen von Psychopharmaka aus?

Indikationen zum Absetzen ärztlich verschriebener Psychopharmaka

›Perspektiven der psychiatrischen Krankenhäuser – Mit und ohne Bett‹. Tagungsdokumentation 25./26. und 27. September 2023 in Berlin, 2024

Die Bewertung von Neuroleptika und Antidepressiva steht primär den Behandelten zu. Die einen finden sie hilfreich, die anderen verabscheuen sie. Fakt ist, und darauf kommt es hier an, dass viele sie absetzen, jedoch keine Informationen über Entzugsprobleme und deren Milderung und keine Unterstützung bekommen. Ärztlich Tätige müssen diese Psychopharmaka im Falle akut lebensbedrohlicher »Nebenwirkungen« sofort absetzen. Absetzen kann man aber auch zur Vorbeugung gesundheitlicher Schädigungen, als Reaktion auf bereits eingetretene Schäden, aufgrund der zweifelhaften prophylaktischen Wirkung oder zur Vermeidung von Toleranzbildung, Rezeptorenveränderungen, Behandlungsresistenz und Medikamentenabhängigkeit. Über allem stehen die »Freiheit zur Krankheit«, das Recht auf Gesundheit und das Selbstbestimmungsrecht. Besondere Berücksichtigung sollten die UN-Behindertenrechtskonvention und die WHO finden, die Hilfeprogramme für Personen einfordern, die ärztlich verschriebene Psychopharmaka absetzen wollen.

Ärztlich verschriebene Psychopharmaka: Antidepressiva und Neuroleptika (›Antipsychotika‹) risikoarm absetzen

Walnussblatt, 2024

Worauf müssen Ärztinnen und Ärzte, Psychiater inklusive, sowie Betroffene und Angehörige beim Reduzieren und Absetzen achten? Welche Hilfen sind möglich, wenn man mit dem Absetzen alleine nicht klarkommt? Psychopharmaka werden millionenfach verschrieben. In ihrer Ausbildung lernen Ärzte, wie man sie verabreicht. Jedoch nicht, wie man sie wieder absetzt. Die Verabreichungszahlen steigen ständig. Auch in Altersheimen stellt man immer mehr störende und unbequeme Menschen mit Psychopharmaka ruhig. Seid froh, wenn Ihr noch nicht betroffen seid.

Einleitung zu »Psychopharmaka reduzieren und absetzen – Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige«

Psychopharmaka reduzieren und absetzen – Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige, 2023

»Psychopharmaka reduzieren und absetzen« präsentiert Erkenntnisse und Erfahrungen von professionell Tätigen, Betroffenen und Angehörigen, um Menschen zu helfen, die Schäden (einschließlich der Medikamentenabhängigkeit) zu verstehen, die ärztlich verschriebene Psychopharmaka verursachen – allen voran Antidepressiva und Neuroleptika (Antipsychotika), die im Mittelpunkt dieses Buches stehen. Im ersten Teil »Vorbereitung auf das Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka« zeigen die Autorinnen und Autoren, dass das Absetzen von Psychopharmaka sinnvoll und medizinisch geboten sein kann. Sie belegen die zweifelhafte prophylaktische Wirkung von Antidepressiva und Neuroleptika und die Gefahr einer Chronifizierung der ursprünglichen Probleme durch die fortgesetzte Einnahme. Dabei gibt es eine Reihe von Prädiktoren, die auf ein erfolgreiches Absetzen schließen lassen. ... Vor allem aber soll das Buch professionell Tätigen, Betroffenen, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis nicht nur Hoffnung geben, sondern eine konkrete Gebrauchsanleitung bieten, worauf sie beim Absetzen von Psychopharmaka besonders achten sollten bzw. wie sie kompetent unterstützen können.

Nebenwirkungen von Psychopharmaka: Tipps für die Praxis

Deutsche Medizinische Wochenschrift, 2017

Psychopharmaka sind hochwirksame, aber auch mit Nebenwirkungen behaftete Medikamente, die für viele Patienten unverzichtbar sind. Der Umgang mit Nebenwirkungen-Zuwarten, Dosisreduktion, Medikamentenwechsel, Zugabe eines "Antidots" sowie spezielle Verhaltensmaßnahmenhängt von ihrer Art, Schwere und dem Wunsch des Patienten ab. Dieser Beitrag soll Arzt und Patient Entscheidungshilfen bei häufigen und beeinträchtigenden Nebenwirkungen bieten.

Polypharmazie bei schizophrenen Psychosen

Der Nervenarzt, 2011

Schizophrene Psychosen [30] zählen zu den häufigsten seelischen Erkran kungen, verursachen bei den Betrof fenen und ihren Angehörigen oft sehr einschneidende und leidvolle Erfah rungen und führen außerdem zu ho hen sozioökonomischen Kosten. Hier zu trägt die komplexe psychophar makologische Therapie, gerade in Mehrfachkombinationen (Polyphar mazie), in relevantem Umfang bei. Als Goldstandard der Therapie schi zophrener Psychosen wird von vielen Fachgesellschaften die Monotherapie mit einem Antipsychotikum der 2. Ge neration ("second generation anti psychotic", SGA) empfohlen, im Falle einer Therapieresistenz unter ande ren Substanzen schließlich mit Cloza pin . Die wichtigsten Argumente gegen die Kombination unterschied licher Antipsychotika sind neben der Gefahr additiver Nebenwirkungen und dem möglichen Verlust der aty pischen Eigenschaften der eingesetz ten Präparate insbesondere hohe Kosten, pharmakokinetische Interak tionen, insuffiziente Evidenz aus kli nischen Studien und die sog. "Kombi nationsfalle" im Sinne einer zwar in tendierten, jedoch nur unvollstän dig durchgeführten medikamentösen Umstellung.

Unterstützte Entscheidungsfindung und Aufklärung über Psychopharmaka und Elektroschocks

Selbstbestimmung und Solidarität. Unterstützte Entscheidungsfindung in der psychiatrischen Praxis (Hg. von Martin Zinkler, Candelaria Mahlke & Rolf Marschner), 2019

Bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen sind viele Entscheidungen zu treffen. Nicht selten wird dabei Zwang ausgeübt. Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention sollen Behandelnde, Betreuende und Angehörige jedoch nicht mehr stellvertretend für psychisch erkrankte Menschen entscheiden, sondern bei anstehenden Entscheidungen umfassend informieren und unterstützen, je nach Ausmaß der Behinderung und nach Komplexität der Entscheidung. Dieses Buch lotet die Möglichkeiten unterstützter Entscheidungsfindung in der psychiatrischen Praxis aus. Neben der Darstellung spezifischer Herausforderungen bei bestimmten psychischen Störungen finden sich darin viele praktische Hinweise für die Betreuung, Begleitung und Therapie, insbesondere in kritischen klinischen Situationen. Empfehlenswert für alle Akteure im psychiatrischen Hilfesystem.