Kulturen der Mündlichkeit im Mittelalter (original) (raw)
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Mündlichkeit: aktuelle Entwicklungen in verschiedenen Kontexten
Swiss Journal of Educational Research
Positionierung der Mündlichkeit in der Schule Mündlichkeit nahm in Erziehungswissenschaft und Sprachdidaktik schon immer eine Sonderstellung ein. Bis in die 70er Jahre wurde sie aufgrund einer fast ausschliesslichen Fokussierung auf die Schriftlichkeit (Literatur, Schreiben, Grammatik, Rechtschreibung) und trotz einer hohen Bedeutungszuschreibung durch die Linguistik (de Saussure, 1967) von der Schule und vom Unterricht als «Stiefkind» der sprachlichen Bildung behandelt. Seit den 70er Jahren, im Zuge der sogenannten pragmatisch-kommunikativen Wende in der Sprach-und Fremdsprachdidaktik, begann eine erste Aufwertung der Mündlichkeit. Im Kontext der Sprachphilosophie von Habermas, der Sprechakttheorie und den verhaltenspsychologischen Theorien von Watzlawick (1969) und Schulz v. Thun (1981) rückte das kommunikative Handeln ins Zentrum-diskutiert wurden der schichtspezifische Sprachgebrauch, die Chancengerechtigkeit und Emanzipation, die Kommunikationsbeziehung etc. Das didaktische Lernfeld «mündlicher Sprachgebrauch» wurde konstituiert und verlangte nach spezifischen didaktischen und methodischen Vorgehensweisen (Kochan & Kochan, 1986). Die theoretischen und didaktischen Ansätze, die der mündlichen Kommunikation einen wichtigen Platz einräumten, konnten sich aber nicht wirksam durchsetzen. Die Konzeption von Kommunikation (und Mündlichkeit)wesentlich auch auf den « jakobsonschen » Parametern kommunikativer Funktionen basierend (expressiv, konativ, phatisch usw.)-blieb insgesamt zu breit und vage und konnte wenig Nachhaltiges zu einer Modellierung mündlicher Produktion und Rezeption in der Schule beitragen. Die Unterrichtspraxis entwickelte sich nicht so, wie man es sich gewünscht hätte, und sie konnte den Anforderungen, die in den pädagogischen Werken formuliert waren, nicht entsprechen. Bis zu Beginn der 90er Jahre blieb der fachdidaktische Hauptfokus weiterhin auf der Schriftlichkeit. In den 90er Jahren begann die Sprachdidaktik-angestossen durch neue (psycho)linguistische Arbeiten (Bronckart et al., 1985; Ehlich & Rehbein, 1986), den Fokus auf die kommunikativen Praktiken und Genres mit ihren je Revue suisse des sciences de l'éducation 33 (2) 2011, 161-166
in: Saufeder, Hirschfänger, Federspiel - Waidwerk in Franken bis zum Ende der Feudaljagd, Schriftenreihe des Städtischen Museums Kitzingen, Band 7, Kitzingen 2014
Rahmenbedingungen der Marienfrömmigkeit im späten Mittelalter
Manche Besucher mag es überraschen, dass jedes Objekt, mit dem sie zu diesem Thema konfrontiert werden, zwangsläufig unvollständig ist. Zusätzlich zur Interpretation des Kunstwerkes müssen auch die Rahmenbedingungen des Betrachtens rekonstruiert und interpretiert werden. Dieser Aufsatz befasst sich mit zwei verschiedenen Bezugssystemen, die jedoch miteinander in Verbindung stehen: erstens die materiellen Strukturen, die die Betrachtungsweise vieler Marienskulpturen formten, und zweitens die bildlichen Darstellungen von Betrachtern innerhalb solcher Rahmen. Madonnenbilder dokumentieren nicht einfach Marienfrömmigkeit. Vielmehr gewähren sie auch Einblick in die Art und Weise, wie sie in verschiedenen Kontexten von Kult und Andacht verwendet wurden. Wir sind gewohnt, klassische Skulptur in fragmentarischer Form zu sehen -was so weit geht, dass der moderne Geschmack dazu tendiert, einen zerbrochenen Torso einer vollständigen Kopie vorzuziehen. Im Gegensatz dazu verlieren mittelalterliche Skulpturen mit jedem verlorenen Körperteil oder Attribut an Eloquenz. Dieser Unterschied in der Auffassung hat nicht nur mit dem Zeitgeschmack oder dem zugrundeliegenden Kanon der Proportionen zu tun. Bei antiken Plastiken kann sich der Betrachter manchmal nicht nur unterbewusst die ganze Figur aufgrund des Fragments extrapolierend vorzustellen, sondern auch ihre äußerliche Erscheinung und Präsentation. Ungeachtet der historischen Verfälschung haben wir uns daran gewöhnt, klassische Skulptur jeglicher Farbe entblößt zu sehen, als ob sie im Originalzustand so blutleer gewesen wären wie die Gipsabgüsse, mit denen sie reproduziert werden. 1 Die meisten Skulpturen im Mittelalter, ob aus Stein oder Holz, waren in leuchtend polychromen Farben gefasst, die in fast allen Fällen im Laufe der Jahrhunderte schwer gelitten haben und von vielen Farbschichten immer wieder überdeckt ihre feinen Oberflächenkonturen verloren. 2 Beschädigungen und gefühllose Restaurierungen bezeugen nur die Distanz zwischen modernen und mittelalterlichen Anschauungsgewohnheiten. Nicht weniger wichtig sind Änderungen sowohl im kulturellen Umfeld als auch in der Verwendung für Andachtsübungen und rituelle Praxis, die alle zu dramatischen Verschiebungen führen können. 3 Ungeachtet der Verwüstungen des Bildersturms führte auch die Zerstörung von aufwändig ausgeführten Kirchenausstattungen im Namen der Modernisierung und liturgischen Reform zum Verlust oder zur dramatischen Veränderung großer Mengen mittelalterlicher Skulptur. Der Tabernakel der Madonna von Mailand im Kölner Dom ist nur eines von einer bedauernswert großen Anzahl von Beispielen (Abb. S. 42, 122). 4 Selbst wenn eine mittelalterliche Madonna relativ intakt erhalten ist, können wir nicht annehmen, dass sie ohne weiteres zur Besichtigung freistand. Berühmte Kultbilder waren oft mit Kronen und Gewändern bedeckt und in manchen Fällen mit einem abnehmbaren Christkind ausgestattet, wodurch die feineren Details der Schnitzerei und der Fassung überdeckt wurden. 5 Je mehr Beiwerk eine Madonna hatte, desto weiter war sie von der modernen ästhetischen Wahrnehmung entfernt. Ein solches Bildwerk war mehr als nur einfach eine Statue. Bewegt (zum Beispiel bei Prozessionen) als auch bewegend, im Kontext von Kult, Ritual und Andacht, hatten Marienbilder das Potential, eine beseelte, sogar lebendige Präsenz anzunehmen. Gemäß dem Glauben an Marias leibliche Aufnahme in den Himmel (was erst im 20. Jahrhundert offizielle Kirchendoktrin wurde), konnte es keine physischen Reliquien von der Jungfrau geben (außer einiger Tropfen ihrer Milch). Angeregt vom Wunsch nach Marienreliquien nahmen wundersame Gnadenbilder, zusammen mit Sekundärreliquien, sogenannten Kontaktreliquien (wie ihrem Gürtel, den sie der Überlieferung nach bei ihrer Himmelfahrt dem ungläubigen heiligen Thomas zuwarf ), die Stelle von Primärreliquien ein und verkörperten eine ähnliche Macht zu heilen, Gebete zu erhören und Wunder zu wirken. 6 Kein Wunder also, dass so viele mittelalterliche Legenden von einer lebendig gewordenen Marienstatue berichten. 121 RAHMENBEDINGUNGEN DER MARIENFRÖMMIGKEIT IM SPÄTEN MITTELALTER JEFFREY F. HAMBURGER Madonnenbild mit kniendem Mönch Missale, Prüm (?) um 1320/30 Berlin, SBB-PK Ms. theol. lat. fol. 271 fol. 13r 122 RAHMENBEDINGUNGEN DER MARIENFRÖMMIGKEIT Rekonstruktion des Tabernakels der Mailänder Madonna im Kölner Dom (nach Herbert Rode) Madonna unter Baldachin, Lektionar Westfalen um 1320 Baltimore Walters Art Museum Ms. W 148, fol. 2r 124 RAHMENBEDINGUNGEN DER MARIENFRÖMMIGKEIT Die Familie Viheli bei der Messfeier Schwaben, um 1410 Stuttgart, Württ.LM Inv.-Nr. 7796 Küsterin bei der Vorbereitung der Totenmesse süddeutsch,
Migranten in der Erzähldichtung des deutschen Mittelalters
2019
Gegenstand dieser Arbeit sind Migrationsprozesse von literarischen Migrantenfiguren in den folgenden Erzahlungen des 13. und 14. Jahrhunderts: Graf Rudolf, Arabel des Ulrich von dem Turlin, Partonopier und Meliur des Konrad von Wurzburg (darin die Figuren Gaudin und Fursin/Anshelm) und Wilhelm von Osterreich des Johann von Wurzburg. Untersucht wird die Darstellung von Auswirkungen der Migrationssituation auf die Identitatskonstitution. Methodisch wird dabei versucht, bestehende Hybriditatsansatze der Mittelaltergermanistik durch die postkolonialen Konzepte Homi K. Bhabhas gewinnbringend zu erweitern. Die Migrantenfiguren dieser Texte verbindet, dass deren Migration in den Orient bzw. in den Okzident Wechselwirkungen auslost zwischen der eigenen (ursprunglichen) Identitat und der Identitat der Angehorigen des neuen kulturellen Umfeldes. Die Werke behandeln diese Dynamiken auf diskursiver Ebene in facettenreicher Weise, sie reflektieren diese und problematisieren sie auch. In den Anal...
Religion(en) im Mittelalter und der Frühen Neuzeit
Zeitschrift für junge Religionswissenschaft, 2018
Religion(en) im Mittelalter und Früher Neuzeit »The past is a foreign country. They do things differently there« (Hartley 1953, 9). Ernst Feil hat in seiner mehrbändigen Studie zum Begriff der religio gezeigt, dass von der Antike bis zur spanischen Spätscholastik dieser Terminus in einer Weise verwendet wurde, die sich erheblich von unserem heutigen Gebrauch unterscheidet (vgl. Feil 1986-2007). In seinem Artikel »Zur Bestimmungs-und Abgrenzungsproblematik von ›Religion‹« schreibt er, »daß der Begriff ›Religion‹ seine spezifisch antik-römische Bedeutung faktisch unverändert beibehielt, bis er im 18. Jahrhundert einen epochalen Wandel erfuhr, und daß diese (neuzeitliche-protestantische) ›Religion‹ (nur) bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erlebt und erfahren wurde. Folglich kann inzwischen von ›Religion‹ im Sinne der vorausgegangenen Epochen nicht mehr die Rede sein« (Feil 2000b, 5). Hinzu komme, dass der Terminus Religion nur dort bekannt sei, wo Sprachen der westlichen Welt gesprochen und verstanden werden. In anderen Sprachen und Kulturen gebe es keine passenden Äquivalente (vgl. Feil 2007, 893).
2021
Coined by Italian humanists in an attempt to bridge the gap between the Greco-Roman ('classical') and the early modern periods (the 'Renaissance'), the 'Middle Ages' have suffered from a bad press and often appear in colloquial language as a synonym of anything dark, backward,and genuinely negative. More significantly, the definition of the term 'Middle Ages' is rooted in a Eurocentric and Christianity-centric approach to history, even though it is also commonly used in the context of some non-Christian cultures. The first section of this paper discusses the term in general, some aspects of its history, and some of its pitfalls. Amongst these are: derogatory depictions of the Middle Ages being grounded in positivist approaches to the development of civilizations; historical watersheds often perceived as suitable starting or ending points for periodization shed light on the period as a whole, especially if the watershed is a catastrophe; material evide...
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Bd. 4: Gesänge N–Z und Nachträge (Nr. 537–813). Begründet von Max Lütolf (†). In Verbindung mit Mechthild Sobiela-Caanitz, Cristina Hospenthal, Bernhard Hangarter und Max Schiendorfer hg. v. Laurenz Lütteken, Kassel u. a.
Polnische Literatur. Annäherungen. Eine illustrierte Literaturgeschichte in Epochen, hrsg. W. Walecki, tłum. M. Lami, Igel–Verlag, Krakau–Oldenburg , 1999
Stefan Sonderegger, historischer Überblick, in: Amt für Archäologie des Kantons Thurgau (Hg.), Mittelalter am Bodensee. Wirtschaftsraum zwischen Alpen und Rheinfall, Frauenfeld, 2021
Ed. by Wolfgang Haubrichs and Manfred Engel; Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 38 (2008) 151, 5-169, 2008